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7: Gedankenspiele

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Mit Tränen in den Augen stand Tea auf dem Steg. Die Haare hingen ihr vom Wind zerzaust ins Gesicht. Sie traute sich nicht mehr, auf die Yacht mit dem leblosen Körper von Torston zu schauen. Sie glaubte schon eine Ewigkeit auf Rufus Vogl zu warten. In Wirklichkeit waren erst wenige Minuten vergangen. Die Zeit blieb einfach stehen.

Eine vollkommene Anspannung hatte ihren Körper erfaßt. Ihr Herz krampfte sich zusammen, wie noch nie in ihrem Leben. Wo blieb nur Rufus?- Torston hatte sie vor 2 Jahren zum letzten Mal gesehen.

>Hallo, Hallo Tea, hier bin ich<, hörte sie Rufus beruhigende Stimme wie aus einem fernen Land.

>Gehe zurück zur Mole und warte dort auf mich, bitte. Ich bin in Eile, wir reden später zusammen.< Rufus und der Notarzt marschierten rasent schnell an ihr vorbei zum Liegeplatz der „Alabama“. Beide Männer zogen am Haltetau, bis sich das Boot auf den Steg zu bewegte und sprangen mit einem Satz an Deck. Routiniert beugten sie sich zu dem Körper hinunter und untersuchten Torston Frey.

>Er ist nicht mehr am Leben. Er hat eine tiefe Wunde in der Brust<, sagte der Notarzt.

> Ich benachrichtige sofort die Spurensicherung und unseren Gerichtsmediziner <, sagte Rufus geschäftig. Er richtete sich auf, nahm das Handy in die Hand und telefonierte mit seinen Mitarbeitern im Dezernat. Inzwischen hatte sich der Wind abgeschwächt. Es war fast windstill. Der Yachthafen lag ruhig in der Abendsonne. Tea kam sich vor, als ob sie Teil einer gespenstigen Inszenierung wäre. Rufus war von der Yacht auf den Steg gesprungen und lief auf sie zu.

>Wir müssen warten, bis mein Mitarbeiter Fabian Alt und die Mitarbeiter der Spurensicherung da sein werden. Ich kann dich leider nicht gehen lassen. Du bist Zeugin, du hast den Toten gefunden.< Rufus zeigte sich ganz als Profi und Ermittler, er vermied es, einen vertrauten Ton anzuschlagen. Er war höflich gegenüber Tea aber nicht mehr. Das fand sie ziemlich komisch. >Gut, wenn es in deinem Sinne ist.< Tea war nur zu einem kurzen Satz fähig.

>Daß Torston Frey ein solches Ende finden mußte, ist furchtbar.< Tea fing an , den Kopf zu schütteln. >Einfach unfassbar.< Rufus näherte sich ihr mit undurchdringlichem Gesicht: >Du kanntest den Toten?<

>Ja, Ich und Manfred, mein verstorbener Mann, wir kannten ihn aus dem Segelclub. Wir waren früher oft dort.< Mehr sagte Tea nicht. >Was fällt dir zu ihm ein? Ein oder zwei Details zur persönlichen Geschichte von Torston Frey <, erwiderte Rufus. Sein Ton klang immer noch geschäftsmäßig.

>Du hörst dich nach Theater an, Geschichte von Torston erzählen, möglichst als bühnenreifen Auftritt. Das ist nicht dein Ernst<, antwortete Tea fassungslos.

>Verstehe mich bitte nicht falsch. Jeder Mensch hat einen ganz persönlichen Lebenslauf mit seinem Privatleben, seinem Job, seinen Vorlieben, seinen Schwächen und seinen Feinden und Freunden natürlich. Es ist erforderlich, möglichst viel über seinen Hintergrund und sein Leben zu erfahren. Nur so haben wir die Chance, den Täter bald zu fassen<, antwortete Rufus bestimmt. Tea gab sich mit dieser Antwort zufrieden. >Bist du sicher , daß es Mord war? Vielleicht ist er verunglückt<, fragte sie.

