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5: Zusammenprall der Mohnblüten
ОглавлениеCap Mondrian war eine romantische Sommerfrische am Azursee mit bunten, großen Häusern und alten Sandsteingebäuden im Stadtzentrum und etlichen neu erbauten Hochhäusern am Stadtrand. Der Ort erinnerte in seiner Stadtgestaltung an den niederländischen Maler Piet Mondrian. Ein Bürgermeister im vergangenen Jahrhundert liebte diesen Künstler. Er regte an, Häuserfassaden nach Gestaltungselementen von Mondrians Kunst anzumalen. Zu Ehren des Künstlers wurde der Ort in Cap Mondrian umbenannt. Früher hieß der Ort schlicht Cap Rosen am Azursee.
Der Stadtkern zeigte sich eben mondrianmäßig. Einige geradlinige Straßen zeigten rote Hausfassaden, während andere kerzengerade angeordnete Häuser gelbe Anstriche aufwiesen. Die Häuserdächer waren tief schwarz. Es gab etliche rechteckig angelegte Plätze mit Cafes, Restaurants und Boutiquen. Im Sommer schien meist die Sonne. Es war hell auf den Plätzen, in den Straßen und in den kleinen Gassen. In der Stadt herrschte ein südländisches Flair. Die Promenadenallee war die prächtige Hauptstraße von Cap Mondrian. Auf der linken Straßenseite standen gelb angestrichene Häuser, rechts waren sie rot. Auf beiden Seiten reihten sich Platanen entlang. Im Sommer spendeten sie Schatten. Unter den Bäumen saß man in Korbstühlen und erholte sich von seinen Einkäufen in den zahlreichen Geschäften. In den Bars und kleinen Cafes trafen sich Einheimische, Segelbegeisterte, Touristen und Rufus Vogl mit seinen Mitarbeitern zu kühlenden Drinks bei Sommerhitze und Punsch im Winter. Rufus Vogl, Hauptkommissar des Morddezernats, nippte seinen Espresso bevorzugt in der Bar „Azuro“.
An die Promenadenallee grenzte der städtische Park aus dem 19. Jahrhundert. Der Park war ein Rosengarten, wovon der frühere Name des Ortes Cap Rosen herrührte. Viele der Pflanzen dort hätte jeder Rosenliebhaber gerne gehabt. Die Sorten waren sehr selten und alt. Es duftete betörend süß aus den Blütenkelchen. Ein Grund, weshalb es nachts Rosendiebe gab. Polizisten schoben im Park Nachtwache. In den Rosenbeeten wuchsen kleinwüchsige Stämme neben hoch aufwachsenden Rosenstöcken. An den Rändern des Parks ragten Rosenhecken auf, dazwischen steckten Kletterrosen und Clematispflanzen an Rankgittern. Die Rosen blühten in voller Pracht in allen Farben von tiefem Rot bis zu hellem Cremeweiß von Juni bis Oktober.
Tea Sommerda lief die Promenadenallee entlang, sog den Rosenduft des Parks ein und erreichte zügig die Seestekstraße. Mit Schwung kurvte sie um die Ecke und trabte in großen Schritten weiter. Die Straße war mehr ein Uferweg, der direkt am Yachthafen endete. Tea spazierte regelmäßig auf diesem Weg. Die Seestekstraße war auf der einen Seite von niedrigen Hecken gesäumt. Dahinter standen weiße Villen aus der Gründerzeit. In den gepflegten Gärten um die Häuser blühten weiße Rosen, neben pinkfarbigen Bougainvilleen. An den Apfelbäumen hingen die halbreifen, prallen Früchte. Auf der gegenüberliegenden, zum See zugewandten Seite fiel das Ufer zu einem schmalen Strand ab. Sonnenhungrige nutzten die großen Felsen dort gerne als Sonnenterrasse mit exklusivem Blick auf den See. Abends genoß man einen malerischen Sonnenuntergang.
Tea fühlte sich wohl in ihrem neuen, mit roten Mohnblüten bedruckten weißen Baumwollkleid. Es war eine gute Wahl, dachte sie, das Kleid hebt die Stimmung. Es macht fröhlich. Auch soll es jugendlich kleiden, kein zu vernachlässigender Aspekt. Jedenfalls war dies der Kommentar der Verkäuferin. Sie hatte sich das Schmuckstück in der exklusiven Boutique „New York“ in der Promenadenallee geleistet.
