Читать книгу Der Heinrich-Plan - Irene Dorfner - Страница 8
3.
ОглавлениеAm nächsten Morgen machten sich Leo und Anna auf den Weg nach Passau. Nach knapp 3 ½ Stunden Fahrt trafen sie sich am Vormittag mit dem Kollegen Albert Steinberger in dessen Büro. Der Endfünfziger sah genau so aus, wie Leo vermutet hatte. Korpulent, 1,65 Meter groß und unscheinbar. Mit seinen hektischen, kleinen Augen hatte Steinberger seine Umgebung im Blick. Nach einer kurzen Begrüßung übergab Leo den Bericht der Pathologie an den Passauer Kollegen, der diesen ausführlich studierte.
„O mein Gott,“ sagte er schließlich, als er geendet hatte. „Das ist doch der blanke Wahnsinn! Wie soll ich das den Eltern beibringen? Wir kennen uns seit der Studienzeit, ich habe den Jungen aufwachsen sehen.“
„Welche Ermittlungsergebnisse haben Sie bisher in dem Fall Maximilian von Kellberg?“
„Bitte sehr, Sie können selbstverständlich Einsicht in die Akte nehmen.“ Steinberger nahm eine dünne Mappe aus der obersten Schublade seines Schreibtisches und übergab sie Leo. Außer wenigen Zeugenaussagen beinhaltete die Akte keine weiteren Informationen. Schade.
Nachdem sich Steinberger nochmals den Pathologiebericht durchgesehen hatte und er sich ausführlich berichten ließ, wie man Maximilian von Kellberg gefunden hatte, fuhren sie gemeinsam zu den Eltern, was keinem leicht fiel. Das Überbringen von Todesnachrichten an Angehörige war die schlimmste und unbeliebteste Polizeiarbeit. Vor allem, wenn es sich um einen so komplizierten Fall wie diesen hier handelt. Wie würden die Eltern reagieren? Welche Fragen kamen auf sie zu?
Die Stimmung in Leos Wagen war sehr gedrückt, keiner sprach ein Wort. Leo legte sich in Gedanken die Worte zurecht, die er den Eheleuten von Kellberg wohl sagen würde, und ging davon aus, dass es seinen Kollegen genauso ging. Um sich abzulenken, dachte Leo an den Inhalt der Unterlagen, die ihm Steinberger vorhin gegeben hatte. Die Zeugenaussagen sagten alle dasselbe aus: Keiner wusste etwas und keiner hatte etwas gesehen. Maximilians Hotelzimmer war durchsucht worden und brachte keinen Hinweis über den Verbleib des Vermissten. Die Verbindungsdaten des Handys wurden überprüft und stellten keinerlei Auffälligkeiten dar. Maximilians Handy war verschwunden und man versuchte, das Handy über mehrere Wochen zu orten, was aber zu keinem Ergebnis führte.
Leo, Anna und Steinberger fuhren durch eine sehr schöne Wohngegend mit riesigen, teuren Häusern, die vor vielen Jahren errichtet wurden. Leo liebte diese Häuser, die mehr und mehr modernen Häusern weichen mussten. Damals hatte man sich noch mit den Fassaden sehr viel Mühe gegeben. Heute baute man in Leos Augen einfach Betonklötze ohne jeglichen Charme.
Sie schienen an ihrem Ziel angekommen. Sie passierten ein schmiedeeisernes Tor, das offen stand. Auf einer von Tannen gesäumten, gekiesten Auffahrt fuhren sie bis zu einem riesigen, prunkvollen Haus, vor dem zwei sehr edle Autos standen. Die riesige Garage stand offen und gab den Blick auf weitere Fahrzeuge frei, von denen Leo viele nur aus dem Katalog kannte.
„Donnerwetter,“ sagte Anna, „schau dir diesen schwarzen Sportwagen an. Ein Traum.“
„Die von Kellbergs sind eine alt eingesessene Passauer Familie. Sie besitzen hier sehr viele Immobilien und noch mehr Grund. Johannes von Kellberg ist Arzt mit einer eigenen Praxis.“
„Was für ein Arzt?“, wollte Anna wissen.
„Schönheitschirurg,“ sagte Steinberger knapp. Anna und Leo sahen sich an und nickten. Ihnen war klar, dass man damit ein Vermögen verdienen konnte.
Sie klingelten und ein älterer Herr öffnete die Tür. „Guten Tag. Treten Sie ein, die Herrschaften erwarten Sie.“
„Danke Willi,“ sagte Steinberger.
Sie traten in ein großzügiges, sehr gemütlich eingerichtetes Zimmer, in dem die Eheleute von Kellberg auf einer cremefarbenen Couch vor einem riesigen Kamin saßen.
„Das sind Herr und Frau von Kellberg und das sind Herr Schwartz und seine Kollegin Frau Ravelli von der Kriminalpolizei Ulm,“ stellte Steinberger vor. Sie gaben sich die Hand und alle setzten sich in die großzügige Sitzgruppe.
