Читать книгу Ganztag aus der Perspektive von Kindern im Grundschulalter - Iris Nentwig-Gesemann - Страница 17
Sample
ОглавлениеDie Samplingstrategie4– die Zusammenstellung der Stichprobe – zielte auf das Maximieren von Unterschieden der untersuchten Einheiten im Sinne eines Theoretical Sampling (Glaser und Strauss 1967). So verteilten sich die Einrichtungen räumlich auf die fünf Bundesländer Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern, wobei in Bayern in zwei und in Berlin in drei Ganztagen Erhebungen durchgeführt wurden. Es wurden Einrichtungen aus unterschiedlich großen Orten einbezogen und auch die Einrichtungsgröße variierte stark: Der kleinste einbezogene Ganztag verfügt lediglich über 25 Plätze, während der größte 440 Plätze anbietet.
Ausgewählt wurden zudem Einrichtungen mit unterschiedlichen pädagogischen und organisatorischen Profilen:
Ganztag A: Ganztagsbereich einer katholischen Europagrundschule (AWO)
Ganztag B: Freie Naturschule mit offenem Ganztagsangebot (freie Trägerin: Erzieherinnen-Eltern-Initiative)
Ganztag C: Montessori-Hort in freier Trägerschaft (Elterninitiative)
Ganztag D: Integrativer Hort an einer Halbtagsgrundschule (AWO)
Ganztag E: Waldhort in freier Trägerschaft (Erzieherinnen-Initiative)
Ganztag F: Quasi-gebundene Grundschule in städtischer Trägerschaft
Ganztag G: Hort einer Halbtagsgrundschule im Brennpunktgebiet (zwei Träger: ein städtischer und ein freier)
Ganztag H: Ganztagsbereich einer gebundenen Ganztagsgrundschule mit hohem Anteil an Familien mit Migrations- und Fluchthintergrund (freie Trägerin: Stiftung öffentlichen Rechts)
Die Konzepte der Einrichtungen unterscheiden sich sowohl auf der formalen Ebene (z.B. in Bezug auf die Art des Trägers) als auch in der praktischen Ausgestaltung. In das Sample aufgenommen wurden sowohl gebundene als auch offene Ganztagsschulen, Ganztagsschulen mit vollständig rhythmisiertem Konzept und reiner Nachmittagsbetreuung, in die Schule räumlich integrierte Ganztagsangebote und räumlich von der Schule vollständig getrennte Einrichtungen. Um die Kontraste zwischen den Einrichtungen und damit die Breite der Fälle zu verdeutlichen, werden fünf Einrichtungen kurz vorgestellt:
Der Ganztagsbereich A befindet sich auf dem Schulgelände einer offenen Ganztagsschule im Innenstadtbezirk einer Großstadt. Er wird von rund 150 Kindern und damit gut 70 Prozent der Schüler:innen der Schule besucht. Die Kinder teilen sich auf sechs Gruppenräume mit je einer verantwortlichen Fachkraft auf: Drei der Räume, in denen die Kinder an vier Tagen je nach Unterrichtsende ab 11:30 bis 16:30 Uhr und freitags bis 15 Uhr von Diplom-Sozialpädagog:innen und Erzieher:innen betreut werden, befinden sich im Erdgeschoss des Schulgebäudes und drei in einem Nebengebäude, in dem auch das gemeinsame Mittagessen stattfindet. Die Kinder erledigen in einer 45-minütigen Lernzeit ihre Hausaufgaben und können darüber hinaus zwei aus 26 möglichen AGs wählen, die montags bis donnerstags angeboten werden. Auch in den Ferien bietet der offene Ganztagsbereich Betreuung an, dann ganztägig von 8 bis 16 Uhr.