Abrupt stoppten ihre Schritte. Sie hatte einen Augenblick nicht aufgemerkt:. Rote Mohnblumen knallten auf rote Mohnblumen! Es war Hilda Frey, mit der sie gerade zusammengeprallt war. Sie trugen beide das gleiche Kleid. Ein blonder Kopf, Tea und ein schwarzer Kopf, Hilda, wirbelten herum.
Tea und Hilda schauten sich seit zwei Jahren das erste Mal wieder in die Augen. Beide musterten sich gegenseitig verwundert. In ihrem Zusammentreffen lag Komik und Wehmut zugleich. In der für beide unerwarteten Situation fing Tea plötzlich an zu lachen. Sie konnte nicht anders. Sekunden später stimmte Hilda mit einem leisen Lächeln ein. Trotz der seltsamen Umstände konnte sie nicht ernst bleiben. Für eine Weile schauten sie sich stumm, fast erleichtert in die Augen.
>Setzen wir uns einen Moment auf die Parkbank dort drüben. Sie wird gerade frei. Kommst du mit, hast du einen Augenblick Zeit? <, fragte Tea zögerlich mit leiser Stimme.
>O.K. Können wir machen<, antwortete Hilda.Sie klang ruhig. >Georgi, hierher<, rief sie ihren Hund. Der schwarz-weiße Fellkörper des Terriers schmiegte sich an ihre Beine. Beide Frauen setzten sich etwas steif auf die Bank. Sie betrachteten den Strand und sagten kein einziges Wort. Die Begegnung hatte bei beiden ein inneres Gefühlserdbeben ausgelöst. Gegensätzliche Empfindungen wirbelten durcheinander. Bei Tea überwog Freude und Erleichterung die vorhandene Unsicherheit. Hilda spürte ebenfalls Freude, neben einer guten Portion Distanz und Mißtrauen zu Tea. Sie mußten sich erst innerlich sammeln und auf die neue Situation einstimmen. Sie kam für beide völlig unvorbereitet. Es war Hilda, die das gemeinsame Schweigen als Erste unterbrach: >Wieder einmal der gleiche Geschmack. Wenigstens ist er exklusiv und teuer<, warf sie ein.
>Ganz recht, er hat sich nicht verändert<, antwortete Tea zaghaft. >Alles erinnert mich daran, wie wir junge Studentinnen waren. Wir durchsuchten die Geschäfte nach chicen, aber preisgünstigen Modellen. Wir kleideten uns beide im gleichen Stil. Eine Bluse, die mir gefiel, wolltest auch du gerne haben. Es blieb also nur die Kopf- und Zahl- Runde mit dem Geldstück. Fiel die Münze auf Kopf bekamst du das Teil, fiel sie auf Zahl behielt ich es.<
>Ja, stimmt. Wir tauschten unsere Kleider öfter, wenn wir einkaufen gingen. Wir haben uns nie wegen einer Hose oder eines Rockes gestritten<, erwiderte Hilda. Mit der einen Hand streichelte sie ununterbrochen ihren Hund, der zu ihren Füßen saß. Von einer Sekunde auf die andere verfinsterte sich ihre Miene. Sie presste ihre Lippen aufeinander. Ihre Augen starrten auf den See.Eine beklemmende Stille machte sich zwischen den Freundinnen breit.
>Was sollen wir mit uns machen, nachdem was alles passiert ist?,< fragte Hilda zögerlich.
>Ich habe dich verflucht vor zwei Jahren. Du und Torston. An diese Kombination habe ich nun wirklich nicht gedacht. Und dann sagt er es mir auf den Kopf zu. Natürlich kommt noch euer One-Night-Stand dazu. Torston ist schon genau. <Hilda presste die Lippen noch stärker zusammen bis zu einem roten Strich.
>Liebesnacht? Was glaubst du, davon konnte er gar nicht sprechen.Liebesnacht gab es keine.Das ist sicher. Absolut sicher. Das bildest du dir alles ein. Es gab nie eine Liebesnacht mit Torston, Hilda. Es gab Flirts. Du kannst mich dafür hassen. < Tea mußte schlucken. >Wir können sang- und klanglos ausseinanderlaufen. Und unser Zusammentreffen als Zufall abhaken. Oder wir stürzen uns auf unser Leben und reden miteinander. Wir schauen einfach, wo wir wieder gemeinsame Treffer finden. Einfach darauf los. Einen Anfang machen, wir brauchen wieder Vertrauen zueinander. Ich möchte alles dafür tun. Bitte, glaube mir das<, antwortete Tea.