Johannes von Kellberg war 52 Jahre alt, groß und sehr schlank. Er hatte kurze, braune Haare, einen energischen Mund und schöne blaue Augen, die alles und jeden unaufhörlich musterten. Er strahlte schon allein durch sein Äußeres eine gewisse Überheblichkeit aus, die Leo als sehr arrogant empfand. Frau von Kellberg dagegen war sehr anmutig und man konnte schon dadurch erkennen, wie sie auf dem Sofa saß, dass sie eine sehr gute Erziehung genossen haben musste. Leo hatte noch nie jemanden gesehen, der so aufrecht saß wie sie. Mit ihren 47 Jahren und den schulterlangen blonden Haaren, in denen Leo einige graue Haare entdeckte, war sie zwar keine Schönheit. Aber sie strahlte etwas aus, das er sehr mochte und ihm auf Anhieb sympathisch war. Im Laufe der Jahre hatte er eine Menschenkenntnis entwickelt, auf die er sich fast immer verlassen konnte. Manchmal ertappte er sich dabei, dass er Menschen abschätzte und sofort beurteilte, ob sie ihm sympathisch waren oder nicht, was eine dumme Angewohnheit von ihm war.
Die Eheleute von Kellberg sahen Leo fragend an. Er musste sich mehrmals räuspern, da es ihm auch nach all den Jahren immer noch sehr schwerfiel, Todesnachrichten zu überbringen. Auch das war außer der Pathologie etwas, an das er sich niemals gewöhnen würde.
„Herr und Frau von Kellberg. Wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass wir Ihren Sohn Maximilian tot aufgefunden haben. Mein aufrichtiges Beileid.“
Die von Kellbergs fassten sich an den Händen.
„Das wissen wir bereits,“ sagte Johannes von Kellberg ungeduldig. „Unser Freund Albert teilte uns den Tod Maximilians bereits mit. Wir wurden auch schon in Kenntnis gesetzt, dass unser Sohn ermordet wurde. Was wir nicht wissen, sind die Details des Mordes an unserem Sohn.“ Leo war sauer. Albert Steinberger hatte ihm verschwiegen, dass die Eheleute von Kellberg bereits über den Tod ihres Sohnes informiert wurden. Hatten sie nicht vereinbart, dass sie das gemeinsam machen wollten? Leo warf Steinberger einen wütenden Blick zu, der diesem auswich. Diesen Steinberger würde er sich später zur Brust nehmen!
„Wir fanden Ihren Sohn am Samstag auf der Schwäbischen Alb. Ich habe Fotos mitgebracht. Wenn Sie sich die bitte ansehen würden?“
Mit zittrigen Händen nahm Frau von Kellberg die Fotos und sie und ihr Mann sahen sich eins nach dem anderen an. Frau von Kellberg liefen Tränen übers Gesicht und sie strich mit einem Finger sanft über jedes einzelne Foto. „Ja, das ist mein Junge.“ Auch Herr von Kellberg nickte.
„Was um Himmels Willen ist passiert?“
„Das wissen wir noch nicht. Wir stehen mit unseren Ermittlungen noch ganz am Anfang.“
„Wer hat ihn gefunden?“
„Das war ich quasi selbst. Während einer Wanderung auf der Schwäbischen Alb wurde Maximilian gefunden. Er wurde mitten im Gelände abgelegt.“
„Was hatte Maximilian auf der Schwäbischen Alb verloren? Wie ist er umgekommen? Warum hat er sterben müssen? Wir vermissen unseren Jungen seit Juni, das ist über drei Monate her. Was hat er in der Zwischenzeit gemacht? Wieso trägt er nur Shorts?“ Die Fragen sprudelten nur so aus Frau von Kellberg heraus. Jetzt wurde es für Leo wirklich unangenehm, denn er musste die beiden mit den Details konfrontieren. Er konnte sich dem nicht entziehen, er war dazu verpflichtet, den Eltern die Wahrheit zu sagen. Er atmete tief durch, räusperte sich und war bemüht, so ruhig wie möglich die Fakten vorzutragen:
„Die Autopsie hat ergeben, dass Ihr Sohn in Salzwasser ertrunken ist.“
„Ein Badeunfall auf der Schwäbischen Alb? Erzählen Sie keinen Blödsinn! Dort gibt es kein Salzwasser!“, rief Herr von Kellberg.
„Das ist richtig. Es wurde Salzwasser nachgewiesen, daran besteht kein Zweifel. Es handelt sich nicht um einen Badeunfall. Die Spuren am Körper Ihres Sohnes weisen darauf hin, dass er ertränkt wurde.“ Leo entschied, jetzt mit der ganzen Wahrheit rauszurücken. „Wir konnten Sand an den Zehen und unter den Zehennägeln sicherstellen, die der Nord- oder Ostsee zugewiesen werden konnten. Darüber hinaus wurde eindeutig festgestellt, dass Ihr Sohn eingefroren wurde und kürzlich erst auf der Schwäbischen Alb abgelegt wurde. Er trägt dieselben Badeshorts wie am Tag seines Verschwindens. Deshalb liegt es nahe, dass Ihr Sohn noch am Tag seines Verschwindens auf Sylt getötet wurde.“
Ungläubig starrten ihn die Eheleute von Kellberg an. Für einen Moment war es still in dem riesigen Wohnzimmer, man hörte nur das Ticken der uralten Wanduhr.
