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EINLEITUNG

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«Ich gehe jetzt und werde

wiederkommen.

Und doch bin ich stets bei dir.»

Der Lehrerengel

Alles begann mit einer kleinen, weißen Feder. Es war ein nasskalter, weiß-gräulicher Februartag. Eilig stieg ich aus dem Auto aus, nahm meine Tasche mit und schlug die Autotüre zu. Ich wollte schnell noch einige Besorgungen machen und drehte mich um, um loszulaufen. Der Wind pfiff und wirbelte die letzten trockenen Blätter des vergehenden Winters durch die feuchte Luft. Die Atmosphäre war seltsam unruhig, als ob die Luft sprechen würde. Kurz blieb ich stehen und schaute mir dieses wundersame Schauspiel an. Und auf einmal, ganz unerwartet, flog eine kleine, weiße Feder heran und blieb, direkt in Herzhöhe, an meinem Mantel hängen. Ich war völlig erstaunt und hatte zugleich das Empfinden, als ob jemand sanft mein Herz berührt hätte. Ich stand noch kurz da, doch Kälte und Wind waren zu ungemütlich, als dass ich diesen Eindrücken hätte länger nachgehen können. Ich nahm die Feder, steckte sie in die Manteltasche und ging eilig meiner Wege.

Zwei Tage später, in einem ruhigen Moment, holte ich die kleine Feder wieder hervor und schaute sie mir an. Strahlend weiß war sie und wunderschön-flaumig. Ich hielt sie behutsam in meiner Hand, schloss die Augen und spürte mit dem Herzen zu ihr hin. Nach einigen Augenblicken erschien im Raum ein weißer Engel. Ganz licht war er und von kraftvoller Gestalt, sein warmes Weiß war durch und durch geformt. Er strahlte eine würdevolle Klarheit aus. Überrascht wandte ich mich meinem Schutzengel zu und schaute, wie er auf diese Anwesenheit reagierte. Er trat vertrauensvoll einen Schritt zur Seite, öffnete also den Raum, wies auf den neuen Engel und sagte: «Höre ihm zu.» Der weiße Engel begann zu sprechen:

«Du hast so viele Fragen zu unserer Engelwelt. Wer wissen will, darf auch erfahren. Wir verstecken uns nicht vor den Menschen. Ihr dürft mit uns lernen und wachsen, ihr könnt eure Seelen weiten und fliegen lassen. Seite an Seite mit uns könnt ihr euch über diese, eure, wunderbare Welt erstrecken und sie liebend, verstehend, mitfühlend sehen lernen. Wir raunen euch Himmelsworte zu, ihr könnt sie erlauschen und beginnen zu begreifen. Es ist die Zeit gekommen, in der die Menschen aus ihrer Egoität aufwachen müssen. Ihr seid eins mit der Welt, sie ist euer tragender Grund und zugleich eure Entwicklungsaufgabe. Sie ist und wird durch euch.

Wir stehen euch zur Seite, damit wir gemeinsam, Engel und Menschen, als Brüder, diese Erdenwelt durchlichten, durchlieben und erlösen. Es ist eure Welt. Der Vater im Himmel hat sie euch geschenkt – werdet ihrer würdig! Und wenn ihr gemeinsam mit uns wirken wollt, so könnt ihr das tun. Jeder in eurer Zeit kann beginnen, mit den Engeln zu arbeiten. Ihr müsst euch nur entscheiden, und dann wird sich euch der Weg auch zeigen.» Der Engel machte eine kurze Pause und sagte dann abschließend: «Wenn du lernen willst, so darfst du lernen. Ich gehe jetzt und werde wiederkommen. Und doch bin ich stets bei dir.» Er verbeugte sich leicht und entschwand meiner Wahrnehmung. – Erstaunt, ergriffen und tief berührt blieb ich in Gedanken versunken zurück.

Ich kannte bereits Engel, dies war nicht meine erste Begegnung mit einem solchen Wesen. Und doch schien diese Begebenheit eine andere Signatur, eine andere, neue Bedeutung für mich zu haben. Meinen Schutzengel kannte ich schon lange. Über Jahre hinweg hatte ich mir schrittweise eine bewusster werdende Verbindung zu ihm aufgebaut; anfangs mich immer und immer wieder an ihn wendend, ihn einladend, ihn fragend, ihm dankend, aber ihn dabei nur ‹erspürend›. Mit den Jahren konnte ich ihn dann klarer wahrnehmen, konnte seinen Rat und seine Antwort auf Fragen vernehmen und ihn konkreter in meine Arbeit einbeziehen.