>Ich weiß nicht so recht.Alles harte Arbeit für unser Gefühlsleben. Vielleicht.Versuchen können wir es. Du hast dich mir gegenüber einfach mies verhalten.< antwortete Hilda zweifelnd.
>Du hast recht. Ich habe unsere Freundschaft verraten. Ich habe mich dir gegenüber unterirdisch verhalten, total kaputtl !<, meinte Tea. Um ihre Nervösität zu bändigen, strich sie unaufhörlich ihren Rock glatt, den der Wind aufblähte.
Hilda ging nicht auf den letzten Satz von Tea ein. Sie hatte Georgi losgelassen und die Arme vor der Brust verschränkt. Ganz kerzengerade saß sie neben Tea. Fast unbeweglich. Nur der Wind zerzauste ihre schwarzen Locken. >Was ich schon immer einmal wissen wollte<, fing sie plötzlich an: >Wie bist du überhaupt bei Torston gelandet?<
Tea blickte geradeaus auf den See und antwortete bereitwillig. >Wenn du es hören willst: Wir haben uns ganz zufällig getroffen, in der Promenadenallee, in der Bar „Azuro“. Ich habe Torston als deinen Mann gekannt.Es flogen immer ein paar Sätze hin und her, wenn wir dort zufällig Espresso tranken.< Hilda wurde immer aufmerksamer.Aus den Augenwinkeln streifte sie Tea mit einem prüfenden Blick.
>Was habt ihr euch denn so erzählt?<
>Ziemliche Banalitäten<, antwortete Tea. >Na, so banal wird es schon nicht gewesen sein. Richtig angemacht habt ihr euch sicher. Als Vorspiel sozusagen, für das, was dann folgte<, warf Hilda ein. Tea überhörte Hildas Anspielung. >Ob wir heute Morgen mit dem rechten oder linken oder mit zwei Beinen aufgestanden sind. Das hat uns einmal sehr beschäftigt.< Aus Hildas Mund kam ein Aufschrei. >Das ist ein Scherz! Mein hartgesottener Mann denkt über solche Kinkerlitzchen nach.<
>Nur wenn man mit beiden Beinen gleichzeitig aus dem Bett aufsteht, bedeutet das, daß der Tag erfolgreich verläuft. Ansonsten gibt es Probleme mit den Alltagshürden. Torston glaubte daran, obwohl er sich andererseits als rationaler Geschäftsmann präsentierte.< Tea legte viel Gewicht in ihre Antwort. Inzwischen hielt sie sich am Stoff ihres Rockes fest. Mit den Händen zerknitterte sie die Stoffbahnen. >Torston glaubte an so etwas<, wiederholte Hilda mehr für sich selbst. >Du auch?< >Ja, ich auch. Ich bin davon überzeugt<, sagte Tea.
>Schön. Schön. Ihr hattet Gemeinsamkeiten. Ihr habt die Dinge aus dem gleichen Blickwinkel gesehen <, faßte Hilda zusammen. >Ja, mit der Zeit war es so. Wir sind neugieriger aufeinander geworden.Und tauschten unsere Vorstellungen über unser Leben aus.Es hatte gar nichts Intimes.Es ging nicht um Sex.< Tea antwortete ehrlich. Sie rief aus:
>Warum flippst du nicht einfach aus und wirfst mir an den Kopf, was ich für eine unmögliche Frau bin. Schreist herum.Tobst auf dem Strand. Darauf warte ich die ganze Zeit?< >So einfach mache ich es dir nicht. Einmal aufgeregt und dann ist wieder alles gut. So einfach funktioniere ich nicht. Du müßtest mich kennen. Ich möchte schon ganz genau wissen, wie alles lief. Aufgeregt habe ich mich schon, heute, Torston hat mich beim Frühstück wütend gemacht. Das kommt hinzu.< Mit diesem Wortschwall setzte Hilda ihre Fragerunde an Tea fort. Sie wollte möglichst viele Details wissen. Sie wollte Tea damit ein bißchen triezen. >Und wie oft habt ihr euch getroffen? Mein Mann hatte schließlich eine Firma und war zeitlich ziemlich eingespannt.< >Nur einmal in der Woche. Wenn du es genau wissen willst, immer in der Bar „Azuro“.< Tea hob ihren Kopf und schaute an Hilda vorbei auf den See.
