Читать книгу America´s next Magician - Isabel Kritzer - Страница 15

Ein ganzes Land

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Als sich mein Gehirn zurückmeldete, spürte ich schlagartig die bleierne Schwere meiner Glieder. Alles schmerzte. Ich fühlte mich, als hätte mich ein Monstertruck überrollt – nicht dass es von denen überhaupt noch welche gab. War nicht bereit, meine Lider zu heben, die Dunkelheit, in der ich mich sicher wähnte, für ein allzu offensichtliches Lebenszeichen aufzugeben.

Luft strömte mit jedem Atemzug beruhigend in meine Lunge und verließ bei jedem Ausatmen wieder meinen Körper. Die gleichmäßige Bewegung verursachte ein Stechen in meiner Herzgegend. Alles war geschunden und wund. Meine Seele genau wie mein Körper.

Dass ich hier mit Schmerzen lag, musste bedeuten, dass ich nicht tot war. Und dass ich auf dem Rücken lag, ganz ohne Flügel, wohl dass ich wieder ausschließlich Mensch war. Irgendwer hatte meinen Aufprall auf den Boden verhindert. Vermutlich Ivan, erinnerte mein Bewusstsein mich unangenehm daran, dass es Dinge gab, die ich hatte vergessen wollen, weil sie zu viel für meine Psyche gewesen waren.

Ich grub mental tiefer. Wollte mich wieder erinnern. An alles.

Das Geschehen der magischen Duelle war sofort präsent. Jeder Moment, jede Handlung bohrte sich wie eine glühende Klinge in mein Hirn, bis ich das Gefühl hatte, mehr schmerzende als schmerzfreie Stellen zu fühlen. Der Druck auf meinen Kopf nahm sekündlich zu, bis es nur noch ein rechts gegen links und links gegen rechts – ein Schraubstock des Schmerzes war, der sich verengte und mir das Gefühl gab, dass mein Kopf bald explodieren würde.

Der Countdown dazu schien jedenfalls eingeläutet zu sein.

Alle Muskeln in meinem Körper zogen sich bei den auf mich einprasselnden Erinnerungen zusammen. Als könnte mich das vor etwas, das längst passiert war, schützen. Der Idiotismus des menschlichen Körpers: er war zu langsam, zu spät und schlussendlich zu schwach. Viel zu schwach.

Ich stöhnte, als mich eine ganze Schmerzwelle überrollte und zuckte erschrocken zusammen, als das noch mehr Pein verursachte. Verdammt!

Unwillkürlich atmete ich gegen den Schmerz an, bis dieser abflaute, ohne meinen Kopf zum Platzen gebracht zu haben.

Mehrere Herzschläge verstrichen reglos. Dann hob ich die Lider ein Stückchen an und bemerkte meinen ›Fehler‹ erst einen Augenblick später. Ich stockte ertappt. Ich hätte ja auch im Delirium stöhnen können, es hätte nicht zwingend ein Zeichen dafür sein müssen, dass ich wieder geistig da war. Jetzt hatte ich mich aber endgültig verraten.

Warum ich dabei Panik verspürte und vor wem ich eigentlich Angst hatte, konnte ich nicht sagen – vielleicht vor der Realität, die mich erwartete.

Ungewohnte Helligkeit blendete mich durch den winzigen Schlitz, den mein Wimpernkranz bildete. Ich konnte nurmehr Schemen ausmachen – meine Pupillen mussten sich erst fokussieren. Also versuchte ich mich aufgrund meiner anderen Sinne zu orientieren.

Unter meinen Fingerkuppen, die behutsam die Fläche rechts und links von meiner Hüfte abtasteten, fühlte es sich weich an und da ich lag, nahm ich an, ich befand mich in einem Bett. Die Helligkeit ließ auf einen lichtdurchfluteten Raum schließen: Mein Zimmer in Glasturm No 20? Konnte das sein? Aber wer hätte mich dort hinbringen sollen? Jeder Gedanke brachte mehr Schmerz mit sich als der vorhergehende. Es gab inzwischen so viel, über das ich nicht nachdenken wollte.