>Es war Mord. Da bin ich sicher, ganz ohne Zweifel<, kam es von Rufus.

>Es tut mir leid, was du hier erlebst. Ich werde dich schonen, so weit es möglich ist und es die Ermittlungen zulassen.< Inzwischen saßen sie nebeneinander auf der Kaimauer und starrten auf den Hafen. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Sie schwiegen in Zweisamkeit vor sich hin. Die Wellen des Wassers klatschten an die Holzpfähle der Stege Sie machten ein gleichförmiges, fast einschläferndes Geräusch.

Nachdem die Spurensicherung eingetroffen war, ging es geschäftig und laut zu. Mehrere Beamte sprangen auf die Yacht. Dort umspannten sie den Bootskörper mit einem roten Plastikband. Das Boot hatte sich in eine weiße, pralle Praline mit einem roten Geschenkband verwandelt. Nur die Schleife fehlte. Fabian Alt, der Kollege von Rufus und engster Mitarbeiter, gesellte sich zu den beiden.

>Den Toten kenne ich. Das ist Torston Frey. Der war heute Teilnehmer bei der Regatta.< Fabian sah in seinem weißen Schutzanzug gespenstig aus. Mit Eifer informierte er sich über jede stattfindende Regatta und kannte alle Teilnehmer der Crews. Er hielt sich für einen Klassesegler, besaß aber nur Segelkenntnisse eines Anfängers.

>Das wissen wir. Frau Tea Sommerda hat Torston Frey vor einer Stunde entdeckt. Sie kennt ihn vom Segelclub. Du kennst den Toten auch, wie meinst du das?<, antwortete Rufus.

>Ich habe die Teilnehmerliste der Regatta eingesehen.Dort sind die mitsegelnden Eigner und deren Yachten aufgeführt. Mit Foto. Das heißt, der Tote ist wenigstens schon identifiziert. Wir haben ein Problem weniger. Gefunden hat man ihn also gegen 18 Uhr.Torston Frey ist der Eigner der „Alabama“. Es ist keine gemietete Yacht<, meinte Fabian und schaute Rufus vielsagend an.

>Ja, das stimmt, daß er der Bootsbesitzer ist. Wenn die Spuren gesichert sind, kannst du schon gehen<, sagte Rufus . Es klang hastig. Er wollte dringend ein paar Worte über die Lebensumstände von Torston Frey mit Tea wechseln. >Wir sind noch nicht fertig. Nicht so schnell, Chef<, entgegnete Fabian. >Dort drüben, auf dem Boot dort sitzt der Nachbar von Torston Frey. Er hat bestimmt Informationen für uns. Wir sollten ihn sofort als Zeugen befragen.<

>Du hast Recht. Machen wir.< Rufus sah seinen Mitarbeiter kurz an und wandte sich Tea zu: >Tea, kannst du hier bitte warten, bis wir fertig sind. Ruhe dich einen Augenblick aus.< Rufus benahm sich routiniert. Mit keinem Wort deutete er an, daß sie sich kannten. Es lief alles mit einem sachlichen wenn auch höflichen Austausch von spärlichen Sätzen ab. Es gab kein Wort zu viel. Fabian Alt registrierte aufmerksam, daß Rufus Tea duzte. Die beiden kannten sich also. Er hielt aber seinen Mund.

Rufus und Fabian setzten sich in Bewegung. Sie schlenderten hinüber zum Bootsliegeplatz neben Torston Freys Yacht. Tea blieb zurück und spazierte mit bleischweren Schritten an der Kaimauer entlang.

Auf dem Deck des Bootes saß ein älterer, dünner Mann in einer Art Regiestuhl und trank mit kräftigen Schlucken Rotwein aus einem Becherglas. Die halb geleerte Flasche stand neben dem Stuhlbein.

