Читать книгу Zivilprozessrecht - Irmgard Gleußner - Страница 36
3. Weitere Streitschlichtungsangebote (für Verbraucher)
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Neben der Mediation existieren vor allem für Verbraucher zahlreiche weitere Instrumente der alternativen (nicht gerichtlichen) Streitbeilegung.[11] So halten bestimmte Branchen (z.B. Luftverkehr, Energie, Versicherung, Banken, Post, Anwaltschaft) eine diffuse Palette von Schlichtungsangeboten (Beschwerde-, Ombuds-, Schiedsstellen) bereit.[12] Zu nennen sind beispielsweise die Schlichtungsstelle des Bundesamt für Justiz für Ansprüche von Fluggästen gegen Luftfahrtunternehmen (§ 57b LuftVG), die Schlichtungsstelle der Deutschen Bundesbank (§ 14 UKlaG) sowie die Schlichtungsstelle der Bundesnetzagentur (§ 47a TKG).
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Am 1.4.2016 ist das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) in Kraft getreten, das auf einer EU-Richtlinie beruht. Es beinhaltet eine weitere Form der freiwilligen Streitschlichtung. Ziel des Gesetzes ist die Errichtung eines flächendeckenden Netzes von (staatlich anerkannten) Verbraucherschlichtungsstellen. Träger können Vereine, behördliche Schlichtungsstellen und subsidiär die Universalschlichtungsstellen der Länder sein (§§ 3, 28, 29 VSBG). Die Verbraucherschlichtungsstellen (geschützter Begriff) sollen zügigen, billigen und qualifizierten Rechtsschutz in B2C-Streitigkeiten (§ 310 Abs. 3 BGB) anbieten. Das Verfahren soll spätestens nach ca. 5 Monaten mit einem (unverbindlichen) Schlichtungsvorschlag enden (§ 20 Abs. 2 i.V.m. §§ 17, 19 VSBG). Schlichter können nur Volljuristen oder zertifizierte Mediatoren sein (§ 6 Abs. 2 S. 2 VSBG). Um die Verbraucher über diese neue Idee zu informieren, müssen Unternehmen, die eine Webseite betreiben oder AGB verwenden, ihre Kunden darüber aufklären, ob sie an einem solchen Streitbeilegungsverfahren teilnehmen würden (§ 36 VSBG). Bei den meisten Internet-Unternehmen ist eine Negativerklärung auf der Homepage zu finden. Es gibt eben keinen Mitmachzwang, da es sich um ein freiwilliges Verfahren handelt. Flankiert wird das Ganze durch die ODR-Verordnung (Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten). Nach Art. 14 ODR-VO sind Internet-Unternehmen verpflichtet, auf ihren Webseiten einen leicht zugänglichen (anklickbaren) Link auf die neue zentrale Internetplattform der EU (http://ec.europa.eu/consumers/odr) zu setzen. Dort wird ein elektronisches Beschwerdeformular bereitgestellt. In Deutschland ist das Bundesamt für Justiz zentrale Anlaufstelle für alle Fragen (§ 32 VSBG).
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Eine wichtige Begleitvorschrift zur außergerichtlichen Streitbeilegung bildet § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB, der sich mit der Hemmung der Verjährung befasst. Wird ein Antrag bei einer staatlichen oder staatlich anerkannten Schlichtungsstelle eingereicht, wird die Verjährung durch „Veranlassung“ der Bekanntgabe des Antrags gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 4a BGB). Dazu gehören alle Verbraucherschlichtungsstellen des VSBG. Bei sonstigen Streitbeilegungsstellen tritt die Hemmung der Verjährung nur bei einvernehmlicher Inanspruchnahme ein (§ 204 Abs. 1 Nr. 4b BGB), wobei das Einvernehmen in bestimmten Fällen unwiderleglich vermutet wird (§ 15a Abs. 3 S. 2 EGZPO). Voraussetzung für die Hemmung ist stets, dass der Gegenstand des Streits im Antrag hinreichend individualisiert wird.[13]
Ausgangsfall
Nach Durchsicht der AGB der „VORORT Fliesen GmbH“ muss Mona feststellen, dass diese an einer freiwilligen Streitschlichtung kein Interesse hat. In Ziffer 9 der AGB findet Mona folgenden Text: „Die EU stellt eine Plattform zur Online-Streitbeilegung bereit, die Sie unter http://ec.europa.eu/consumers/odr aufrufen können. Wir ziehen es vor, Ihr Anliegen im direkten Austausch zu klären und nehmen daher nicht an einem Verbraucherschlichtungsverfahren teil.“
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Um einen verbesserten Rechtsschutz gegen „Hassbotschaften“ zu erreichen, ist 2017 das Netzwerkdurchsetzungsgesetz in Kraft getreten, das Nutzerinnen und Nutzern Sozialer Netzwerke mit mehr als 2 Mio. registrierten Mitgliedern (z.B. Facebook, Twitter, YouTube etc.) beisteht. Die Plattformen müssen den Nutzern ein wirksames und transparentes Beschwerdeverfahren zur Verfügung stellen, damit rechtswidrige Inhalte schnellstens gelöscht werden. Zudem muss ein Zustellungsbevollmächtigter benannt werden, falls es zu einer Klage auf Löschung kommt (§ 5 Abs. 1 NetzDG).