»Meinst du, sie ist wach?«, hörte ich ein Flüstern über mir. Ich kannte die Stimme. Aber woher?

Meine Stirn runzelte sich ohne mein Zutun, so angestrengt dachte ich nach.

»Ja!«, erklang ein Schnurren. »Hast du das gesehen?«

»Was?« Es klackte.

»Na, dass sie ihre Stirn gerunzelt hat.«

»Echt?« Es klackte wieder und die Nachfrage klang hoffnungsvoll.

Ich rollte unwillkürlich hinter geschlossenen Lidern mit den Augen. Gleichzeitig begann die Erkenntnis zu mir durchzudringen. Ich wusste, wer da an und über meinem Bett debattierte!

Ein euphorischer Ruck ging durch meine Gestalt, der mir ein weiteres Stöhnen entlockte. Dann riss ich die Augen weit auf. Strahlendes Licht – ich vermutete die Sonne – ließ sie mich gleich wieder zusammen­kneifen, bevor ich einen dritten Versuch wagte.

Stück für Stück hob ich meine Wimpern und ließ meinen Pupillen damit Zeit, sich an die neuen Verhältnisse anzupassen.

Die beiden Stimmen schwiegen. Ihre Sprecher beobachteten mich sicher bis ins letzte Detail.

Ein zartes Lächeln umspielte meine Mundwinkel. Die beiden waren ein Anblick, über den ich mich freuen würde. Mein Gedächtnis ließ nun jedoch ungewollt die Erinnerung an Rayns in prismen­farbiges Licht gehüllten Körper in meinem Innersten aufblitzen. Ich hoffte von Herzen, dass er wieder ganz der Alte werden würde – körper­lich. Geistig war das wohl bei uns allen zu viel verlangt.

Ich seufzte leise.

Dann war mein Gesichtsfeld wieder so, wie es sein sollte und ich registrierte direkt, dass ich mich auf der Krankenstation im Regentenschloss von California befand.

Prompt folgte Ernüchterung auf mein vorheriges Hochgefühl. Aber das Gefühlskarussell hatte anscheinend noch längst nicht aufgehört, sich zu drehen und stürzte mich jetzt in das nächste dunkle Loch. Ich war schon wieder im Regentenschloss. Dem Ort, den ich nach dieser Wahl so unbedingt hatte hinter mir lassen wollen. Dem wohl einzigen Ort Californias, dem ich entfliehen wollte, weil ich ihn mehr hasste als jeden anderen.

Aber ich hatte die Wahl gewonnen, erinnerte ich mich selbst. Das hier war mein Zuhause für die nächsten fünfundzwanzig Jahre. Nicht mehr Glasturm No 20, nicht mehr unsere beengte Wohnung. Es war egal, ob ich sie liebte. Darauf kam es nicht an.

Im Bruchteil einer Sekunde hatte sich in der Arena der letzten Aufgabe entschieden, dass ich die neue Regentin Californias sein würde; dass ich die nächste Magicia war, die dem Land vorstehen würde. Allemal besser, als zu sterben. Das Volk hatte mich unterstützt und ich hatte gekämpft, weil ich es musste. Eigentlich hätte Rayn der nächste Magician sein sollen – so empfand ich. Er allein hatte die Aufgabe schlussendlich gelöst. Er hatte uns gerettet: sich und mich. Ihm verdankte ich so viel. Allem voran mein Leben.

Nun fiel mein Blick auf eine vorwitzige Tatze, besetzt mit satt­braunem Löwenfell. Unauffällig, aber nicht unauffällig genug, schob sich diese immer weiter über das weiße Bettzeug, hin zu meinem linken Arm. Der ägyptische Kopfschmuck auf dem Frauenkopf weiter oben, der sich an den Löwenkörper mit den hellen Flügeln anschloss, schaukelte leicht bei jedem geschmeidigen Vorwärtsgleiten des Körpers. Der stolze Blick und die leuchtend roten Iriden verrieten, dass Samaea d’Ejlkaan Chaerume, kurz Sama, meine, äh … hauseigene Sphinx nicht von dieser Welt stammte.