>Hallo, wir sind die Beamten vom Morddezernat in Cap Mondrian. Mein Name ist Rufus Vogl, ich bin derHauptkommissar. Neben mir steht mein Kollege Fabian Alt<, stellte Rufus sich vor. Der dünne Brustkorb des Mannes auf dem Stuhl neigte sich nach vorne. Sein kleiner Kopf pendelte mit und gerötete Augen in einem braun gegerbten Gesicht fixierten Rufus. >Wir möchten wissen, ob sie heute Nachmittag hier waren und etwas Auffälliges beobachtet haben. Auf der Nachbaryacht hat sich ein Verbrechen ereignet. Torston Frey ist tot,< sprach Rufus zu seinem Gegenüber. >Nennen Sie uns bitte Ihren Namen!<

>Ich bin Olaf Winkelmann. Ich bin seit Jahren Nachbar von Frey. Auf der Frey Yacht scheint der Teufel los. Ich bin hier ganz friedlich für mich allein, ohne meine Ehefrau und genieße den ruhigen See. Es ist mein Ritual zum Ende der Woche. Und gern lasse ich mir einen guten Rotwein schmecken.< Daraufhin setzte er das Glas an seine geröteten Lippen. Er schlürfte den Wein geräuschvoll, bis das Glas leer war. Sichtlich zufrieden leckte er sich mit der Zunge über die Lippen. Die Gewalttat in seiner unmittelbaren Umgebung scheint ihm nicht den Appetit zu verderben, dachte Rufus. Oder es war genau umgekehrt. Winkelmann betäubte sich mit Alkohol, um das Grauen zu verkraften.

Rufus versuchte den älteren Mann einzuschätzen. Er taxierte ihn auf 65 Jahre.

>Wie gut kannten Sie ihren Nachbarn<, fragte er direkt und lehnte sich an den Segelmast. Inzwischen standen Rufus und Fabian direkt vor Winkelmann. >Dazu erwarten Sie sicher eine Antwort. Ich kannte ihn nicht wirklich. Wie das so ist. Meist unterhielten wir uns über das Wetter, die Windrichtung und Windstärke. Frey stellte sich fanatisch an, wenn es ums Segeln ging. Er rauschte jedes Wochenende über den See. Ansonsten weiß ich nichts über ihn.< Winkelmann gab ihnen bereitwillig Auskunft und machte überhaupt keinen verschlossenen Eindruck.>Seit wann sind sie denn hier? Sie haben bestimmt einen neugierigen Blick nach links geworfen. Frey segelte die Regatta. Sie müssen bemerkt haben, wann sein Boot zurück kam?<

Fabian Alt hakte nach und schaute konzentriert auf die hageren, geröteten Wangen von Winkelmann.

>Stimmt. Das Boot mit der Crew machte um 15 Uhr fest. Es waren drei Männer darauf, mit Frey. Ich erinnere mich daran, weil ich in meinem Radio die Nachrichten gehört habe<, antwortete Winkelmann. >Das klingt gut. Das ist schon eine prima Information. Was haben sie noch beobachtet<, fragte Fabian weiter. >Kannten sie die beiden Männer neben Frey?< >Den jüngeren von beiden kannte ich nicht. Der ältere schien mir Jens Wegener zu sein<, beendete Winkelmann zögerlich den Satz.

>Sie sind ein wichtiger Zeuge. Es kommt auf Sie an, ihre Aussagen liefern uns Anhaltspunkte. Jede Einzelheit zählt.< Auf diese Art versuchte Rufus den Mann zu weiteren Auskünften anzuregen. Und er hatte Glück. Es kam noch ein wertvoller Hinweis. >Es gab einen lauten Wortwechsel zwischen Wegener und Frey. Sie schrien sich an<, stellte er sachlich fest. >Interessant. Worum ging es ?<, fragte Rufus.

