Читать книгу Der Heinrich-Plan - Irene Dorfner - Страница 9
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ОглавлениеAnna stand schon auf der Straße, als Leo sie pünktlich um 4.00 Uhr abholte. Sie hatte wie immer gute Laune, wohingegen Leos Laune auf dem Nullpunkt war. Er hatte wenig und schlecht geschlafen. Er hatte Angst vor dem Flug nach Sylt, denn er litt unter starker Flugangst. Aber es half nichts, da musste er durch.
Sie stellten den Wagen direkt im Parkhaus am Flughafen ab. Die Tickets waren für sie am Schalter hinterlegt.
Leo rief vor dem Abflug bei der Passauer Polizei an, um sich nochmals bei Albert Steinberger für dessen Mitarbeit zu bedanken und um nachzufragen, ob sich etwas Neues ergeben hätte. Das war leider nicht der Fall. Warum war Steinberger so wortkarg, fast unfreundlich? Klar! Es war noch sehr früh am Tag und er hatte den Kollegen ganz sicher geweckt. Hätte er ihm sagen sollen, dass er auf dem Weg nach Sylt war? Nein, warum auch?
Der Flug dauerte nur 1 ½ Stunden und war sehr unangenehm. Wegen der heutigen Stürme wurden sie kräftig durchgeschüttelt. Nach den letzten schönen Tagen machte sich der Herbst nun doch langsam bemerkbar. Leo stand Todesängste aus. Schon der holprige Start war für ihn eine Tortur gewesen. Er krallte sich in seine Oberschenkel und konnte sich keine Sekunde entspannen. Den Snack und ein Getränk lehnte er ab. Anna schien völlig ruhig. Sie las in einem Buch und ihr schienen die Turbulenzen nichts auszumachen. Als das Flugzeug zur Landung ansetzte, wurde Leos Nerven noch einmal strapaziert. Schreckliche Horrorszenarien von Flugzeugabstürzen liefen vor seinem inneren Auge ab. Alles ging gut, sie landeten sicher und Leo atmete erleichtert auf. Hatte Anna gemerkt, dass er Angst hatte? Bestimmt nicht.
Natürlich hatte Anna seine Angst bemerkt, wie auch die Stewardessen und ihr Sitznachbar. Sie ließen Leo in Ruhe. Was hätten sie auch tun können?
Das Wetter auf Sylt war ungewöhnlich stürmisch und es regnete stark, als die beiden um 8.30 Uhr aus dem Flugzeug stiegen. Leo machte das Wetter nichts aus. Er hatte den Flug hinter sich gebracht und war glücklich. Da sie beide kein Gepäck hatten, konnten sie den Flughafen schnell verlassen. Sie nahmen ein Taxi.
Nach guten 20 Minuten hatten sie das Hotel im Blick. Leo war überrascht, er hatte sich das ganz anders vorgestellt. Es machte einen sehr ordentlichen, aufgeräumten Eindruck. Die Auffahrt war mit großen Pflanzen gesäumt und dazwischen waren Figuren und große bepflanzte Amphoren geschickt platziert worden. Hier fand eine der größten Strandpartys Nordeuropas mit hunderten von Jugendlichen statt?
Die Empfangshalle war hell und freundlich mit sehr gemütlichen, farbenfrohen Sitzmöglichkeiten und riesigen, mediterranen Pflanzen ausgestattet. Außerdem war es hier sehr warm, was beide nach dem schlechten Wetter als sehr angenehm empfanden. Hinter dem Tresen begrüßte sie eine junge Frau mit einem leichten Sprachfehler. Leo sah sofort eines dieser schrecklichen Zungenpiercings, die er nicht ausstehen konnte. Er kapierte nicht, wie man sich freiwillig Löcher in irgendwelche Körperstellen machen konnte. Das Gleiche galt übrigens für Tattoos, die in jeder Altersschicht beliebt waren und inzwischen zum guten Ton gehörten. Das musste doch alles höllisch wehtun! Es gab für ihn nur die eine logische Erklärung dafür: Diese Menschen müssen alle masochistisch veranlagt sein, denn schön und schmückend war der Körperschmuck in seinen Augen ganz sicher nicht. Bei diesen Gedanken allein schüttelte es ihn und er bekam eine Gänsehaut.