„Was erzählen Sie denn da? Das gibt doch keinen Sinn. Mein Junge wurde eingefroren, nachdem er in Salzwasser ertränkt wurde? Dann, nach drei Monaten, hat ihn jemand auf die Schwäbische Alb gebracht? Ich kann das alles nicht verstehen. Wer tut denn so etwas?“ Frau von Kellberg sah Leo mit flehendem Blick an. Sie erwartete von ihm eine Erklärung, die er ihr nicht geben konnte; zumindest noch nicht.
„Die Fakten sind leider so. Bitte glauben Sie mir, dass es mir sehr schwer fällt, Ihnen die Details zu nennen. Für uns ist das auch alles merkwürdig und ergibt keinen Sinn. Fest steht, dass Maximilian ermordet wurde. Sind Sie beide in der Lage, uns einige Fragen zu beantworten?“
„Selbstverständlich. Wir werden alles tun, um Ihnen zu helfen, darauf können Sie sich verlassen. Entschuldigen Sie bitte meinen Gefühlsausbruch. Bitte, fragen Sie.“
„Vielen Dank, Frau von Kellberg. Ich weiß, dass ich Ihnen sehr viel abverlange, aber ich bin auf jede Hilfe angewiesen. Wann haben Sie Ihren Sohn zuletzt gesehen?“
„Als er abreiste, also am Morgen des 10. Juni, habe ich ihn zum letzten Mal gesehen. Er hat mich angerufen, als er auf Sylt landete, das war am späten Abend des gleichen Tages. Das war das letzte Mal, dass ich mit meinem Sohn gesprochen habe.“ Sie weinte leise in ihr Taschentuch.
„Und Sie, Herr von Kellberg?“
„Als Maximilian in Urlaub fuhr, war ich nicht zu Hause. Ich war bei einem Seminar in London und wusste nicht einmal, dass Maximilian nach Sylt wollte. Ich habe ihn zuletzt vor meiner Abreise nach London gesprochen, das war am 9. Juni.“
„Es tut mir leid, dass ich das fragen muss: Können Sie Ihre London-Reise belegen? Verstehen Sie das nicht falsch, aber wir müssen alle Angaben überprüfen.“ Leo war das sehr unangenehm.
„Natürlich kann ich das belegen.“ Herr von Kellberg ging aus dem Zimmer und kam nach wenigen Minuten wieder zurück. „Hier ist mein Flugticket und die Hotelreservierung. Ich hoffe, damit können Sie mich aus dem Kreis der Verdächtigen ausschließen.“ Er war spürbar verärgert.
„Ich war zuhause,“ sagte Frau von Kellberg leise. „Ich hatte, da mein Mann und mein Sohn nicht zuhause waren, eine Freundin eingeladen. Ich schreibe Ihnen die Adresse auf, damit Sie meine Angaben überprüfen können.“ Sie stand auf und ging zu dem alten Sekretär, der am Fenster stand. Sie notierte mit feiner Handschrift auf sehr teurem Papier die Adresse ihrer Freundin. „Bitte,“ sagte sie, als sie Leo das Papier mit zitternder Hand übergab und sich wieder setzte. Herr von Kellberg nahm keine Notiz von ihrem Zustand und hatte beleidigt die Arme vor der Brust verschränkt. Leo war eigentlich versucht, diese Frau in den Arm zu nehmen und sie zu trösten. Äußerlich war sie zwar bemüht, sich nicht anmerken zu lassen, was in ihr vorging. Aber Leo spürte, wie sehr sie litt. Und dieser Trottel von Ehemann ignorierte das.
„Führte Ihr Sohn ein Tagebuch, oder hatte er einen Terminkalender?“
„Nein, meines Wissens nach nicht, mein Sohn war sehr schreibfaul. Alles, was er sich merken musste, tippte er in sein modernes Handy, das er auf Schritt und Tritt überall mitnahm. Sie wissen schon, so eins, das man mit den Fingern auf dem Bildschirm bedient.“
„Das Handy hatte er auch in Sylt dabei?“
„Auf jeden Fall, ohne sein Handy ging er nirgends hin.“
Anna war davon überzeugt, dass Maximilian, wie alle jungen Leute heute, ein Smartphone besaß. Die Handynummer des Toten hatten sie bereits, die Ortung lief damals ins Leere.
„Wir würden uns später gerne das Zimmer von Maximilian ansehen. Natürlich nur, wenn Sie nichts dagegen haben,“ durchbrach Leo die eingetretene Stille.
„Muss denn das sein?“, fragte Johannes von Kellberg ungeduldig mit schroffem Ton.