>Es ging um Segelmanöver bei der Regatta. Ich habe Kurs und falsche Richtungswechsel gehört. Ein paar halbe Sätze. Wegener war nicht damit einverstanden, daß Frey den gesamten Kurs steuerte. Sie hatten eine andere Abmachung vereinbart.< Hiermit äußerte sich Winkelmann doch ziemlich genau, was ein Hinweis darauf war, daß er extrem gut hingehört hatte.

>Waren sie bei dem Streit zu dritt<, fragte jetzt Fabian Alt. >Nein, ich habe nur die Stimme von Wegener gehört. Ich nehme an, daß sie zu zweit waren, mehr kann ich aber nicht sagen. Ich mag freitags keine lauten Unterhaltungen. Und bin nach unten. Unter Deck bekomme ich sowieso nichts mit. Außerdem war ich müde und habe mich hingelegt.<

Winkelmann äußerte sich immer noch bereitwillig zu den Fragen von Rufus und Fabian. >Wann Jens Wegener gegangen ist, können Sie dazu etwas sagen<, wollte Rufus ganz genau wissen.

>Nein, Nein, ich bin dann eingeschlafen<, bemerkte Winkelmann. >Vielen Dank , daß sie mit uns gesprochen haben. Sie müssen noch ein Protokoll auf dem Dezernat unterschreiben<, bedankte sich Rufus. >Wenn es denn sein muß<, fuhr Winkelmann fort und goß sich nebenbei ein weiteres Glas Rotwein ein. >Was ist das für ein Tropfen<, fragte Fabian interessiert und beugte sich über die Rotweinflasche. >Das ist ein ganz solider Südtiroler Wein. Sauber produziert von einem Winzer, den ich kenne. Der Kopf bleibt klar. Ich nehme mir immer ein paar Flaschen mit, wenn ich in den Meraner Bergen Urlaub mache. Sehr empfehlenswert.<

Der dünne Mann freute sich sichtlich über das Interesse an seinen Trinkgewohnheiten. >Dann noch einen guten Schluck. Auf Wiedersehen<, meinte Fabian.

>Kennen Sie Jens Wegener persönlich, Herr Winkelmann? Diese Frage habe ich noch<, sagte Fabian völlig unverhofft. >Nein, Wegener kenne ich nicht<, murmelte er.

>Woher wissen Sie, daß der Mann Jens Wegener heißt?< Fabian ließ nicht locker und schaute Winkelmann durchdringend an. >Im Segelclub fiel der Name Jens Wegener immer im Zusammenhang mit dieser Figur, wenn wir an der Bar standen<, antwortete Winkelmann schroff. >Mochten Sie Torston Frey?<, so der abrupte Einwurf von Rufus Vogl. >Wenn Sie es genau wissen wollen, Torston Freys Angebergetue ums Segeln habe ich abgelehnt. Ich habe die Sommerregatta schon vier Mal gewonnen; Frey noch kein einziges Mal. Sein Hightechmaterial für die Segel hat er über den Klee gelobt, aber immer ist er auf einem abgeschlagenen Platz gelandet. Dann gab es noch die Prahlerei mit seinem neuen Boot, als ob wir anderen im Einbaum unterwegs wären. Segeln hat eben auch mit Gefühl zu tun. Den Wind spüren, einschätzen wie die Richtung sich ändert, die Segel danach setzen, Kurs halten. Alles das konnte Torston Frey einfach nicht. Er war ein miserabler Segler. Ich hielt mich von ihm fern. Wollte kein Glas mit ihm leeren.<

Winkelmann hatte Torston Freys Segelkünste mit eindeutigen Worten beschrieben. Sehr sympathisch war er ihm nicht, dachte Rufus . Vielleicht ein Anhaltspunkt!

>Gut, Herr Winkelmann, nochmals vielen Dank für Ihre bereitwilligen Auskünfte.< Dabei sah Rufus Fabian Alt an und registrierte ein zustimmendes Nicken.

Rufus und Fabian kletterten von Winkelmanns Yacht. Sie schlenderten zurück zur Mole. Die Bohlen des Stegs unter ihren Füssen wackelten bei jedem Schritt und knirschten leise.