„Hallo, ich bin Lisa. Was kann ich für euch tun?“
„Guten Tag. Mein Name ist Leo Schwartz, das ist meine Kollegin Anna Ravelli, wir sind von der Kriminalpolizei Ulm. Wir möchten den Hotel-Manager sprechen, wir sind angemeldet.“
„Ja klar, ich weiß Bescheid,“ lispelte die junge Frau und rief mit schriller Stimme quer durch die Halle „Sabrina! Dein Termin ist da!“
Leo und Anna erschraken über die Lautstärke und die saloppe Art der Frau. Kurz darauf kam eine junge Frau in einem Minirock und einem sehr knappen Oberteil auf die beiden zu. „Hallo, ich bin Sabrina. Was kann ich für euch tun?“
„Guten Tag. Mein Name ist Leo Schwartz,“ sagte er irritiert und zeigte seinen Dienstausweis vor. Er starrte auf das riesige, funkelnde Bauchnabel-Piercing und die Tätowierung auf der linken Brust. Sofort bekam er wieder eine Gänsehaut. „Das ist meine Kollegin Anna Ravelli. Wir sind von der Kriminalpolizei Ulm. Unser Aufenthalt wurde von der örtlichen Polizei abgesegnet.“ Er hielt ihr ein Blatt Papier vor, was Sabrina aber wenig interessierte. Sie strahlte Leo mit ihren weißen Zähnen an, was Leo nun noch mehr irritierte. „Wir haben einige Fragen bezüglich eines Mordfalles. Können wir uns irgendwo ungestört unterhalten?“
„Na klar. Ich bin sehr gespannt, was unser Haus mit einem Mord in Ulm zu tun hat. Kommt mit, wir setzen uns an die Bar.“ Ohne auf eine Reaktion zu warten, klapperte sie auf ihren hochhackigen Schuhen davon und die beiden folgten ihr. Anna war sehr amüsiert, denn selten hatte sie Leo so irritiert gesehen.
„Was möchtet ihr trinken?“, fragte Sabrina und winkte dem Barkeeper. „Ich nehme einen Wodka-Orange.“
Leo erschrak. Alkohol um diese Uhrzeit? Das konnte ja heiter werden. Er lehnte dankend ab.
„Und was möchtest du trinken?“, wandte sich Sabrina an Anna.
„Ein Cappuccino wäre super, wenn das möglich wäre.“
„Klar, du bekommst alles, was du willst. Pedro?“ Sie gab dem Kollegen hinter der Theke ein Zeichen. „Wodka-Orange und einen Cappo.“
„Frau Sabrina,“ begann Leo und wurde sofort von ihr unterbrochen.
„Nur Sabrina bitte. Wir nennen uns hier alle beim Vornamen und duzen uns auch alle. Wir pflegen untereinander einen lockeren Ton, was bei unseren meist jungen Gästen sehr gut ankommt. Was nicht heißt, dass das Hotel nicht ordentlich geführt wird und wir keine Ahnung haben.“
„In Ordnung, wie Sie wollen. Sabrina. Wir haben die Leiche eines jungen Mannes gefunden, der im Juni mit seinen Freunden in Ihrem Hotel abgestiegen ist. Ich habe ein Foto. Wenn Sie sich das bitte ansehen würden?“
„Klar, zeig her.“ Sie besah sich das Foto sehr genau. Das Lächeln war verschwunden, sie runzelte die Stirn. Dann stand sie auf, ging ein paar Schritte und rief quer durch die Empfangshalle „Leute, kommt mal bitte alle an die Bar!“
Anna und Leo sahen sich an und konnten sich ein Lachen nicht verkneifen. In dem Hotel ging es wirklich sehr locker zu. Kurz darauf kamen fünf junge Personen. Alle etwa alle im gleichen Alter, ungefähr Mitte 20, und alle sahen ähnlich aus wie Sabrina: Knappe, kurze, sehr aufreizende Kleidung und irgendwo blitzte ein Piercing oder ein Tattoo hervor.