„Natürlich muss das sein,“ sprach seine Frau beruhigend auf ihn ein. „Die Polizisten machen nur ihre Arbeit, Johannes, versteh das bitte.“
Herr von Kellberg setzte sich mit einem Seufzer neben seine Frau.
„Wofür soll das gut sein?“, schrie von Kellberg Leo an. „Sie haben gesehen, dass wir unseren Sohn nicht umgebracht haben können. Machen Sie sich auf die Suche nach dem Mörder und vergeuden Sie nicht ihre Zeit. Was gedenken Sie denn, in Maximilians Zimmer zu finden? Die Adresse des Mörders? Oder gar die Lösung des Falles?“
Johannes von Kellberg war sichtlich genervt und aufgebracht. Leo schob das zwar auf das eben gehörte und daraufhin, dass er schlecht mit der Nachricht umgehen konnte. Aber insgeheim musste er sich eingestehen, dass er diesen von Kellberg nicht leiden konnte. Frau von Kellberg sprach trotz ihres eigenen Gemütszustandes beruhigend auf ihren Mann ein und nach einigen Minuten konnte man sich wieder einigermaßen normal mit ihm unterhalten. Sie erzählten beide aus dem Leben ihres Sohnes und von dessen Freundeskreis. Anna machte sich eifrig Notizen. Die Befragung hatte nichts Neues ergeben: Maximilian von Kellberg war mit drei Studienkollegen am 10. Juni nach Sylt in Urlaub geflogen und seit der Party am 14. Juni wurde er vermisst. Anna notierte sich die Adresse des Hotels auf Sylt und machte sich mit Leo und dem Hausdiener Willi auf den Weg in Maximilians Zimmer.
Leo und Anna sahen sich erstaunt an, als sie das Zimmer betraten. Das war kein Zimmer, sondern ein Palast. Maximilian war das einzige Kind der von Kellbergs und somit genoss er allein den ganzen Luxus seiner Eltern. Maximilian bewohnte insgesamt sechs Zimmer. Er hatte ein eigenes Badezimmer und ein Gästebadezimmer, das allein schon größer war als Leos gesamte Wohnung. Die Zimmer waren nicht nur sehr groß, sondern auch sehr hoch, was sie noch größer erscheinen ließ. Systematisch durchsuchten sie die geschmackvoll eingerichteten, ordentlichen und sehr sauberen Zimmer. Der Hausdiener Willi stand die ganze Zeit an der Tür und ließ die beiden nicht eine Sekunde aus den Augen.
„Was können Sie mir über Maximilian sagen?“, wandte sich Leo an den Hausdiener, während er weiter Schubläden und Schränke durchsuchte.
„Wie meinen Sie das?“
„Was war er für ein Mensch? Wie lange kannten Sie ihn? Erzählen Sie einfach drauflos, damit wir uns ein Bild machen können, das würde uns sehr helfen.“
„Ich arbeite in diesem Hause schon sehr lange, lange vor der Hochzeit von Frau von Kellberg. Maximilian kenne ich seit seiner Geburt. Er war ein toller Kerl. Er war zu allen immer freundlich und war stets zu Späßen aufgelegt, denen auch ich zum Opfer fiel. Dass er jetzt nicht mehr hier ist, bricht Frau von Kellberg das Herz.“ Willi hatte Tränen in den Augen. Es war klar, dass er Maximilian gemocht hatte und dass auch er sehr unter dem Verlust litt.
„Und was ist mit Herrn von Kellberg?“, bohrte Leo nach.
„Ich bin bei Frau von Kellberg angestellt. Mehr sage ich dazu nicht.“
Anna steckte einige persönliche Unterlagen von Maximilian ein und musste Willi versprechen, alles wieder zurückzubringen. Gemeinsam gingen sie in den Salon zurück, wo Steinberger mit den Eheleuten von Kellberg warteten. Es herrschte beklemmendes Schweigen.
„Wir sind soweit fertig und möchten uns verabschieden.“
Alle standen auf und Frau von Kellberg sagte zu Leo:
„Wenn Sie irgendwelche Fragen haben, melden Sie sich bitte. Scheuen Sie sich nicht, sich an uns zu wenden, egal um was es geht und um welche Uhrzeit es sich handelt. Mein Sohn war ein sehr liebenswerter Mensch, der zu allen freundlich und überaus hilfsbereit war. Trotz seiner Herkunft war er niemals überheblich oder arrogant. Ich möchte unbedingt wissen, wer das meinem Jungen angetan hat und vor allem, warum ihm das angetan wurde. Hier ist meine Karte. Auf die Rückseite habe ich Ihnen meine Handynummer notiert.“
„Vielen Dank, Frau von Kellberg, ich werde bestimmt darauf zurückkommen.“
Er nahm die Karte. Demonstrativ verschränkte Johannes von Kellberg die Arme vor der Brust. Von ihm würde Leo keine Karte mit persönlichen Daten bekommen.