>Merkwürdiger Typ, der Herr Winkelmann<, fing Fabian an. >Kein entsetzter Blick, kein Ausruf des Schreckens als er vom Tod Torston Freys erfuhr, sondern nur Gleichgültigkeit. Sie haben den gleichen Sport ausgeübt, standen sich aber nicht nahe. Normalerweise verbindet das auch, auf kameradschaftlicher Ebene.<

>Wir müssen bei seiner Aussage ein Fragezeichen machen. Vielleicht hat er weinselig zu viel gehört? Vielleicht übertreibt er mit dem Streit. So eine Regatta verwandelt ein Boot in eine Kampfarena. Da kann schon einmal ein harter Spruch fallen<, antwortete Rufus in sich gekehrt mit sehr ernstem Gesicht und ergänzte. >Mich würde interessieren, wieviel Promille er gerade im Blut hat. Mit Alkoholgenuß kann die Realität ziemlich verzerrt gesehen werden.<

>So ein Segler ist körperlich fit und durchtrainiert. Er hat einen robusten Körper, der einen Tropfen Alkohol gut verträgt. Winkelmann ist allerdings ziemlich dünn. Gelallt hat er jedenfalls nicht. Auf dem See ist es natürlich gefährlich, wenn die Boote von angetrunkenen Typen gesteuert werden. Alkohol wird immer mehr zum Problem. Es passieren häufig Unfälle. Winkelmann hat seinen Wein im Hafen konsumiert, da kann man nichts sagen.< So beschrieb Fabian Alt das Geschehen, das sie gerade erlebt hatten. Er sagte weiterhin: >Warten wir ab, was er zu Protokoll gibt.<

>Jedenfalls müssen wir die Crewmitglieder von Frey möglichst schnell vernehmen. Das ist ein wertvoller Hinweis gewesen. Wenigstens ein Ergebnis für das lange Gespräch<, ergänzte Rufus. Inzwischen konnte er seine Nervosität kaum noch verbergen. Es hatte ihm alles viel zu lange gedauert.

Er hatte ein richtig schlechtes Gewissen, als sie die Kaimauer erreichten und auf die geduldig wartende Tea trafen. >Noch zwei Sekunden, dann bin ich bei dir<,rief er ihr zu. >Ich unterhalte mich mit Tea Sommerda. Mal sehen, was sie über Herrn Frey weiß? Beziehungsweise sein Privatleben. Ich denke er hat eine Ehefrau, der wir die Schreckensmeldung übermitteln müssen. Du kannst zurück zum Dezernat fahren<, sagte Rufus zu Fabian. >In Ordnung, Chef<, kam es von Fabian. >Mache ich , es ist schon spät.< Er kratzte sich an der Nasenspitze, wohin ihn gerade eine Fliege gestochen hatte. Dabei schaute er Rufus misstrauisch an: Da gab es noch das Thema Tea Sommerda.

Tea wartete geduldig auf Rufus. Sie genoß den See mit seiner glatten Wasseroberfläche am Abend. Als Rufus endlich neben ihr stand, schaute sie ihm müde und bedrückt in die Augen. >Es tut mir wirklich leid, daß es so lange gedauert hat<, entschuldigte sich Rufus. >Macht nichts, ich mußte mich innerlich erst einmal sammeln und beruhigen. Es hat mir geholfen, eine Minute gedankenverloren in die Weite zu schauen und die glatte Oberfläche des Sees zu betrachten<, antwortete sie.

>Ich wollte unbedingt nochmal mit dir sprechen, bevor du nach Hause gehst<, sagte Rufus. >Das ist der totale Irrsinn, ich habe mit einem deiner Mordfälle zu tun. Das kommt nicht einmal in meinen perversen Albträumen vor. Warum passiert das mir?< Ungestüm kamen die Worte aus Teas Mund. Es sah so aus, als ob sich ihre aufgestaute innere Anspannung auf einmal lösen würde.