Nachdem wir ein einvernehmliches Nicken ausgetauscht hatten, das alles sagte, erlaubte ich es mir, noch weiter nach oben zu schauen. Tatsächlich! Auf der Stange, an der sonst Schlaufen für noch schlimmer Verletzte eingehakt wurden, saß quietschfidel Neves. Der Schnabel des Phönix klackte, als wir uns anblickten. Er zwinkerte mit seinen schwarzen Knopfaugen und im nächsten Moment hob er die goldenen Flügel und ließ magischen Staub auf mich niederrieseln.

Ich lächelte, wusste ich doch, dass es eine Geste der Freundschaft und Ergebenheit war und mir sein Geschenk beim Heilen helfen würde.

»Was machst du nur für Sachen?«, fragte Sama mit neckischem Unterton. Dann sprang sie mit einem Satz aufs Bett. »Rück mal beiseite.«

Ächzend versuchte ich meinen angeschlagenen Körper zur Seite zu wälzen, um ihrer Gestalt – der eines größeren Hundes – Platz zu machen.

Beifällig nickte sie mir zu, dann verzogen sich ihre Lippen. »Wenn man dich einmal aus den Augen lässt«, tadelte sie weiter.

Wenig erquickt hob ich die Augenbrauen. »Müsstest du nicht tröstliche Worte für mich haben?« Meine Stimme klang, als hätte ich zu viel geschrien oder geraucht … oder eben Wasser geschluckt, das ich gar nicht hatte schlucken wollen.

»Brauchst du die denn?« Ihre sphinxhafte Miene ließ keine Gefühlsregung erkennen. Doch ich wusste, dass sie ihre Worte genau abgewogen hatte – wie immer. Und sie behielt anscheinend recht, denn unser kurzer Schlagabtausch gab mir das Gefühl innerer Stärke zurück. Dass sie mich nicht behandelte, als sei ich schwach, bedingte, dass ich mich besser fühlte. »Nicht wirklich«, pflichtete ich ihr bei.

»Und wie geht es dir wirklich?«, fragte Neves von oben, deutlich besorgter.

»Ich bin erschöpft«, gab ich zu. »Innerlich und äußerlich.«

»Kein Wunder.« Sama verzog ihr Gesicht, als würde sie etwas Schlechtes riechen. »All diese Kafiron!« Sie schnaubte noch einmal, als überlegte sie, weitere Beschimpfungen aus vergangenen Zeiten auszustoßen. Verwarf das jedoch, denn sie legte den Kopf auf den Vorderpfoten ab.

Ich grinste. Warum Sama alle, die sie wirklich bösartig beschimpfen wollte, als Ungläubige bezeichnete? Mir schwebten da ein paar ganz andere, sehr viel weniger sittliche Ausdrücke vor. Da Schimpfen mich aber aktuell weder heilte noch weiterbrachte und mich die Gegenwart der Fabelwesen besänftigte, lenkte ich meine Gedanken automatisch in eine andere Richtung. Wieder hier zu sein, kam mir wie ein großes Déjà-vu vor. Besonders als ich nun fragte: »Wie geht es Rayn?«

Nervös befummelte ich die gestärkte Bettwäsche und sah mich in dem trostlosen weißen Raum um.

Die Fabelwesen schwiegen.

Der Stoff meines ebenfalls weißen Überwurfs, in den ich von irgendwem gesteckt worden war, kratzte unangenehm auf der Haut. »Was?«, durchbrach ich schließlich die Stille.

Sama erhob sich auf alle viere. Sinnend sah sie mir in die Augen. »Bist du sicher, dass du es wissen willst?«

In meinem Magen ballte sich etwas zu einem Knoten aus Angst und Befürchtungen, die wahrscheinlich die Wirklichkeit noch um einiges an Grausamkeit überstiegen. »Natürlich, sonst hätte ich nicht gefragt«, gab ich reglos zurück. Egal wie schlimm die Wahrheit sein würde, ich musste sie kennen.

