Читать книгу Schon wieder einer tot - Irene Wondratsch - Страница 7

Diamonds

Оглавление

Selbst wenn ihre Männer vor der Zeit dahingegangen sind – Mathilde blickte ins Leere, als sähe sie dieses »dahin« –, so waren sie dennoch bei ihr. Auch Erich würde ihr immer zur Hand sein.

Sie stand auf, ging ins Vorzimmer, die Treppe hinauf und kehrte mit ihrer Schmuckschatulle zurück, stellte sie auf den Tisch und nahm einen Ring heraus, an dem ein prächtiger Diamant schimmerte. Sie steckte ihn an den Finger ihrer linken Hand. Er brachte ihre Lilienhände perfekt zur Geltung.

Und wie gut er zu Otto passte. Sie hielt den beringten Finger zur Brosche, die an ihrem Kleid steckte: ein mit Diamanten besetztes vierblättriges Kleeblatt. Er ruhte an ihrem Busen und brachte ihr Glück.

Sie kramte in ihrer Schatulle. Heinrich sollte sie auch wieder einmal tragen. Sie hielt beide Ohrringe mit den Edelsteinen in Form von Tautropfen gegen das schräg durch das Fenster einfallende Licht.

Es war ihr zu einer lieben Gewohnheit geworden, die Asche ihrer verstorbenen Männer zu Diamanten einzuschmelzen. Nur Peter war ihr entwischt. Mathilde seufzte und ließ die Goldkette mit dem Anhänger, der nur noch aus der Fassung zu einem großen Brillanten bestand, Peter war ein Hüne gewesen, zwischen ihren Fingern pendeln.

Ob sie noch einmal heiraten würde?

Mathilde setzte sich mit einer Tasse Darjeeling First Blossom in ihren geliebten Lehnstuhl, das Schmuckkästchen auf ihrem Schoß, und gedachte voll Liebe ihrer Verstorbenen.

Erich, der Naturbursche, kam mit roten Wangen und leuchtenden Augen von seinem Spaziergang im Lainzer Tiergarten zurück. Das Jutesäckchen voller Bärlauch. »Das gibt eine wunderbare Suppe.«

Mathilde lächelte. Ihr Mann konnte sich so kindlich freuen. »Bist du sicher, dass keine Blätter von Herbstzeitlosen dabei sind?«

»Geh Mathilde, auf meine Botanikkenntnisse kannst du vertrauen.«

»Und der Fuchsbandwurm?«

»Wird bei 80 Grad abgetötet.«

Während Erich in den Supermarkt fuhr, um die fehlenden Zutaten – Schlagobers und Baguette – zu besorgen, ging Mathilde aus dem Haus über die Wiese zum Waldrand, wo die Herbstzeitlosen standen. Sie schnitt einige Blätter ab und eilte damit zurück in die Küche. Vorsichtshalber wollte sie sie mit den Bärlauchblättern vergleichen, ob Erich nicht doch ein Fehler unterlaufen war.

Als er zurückkam, hatte sie die Bärlauchblätter schon fein gehackt.

»Mmh«, sagte Erich, »ich hab schon einen Mordsappetit.« Er deckte den Tisch. Bald stand die cremig-schaumige Suppe darauf. Mathilde servierte einen Suppenteller wieder ab.

»Isst du denn nichts?«

»Ich habe heute meinen Fasttag.«

Erich schaute bestürzt. »Hättest mir doch was gesagt, dann hätt’ ich die Suppe morgen gemacht.«

»Frisch schmeckt Bärlauch am besten und ich mach mir nicht so viel draus.«

»Wie konsequent du bist«, sagte Erich bewundernd und blickte ein wenig bekümmert auf seinen Bauch. Hätte der gute Erich nur auch gefastet! Dann könnten sie auch heute noch gemeinsam speisen.

Im Bioptat waren Spuren vom Gift der Herbstzeitlose enthalten. Dabei hatte sie die Blätter so sorgfältig geprüft.

Wie ein Gruß aus einer fernen Welt, in der Otto schon länger als Erich weilte, erschien ihr die Spinne, die sich an einem Faden von der Zimmerdecke über ihrem Lehnstuhl herabließ.

