Читать книгу Brimborium...oder was das Herz nicht erträgt - Irina Riederle - Страница 10

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DER ROSA ELEFANT UND DIE BLAUE ELISE

Als ich über dich und mich nachgedacht habe (ich denke pausenlos über dich und mich nach), ist mir der rosa Elefant wieder eingefallen. Der, der da zwischen uns im Raum stand und dem wir keinen Namen geben wollten (oder besser nicht hätten sollen). Und während ich also über diesen Elefanten nachdachte, kam mir die blaue Elise in den Sinn. Du weißt schon, dieser leicht depressiv anmutende Ameisenbär von früher. Die immer dieser einen Ameise hinterherjagte wie der Coyote dem Roadrunner. Ich habe dir schon vom rosa Elefanten erzählt als du noch da warst (ich habe versucht ihn dir zu zeigen) und dann nochmal als du es nicht mehr warst (auf der Schreibmaschine habe ich‘s dir getippt) und jetzt habe ich das Gefühl, dass ich es noch einmal tun muss. Weil die Geschichte vom rosa Elefanten noch nicht zu Ende ist, auch wenn wir es sind.

Nachdem wir ihm nämlich keine Heimat schenken konnten oder vielmehr wollten, stand er wieder da. Ganz allein. Auf der Straße vor meinem Haus und wusste weder aus noch ein. Er wusste nicht wohin und er verstand auch nicht, warum er nicht mehr Zuhause sein kann. Egal an welchem Ort. Da war Leere in ihm. Nein, noch viel schlimmer. Da war das Gefühl von verloren sein, von nachts vom Weg abkommen und in eisiger Kälte immer im Kreis laufen, bis sich am Ende alles um die eigene Achse dreht. Also blieb er stehen. Eine unendlich lange Zeit. Er hat sich geweigert fort zu gehen. Zu akzeptieren. Sich aufzumachen und was Neues zu riskieren. Er ist einfach da stehen geblieben wo er war. Wo Zuhause war. Irgendwann einmal. Er stand da so lange. So stur. Bis er begann sich in seine Einzelteile aufzulösen. Er drohte gänzlich zu verschwinden und seine Existenz zu vergeuden. Weil er an etwas festhielt, das es nicht gibt. Vielleicht auch nie gab. Und er erkannte nicht, dass in absolut jedem Ende auch ein Neubeginn steckt, wenn man nur ein bisschen mutig ist. Und dann entdeckte er sie, die blaue Elise. Er weiß nicht wie lange sie da schon in seiner Straße stand. Oder woher sie kam. Aber da war sie. Und manche Dinge müssen wir gar nicht erklären, verstehen oder begreifen können. Im Endeffekt nimmt uns das nur viel zu oft den Zauber weg. Irgendwann trafen sich dann aber ihre Blicke. Die von der blauen Elise und dem rosa Elefanten.

„Wo kommst du her?“ rief er ihr über den Lärm der vorbeifahrenden Autos hinweg zu.

„Unwichtig!“, schallte es von der anderen Seite zu ihm zurück.

„Und wie lange stehst du da schon?“

„Eine Weile.“

„Und was machst du hier?“

„Das weiß ich noch nicht. Und du?“

„Ich habe mich verloren und hoffe mich hier wieder zu finden.“

„Das wird nicht funktionieren.“

„Warum?“

„Weil man sich nie dort findet wo man sich verloren hat. Das funktioniert vielleicht mit einer Geldbörse oder einer Brille, aber nicht mit einer Seele.“

„Und was soll ich deiner Meinung nach stattdessen tun?“

„Es nochmal versuchen.“

„Was denn genau?“

„Na das finden.“

„Ich weiß ja aber gar nicht wo ich anfangen soll, wenn ich ehrlich bin.“

„Fürs Erste vielleicht da drüben.“ Die blaue Elise deutete auf eine Wegkreuzung.

„Und welche Richtung soll ich nehmen?“

„Ganz egal.“

„Aber was, wenn ich mich für den falschen Weg entscheide?“

„Dann versuchst du eben den anderen.“

„Und wenn der wieder falsch ist, was dann?“

„Dann suchst du dir nochmal einen ganz neuen Weg.“

„Und wenn ich mich verletzte, auf einem der falschen Wege?“

Die blaue Elise musste derb lachen und zeigte dem rosa Elefanten all ihre Narben.

„Guck mal, die hier (sie zeigte auf eine große, ausgefranste am Bauch), die habe ich von einem Staubsauger, den ich inhaliert habe und den man mir rausschneiden musste, als ich versucht habe diese dämliche Ameise zu fangen. Und hier oben auf meinem Kopf, da wachsen schon gar keine Haare mehr, weil mir unendlich viele Male etwas drauf gefallen ist (Bowlingkugeln, ein Toaster, zwei Waschmaschinen und ein Kleinwagen) und ich fürchte mein Gehirn sitzt auch ein bisschen locker mittlerweile. Ich könnte dir noch stundenlang meine Narben zeigen und die Geschichten erzählen, die dazu geführt haben. Aber am Ende sind es alles nur Zeichen davon, dass ich‘s immer wieder versucht und niemals nie nicht aufgegeben habe.“

„Willst du mir jetzt ernsthaft sagen, dass man sich zwingend verletzen muss?“

„Naja ob du unbedingt musst weiß ich nicht, aber manchmal lässt es sich eben nicht verhindern. Nur aufgeben darfst du deswegen halt noch lange nicht. In jedem Scheitern liegt die Chance für etwas neues Großes. Manchmal hast du die zündende Idee auch erst nachdem die letzte arg in die Hose ging und dein Ziel findest du oft nur wenn du dich vorher ordentlich verlaufen hast. Apropos verlaufen, ich sollte dann auch mal wieder los. Tschüss!“

„Hey, warte mal ich muss da noch was ganz Wichtiges wissen bevor du gehst…“

„Was denn?“

„Wird mein Herz wieder ganz?“

Die blaue Elise lächelte nur, drehte sich endlich um und verschwand im Sonnenuntergang. Der rosa Elefant sah ihr noch eine Weile lang nach und machte sich dann auch auf den Weg. Als er sich sicher war, seinen eigenen gefunden zu haben, blickte er noch einmal zurück auf all das, was er jetzt hinter sich lassen würde und marschierte dann mutig Richtung Horizont.

Wenn es nicht wieder ganz wird, dann wird es vielleicht ein Rechteck. Oder ein Kreis. Aber egal was es wird, ich werde es immer wieder riskieren und nicht mehr aufgeben. Für mein ganz eigenes, großes Glück am Ende des Weges.

Brimborium...oder was das Herz nicht erträgt

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