Sama erkaufte sich noch etwas Zeit, indem sie sich auf die Hinterpfoten sinken ließ, bevor sie zu sprechen begann. »Rayn hat mehrere Knochenbrüche im ganzen Körper erlitten, außerdem ein Schädel-Hirn-Trauma – auch Gehirnerschütterung genannt.« Sie pausierte.

Ich sah sie aufmerksam an. Das konnte nicht alles sein.

»Seine Wirbelsäule hat einiges abbekommen.« Pause.

Mein Blick durchschnitt die Luft zwischen uns, zwang sie wortlos zum Weitersprechen.

Sie räusperte sich allerdings erst mal.

Meine Nasenflügel weiteten sich ungeduldig, als sie endlich ein Einsehen hatte und neu ansetzte. »Dabei wurden auch Nerven verletzt.«

Ich erstarrte. War er gelähmt? Im Rollstuhl?

»Er geht vorerst am Stock. Man wird sehen, ob sich das noch ändert.«

Rovenna sei Dank! Er ging aufrecht, wenn auch am Stock.

Ich schluckte. »Konntet ihr nichts für ihn tun?« Ich flüsterte es fast. In meinem Kopf spielten sich Rayns anmutige Bewegungen ab. Wie er auf der Luftwelle gesurft war. Danach sah ich den Moment, in dem er sich mir, früher am Tag, vor seinem Kampf gegen meine Mutter, in der Arena ergeben hatte. Meine Schuldgefühle drohten mich zu ersticken. Sie hatten beide immer versucht, mich zu schützen: Ivan und Rayn. Und wie hatte ich sie beschützt? Schlecht? Gar nicht? Es war zum Heulen. Wenigstens lebten sie beide, wenn meine Erinnerung mich nicht trog. Der Gedanke an Ivan machte mich nervös und ich schob ihn sofort von mir.

»Er ist in besten Händen. Sie haben uns aber nicht zu Rayn gelassen.« Sama sah mich entschuldigend an. Ich hörte am Klacken von Krallen, wie Neves über meinem Kopf unruhig die Position wechselte.

»Warum?«, fragte ich gefährlich leise. Wäre ich nur früher erwacht, dann hätte ich als Regentin dafür sorgen können, dass …

Wobei sich die Frage stellte, ob ich denn nun wirklich die neue Regentin war. Die Zeremonie zur Regentschaft hatte schließlich eine außerplanmäßige Wendung genommen.

Sama seufzte. »Weil hier alle in höchster Alarmbereitschaft sind.«

Das ließ mich aufhorchen. Das schnelle Anspannen, das damit einherging, hätte ich aber lieber gelassen, denn es tat furchtbar weh. Ich keuchte.

Sama knurrte.

Ein Augenblick der Stille verstrich.

Dann wagte ich zu fragen, was meinen Kopf beherrschte: »Konnte sie fliehen?«

»Lanahaa?«, mischte sich Neves in das Gespräch ein.

»Nein«, versicherte mir Sama gleichzeitig. Danach blickte sie nach oben und durchbohrte Neves mit einem derart bösen Blick, dass selbst mir ein kalter Schauer den Rücken hinunterlief.

Sie meinte es vermutlich nur gut, wollte mir die Einzelheiten der Erinnerung an das, was passiert war, ersparen, doch ließ sich nichts von all dem mehr rückgängig machen. Es schmerzte mich wie ein Besuch in der Hölle – all dieses Wissen. Aber ich lebte und musste dementsprechend mit dem Geschehenen leben.

»Was ist mit ihr passiert?« Es war eine bewusste Frage. Lieber erfuhr ich jetzt und hier alles, als in einem Moment damit konfrontiert zu werden, in dem ich mich nicht sicher und beschützt fühlte. Denn wenn eines sicher war, dann, dass außerhalb dieses Zimmers noch immer Feinde auf mich lauerten.