>Einfach nur ein Zufall, nichts weiter. < Rufus sprach mit sanfter Stimme auf sie ein und legte seinen Arm beruhigend um ihre Schultern. Ganz sachlich sprach er dann weiter: >In Cap Mondrian hat jeder irgendwie mit dem Segeln zu tun. Du kanntest Torston Frey aus dem Club?<

>Ja, ich kannte ihn von dort. Wir haben uns gegrüßt. Ich weiß , daß ihm die Firma „Canvas“ gehört. Er handelt mit Segelzubehör. Darum geht es also, du willst von mir möglichst viel über Torston Frey erfahren. Eine Zeugenbefragung ist das also. Stimmt es, Rufus? Dazu habe ich wirklich keine Lust.< Tea lenkte den Blick an Rufus vorbei und machte ein betrübtes Gesicht.

>Tea, bitte, habe noch einige Minuten Geduld mit mir. Ich kann nicht als Privatmann mit dir sprechen. Ich muß den Ermittlungen nachgehen. Du hast den Toten gefunden. Ich benötige einige Informationen. Da wir uns privat kennen, ist die Situation nicht unkompliziert für mich.Etwas verzwickt, ich muß neutral bleiben.< >Was möchtest du noch hören ?<, fragte Tea uninteressiert.

>Daß ihm die Firma „Canvas“ gehört, ist ein kleiner Puzzlestein in den Informationen über ihn. Was ist privat mit ihm?< fragte Rufus weiter. >Du meinst seine private Situation. Normal eben. Er ist verheiratet mit Hilda Frey. Sie haben einen erwachsenen Sohn<, sagte Tea. Sichtlich bemüht unaufgeregt zu sprechen.

>Was weißt du sonst noch?< Rufus machte weiter. > Nichts, Nichts<, kam es aus Teas Mund. >Jetzt lasse ich dich in Ruhe. Vielen Dank. Du hast mir bei meiner Arbeit sehr geholfen. Gibst du mir noch die Adresse von Hilda Frey? Hast du eine Ahnung, wo sie wohnt?< Rufus holte sich seine schwarze Mappe aus der Jacketttasche und einen Stift, wobei er Tea ununterbrochen beobachtete. >Die dritte Seitenstraße rechts von der Promenadenallee vom See aus in Richtung Zentrum. Es ist ein moderner Holzbau<, antwortete Tea schnell, einfach ein bißchen zu schnell.

> Exakt, exakt beschrieben, danach werde ich die Adresse nicht verfehlen<, bemerkte Rufus verwundert mit hoch gezogener Augenbraue. >Es ist geschafft. Ich bedanke mich bei dir. Du hast meine Fragen ausführlich beantwortet. Ich kann dich leider nicht nach Hause bringen, was ich bedaure. Ich möchte dir raten, von der heutigen Tragödie Abstand zu nehmen. Es ist schwer. Aber versuche es. Bis bald.< Rufus umarmte Tea und gab ihr rechts und links einen Kuß auf die Wange.

Nachdem Rufus weg war, fühlte Tea sich erleichtert. Sie war froh endlich allein zu sein. Sie schlug eilig den Heimweg am Seeufer ein. Ihr war klamm ums Herz.Sie fühlte sich elend. Torston ist ermordet worden und heute hatte sie Hilda, seine Ehefrau, seit zwei Jahren zum ersten Mal wiedergetroffen. Ihr war bewußt, Rufus wichtige Details verschwiegen zu haben. Sie konnte ihm jetzt nicht die Wahrheit sagen. Daß sie Torston und Hilda so gut kannte, ging Rufus schließlich nichts an, überlegte sie. Es betraf vergangene Wege ihres Privatlebens. Sie erinnerte sich an Torston und wie er gerne den seriösen Geschäftsmann gab. War er wirklich so oder war alles Fassade? Die Figur des durchtriebenen Machers würde auch gut zu ihm passen. Offensichtlich gab es Feinde, sogar einen Todfeind. Sie hörte auf über Torstons Ende zu spekulieren. Bei dem Gedanken an Hilda schlugen ihre Gefühle Purzelbäume. Sie mußte Hilda anrufen, egal wie sie sich fühlte. Ausgerechnet sie hatte Torston entdeckt, wie würde Hilda damit umgehen?