Leo fand Frau von Kellberg sehr sympathisch, das gleiche galt auch für den Hausdiener Willi. Johannes von Kellberg hingegen konnte er nicht leiden. Auch seinen Passauer Kollegen Albert Steinberger mochte er nicht besonders. Er wusste nicht genau warum. Vielleicht waren es die kleinen, stechenden Augen oder einfach nur die Tatsache, dass dieser Steinberger nach Achselschweiß stank und dazu auch noch einen ekelhaften Mundgeruch hatte.
Schweigend fuhren die drei wieder zurück ins Polizeipräsidium Passau. Eigentlich wollte Leo Steinberger darauf ansprechen, warum er die Eheleute von Kellberg entgegen ihrer Absprache bereits über den Tod des Sohnes unterrichtet hatte, aber er entschied sich dagegen. Zu sehr beschäftigte ihn das Gespräch mit den von Kellbergs. Auch Anna war sauer auf Steinberger und konnte ihn genauso wenig leiden wie Leo. Sie hatte den Passauer Kollegen beobachtet, während Leo mit den Eltern des Toten sprach. Steinberger schien nicht so betroffen zu sein, wie er vorgab. Was spielte der Typ für ein Spiel? Sie beschloss, ihn im Auge zu behalten.
Als Nächstes mussten sich Leo und Anna mit den drei Studienkollegen unterhalten, die sich auf Albert Steinbergers Initiative hin um 16.00 Uhr in dessen Büro trafen. Sie hatten sich darauf verständigt, die drei gemeinsam zu vernehmen. Leo und Anna hätten gerne auf Steinbergers Anwesenheit verzichtet, aber der wollte unbedingt bei der Befragung dabei sein.
„Gut. Wir werden die drei lediglich über Maximilians Tod informieren, mit Einzelheiten halten wir uns vorerst noch zurück. Können wir uns darauf einigen?“ Leo sah vor allem Steinberger an, der keine Einwände hatte. „Ich möchte Sie bitten, dass Sie sich diesmal an die Absprache halten,“ fügten Leo hinzu. Steinberger war sauer. Was fiel diesem Schwaben eigentlich ein, so mit ihm zu sprechen?
Es war 16.00 Uhr und die Freunde waren anwesend. Sie saßen gemeinsam in Steinbergers Büro und Leo informierte sie über Maximilians Tod. Anna hielt sich im Hintergrund, um die drei aufmerksam zu beobachten. Maximilians Freunde waren sichtlich geschockt.
Julius Bernrieder war 1,72 Meter groß, 24 Jahre, untersetzt und hatte langes, braunes Haar, das er bestimmt schon einige Tage weder gewaschen, noch gekämmt hatte. Er trug eine kleine Nickelbrille und man konnte aufgrund der Glasstärke der Brille erkennen, dass er sehr schlechte Augen hatte. Seine Kleidung war leger: Jeans, Turnschuhe und ein T-Shirt. Julius war Sohn eines Bankers, seine Mutter war Hausfrau. Er studierte entgegen den Erwartungen seiner Eltern Naturwissenschaften. Leo befragte ihn zu seinem Verhältnis zu Maximilian und zu dem Tag des Verschwindens.
„Ich war mit Maximilian noch nicht lange befreundet, wir kannten uns eigentlich nicht näher. Wir haben uns in einer Passauer Kneipe kennengelernt, als ich meine Eltern zuhause besuchte. Sie müssen wissen, dass ich in Bayreuth studiere. Sie haben Glück, dass ich noch in Passau bin, in einer Woche enden die Semesterferien. Maximilian und ich trafen uns also in der Kneipe und verstanden uns auf Anhieb. Eines Tages beim Bier hat mir Maximilian erzählt, dass er nach Sylt in Urlaub möchte und hat mich dazu überredet, mich anzuschließen. Ich hatte nichts Besseres vor, also bin ich mit.“
„Es geht um die Party am 14. Juni, als Maximilian verschwand. Woran können Sie sich erinnern?“
„Bei der Party war ich nur kurz, es hat mir nicht gefallen. Ich bin nicht der geborene Party-Typ. Ich lass mich nicht gerne volllaufen, ich ziehe interessante Gespräche vor und lese lieber.“
„Wann haben Sie die Party verlassen?“
„So gegen 22.00 Uhr schätze ich.“
„Wann haben Sie Maximilian von Kellberg zum letzten Mal gesehen?“
„Auf der Party. Als ich ging, war er gerade am Tanzen. Das war das letzte Mal, dass ich ihn gesehen habe.“ In Julius Augen standen Tränen, deren er sich nicht schämte.
Leo wandte sich an den nächsten Freund, an Benjamin Aschenbrenner. Er war der Sohn eines Zahnarztes und einer Psychotherapeutin, und wie Julius ebenfalls 24 Jahre alt. Er saß mit seiner sichtlich teuren Kleidung aufrecht auf dem Stuhl. Er war 1,83 Meter groß und hatte eine sehr sportliche Figur. Seine Frisur war kurz und sehr modern mit Haargel in Form gebracht. Seine wachen, blauen Augen sahen Leo erwartungsvoll an.