Ich hörte, wie Neves aufgeregt mit den Flügeln schlug, merkte, dass noch mehr magischer Staub auf mich niederrieselte. Trotzdem ließ ich die Sphinx an meiner Seite nicht aus den Augen. Sie war diejenige, von der ich mir Antworten versprach.

»Gut, ich sag es dir.« Ihre Zunge schnellte vor, sie fuhr sich damit über ihre Lippen. Dann kreiste sie mit dem Kopf, ohne dass ihr tiefschwarzes Haar oder der ägyptische Kopfschmuck verrutschten. »Ivan hat Lanahaa so lange attackiert, bis sie in Ohnmacht gefallen ist. Dann seid ihr vom Himmel gestürzt. Sie hatte nicht nur sich, sondern auch die Kugeln – meint den Schild – und dich in der Luft gehalten. Du erinnerst dich?«

Ich nickte. Ja, ich erinnerte mich.

»Er hat dich aufgefangen, während Zweiauge eine weiße Blase um ihren bewusstlosen Körper schuf, die sie in einer Art komatösem Zustand hält, bis über sie entschieden wird.«

Ivan hatte mich also gerettet. Er war vermutlich rechtzeitig wieder zu sich gekommen und dann Rovenna weiß wo gewesen – jedenfalls nie in dem Krater. »Die sie dauerhaft mental manipuliert?«, fragte ich, statt ihren ersten Teilsatz zu kommentieren. Zweiauge musste ziemlich mächtig sein.

Sama zog die Mundwinkel hoch. Es wirkte seltsam verkniffen. »So in etwa.«

»Und wo ist sie jetzt?« Ich musste es einfach wissen.

»Der Kaiser, Ivan, Sir Isaac, Zweiauge, Meister Lemary und Missy Verovena sind zusammen mit der Blase nach Washington abgereist. Davor gab es zwei Verkündungen auf der zerstörten Bühne«, informierte mich Neves von oben.

Oh. Erleichterung und Enttäuschung mischten sich in mir. Lanahaa war weit weg – das war gut. Aber Ivan war anscheinend ebenfalls weg. Das tat weh. Immerhin: Er lebte!, rief ich mir noch mal in Erinnerung. Ich riss mich zusammen, bevor ich in eine emotionale Krise schlittern konnte. »Und Rayn … ist hier?« Nach Samas vorherigen Worten musste er hier sein, oder?

»Ja, sie haben ihn ein paar Zimmer weiter untergebracht.«

»Und ihr durftet nicht zu ihm, aber …«, begann ich.

»Einfach so zu dir? Nein, sie wollten uns, wie schon während der Wahl, in einem Zimmer oben einsperren!« Sama klang wütend. Ihre Iriden funkelten rot.

»Hast du jemanden verspeist, um ihre Meinung zu ändern?«, fragte ich matt und voll unguter Vorahnung. Samas Vorliebe für gewalt­tätige Maßnahmen war mir – selbst eine Sphinx – inzwischen geläufig. Deshalb duldete ich sie aber keinesfalls.

»Leider nicht«, folgte die grummelige Antwort.

Neves kiekste vergnügt von oben.

»Also?«, wollte ich wissen. »Was stattdessen?«

»Wir haben ihnen ordentlich die Meinung gegeigt«, krähte Neves.

»Es wurde Zeit«, bekräftigte Sama gelassen.

»Laut gefaucht hat sie«, gab der Phönix preis.

Dafür wurde er direkt selbst von Sama angefaucht. Wenn auch in gemäßigter Lautstärke. »Sonst hätte ich gar nichts erfahren und nichts bewirkt!«

»Schluss jetzt!«, beschied ich. Dann schüttelte mich ein Husten, der gar nicht mehr aufhören wollte.

»Erzähl ihr den Rest«, wies Neves ungerührt Sama an, während ich weiter röchelte. »Damit sie wieder schlafen kann und Miss Puttin uns nicht das Essen kürzt, nur weil du dein Versprechen gebrochen hast, sie nicht aufzuregen!«

Miss Puttin, die Hausdame des Regentenschlosses, war also weiterhin da! Das freute mich aufrichtig. Ich mochte ihre warmherzige Art und ihren Look mit den roten Handschuhen.