„Leute, seht euch das Foto an. Kennt jemand den Jungen? Es ist wichtig.“
Das Foto ging reihum und das junge Mädchen Lisa vom Empfang kicherte. „Ja, den kenne ich. Der war im Juni während unserer großen Beachparty hier“, lispelte sie und bewegte das Zungenpiercing hektisch hin und her. Leo musste sich zwingen, nicht hinzusehen, da ihm richtig schlecht wurde. Schon die Vorstellung allein, dass dieses Mädchen mit dem Metall in ihrem Mund spielte, verursachte bei ihm abermals eine Gänsehaut.
„Sind Sie sicher, dass Sie den Mann kennen?“, hakte Leo nach.
„Klar. Ich war kurz mit ihm zusammen. Wegen dem war doch die Polizei schon einmal hier, erinnert ihr euch?“ Reihum nickten alle. Sabrina kapierte nun auch, um wen es sich handelt.
„Ach der ist das? Ich dachte mir doch gleich, dass er mir bekannt vorkommt. Ja, der war hier. Die Polizei hat ihn gesucht.“
„Moment, Lisa. Habe ich das richtig verstanden? Sie waren mit Maximilian zusammen?“
„Ja, wir hatten kurz Spaß miteinander. Er ist zurück zur Party und ich musste zur Arbeit, an dem Tag hatte ich Spätschicht.“
„Haben Sie Maximilian später noch einmal gesehen?“, wollte Anna wissen.
„Nein, warum sollte ich?“ Lisa schien erstaunt.
„Waren Sie nicht besorgt, als Maximilian vermisst wurde?“
„Nein, warum denn ?“
„Sie waren doch schließlich mit ihm zusammen.“
Lisa kicherte und auch Sabrina und die anderen konnten sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Das dürft ihr nicht erst nehmen und gleich in die Beziehungskiste stecken. Das mit ihm und mir hatte nichts weiter zu bedeuten. Die Leute kommen zu uns ins Hotel, um Spaß zu haben. Und das wollen wir auch.“
„Wir sind alle sehr jung, seht uns doch an. Bei den jungen Leuten draußen sind wir bekannt und beliebt dafür, dass wir hier Party machen und locker drauf sind. Deshalb ist unser Haus auch immer ausgebucht,“ erklärte Sabrina und verdrehte die Augen. Immer wieder musste sie sich vor Spießern erklären. Warum konnte man nicht einfach akzeptieren, dass es das Konzept des Hauses war, locker drauf zu sein und den Gästen ein Höchstmaß an Spaß, Sicherheit und Exklusivität zu bieten, ohne billig und abgefuckt zu wirken. Hier konnte man so richtig feiern, ohne am nächsten Tag Fotos von sich in der Zeitung zu sehen. Sie war davon überzeugt, dass auch das Personal zu dem Konzept passen musste, was sich in den letzten drei Jahren, in denen sie als Hotel-Managerin angestellt war, bezahlt gemacht hatte. Es war ein riesiger Aufwand, die Sicherheit und den Spaßfaktor zu garantieren, weshalb auch die Hotelpreise überdurchschnittlich hoch waren. Darüber hinaus konnte nicht jeder bei ihnen buchen, Sabrina war da sehr wählerisch. Gäste, die neu zu ihnen kamen, ließ sie überprüfen. Das war zwar nicht korrekt, aber das war ihr egal. Auf Rowdys und gewaltbereite Typen, die sich nicht im Griff hatten, konnte sie gerne verzichten. Sie hatte immer ein Auge darauf, dass die Gäste ihres Hotels ungefähr in derselben Altersgruppe waren, wodurch schon sehr viel Ärger abgewendet werden konnte. In den letzten drei Jahren hatte sich noch nie jemand über den Lärm beschwert.