„Auch an Sie habe ich die gleichen Fragen, Herr Aschenbrenner. Wie war Ihr Verhältnis zu Maximilian und wie haben Sie den Abend des 14. Junis erlebt?“
Leo überraschte die tiefe, klare Stimme.
„Maximilian und ich kennen uns schon von klein auf, wir sind praktisch zusammen aufgewachsen. Unsere Eltern sind sehr eng befreundet. Nach der Schule war es klar, dass wir gemeinsam studieren. Wir haben uns für Jura entschieden und uns gemeinsam an der Uni Passau eingeschrieben. Zu dem Abend auf Sylt kann ich nicht viel sagen. Ich saß an der Bar und habe mich mit einigen Leuten unterhalten. Maximilian hat sich vorwiegend auf der Tanzfläche aufgehalten und hat alle möglichen Mädchen angemacht. Irgendwann ist er dann mit einem Mädchen verschwunden. Später habe ich ihn noch einmal mit einem anderen Mädchen gesehen. Das muss nach Mitternacht gewesen sein, eher halb eins. Da ich müde war, habe ich Maximilian und Tim noch zugewinkt und bin auf mein Zimmer.“
„Danach haben Sie Maximilian nicht mehr gesehen?“
„Nein, das war das letzte Mal.“ Er senkte den Kopf, um die Tränen zu verbergen. Von Anfang an hatte er sich bemüht, sachlich zu bleiben, was ihn arrogant erscheinen ließ. Er musste sich anstrengen, um die Fassade aufrecht zu erhalten. Aber gerade diese Gefühlsregung machte ihn fast schon wieder sympathisch.
Leo bekam langsam ein Bild von Maximilian von Kellberg. Er wandte sich an den dritten Studienkollegen Tim Mahler, der in einem roten Jogginganzug vor ihm saß. Tim bemerkte Leos abschätzende Blicke.
„Tut mir leid, ich war im Training und bin direkt hierher. Ich hoffe, Sie stören meine Klamotten nicht.“
„Nein, keineswegs. Bei der Gelegenheit möchte ich mich bei Ihnen allen bedanken, dass Sie es möglich gemacht haben, pünktlich zu erscheinen; in welcher Kleidung auch immer. Welchem Sport gehen Sie nach?“
„Eigentlich mache ich so gut wie alles, aber vor allem spiele ich mit Leidenschaft Fußball. Ich studiere Biologie und Sport auf Lehramt. Um mein Studium zu finanzieren, kellnere ich in einer kleinen Bar in der Altstadt. Meine Mutter hat kein Geld, um mich finanziell zu unterstützen. Sie ist Sekretärin in einem Exportunternehmen und hat mich allein aufgezogen. Ich komme über die Runden, das Studium läuft prima.“
„Sind Sie ein guter Fußballer?“, wollte Leo wissen, der eine Schwäche für Fußball hatte.
„Ich kann das selbst nicht so beurteilen,“ antwortete Tim Mahler bescheiden, „aber mein Trainer meint, dass ich das Zeug zum Profi habe. Die ersten Anfragen von Profivereinen flattern bereits ins Haus. Ich bin erst 20 Jahre alt, mal sehen, was noch kommt. Ich verlasse mich aber nicht auf eine eventuelle Profikarriere. Ein kaputtes Knie oder dergleichen, und ich stehe auf der Straße.“
Insgeheim beneidete Leo diesen Jungen. Er wollte früher auch so sein wie Tim Mahler, aber er hatte nicht die nötige Disziplin. Tim war mit 1,98 Meter sehr groß. Er hatte schwarze, kurze Haare und eine gebräunte, gesunde Gesichtsfarbe. Eben einer dieser Jungs, die von den Mädchen umschwärmt werden und die überall beliebt sind.
„Sehr vernünftig, junger Mann. Ich habe natürlich die gleichen Fragen auch an Sie.“
„Ich kenne Maximilian von der Uni, wir haben uns beim Sport kennen gelernt. Maximilian war auch begeisterter Fußballspieler, aber er hatte nicht den gleichen Ehrgeiz wie ich. Er kommt zwar aus sehr reichem Haus, aber er war nicht so ein eingebildeter Schnösel, sondern völlig normal.“ Dabei sah Tim Benjamin an, der keine Miene verzog. „Maximilian hat mich zu diesem Urlaub auf Sylt überredet und hat das alles auch bezahlt. Ich habe keinen Cent übrig, aber Maximilian sah das locker und hat mich einfach eingeladen. Er wollte unbedingt, dass ich mitkomme. Wir hatten auf Sylt richtig viel Spaß. Bezüglich des weiblichen Geschlechts waren wir auf einer Wellenlänge, wenn Sie verstehen, was ich meine. Wir beide haben es richtig krachen lassen. Durch mein Studium, das Training und meinen Nebenjob habe ich sehr wenig Freizeit und habe diesen Urlaub wirklich ausgenutzt.“
Leo musste grinsen, genau so hatte er sich Tim vorgestellt.