>Klingt richtig langweilig. Kein Tapetenwechsel. Immer der gleiche Treffpunkt<, kommentierte Hilda. >Wie du meinst. Das „Azuro“ ist eben eine vertraute Umgebung. Wir liebten die ungezwungene Atmosphäre dort. Torston hat mir von seinen Geschäften erzählt. Daß es in seinem Markt viele Anbieter gibt, die billige Importware verkaufen. Mit seiner Firma „Canvas“ steht er in einem harten Wettbewerb. Und du, Hilda, hättest kein Gespür für seine Sorgen.< Tea antwortete in einem spitzen Ton, der von Hilda sofort registriert wurde.Denn er war ungewöhnlich. Hilda drehte ihren Oberkörper weg und wandte Tea den Rücken zu.Die Kinnspitze hob sie an. Offensichtlich interessierten sie weitere Einzelheiten , denn sie setzte an: >Das alte Schema, der unverstandene Ehemann, der Zuspruch und Anteilnahme bei einer anderen Frau sucht. Das beruhigt mich direkt.<
>Wieso?<, fragte Tea dazwischen. Sie fand inzwischen, daß es mit der Fragerei reichte. Sie hob ihre Leinentasche von der Bank und stellte sie zwischen ihre Füsse. Sie hatte Angst, sie in der Aufregung einfach zu vergessen. >Torston hätte über Intimitäten unserer Ehe sprechen können. Diese Möglichkeit ist nicht völlig abwegig bei einem frustrierten Ehemann.< dachte Hilda laut nach. >Über euer Sexleben haben wir kein Wort gesprochen. Das hätte ich nicht mitgemacht. Glaube es mir.< Tea versuchte klare Antworten zu geben, um Hildas Fantasie in Bezug auf Torston und sie nicht unnötig anzuregen. Hildas Innenleben beschäftigte sich immer noch mit der Affaire. Es hatte den Anschein, als ob sie noch einmal von vorne mit den Fragen begänne.
>Also euer Seelenleben stand im Vordergrund. Warum Torston?<
>Ich habe ihn getroffen,er war zu dem Zeitpunkt einfach da. Der Zeitpunkt war richtig für mich, ich fühlte mich schrecklich einsam.<
Hilda war immer noch nicht zufrieden. >So, richtiger Zeitpunkt. Das klingt nicht sehr wählerisch.< Tea fing an, langsam aber sicher ungeduldig zu werden. >Wir verstanden uns gut. Unsere Emotionen ergänzten sich damals. Es heißt immer so schön die gleiche Wellenlänge ist entscheidend. Wir mochten uns einfach gut riechen. Bildlich gesprochen. Unsere Meinungen und Stimmungen passten zueinander. Aber wir haben uns nicht ausgetestet. Es wurde nie intim.Sex, nein. Und das Wort Liebe hat Torston nie in den Mund genommen. Er hat mir seine Brust gerade einmal zum Anlehnen ausgeliehen. Ansonsten ist er bei dir geblieben<, antwortete sie einige Takte bestimmter.
>Das verstehe ich schon. Ich will dich auch verstehen, denn hassen möchte ich dich nicht. Ich war lange genug wütend auf dich. Und keine Nummer unter der Bettdecke, naja?< Hilda zog ihre Mundwinkel nach unten. Mit diesem Verständnis hatte Tea so plötzlich nicht gerechnet. Es entstand eine längere Pause. Beide blickten wieder stumm auf den See, wie zu Beginn ihres Gesprächs.
>Was sollen wir denn jetzt machen? Wir haben uns doch immer gut verstanden<, fragte Tea leise. Nachdenklich beobachtete sie einige Spaziergänger, die zum Strand liefen und den Horizont beobachteten. Es sah so aus, als ob sie nach etwas suchten.
>Torston segelt heute die Regatta. Die Wettfahrt ist zu Ende. Es sind keine Boote draußen<, stellte Hilda völlig zusammenhanglos fest. >Wir sind uns gegenüber großzügig und klammern ein gewisses Ereignis der letzten zwei Jahre einfach aus.<
Hilda antwortete klar, fast emotionslos, einfach sachlich.Tea senkte erleichtert die Schultern und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Sie redeten mindestens schon eine Stunde miteinander, ohne mit Schimpftiraden aufeinander loszuhauen. Das ist ein wahres Wunder, dachte Tea. Sie genoß es inzwischen wieder vereint mit Hilda auf der Bank zu sitzen. Hilda hatte noch keinen Versuch unternommen aufzustehen und zu gehen. Beide Freundinnen waren einfach zu neugierig aufeinander.