Rufus Vogl fuhr die Straßen in der Reihenfolge ab, die ihm Tea genannt hatte. Und richtig, plötzlich erspähte er zwischen weißen Villen einen modernen Holzbau. Das muß das Wohnhaus von Hilda und Torston Frey sein, dachte er. Er parkte seinen roten Kombi direkt vor dem Haus.

Am Hauseingang gab es kein Namensschild sondern nur die Nr. 10 , eingeprägt in eine rechteckige Metallplatte. Rufus klingelte kurz, worauf die schwere Eichenholztüre sofort leise aufsprang. Eine sehr schlanke Frau mit pechschwarzen kurzen Haaren stand in einem lachsfarbenen Hausanzug vor ihm. Sie starrte ihn aus dunklen unergründlichen Augen an. Der schwarz-weißer Jack Russell Terrier beschnupperte seine Füsse, bellte aber nicht. >Bleib hier, bei Fuß Georgi<,rief sie dem Hund zu.

> Ja, bitte?<, kam es von den Lippen von Hilda Frey. Es klang eher nach einem Kommando als nach einer Frage. >Mein Name ist Rufus Vogl, ich bin Hauptkommissar im Morddezernat Cap Mondrian<, stellte sich Rufus förmlich vor. >Ich nehme an, Sie sind Frau Frey?<

Hilda Frey verlor augenblicklich ihre abweisende Haltung. Sie fragte sofort: >Ist etwas mit Torston passiert? Er ist von der Regatta noch nicht zurück. Das kann ich nicht verstehen. Oder ist etwas geschehen mit meinem Sohn Felix in Wien.< Zusammen mit Hilda machte Rufus ein paar Schritte in den Hausflur. Die Haustüre fiel sanft ins Schloß, wie es sich bei einem so teuren Exemplar gehörte.

>Frau Frey, es tut mir sehr leid, ich bringe Ihnen schlechte Nachrichten. Es hat sich ein Verbrechen ereignet. Ihr Mann wurde tot auf seiner Yacht „Alabama“ entdeckt. Mein aufrichtiges Beileid.<

Rufus überbrachte die traurige Botschaft langsam und eindringlich. Er hielt es andererseits für das Beste, die Dinge gleich beim Namen zu nennen. Er beobachtete Hilda Freys Haltung und hielt jede ihrer Bewegungen fest. Sie befand sich im Schock. Mit beiden Händen bedeckte sie das Gesicht, als ihr Tränen über die Wangen liefen und ihr Make-up verschmierten. Wie in Trance drehte sie sich um und lief in den Wohnraum zum Sofa. Sie setzte sich und vergrub ihr Gesicht in den Kissen. Ihr Hund Georgi lief ihr nach. Der Hund sprang auf das Sofa und setzt sich dicht, im Körperkontakt, neben sie. Es sah aus, als ob er Hilda Frey beschützen wollte. Rufus beobachtete die Szene. Er machte ein paar Schritte und platzierte sich in einen weißen Sessel. > Frau Frey, Frau Frey, ich kann Hilfe holen, brauchen Sie einen Arzt?<, fragte er fürsorglich.

>Nein, Nein. Ich komme zurecht<, flüsterte Hilda Frey ihm zu. Dann umklammerte sie ihren Hund Georgi.

>Ist er verunglückt?< fragte Hilda Frey ziemlich sachlich. Daß sie so schnell die Fassung wieder gewonnen hatte, verwunderte Rufus. Er fand den Stimmungswechsel sehr auffällig. >Ihr Mann ist erstochen worden auf der „Alabama“. Wir ermitteln jetzt den Tathergang<, sagte er nüchtern. Hilda Frey bedeckte ihr Gesicht wieder mit einem Kissen und stöhnte auf.