Auch die Schutzengel meiner Patienten und Klienten wurden mir mit der Zeit immer vertrauter, sie gaben wertvolle Hinweise für die gemeinsame Arbeit. Aus der Beschäftigung mit Verstorbenen waren mir Engel, die ihre Menschen über die Schwelle und durch die nachtodlichen Geistbereiche begleiten, ohnehin geläufig. Stufenweise hatte ich zudem erleben dürfen, dass Familien, Gemeinschaften und soziale Zusammenhänge von Engeln gehalten, getragen und geführt werden. Begegnungen mit Engeln, die Landschaften hüten und betreuen, kannte ich ebenfalls aus einzelnen Begebenheiten heraus. Doch durch die überraschende Begegnung mit diesem weißen Engel hatte ich den Eindruck, dass hier etwas Neues beginnen würde. Seine Worte klangen tief in mir nach: «Wenn du lernen willst, so darfst du lernen», hatte er gesagt. Ja, natürlich wollte ich lernen, seit Jahren bewegten mich unzählige Fragen über die Engelwelt.

Es begann von da an ein reger, intensiver Austausch mit diesem und mit vielen anderen Engeln, die mir Einblicke in ihr Wirken gaben. Ich verstand, dass unsere Welt viel unmittelbarer und intensiver von Engeln begleitet wird, als uns dies bewusst ist. Wir sind es gewohnt, vom Schutzengel zu sprechen und ihn zu ‹denken›. Darüber hinaus ahnen wir, dass es vielleicht noch andere Engel geben müsste, wahrscheinlich viele. Wir erfahren von ihnen in biblischen Geschichten, in Legenden und Märchen. Sie treten uns entgegen in den Kirchengemälden unserer christlichen Kultur und in zahlreichen Kunstdarstellungen. Allerdings bleibt unser Verständnis hier sehr diffus. Weder fragen wir innerlich weiter nach, noch suchen wir in diesen Zusammenhängen Begegnung und konkrete Erkenntnis. In der Regel stellen wir uns über dem Bereich der Schutzengel gleich die höheren Hierarchien vor, ohne wahrhaftig bei der Engelwelt zu verweilen und uns einen tieferen Einblick in ihre Wirklichkeit zu erarbeiten.

Es gibt jedoch Myriaden von Engeln, die mit unserer Erden- und Menschenwelt verbunden sind. Nicht ein Engel begleitet einen jeden Menschen, sondern mehrere, und zwar in ganz unterschiedlicher Weise und mit jeweils verschiedenen Aufgaben. Darüber hinaus sind alle unsere Lebens- und Seinsbereiche vom Engelwirken durchdrungen. Im Leben aller Menschen auf Erden werden Geburten und Übergänge, Krisen- und Heilungsvorgänge, Gefahrensituationen und Todesprozesse von einer Vielfalt von Engeln begleitet. In jeglichem gemeinschaftlichen Geschehen, in allen sozialen Abläufen wirken Engel begleitend und leitend mit. In allen Naturvorgängen, in Landschaftsbildungen und Wetterphänomenen bringen sich Engelkräfte zum Ausdruck. Die Engel sind diejenigen, die uns die Schicksalstore öffnen und die Geschicke unserer Leben so gestalten, dass Schicksalsbegebenheiten möglich werden. Sie inspirieren uns in unserem Denken, impulsieren uns in unserem Fühlen und bestärken uns in unserem Handeln. Sie umhüllen uns in ihrem milden Licht und wachen liebend über uns. Sie fördern Wachstum und Bewusstwerdung des Menschen und ermöglichen geistige Verbrüderung auf Erden.