Die Sphinx knurrte unwillig zur Stange hoch. Sama erfreuten Neves’ Worte, im Gegensatz zu mir, wohl wenig.

Nachdem ich mich wieder beruhigt hatte und still in die Kissen zurücksank, verkündete sie jedoch: »Der Kaiser hat zwei für California entscheidende Dinge nach dem Kampf auf der Bühne bekannt gegeben. Erstens: Sinessa wurde für seinen öffentlichen Mordanschlag auf dich begnadigt, weil er geholfen hat, die Lage – also Lanahaa – in den Griff zu bekommen. Er musste allerdings sofort aus dem Schloss ausziehen und wohnt jetzt wohl irgendwo anders in California.« Sie runzelte die Stirn.

Ich blieb still, obwohl ich es nicht glauben konnte. Warum hatte der Kaiser unseren ehemaligen Regenten begnadigt? Wusste er denn nicht, dass Sinessa gern Komplotte schmiedete? Und das am liebsten gegen alle und jeden – egal von wo aus? Er war eine Gefahr, die nun – auf freiem Fuß – auch freie Hand hatte! Nur weil sich mein Vater ein Mal für die richtige Seite entschieden hatte, war noch lange nicht gesagt, dass er das ab jetzt immer tun würde! Hatte Ivan ihm das nicht gesagt? Das hatte er doch in seiner Suite behauptet.

Ich zuckte unwillig mit den Achseln. Mein Vater. Noch ein Thema, mit dem ich mich eigentlich lieber nicht befassen wollte. Bei meinen Eltern blieben die familiären Gefühle wirklich vollkommen auf der Strecke.

Ich versuchte die Sache pragmatisch zu sehen. Leider wurde sie dadurch nicht besser. Sinessa würde vielleicht in nächster Zeit Ruhe bewahren, aber irgendwann – und da war ich mir sicher – würde er aufbegehren. Und dann wollte ich lieber nicht in der Nähe sein. Zwei vereitelte Mordanschläge seinerseits gegen mich reichten mir vollkommen. Sollte er sich doch bitte in Zukunft auf jemand anderen einschießen – zum Beispiel seine göttliche Heiligkeit den Kaiser, der ihm den Freifahrtschein dafür ausgestellt hatte.

Sama bekam von meinen Gedanken nichts mit. Sie sprach nach der kurzen Pause direkt weiter: »Zweitens: Dir wurde für die nächsten fünfundzwanzig Jahre die Regentschaft über California zugesprochen, so wie es schon bei der Zeremonie, die unterbrochen wurde, hätte geschehen sollen. Du bist damit unmittelbar in dein Amt eingesetzt worden und regierst nun. Rayn soll dir beim Führen der Amtsgeschäfte helfen und dich als Berater unterstützen, sobald er dazu in der Lage ist. Herzlichen Glückwunsch!«

Ich schnaubte wenig begeistert. Sarksamus infiltrierte meine Gedanken. Herzlichen Glückwunsch. Es war paradox: Ich hatte die Regentschaftswahl am Ende gewinnen wollen, gleichzeitig hatte ich sie nicht gewinnen wollen. Zu Beginn hatte ich nicht einmal an der Wahl teilnehmen wollen, aber infolge des Verlaufs dieser immer stärker etwas in California verändern. Jetzt hatte ich trotzdem etwas, das ich eigentlich nie gewollt hatte: die Verantwortung für ein ganzes Land. Für Mensch und Natur, Lebensraum und Katastrophen. Blieb nur zu hoffen, dass meine Regentschaft keine Katastrophe werden würde.

Andererseits hatte ich die gefährlichen Aufgaben der Regentschaftswahl alle gemeistert – wenn auch teils mit Glück und Hilfe – und dies war eben eine weitere. Eine sehr viel größere und anspruchsvollere, ja. Aber schlussendlich auch eine, bei der ich beweisen konnte, was in mir steckte!

America´s next Magician

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