„Ja, ich kann mir vorstellen, wie Sie das meinen. Fahren Sie fort. Wie ist der Abend verlaufen?“
„Wie Benjamin schon sagte. Maximilian und ich sind gleich auf die Tanzfläche und auf die Mädchen los. Wir wurden ziemlich schnell fündig und sind mit den Mädels abgezogen, jeder für sich natürlich. Später sind wir uns wieder begegnet, tranken ein Bier zusammen und haben uns wieder unter die Leute gemischt. Ich habe gegen später noch ein Mädchen aufgerissen und bin mit auf ihr Zimmer. Maximilian habe ich nur kurz von weitem mit einem Mädchen am Strand gesehen.“
„Welche Uhrzeit?“
„An dem Abend habe ich jegliches Zeitgefühl verloren. Ich ließ mich einfach treiben und genoss das Leben. Ich bin mir sicher, dass das nach Mitternacht gewesen sein muss.“
„War außer Maximilian und dem Mädchen noch jemand am Strand?“
„Darauf habe ich nicht geachtet. Ich sah Maximilian und das Mädchen, das ich nicht beschreiben könnte. Ich kann mich an ihr langes Haar erinnern, das im Wind wehte. Das war das letzte Mal, dass ich Maximilian sah.“
Leo spürte, dass Tim das alles sehr nahe ging. Er atmete schwer und ihm versagte langsam die Stimme.
„Dann waren Sie der Letzte von Ihnen, der Maximilian auf der Party gesehen hat?“, fragte Leo weiter.
„Das kann gut sein, aber sicher bin ich mir nicht. Ich weiß, dass Julius nicht so auf Partys steht. Ich habe Benjamin gesehen, wie er sich mit einigen Leuten heftig gestritten hat. Wann die beiden von der Party weg sind, kann ich nicht sagen.“
„Hör mal Tim,“ empörte sich Benjamin sehr laut, „ich habe dir und Maximilian doch noch zugewinkt. Das muss gegen halb eins gewesen sein.“
„Tut mir leid, Kumpel. Ich kann mich weder an die Uhrzeit, noch an das Winken erinnern.“
Benjamin war sichtlich sauer.
„Mit wem haben Sie sich gestritten und um was ging es dabei?“
„Das war kein Streit, ich habe lediglich mit einigen Leuten diskutiert. Es ging um Politik und bei dem Thema kann es schon mal ein bisschen heftiger zugehen. Aber ich bestehe darauf, dass ich mich mit niemandem gestritten habe.“
Leo sah zu Julius.
„Was sagen Sie dazu, Herr Bernrieder?“
„Was soll ich sagen, Mann? Ich kann von meinem Kumpel nicht erwarten, dass er weiß, wann ich ins Bett gehe. Ich weiß, dass ich gegen 22.00 Uhr ins Bett bin, Zeugen habe ich keine.“
„Kann sich von Ihnen jemand erinnern, was Maximilian an diesem Abend anhatte?“
„Ja klar,“ sagte Tim mit einem Schmunzeln. „Wir haben uns alle darüber lustig gemacht. Es waren blaue Shorts mit bunten, kleinen Palmen drauf. Das ging gar nicht. Maximilian hatte seine Shorts zuhause vergessen und hat in der Boutique des Hotels das scheußliche Ding gekauft. Er sagte, die anderen waren noch hässlicher, was ich mir nicht vorstellen kann.“
„Und die Schuhe?“
„Keine Schuhe. Das war eine Beachparty, im Sand trägt man keine Schuhe. Die Jungs tragen Badeshorts und die Mädchen einen Bikini, das ist ja das Tolle an diesen Strandpartys,“ sagte Tim mit einem Lächeln.
„Ich hatte Schuhe an,“ sagte Benjamin mit einem Seitenblick auf Tim.
„Klar, du warst ja auch wie immer korrekt gekleidet. Mit Hemd, langer Hose und Slippern. Und das bei einer Beachparty im Sand!“, sagte Julius mit einem Lachen. „Du musst immer aus der Reihe tanzen und bei jeder Gelegenheit demonstrieren, dass du etwas Besseres bist,“ sagte Julius sarkastisch. Man spürte sofort, dass er Benjamin nicht leiden konnte. „Ich hatte übrigens auch keine Schuhe an. Das war mir ganz recht, denn in meinem Zimmer hätte ich Stunden gebraucht, um meine Schuhe zu finden. Ich bin etwas chaotisch und es braucht nicht viel, bis es aussieht wie Sau.“
„Jetzt habe ich aber auch eine Frage,“ sagte Tim. „Wie ist Maximilian gestorben? Wo haben Sie ihn gefunden und was zum Teufel hat er die ganze Zeit gemacht?“
Die drei sahen Leo an. Offensichtlich stellten sich die anderen beiden dieselben Fragen.
