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D. Aktuelle Reformen
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Das Verfahren in Familiensachen (Ehe, Unterhalt, Kindesumgang etc.) war bis 2009 in der ZPO geregelt. Mit dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) hat der Gesetzgeber ein eigenes „Prozessgesetz“ für Familiensachen geschaffen und weitere Themen (Betreuungssachen, Grundbucheinträge, Nachlasssachen) aufgenommen. Das FamFG ist am 1.9.2009 in Kraft getreten. Auch wenn oft auf die ZPO verwiesen wird, gibt es eigene Begrifflichkeiten. Statt einer „Klage“ gibt es „Anträge“, die Parteien sind die „Beteiligten“ und heißen Antragsteller/in bzw. Antragsgegner/in, die ein „Verfahren“ und keinen „Prozess“ führen. Das Gericht entscheidet stets durch Beschluss, nicht durch Urteil (§ 38 FamFG). Installiert wurde das „Große Familiengericht“ (kein gesetzlicher Begriff) mit einer umfassenden Zuständigkeitskonzentration (z.B. Scheidung, Zugewinn, elterliche Sorge, Unterhalt, Gewaltschutzsachen). Im erstinstanzlichen Verfahren herrscht grundsätzlich Anwaltszwang (§ 114 FamFG). Ein weiteres Ziel des FamFG ist, die außergerichtliche Streitbeilegung zu fördern. Das Gericht kann in sog. Folgesachen anordnen, dass beide Ehepartner an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder andere Formen der außergerichtlichen Konfliktbeilegung teilnehmen (§ 135 FamFG).
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Im Jahr 2012 hat der Gesetzgeber die Mediation gesetzlich verankert, um in Deutschland auf breiter Ebene eine Kultur der Streitvermeidung zu etablieren. Am 26.7.2012 ist das Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung (MediationsG)[1] in Kraft getreten, das gesetzliche Regelungen zur außergerichtlichen und gerichtlichen Mediation in allen Verfahrensordnungen (ZPO, ArbGG, FamFG, VwGO, FGO, SGG) enthält. Erklärtes Ziel ist eine rasche und kostengünstige außergerichtliche Streitbeilegung. Einen Schwerpunkt des Gesetzes bilden die berufsrechtlichen Vorgaben für Mediatoren und Mediatorinnen (Aufgaben, Befugnisse, Ausbildung, Verjährung). Zusätzlich wurden die gerichtlichen Güteversuche (§§ 278 Abs. 5, 278a ZPO) neu konzipiert.
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Das Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung aus dem Jahr 2009 hat zahlreiche Neuerungen im Vollstreckungsrecht gebracht.[2] Die meisten Änderungen sind 2013 in Kraft getreten. Ganz im Sinne des Gläubigerschutzes steht nun die frühzeitige Informationsbeschaffung über (pfändbare) Vermögenswerte des Schuldners an erster Stelle. Zudem wurde die elektronische Datenverarbeitung im Vollstreckungsrecht fortentwickelt. Das Vermögensverzeichnis (§ 802f Abs. 5 ZPO) und das Schuldnerverzeichnis (§ 882h Abs. 1 ZPO) werden elektronisch geführt. Die EuKoPfVO (Nr. 655/2014) erlaubt seit 2017 eine (einfache) grenzüberschreitende vorläufige Kontenpfändung in der EU; die (deutschen) Ausführungsvorschriften sind neu in die ZPO eingefügt worden (§§ 946–959 ZPO).
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Die fortschreitende Digitalisierung stellt auch die Justiz vor neue Herausforderungen. Zahlreiche Neuregelungen in der ZPO greifen diesen technischen Fortschritt auf (Videokonferenz § 128a ZPO, Internetversteigerungen § 814 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, Fotos in elektronischer Form §§ 885a Abs. 2, 760 S. 2 ZPO etc.). Mit dem Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten (ERV-Gesetz) vom 10.10.2013[3] wird der Versuch gestartet, auch für Gerichtsverfahren endgültig in das Zeitalter papierloser (elektronischer) Kommunikation vorzustoßen. Die wichtigsten Änderungen sind 2016 bzw. 2018 in Kraft getreten. Zum 1.1.2018 kommt das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) gem. § 31a BRAO. Es leidet allerdings unter Startschwierigkeiten. Nach dem neuen § 130a ZPO können Anträge nun elektronisch über das beA bei Gericht eingereicht werden. Es besteht für Anwälte eine sog. passive Nutzungspflicht (= ins beA sehen; § 31a Abs. 6 BRAO).[4] Die Pflicht zur elektronischen Einreichung von Schriftsätzen (§ 130d ZPO n.F.) wird für Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen erst 2022 verbindlich. Mit dem Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs (E-Akte-Gesetz) vom 5.7.2017[5] wird es auch für die (Zivil-)Gerichte ernst. Auch sie müssen ihre Papier-Aktenführung allmählich aufgeben. Die Gerichte dürfen sich allerdings mit der E-Akte bis 2026 Zeit lassen (§ 298a Abs. 1a ZPO). Für sehbehinderte Personen gilt es, einen barrierefreien Zugang zu allen Dokumenten zu schaffen (§ 191a GVG).