Otto hatte an Arachnophobie gelitten. Immer war es Mathilde gewesen, die Spinnen entfernte, wenn sie in seinem Umfeld auftauchten. Das war ihm zwar peinlich, aber Mathilde hatte ihn gerne vor seinen Ekelwesen beschützt, war er doch der großzügigste Mann gewesen, den sich eine Frau wünschen konnte. »Meine Kreditkarte ist auch deine.«

Ach, hätte sie ihn doch zu einer Desensibilisierungstherapie überredet. Aber so war alles, was ihr von ihm geblieben war, ein großer Batzen schnödes Geld und diese wunderschöne Brosche.

Dass diese südrussische Tarantel aber auch ausgerechnet in ihrer Datscha im Seewinkel auftauchen musste, als Otto im Weinkeller war. Und dass er am Abend davor seine Herzmedikamente nicht gefunden hatte, obwohl er so sicher gewesen war, sie eingepackt zu haben. Ihren Vorschlag, eine diensthabende Apotheke aufzusuchen, lehnte er ab. »Ach, einmal keine Tablette wird mir schon nicht den Garaus machen!« Mathilde fand ihn dann im Weinkeller zusammengekrümmt am Boden. Der Arzt konstatierte Herzinfarkt.

Das Haus im Seewinkel hatte Mathilde verkauft, nur Ottos roten Ferrari behalten.

Heinrich, der Kunstsinnige. Heinrich, der Sammler. Mathilde steckte sich die Ohrringe an, um in ihrer Erinnerung nun auch mit Heinrich in Verbindung treten zu können.

Wie oft war sie mit ihm durch die Galerien und Museen gestreift. Kaum eine Ausstellung hatte er ausgelassen.

Heute zierten die Bilder, die er gekauft oder ersteigert hatte, die Wände ihres Heimes. Hätte ihr Otto nicht so viel Barschaft hinterlassen, wäre sie nicht in der Lage, die Versicherungssummen zu bezahlen.

Wenn er nur nicht zu jeder Auktion gerast wäre. Dieser schreckliche Unfall. Die Radmuttern hatten sich gelöst. Der Werkstatt, in der Heinrich immer die Reifen wechseln ließ, hatte man natürlich nichts nachweisen können.

Und schließlich Peter. Er war ein passionierter Bergsteiger gewesen. Mathilde sah sich wieder auf dem Felsensteig. Hinter ihr Peter, der mehr Gewicht zu stemmen hatte, leicht schnaubend. Auf dem Grat rasteten sie. Peter packte das Fernglas aus, stand auf, schaute ins Tal, durch das sich der flaschengrüne Fluss wand.

»Da schau!«, sagte er, »Gämsen.«

Mathilde trat neben ihn. Er verlor das Gleichgewicht und stürzte in die Tiefe.

Nie würde sie diesen Schrei vergessen.

Diesmal würde es kein böses Ende nehmen. Manuel war jung, gesund und in jeder Hinsicht unverwüstlich. Der Sex mit ihm brachte sie noch einmal richtig auf Touren. Manuel wollte und konnte immer und überall. In der Sauna, in der Seilbahngondel und auf dem Jagdstand. Besonders anregend war das letzte gemeinsame Wannenbad. Nachdem sie Kraken gespielt und sich mit ihren Armen und Beinen umfangen hatten, lehnte Mathilde noch mit geschlossenen Augen genüsslich in der Wanne, während Manuel schon herausgestiegen war und – in den flauschigen Bademantel gehüllt – seine Haare mit dem Föhn trocknete. Sein Gesicht im Spiegel betrachtend sinnierte er, dass er nicht jünger wurde. Er sollte seine Zeit mehr mit Schönheitsschlaf als mit Arbeit verbringen. Leichter gesagt als getan. Zwar hatte er reich geheiratet, aber finanzielle Abhängigkeit war nichts für ihn.

Er drehte sich zu Mathilde, dabei rutschte er auf dem nassen Boden aus, der Föhn entglitt ihm und fiel in die Badewanne, in der Mathilde nun heftig zuckte, ehe sie sich gar nicht mehr bewegte.

Schon wieder einer tot

Подняться наверх