„Haben Sie als Hotel-Managerin nichts dagegen, dass sich Ihr Personal mit den Gästen einlässt?“, wollte Anna wissen.
„Nein, was soll ich dagegen haben? Zufriedenes Personal ist gutes Personal. Was meine Leute in ihrer Freizeit machen ist mir egal, solange es keine Probleme gibt.“
Leo schüttelte den Kopf, das verstand er nun überhaupt nicht. Wahrscheinlich war er schon zu alt dafür. Er zog weitere Fotos aus seiner Mappe, und zwar von Julius Bernrieder, Benjamin Aschenbrenner und Tim Mahler. „Kennen Sie einen der Herren?“
Wieder wurden die Fotos genau studiert und gingen im Kreis herum. Alle murmelten ein „Nein“ oder „Kann sein“ und Sabrina gab Leo die Fotos wieder zurück.
„Es hilft vielleicht, wenn wir uns das Reservierungsbuch ansehen,“ schlug Sabrina vor und rannte auch schon los. Kurz darauf kam Sie wieder und überreichte Leo ein sehr sauberes, mit ordentlicher Handschrift geführtes Buch.
„Hier sind die Belegungen. Da normalerweise nicht mehr als eine Woche gebucht wird, kannst du dich auf Belegungen ab dem 5. Juni konzentrieren. Die Kopien der Ausweise sind in dieser Mappe. Die Nummer aus den Anmeldungen in dieser Spalte,“ Sabrina zeigte auf die vorletzte Spalte, in der eine dreistellige Nummer stand, “findest du hier den jeweiligen Ausweiskopien zugeordnet. Du kannst die Personen, nach denen du fragtest, mit den Eintragungen vergleichen.“
„Sind das alle Personen, die auf der Party waren?“
„Nein, das waren nicht alle. Die Party im Juni wird zwar von uns veranstaltet, aber sie ist eigentlich öffentlich. Jeder kann gerne mitfeiern, wenn er eine Eintrittskarte ergattern konnte. Zu unseren Hotelgästen kommen in der Regel noch einige Leute dazu, die mit dem Boot da waren. Die legen hier an, feiern mit, und übernachten auf ihren Booten. Von den Einwohnern von Sylt waren nur sehr wenige Leute dabei, das ist immer so.“
„Wie kann ich das verstehen?“
„Wir verlangen ziemlich viel Eintritt und auch die Getränke sind sehr teuer. Dadurch wollen wir die Party exklusiv halten und Schlägereien vermeiden, die durch zu viel Alkohol verursacht werden. Wir möchten auch möglichst vermeiden, dass sich Einheimische mit unseren Gästen und Partybesuchern anfreunden, das gibt nur Ärger. Ihr könnt euch vorstellen, dass sehr viel Neid aufkommt, schließlich sind unsere Gäste überdurchschnittlich wohlhabend. Und dann darf man die zwischenmenschliche Seite nicht außer Acht lassen. Unsere Gäste kommen hier her und wollen ihren Spaß haben, sonst nichts. Es gibt nur Probleme, wenn von einer Seite nur Spaß im Vordergrund steht, und die andere Seite auf eine Beziehung aus ist. Nein, es ist aus unseren Erfahrungen besser, wenn unsere Gäste und die Partybesucher unter sich sind.“
Leo war erstaunt über das fast schon spießig zu nennende Konzept. Er hatte sich eingestehen müssen, dass er Sabrina und das übrige Personal aufgrund ihres Äußeren und der lockeren Art völlig anders eingeschätzt hatte.
Er widmete sich wieder dem Reservierungsbuch zu. Er nahm sich zunächst die Seite vor, auf der die Eintragungen von Maximilian und seinen Freunden stand. Er wurde stutzig.