Ganztag B ist eine freie Schule mit natur- und inklusionspädagogischem Schwerpunkt, die von einer Erzieherinnen-Eltern-Initiative gegründet wurde. Die Schule bietet rund 140 Plätze an und befindet sich in einer Kleinstadt. In der Schule wird nicht strikt zwischen Unterricht, Freizeit oder Lernzeit unterschieden. Die Kinder besuchen die Schule in der Kernzeit von 7 bis 15 Uhr, wobei das Ganztagsangebot in einer Verlängerung bis 16 Uhr (an einem Tag auch 16:30 Uhr) besteht, welches sich inhaltlich nicht von dem Rest des Tages unterscheidet und in denselben Räumen stattfindet. Über den Tag hinweg bieten die Lehrer:innen und pädagogischen Fachkräfte verschiedene Angebote an, die auch den Lehrplan allgemeinbildender Schulen abdecken und die die Kinder zu einem gewissen Teil verpflichtend besuchen. Jedes Kind stellt sich allerdings in Absprache mit einem Mentor oder einer Mentorin einen eigenen, rhythmisierten Wochenplan zusammen, in dem sich individuelle, selbstbestimmte Arbeitszeiten mit dem Besuch von Angeboten und Freizeit abwechseln. Es gibt keine Hausaufgaben und Kinder können nach Rücksprache den Tag auch gänzlich selbstbestimmt gestalten. An einem Tag der Woche wird ein Waldausflug angeboten. Zu zwei Zeitpunkten ist das Mittagessen in der schuleigenen Mensa möglich.
Ganztag C ist ein Hort in einem Randbezirk einer Metropole, der von einer Elterninitiative getragen wird. Er bietet rund 40 Plätze vor allem für Kinder aus einer nahe gelegenen Grundschule an. Diese legen nach dem Unterricht einen Fußweg von etwa zehn Minuten zur Einrichtung zurück, wo sie je nach Schulschluss mittags ankommen und dann den Nachmittag bis maximal 18 Uhr verbringen. Der Hort verfügt über ein zweistöckiges Gebäude mit verschiedenen Räumen inkl. Turnhalle sowie über ein großes Außengelände. Dort befinden sich zudem mehrere kleinere Wohnhäuser, in denen ein sozialer Träger betreutes Wohnen für Jugendliche anbietet, die das Außengelände teilweise mitnutzen. Die Kinder werden von vier pädagogischen Fachkräften betreut und von einer Köchin mit Mittagessen versorgt, das sie einnehmen können, wenn sie von der Schule kommen. Die Fachkräfte räumen in Absprache mit den Eltern Zeit für die Hausaufgabenbetreuung ein und bieten darüber hinaus verschiedene AGs an.
Ganztag F ist eine Ganztagsschule in einer Mittelstadt in städtischer Trägerschaft. Die Schule wurde vor wenigen Jahren von einer gebundenen zu einer offenen Ganztagsschule, wobei sich nur wenig änderte: Die Kinder werden während der Kernzeit von 8 bis 15:15 Uhr (freitags bis 12:30 Uhr) fast ausschließlich von Lehrkräften betreut. Der Tag ist rhythmisiert, wobei die Unterrichtszeit überwiegt. So findet beispielsweise für die Dritt- und Viertklässler:innen von 8 bis 11:30 Uhr Unterricht statt, der lediglich von einer 25-minütigen und einer zehnminütigen Pause sowie für einen Teil der Kinder montags von 8 bis 9:30 Uhr durch ein Werkstattangebot unterbrochen wird. Vor der Mittagspause zwischen 11:45 um 12:30 Uhr sind zudem entweder Angebote oder eine Übungs- und Lernzeit vorgesehen, welche auch in den Klassenräumen unter Aufsicht stattfinden. Für das Mittagessen bestehen drei Optionen: Manche Kinder besuchen die Mensa, einige bringen etwas von zu Hause mit und essen meistens draußen und ein Teil der Kinder geht zum Essen nach Hause und kehrt dann für den Nachmittag zurück, der von 13:45 bis 15:15 Uhr noch einmal entweder aus Unterricht, Lernzeit oder Angeboten besteht. Prinzipiell können die Familien anschließend ein zusätzliches Betreuungsangebot bis 17 Uhr in Anspruch nehmen, für das ein eigener Raum in der Schule zur Verfügung steht. Dieses Angebot wird aber nur von wenigen Familien genutzt.
Eine Besonderheit stellt schließlich der Ganztag E – ein Waldhort – dar. Das dortige Konzept sieht vor, dass 25 Kinder jeden Tag nach einer Zeit aus flexiblem Mittagessen, fester Hausaufgabenzeit und Freispiel über mindestens zweieinhalb Stunden mit zwei hauptamtlichen Fachkräften im Wald verbringen.
Insgesamt haben 165 Kinder im Alter zwischen sechs und zehn Jahren, bzw. in Berlin und Brandenburg bis zwölf Jahren, an der Studie teilgenommen.