Читать книгу Schon wieder einer tot - Irene Wondratsch - Страница 13
Lost in Dubai
ОглавлениеIn meinen schicken neuen Stiefeletten bin ich auf dem Glatteis ausgerutscht und ab ging’s die Straße hinunter. Er hat mich gestoppt und mir aufgeholfen. So bin ich in seinen Armen gelandet.
»Hast du dir wehgetan?«
Ich konnte nur stumm nicken, war ganz verdattert, weil alles so schnell gegangen war.
»Wennst heirat’st, wird’s gut.«
»Das hat meine Mutter auch immer gesagt, aber mich will ja keiner.«
»Doch. Ich.«
»Na gut«, lachte ich, »wann gehen wir aufs Standesamt?«
Er griff zu seinem Handy und sah auf dem Terminkalender nach. »Nächste Woche Dienstag?«
Ich sagte sofort zu. Wer weiß, wann ich wieder so eine Gelegenheit bekäme.
Für den nächsten Tag vereinbarten wir ein Rendezvous beim Juwelier, um die Eheringe zu kaufen. Ich entschied mich für einen flachen, breiten aus Rot-, Gelb-, und Weißgold. Ein Prachtstück.
Auf dem Weg vom Standesamt zur Hochzeitstafel lief eine schwarze Katze vor unseren Füßen über die Straße. Von links nach rechts.
»Hoffentlich bringt das kein Unglück!«, schrie ich.
Ich sollte Recht behalten. Auf dem Flug nach Dubai flirtete mein frischgebackener Ehemann heftig mit einer der Stewardessen. Offenbar nahm er es mit der Treue nicht so genau.
»Doch nicht schon in den Flitterwochen!«, zischte ich ihn an.
»Was?«, fragte er, ohne mich anzublicken, seine Augen waren auf die Beine der Flugbegleiterin geheftet. Ich boxte ihn in die Rippen, so dass der Rotwein aus dem Becher, den er in der Hand hielt, über die Ufer trat und markante Spuren auf seiner hellbeigen Hose hinterließ.
Bald war der heftigste Streit zwischen uns im Gange, der auch den Mitreisenden nicht verborgen blieb.
»Ruhe!«, brüllte der Dicke in der Sitzreihe vor uns.
»Ein Benehmen ist das!« Die Lady neben ihm schüttelte den Kopf.
Schließlich kam die Chefstewardess und versetzte meinen Mann in die letzte Reihe. Voll Zorn streifte ich meinen Ehering ab und schleuderte ihn meinem Mann nach. Ich traf ihn aber nicht. Ich war nie eine gute Ballspielerin gewesen. Der Ring verrollte sich und ward nicht mehr gesehen. Und das bei dem Goldpreis! Ich begann heftig zu schluchzen.
Mitleidige Passagiere krochen auf allen Vieren auf dem schmalen Gang und suchten unter den Sitzen, bis es der Crew zu bunt wurde und das »Fasten Seat Belt«-Zeichen alle auf ihre Plätze zwang.
»Puppi, schauen Sie, dass Sie den zum Ring gehörigen Mann auch so schnell loswerden!«, ermunterte mich die alte Dame in der Reihe hinter mir.
Ich beschloss, den Rat einer lebenserfahrenen Frau zu beherzigen. Aber noch immer rannen mir die Tränen über die Wangen.
»Was Besseres als den finden Sie allemal«, tröstete sie mich.
»Aber wo denn?«
»Na im Supermarkt.« Sie reichte mir das Buch, in dem sie gelesen hatte. »Glück aus dem Supermarkt« stand auf dem Cover. »Da lernen sich ein Mann und eine Frau beim Einkaufen kennen und lieben.«
Ich griff nach meinem Reiseführer und studierte die Seiten unter »Einkaufen«. Einem Scheich würde ich nicht auf den Leim gehen, um unter »ferner liefen« im Harem zu landen, da könnte ich ja gleich bei meinem Mann bleiben. Aber vielleicht ein netter Tourist, ein weltgewandter Geschäftsmann auf Reisen, dessen Koffer nicht mitgekommen war und der sich in der Mall neu einkleiden musste.
Als ich auf die Toilette ging, sah ich meinen Angetrauten. Er war eingeschlafen. Der Mund stand ihm offen, was sein attraktives Aussehen ziemlich beeinträchtigte, und die Brille war von der Nase gerutscht. Ich musste diese teure Brille vor Schaden bewahren, nahm sie vorsichtig ab und verstaute sie in meiner Handtasche.
Bevor er das Flugzeug nach der Landung verließ, begann er ein Lamento über den Verlust seiner Augengläser. Er war ziemlich kurzsichtig und hatte zudem eine Hornhautverkrümmung. Seine Reservebrille war daheim geblieben.
Meine Flitterwochen verbrachte ich solo in Dubai. Ich fand zwar keinen Mann, aber hinreißende Dessous, die ich daheim meinen Freundinnen vorführen konnte.
Als ich die Rückreise antrat und eincheckte, bat mich die Hostess am Schalter, mich bei der Flughafenpolizei zu melden. Dort empfing mich ein liebenswürdiger, ein wenig besorgt aussehender Beamter, der mir in bedauerndem Tonfall eröffnete, dass er eine traurige Nachricht für mich habe.
Ich erfuhr, dass mein Mann bereits am Tag der Ankunft in Dubai beim Überqueren einer Straße überfahren worden war. Der Unfall ereignete sich unmittelbar vor einem Optiker-Geschäft. Ich sei weder im Hotel noch telefonisch erreichbar gewesen.
Ich hatte mir sofort ein anderes Hotel gesucht, um meinem Mann nicht begegnen zu müssen und der Akku meines Handy war leer. Ich hatte mein Aufladegerät daheim vergessen.
»Wissen Sie, mein Mann und ich haben uns im Flugzeug gestritten und sind danach getrennte Wege gegangen.«
»Das tut mir leid.« Er bot mir einen Cognac an und fragte, ob ich psychische Betreuung brauche. Ich schüttelte stumm den Kopf. Er begleitete mich zum Boarding. Ich war so gerührt über diese Fürsorge, dass ich ein bisschen weinen musste.
Ich wurde vor allen anderen Passagieren an Bord gelassen und in die Erste Klasse upgegradet. Die Chefstewardess bemutterte mich bis zur Landung. Sie beriet mich bei der Menüauswahl und fragte, ob ich lieber Melissentee – »sehr beruhigend« – oder ein Glas Champagner haben wolle. Ich entschied mich für letzteres.
Nach der Landung wurde ich einem jungen Mann vom Bodenpersonal übergeben, der mich bis zum Flughafenausgang brachte und mich einem Taxifahrer übergab.
Daheim drückte ich die Gläser aus dem Brillengestell meines Verflossenen und gab sie in den Eiscrusher, den ich anschließend auf der Mülldeponie entsorgte. Aus dem Drahtgestell sollte mir eine Freundin, die Modeschmuck herstellte, einen Armreifen formen.