„Was bedeuten diese Kürzel, die in der letzten Spalte eingetragen sind?“
„Das sind interne Hinweise für uns. SZ heißt ganz banal schmutziges Zimmer. Dabei geht es nicht um Unordnung oder Schmutz, sondern bedeutet: der Kunde hat das Zimmer vollgekotzt. Sie werden verstehen, dass wir darauf nicht scharf sind. Ein D steht für Dieb, was bedeutet, dass der Gast geklaut hat. Dabei sind nicht die üblichen Handtücher, Aschenbecher, Bademäntel oder ähnliches gemeint, sondern dass derjenige einen unserer Gäste oder Partybesucher beklaut hat. In dem Fall reagieren wir sehr empfindlich. Die anderen Kürzel stehen jeweils für ähnliche Informationen, die aber keine so hohe Tragweite haben. Wir machen uns Notizen, die auch banal sein können, uns aber auffielen. Diese haben wir im Computer angelegt. Wenn wieder eine Reservierung reinkommt, können wir nachsehen, ob wir schon einmal negative Erfahrungen mit dem Gast gemacht haben. In dem Fall kann es vorkommen, dass wir auf den Besuch verzichten. Wenn sich aber der Kunde unter falschem Namen doch reinschummeln möchte, dann sehen wir es spätestens an der Kopie der Ausweispapiere, weil wir alle Kopien aufbewahren; zusammen mit den entsprechenden Kürzeln. Wer bei uns bucht, dem garantieren wir jede Menge Spaß und wir sind immer ausgebucht. Auch, weil es bei uns sehr, sehr wenig Ärger gibt, dafür sorgen wir schon bei der Buchungen.“
„Was machen Sie mit einem Gast, der sich während seines Aufenthalts unmöglich aufführt und Sie ihn loswerden wollen? Was passiert dann?“
„Dann muss er sofort seine Sachen packen, beziehungsweise umgehend die Party verlassen. Für solche Fälle haben wir einen Sicherheitsdienst, der uns quasi rund um die Uhr zur Verfügung steht. Der Sicherheitsdienst ist immer unauffällig in unserem Hotel und auch bei den Partys anwesend. Wir garantieren dadurch nicht nur die Sicherheit unserer Gäste vor Paparazzi oder ungebetenen Gästen, sondern schaffen uns mit deren Hilfe auch unliebsame Gäste sehr schnell vom Hals.“
„Sie können sich auf die Leute dieser Sicherheitsfirma verlassen?“
„Immer. Der Chef der Firma ist mein Freund.“
Leo verstand. Dann war es wohl auch ihr Freund, der für Sabrina die Gäste überprüfte. Aber das konnte ihm egal sein, deshalb war er nicht hier. Er widmete sich wieder dem Reservierungsbuch.
Leo entdeckte ein Kürzel hinter Benjamin Aschenbrenners Namen. „Was bedeutet denn SV?“
„Das steht für Spielverderber. Das sind Leute, die an allem und jedem was auszusetzen haben oder den anderen irgendwie den Spaß verderben. Solche Leute mögen wir hier überhaupt nicht und auf die können wir gerne verzichten. Sollte dieser Gast nochmals den Wunsch verspüren, bei uns absteigen zu wollen, hat er Pech gehabt.“
„Sie würden an Aschenbrenner nicht mehr vermieten?“
„Nein.“
Dass Benjamin Aschenbrenner eine Spaßbremse sein konnte, überraschte Leo nicht. Er konnte ihn sich hier in dieser Umgebung bei einer Beachparty einfach nicht vorstellen. Aschenbrenner und eine ungezwungene Party? Undenkbar!
Sabrina bot an, Kopien der Seiten vom Juni zu machen, was Leo dankend annahm.
Leo hatte sich dazu entschlossen, Sabrina die Fotos von Maximilians Freunden zu überlassen.