„Tut mir leid, aber Details können wir Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt aus ermittlungstechnischen Gründen noch nicht nennen.“
„Unfall oder Mord?“ Tim ließ nicht locker. „Es macht mich stutzig, dass Sie von der Mordkommission Ulm sind.“
Leo war in der Zwickmühle und sah Anna an. Sie zuckte nur mit den Schultern und überließ ihm die Entscheidung, Informationen zu nennen. Warum auch nicht? Die drei jungen Männer, die vor ihm saßen, waren Maximilians beste Freunde. Hatten sie nicht ein Recht darauf, wenigstens dieses Detail zu erfahren?
„Wir gehen von Mord aus. Aber mehr kann ich Ihnen wirklich noch nicht sagen.“
Die drei starrten Leo irritiert an, damit hatte niemand gerechnet. Sie stellten Leo noch jede Menge Fragen, die er aber abblockte. Noch scheute er sich davor, ihnen die grausame Wahrheit zu sagen. Was sollte das bringen?
Nachdem die Protokolle aufgenommen wurden, gab Leo jedem noch eine seiner Visitenkarten und sie wurden nach Hause entlassen.
Nach einer kühlen Verabschiedung von Steinberger fuhren Leo und Anna zurück nach Ulm. Es war bereits dunkel geworden und im Radio lief leise Musik.
„Steinberger konnte es kaum erwarten, dass wir endlich wieder abhauen. Kann ich irgendwie nachvollziehen, schließlich haben wir ihn ganz schön in Beschlag genommen. Maximilians Freunde taten mir sehr leid. Die Todesnachricht und vor allem die Info, dass Maximilian ermordet wurde, hat sie ziemlich mitgenommen.“ Anna war betroffen. Der heutige Tag ging ihr ziemlich an die Nieren.
„Ich habe mir das Gespräch mit den Freunden anders vorgestellt. Ich ging davon aus, dass sie untereinander befreundet sind und sich gut kennen. Aber in Wirklichkeit sind die sich alle nicht ganz grün. Die waren nur zusammen, weil sie mit Maximilian befreundet waren. Er war das Bindeglied zwischen ihnen. Wenn wir mehr Erkenntnisse haben, sollten wir sie zu einem späteren Zeitpunkt nochmals getrennt voneinander befragen.“ Auch an Leo ging der heutige Tag nicht spurlos vorbei. Dieser beschissene Tag und die Fahrt in der trostlosen Nacht gingen ihm an die Nieren. Er spürte, dass es Anna ähnlich ging. „Was hältst du davon, wenn wir richtig gut essen gehen? Das haben wir uns nach dem heutigen Tag verdient. Morgen sehen wir weiter. Ich denke, wir sollten uns auf Sylt umsehen, vielleicht werden wir dann etwas schlauer.“ Anna nickte zustimmend. Auch Sie würde sich gerne auf Sylt vor Ort umsehen und sich ein persönliches Bild machen. Bezüglich des Essens hatte sie keine Einwände. Im Gegenteil: Sie hatte tierischen Hunger.
Leo fand im nächsten Ort ein nettes Restaurant mit gutbürgerlicher Küche und sie genossen das Essen.
„Hattest du auch das Gefühl, dass der Butler Willi seinen Chef Johannes von Kellberg nicht besonders mag?“, fragte Leo, als sie ihr Wiener Schnitzel fast aufgegessen hatte.
„Sicher. Und ich kann ihn verstehen: Mir ist der arrogante Typ auch nicht sympathisch.“ Dass er Albert Steinberger ebenfalls nicht mochte, behielt er lieber für sich, schließlich ging es um einen Kollegen.
Sie trafen gegen 23.30 Uhr in Ulm ein. Leo rief trotz der späten Stunde seinen Chef Zeitler an, um ihn über den heutigen Tag zu unterrichten und den Flug nach Sylt genehmigen zu lassen. Zeitler schien über die späte Störung nicht sauer. Er hörte sich alles an und stellte nur wenige Fragen. Bezüglich Sylt hatte er zwar Bedenken, stimmte dann aber doch zu.
Leo kümmerte sich umgehend um Flüge nach Sylt und gab Anna Bescheid, dass er sie um 4.00 Uhr abholen würde. Schon wieder hatten sie eine sehr kurze Nacht vor sich. Dann rief Leo in dem Hotel auf Sylt an, in dem Maximilian im Juni gewohnt hatte. Er kündigte seinen Besuch für den nächsten Tag an und vereinbarte einen Termin mit dem Hotelmanager. Wie würde die Sylter Polizei reagieren, wenn er mit Anna dort auftauchte und recherchierte? Er konnte keine Probleme brauchen, rief dort an und sprach lange mit dem Diensthabenden, bis der schließlich sein Okay gab, das sich Leo schriftlich per Mail bestätigen ließ.
Jetzt war alles geklärt. Leo sah auf die Uhr: 1:24 Uhr! Die Telefongespräche hatten sehr lange gedauert. Wenn er sich ranhielt, dann konnte er noch zwei Stunden schlafen.