>Was hast du gemacht in den letzten beiden Jahren? Ich dachte oft an dich. Ich habe dich vermisst. Mir hat dein klarer Standpunkt zu den Alltagsproblemen gefehlt. Ich habe mich mehr als einmal im Kreis gedreht<, fragte Tea. >Nicht schlecht. Ich habe dir gefehlt? Weißt du was, ich bin ganz gut ohne dich ausgekommen. Ob es stimmt, weiß ich natürlich nicht wirklich<, reagierte Hilda etwas rätselhaft.
>Schade , daß du mich nicht vermißt hast. Dein Rat wäre gut für mich gewesen. Dann wäre mir ein Fehler weniger passiert.< >Zu welchen guten Taten bin ich fähig?Sag es mir.< Das antwortete Hilda ziemlich direkt.
>Meine Jobgespräche laufen immer chaotisch. Bei Sven im Verlag stehe ich immer neben mir. Du hättest meine Überreaktionen gedämpft, mir gesagt, daß ich weniger auf meine Gefühle achten soll. Für mich eine echte Hilfe. Auch beim Backen in der Küche fehlt mir deine Meinung zu meinen Keksen. Und natürlich auch sonst , gern habe ich dir von chaotischen Innenwelten erzählt<, antwortete Tea.
>Mit deiner Interpretation zu dir liegst du ziemlich richtig<, sagte Hilda. Es entstand eine Schweigeminute.
>In den letzten beiden Jahren habe ich mich meinen beruflichen Wünschen gewidmet. Ich habe „Lussodog“ gegründet, einen Versandhandel im Internet für den Hundefreund. Torston gab mir für die Investitionen etwas Kleingeld, eine Wiedergutmachung nach seiner Affaire. Andere Frauen bekommen eben die pompöse, neue Halskette oder eine Schönheitsoperation und ich habe „Lussodog“ bekommen. Das Business gefällt mir. Ich kann mich geschäftlich austoben. Mein Sohn Felix ist aus dem Haus. Ich habe Zeit< >Super, daß du einen guten Job gefunden hast. Du bist eine gewitzte Kauffrau und erkennst lukrative Chancen sofort. Das weiß ich noch aus unserer Studentenzeit<, antwortete Tea.
>Du triffst den Kern. Ein Geschäft ausdenken hat mir immer Spaß gemacht. Nur mit Torstons Firma „Canvas“ habe ich nichts im Sinn. Ich möchte unabhängiger von meinem Ehemann werden, finanziell. Wenn es mit meinem Handel gut läuft, zahle ich Torston die Finanzspritze zurück. Das ist mein Plan.< An diesem Satz erkannte Tea ihre alte Freundin Hilda wieder, die geradewegs über ihre finanziellen Wünsche sprach.
>Du möchtest deine Selbstständigkeit stärken. Was ist „Lussodog“ genau?<, fragte Tea.
>Ich habe ursprünglich Tiermedizin studiert.Du erinnerst dich, ich mag Hunde, so liegt es nahe, daß ich die Tierbranche ausgesucht habe. Mein Versandhandel bietet Zubehör für den luxusorientierten Hundefreund. Es gibt von Designern gestaltete Fressnäpfe aus Porzellan, strassbesetzte Halsbänder, Hundekissen aus Merinowolle oder biologischer Baumwolle. Jetzt baue ich gerade ein Sortiment mit hochwertigem Hundetrockenfutter auf. Der Heimtiermarkt wächst ständig. Er ist hoch lukrativ.< Hildas Stimme klang laut und fest, wie es immer war, wenn sie aus voller Überzeugung sprach.
>Mit so ausgefallenen Sachen kümmert man sich um Hunde, das ist mir neu.So. Das ist umtriebig. Es bedeutet intensives Arbeiten. Du mußt dich um Kunden bemühen. Aber auf Menschen zuzugehen, das ist dir immer leicht gefallen<, wandte Tea ein.