„Haben Sie noch weiteres Personal?“
„Sicher, das hier sind natürlich nicht alle.“
„Würden Sie bitte die Fotos den übrigen Kollegen und auch dem Sicherheitsdienst zeigen? Vielleicht haben wir Glück und jemand erinnert sich an etwas, das uns weiterhilft.“
„Klar mach ich das. Kannst dich darauf verlassen.“
„Wir würden uns gerne noch umsehen. Wo genau fand die Party statt?“
„Unten am Strand. Wenn ihr aus dem Hotel geht, haltet euch links. Geht um das Gebäude herum. Auf der Rückseite führt ein breiter Steg zum Strand. Den Partyplatz könnt ihr nicht verfehlen.“
„Wie viele Partys finden jährlich statt?“
„Das sind sechs feste Termine, wobei die im Juni die größte ist und immer mit einem riesigen Sonnwendfeuer endet. Darüber hinaus kann man bei uns auch privat gerne Partys steigen lassen, wir sind da sehr offen. Die letzte Veranstaltung war vor fünf Tagen. Einer unserer Gäste hat seinen 25. Geburtstag ganz groß gefeiert, wir waren ausgebucht.“
„Was ist für dieses Jahr noch geplant?“
„Halloween, die Adventsparty am Wochenende des vierten Advents, und die große Party zu Neujahr. Das sind unsere festen Party-Termine. Was darüber hinaus noch privat gebucht wird, ist noch nicht absehbar. Ich schätze, dass noch ungefähr acht bis zehn private Partys dazukommen, wenn nicht sogar mehr. Unser Hotel ist mit seiner Ausstattung, der Lage und nicht zuletzt durch unseren Ruf sehr beliebt.“ Sabrina sah auf die Uhr. „Wenn du keine weiteren Fragen an mich hast, würde ich mich gerne verabschieden. Der nächste Termin steht leider an.“
Nachdem sich Leo und Anna verabschiedet hatten, atmete Leo tief durch.
„Ganz ehrlich, Anna: Findest du das normal hier, oder bin ich einfach schon zu alt, um das alles zu verstehen?“
„Nein, bist du nicht, Leo. Das ist nur eine andere Welt.“
„Nachdem wir jetzt wissen, dass noch Leute mit dem Boot da waren, müssen wir herausbekommen, wer zur fraglichen Zeit mit seinem Boot angelegt hat.“
Sie telefonierten mit dem zuständigen Leiter der Hafenbehörde und der versprach den beiden, so schnell wie möglich eine Liste der Boote in der betreffenden Zeit zusammenzustellen und ihnen diese nach Ulm zu faxen. Da sich alle Boote registrieren lassen müssen, würde das relativ schnell gehen.
Leo und Anna verschafften sich einen Überblick über die Örtlichkeiten. Sabrina hatte den Weg sehr gut beschrieben. Nach wenigen Minuten standen sie vor dem Steg, der zu dem Platz führte, wo die Strandpartys stattfanden. Im Sand war eine riesige Tanzfläche aus Holz. Auf dem riesigen Tisch daneben wurde ganz sicher die Musikanlage aufgebaut. An drei Stellen befanden sich verschiedene Bars, die jeweils locker fünfzig Personen Platz boten. Überall dazwischen standen abgedeckte Strandkörbe.
„Der Platz ist sehr schön. Von hier aus kann man direkt zum Strand gehen,“ rief Anna begeistert. „Ich kann mir sehr gut vorstellen, hier zu feiern. Sieh dich um! Hier stört man niemanden.“
Sie besahen sich den Partyplatz und das Hotel von allen Seiten. Sie gingen den Strand ab und nahmen auch die Straße vor dem Hotel unter die Lupe. Anna machte mit ihrem Smartphone jede Menge Bilder.
Dann war es Zeit, ein Taxi zu rufen und zum Flughafen zu fahren. Der wenige Schlaf, die frische Luft und die Aufregung weckten in Leo die Hoffnung, dass er vielleicht während des Fluges etwas schlafen konnte. Sobald er im Flugzeug saß, ging es ihm wieder schlecht und die Müdigkeit war verflogen. Panik stieg in ihm auf, als das Flugzeug abhob.