> Können Sie mir die Adresse von Jens Wegener geben<, fragte Rufus ziemlich unbeeindruckt von Hilda Freys Wechsel in den Gefühlslagen. >Der Segelkumpan meines Mannes? Natürlich. Hier ist mein Adressbuch. Der Schuldige muß so schnell wie möglich gefunden werden.< Hilda Frey griff nach einem roten Adressbuch auf dem Glastisch. Sie schlug die Seite mit dem Buchstaben W auf und hielt sie Rufus unter die Nase. > Glauben Sie, daß Wegener der Täter ist<, schoß es aus Hilda Freys Mund. >Nein, bitte keine voreiligen Verdächtigen. Wir fangen erst an, zu ermitteln. Wir befragen erst Zeugen und rekonstruieren den Tathergang <.

>Wir müssen das Umfeld ihres Mannes durchleuchten. Wissen Sie, wer der zweite Mann in der Crew war?<, fragte Rufus und dachte, daß Hilda Frey eine weitere Frage verkraften könnte. >Noch ein Mann, zu dritt waren sie also<, stellte sie mehr für sich selbst als für Rufus fest. > Keine Ahnung. Sicher jemand, den Torston aus dem Segelclub kannte.< >Hatte Ihr Mann Feinde?< >Ich wüßte nicht wer<, antwortete Hilda Frey. > Im Geschäftsleben gibt es immer Rivalen, Neider, Konkurrenten, auch im Club.<

Sie hatte sich inzwischen der Länge nach auf das Sofa gelegt. Welche Figur sie machte, auch die Anwesenheit von Rufus, es war ihr egal. Rufus schloß schweigend seinen Jackenknopf. Jetzt war es genug. >Vielen Dank für Ihre Antworten. Für weitere Informationen komme ich oder mein Kollege Fabian Alt möglicherweise noch einmal auf sie zu. Ruhen Sie sich aus. Auf Wiedersehen.< Es war an der Zeit für Rufus zu gehen.

Noch lange Zeit, nachdem Rufus Vogl gegangen war, lag Hilda Frey wie versteinert auf der Coach. Georgi hatte sich quer auf ihre Beine gelegt und schlief. Die Wärme des Hundekörpers durchströmte ihre Beine. Es beruhigte sie. Heute Morgen hatte sie mit ihrem Mann diesen bitteren Streit. Es wäre besser gewesen, mit einem versöhnlichen Wort auseinander zu gehen als in dieser Kampflaune. Sie hatte für genügend dicke Luft zwischen sich und Torston gesorgt. Vorbei, vorbei! Er kommt nie mehr zurück. In ihrer Fantasie lief er überall im Haus herum. Sie setzte den Hund auf den Boden und lief in die Küche. Dort schüttete sie sich eiskaltes Wasser aus dem Eisschrank ins Glas, da sie brennenden Durst spürte. Mit hastigen Schlucken leerte sie das Glas. Die Kälte der Flüssigkeit belebte sie kurz, obwohl sie völlig erschöpft war. Heute mußte sie früh schlafen , einfach schlafen. Sie würde in ihr Bett fallen.

Inzwischen bekam sie das dringende Bedürfnis, mit jemandem über Torston zu sprechen. Sie konnte nicht still da sitzen in ihrer Trauer, allein in dem großen Haus. Mit wem sollte sie nur reden? Heute hatte sie Tea wieder getroffen. Bei allem, was dieVergangenheit betraf, Tea war eine Möglichkeit.Mit ihr könnte sie sich austauschen.Tea würde ihr Trost geben. Sie kannte Torston, es gab keine andere Wahl. Sie nahm ihr Telefon zur Hand und wählte Teas Nummer.

Freundinnen und der Segelmord

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