>Es geht hervorragend. Ich schaffe es. Das neue Trockenfutter für den Haushund ist mir ein Anliegen. Für die Gesundheit des Hundes zu Hause ist physiologisch abgestimmtes Hundefutter wichtig.< Wieder bekam Georgi einen Klaps auf das Hinterteil, bevor er zum Strand wetzte. Dann fuhr sie fort: >Und was ist mit dir? Bist du noch in der Verlagsbranche aktiv, wie früher oder was ist es genau?<
>Ja. Allerdings. Ich habe mich auf Kochbücher spezialisiert. Mein Schwerpunkt liegt auf dem Backen, mit Torten, Patisserie und Konfekt<, sagte Tea.
>Vielleicht weißt du noch, nach dem Betriebswirtschaftsstudium habe ich eine Lehre zur Konditorin gemacht. Ich wollte etwas Praktisches machen, was mit Backen zu tun hat. Ich habe eine Schwäche für Cafes und Bäckereien.<
>Und läuft es gut? Bist du mit Spaß dabei?<, fragte Hilda mit wachem Gesichtsausdruck, schließlich ging es um die Karriere. >Die Kochbücher gehen schnell über die Ladentheke. Ich verdiene recht ordentlich. Nach Haralds Tod mußte ich mich des Geldes wegen neu orientieren. Ich denke, es ist geglückt<, antwortete Tea. >Immer neue Rezepte ausdenken, das ist Stress. Da stehst du zu Hause häufig in der Küche und verwandelst sie in eine Backstube. Nur gut, wenn du Mehlstaub gut verträgst und keine Allergie bekommst<, antwortete Hilda. >Ja, ich vertrage alles bestens. Im Augenblick ist es zeitlich eng. Stressig. Es stehen neue Obstkuchenrezepte an.Sie müssen ausprobiert werden. Heute hatte ich totales Pech. Ich habe mich übertroffen mit einem stinkenden Monsterkuchen. Ein einzigartiges Schreckgespenst. Ich konnte nicht einmal darüber lachen, wie sonst, wenn etwas schief läuft. Mit dem Spaziergang wollte ich mich ablenken, um etwas durchzuatmen.< Tea blickte Hilda mit großen Augen an und wartete auf eine Reaktion.
>Da bist du ausgerechnet mir zwischen die Beine gelaufen<, war Hildas einziger Kommentar.
Nach dem intensiven Wortgeplänkel saßen beide Freundinnen in scheinbarer Harmonie auf der Bank. Hilda schien nach außen gefaßt, in ihrem Inneren brodelte es wieder. Darüber war sie selbst überrascht. Sie hatte geglaubt, die Geschichte sei für sie überwunden. Würde sie Tea in Zukunft vertrauen können? Sagte sie die Wahrheit über Torston oder war alles ein großer Bluff?Ihre Fantasie galoppierte in verschiedene Richtungen? Ein Bild blieb, Tea und Torston beim Sex. Die Gefühle in Teas Kopf kreisten um Hilda, der gegenüber sie noch Schuldgefühle wegen der Zuneigung zu Torston empfand. Würde Hilda ihr glauben und die Flirts verzeihen? Mehr war nicht zwischen ihr und Torston. Bekäme sie eine aufrichtige Chance?
In die Ruhe hinein, die beide umgab, abges ehen von den schwadronierenden Spaziergängern, die an ihnen vorbeiliefen, schreckte Hilda plötzlich hoch. Sie stand auf und spähte zum Strand hinunter: >Georgi ist weg. Der verflixte Hund. Der Gauner ist auf Entdeckungstour, bestimmt in Richtung Stadt. Ich muß ihm nach<, stieß Hilda aus. >Georgi, Georgi, hier bin ich <, rief sie mit erhobener Stimme und bog im Laufschritt in die Promenadenallee ein, um den umtriebigen Hund einzufangen. Teas Augen starrten auf Hildas Rücken. Sie beeilte sich zu rufen : > Ich suche mit, warte auf mich<, aber Hilda war zu schnell. Sie hörte sie nicht mehr. Tea schaute Hilda nach, konnte sie aber nicht mehr ausmachen.
Das Treffen endete so unvorhergesehen, wie es begonnen hatte: Mit einem Schlag! Sie verabschiedeten sich nicht einmal voneinander. Kein auf Wiedersehen! Würde es denn eines geben, überlegte Tea. Sie zweifelte insgeheim, ob die wiedereingekehrte Ruhe zwischen ihnen echt war. Sie zögerte einen Augenblick und beschloß, das zu machen , was sie ursprünglich wollte: Einen Spaziergang zum Yachthafen von Cap Mondrian. Für heute hatte sie vom Kuchenbacken wie auch von Menschen genug.