Die Anthroposophie gibt uns hierzu kostbare Hinweise, denn Rudolf Steiner hat mit einem überragenden Weitblick und in einer unvergleichlichen Konkretheit eine weltumspannende Landkarte der geistigen Welten aufgezeichnet. Alle Kategorien geistiger Wesen hat er aus eigener, lebendiger Anschauung beschrieben. Diesen Indizien können wir, meditativ übend, folgen. Auch wenn wir mit unserer Wahrnehmung nicht sehr ‹weit› kommen, so beginnt doch die entworfene Landkarte in den kleinen Bereichen, die wir uns erobern, für uns lebendig zu werden. Persönliche Begegnungserlebnisse mit unterschiedlichen Wesen dieser Welten werden möglich, die anfänglichen Einblicke eröffnen uns weitere Erfahrungsfelder.

Wir Menschen sind ohnehin aus einer Vielzahl von Wesen ‹beschaffen›, die wir selbst nicht im Geringsten überschauen können. Alle diese Wesen wirken an uns, mit uns, durch uns, auf der geistigen, astralischen und ätherischen Ebene, bis in unser Physisches hinein. Die Engel selbst sind nur eine Wesensart von diesen vielen. Wenn wir lernen, uns ihnen in der eigenen Herzensstille zuzuwenden, dann merken wir, dass sie immer bei uns sind. Wenn wir bereit sind, ihnen zuzuhören, dann sprechen sie unmittelbar zu uns. Entsprechend unserem Schicksalsweg geben sie uns stets Geleit und Hilfestellung. Sie sind die Freunde unseres Werdens, die innigsten Weggefährten auf dem Schicksalspfad der Menschheit. – Wir haben so viele, unzählige lichte Helfer, deren Existenz wir noch nicht einmal erahnen. Und sie stehen uns seit jeher unermüdlich und unverbrüchlich, in jedem Augenblick unseres Seins, zur Seite. Auf allen Ebenen des himmlischen und irdischen Lebens wirken sie, bei Tag und bei Nacht, in unserer Existenz auf Erden und in unserem nachtodlichen Sein.

Viele Herzensfragen, die mich persönlich bewegten, entwickelten sich mit der Zeit zu immer vertrauter werdenden Gesprächen mit den Engeln. Ich durfte erfahren, dass Engel selbst beten und dass sie singen; dass sie Humor haben und sich an unserer Herzensfreude freuen; dass sie uns manchmal Grüße schicken durch Federn, die wir einfach auf der Straße finden; dass sie am tiefen Leid der Erde selbst mitleiden und uns in allen Finsternissen unseres Menschseins beistehen. Trotz alledem verurteilen sie uns nicht und lieben uns so hingegeben, wie wir es kaum ermessen können.

Natürlich sind die Einblicke, die ein einzelner Mensch hier haben kann, nur winzige Mosaiksteine in einem unermesslich vielfältigen kosmischen Geschehen. Durch meine persönliche Arbeit und meinen psychologisch-therapeutischen Schwerpunkt bin ich mit der Welt des Seelischen vertraut. Entsprechend waren auch meine Fragen an die Engelwelt gestellt. So zeigte sich durch diesen Austausch vorwiegend das Engelwirken ins Menschenseelische hinein. Ganz anders hätte sicherlich ein Arzt gefragt. Der Blick auf Wirkungen des Geistigen ins Menschenleibliche hinein hätte ganz andere Facetten des Engel-Tuns beschrieben. Und wieder anders würde es etwa bei einem Landwirt sein oder bei einem Pädagogen. Die Wege, die das Ich des Menschen sucht, um Wirkungen des Geistigen zu erforschen, sind also individuell verschieden. So kann auch dieses Buch nur einzelne Aspekte der wunderbaren, lichten Engelwelt umgreifen – mehr nicht.

Der weiße Engel kam, nach dieser ersten Februarbegegnung, erneut; von da an stets in Begleitung eines weiteren, großen, grün-goldenen Engels. Gemeinsam mit meinem Schutzengel haben mir diese beiden unerwartete Zusammenhänge aufgezeigt und mich durch viele lehrreiche und zutiefst berührende Erlebnisse geführt. Von allen Begegnungen, die ich mit der Engelwelt haben durfte, waren die Zusammenkünfte mit ihnen die für mich prägendsten. Mit ihnen konnte ich die innigsten Gespräche führen, von ihnen konnte ich am meisten lernen. So nenne ich sie ‹meine Lehrerengel› und danke ihnen für diese unaussprechlich kostbaren Geschenke mit aller Liebe meines Menschenherzens.

Engelstunden

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