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Zwischen den Attentaten

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Alte Scharniere quietschten leise, als Rayns braune Locken im Türrahmen auftauchten. Sie umgaben seinen Kopf so ungezähmt wie eh und je. Der heutige schwarze Anzug saß perfekt, betonte die breiten Schultern. Neben seinen schwarzen Halbschuhen drückte sich jedoch das Ende eines ebenso glänzenden schwarzen Stocks in den Boden, da er sich schwer darauf stützte.

Seine Vorfahren hatten vor über fünfzig Jahren auf der falschen Seite gekämpft. Und seine Eltern hatten gar gegen den Rat der Magicians mit den Politikern der alten Welt paktiert. Das hatten sie bitter bezahlt – mit ihrem Leben. Und er – damals noch ein kleiner Junge – war später vom Kaiser gezwungen worden zuzusehen, wie das Leben aus ihren Körpern entwich. Wie Magie es aus ihnen herausgepresst hatte.

Im Verlauf der Regentschaftswahl und der Zeit danach war Rayn mehrmals bereit gewesen, sein Leben zu geben – für mich, für eine bessere Welt und alles, was dafür nötig war. Er war einer der wenigen, denen ich absolut vertraute.

Als mein Blick nun auf seinen angespannten Gesichtsausdruck fiel, entwich mir geräuschvoll die Luft, die noch in meiner Lunge gewesen war. Er brachte anscheinend keine guten Nachrichten. »Wie gefährlich ist die Lage?« Ich verharrte in der Bewegung und wartete ab. »Wer ist nun tot?«, zu fragen, fühlte sich zu plump an.

Sein Kinn hob sich, Stolz sprach aus seiner Haltung, trotz des Stocks. »Es gab kein weiteres Attentat, aber wir haben neue Erkenntnisse aus den bisherigen Spuren gewonnen. Sie haben handelsübliche Spielzeugdrohnen benutzt und diese mit allem Möglichen bestückt. Hauptsache, es zerstört einen gewissen Umkreis.« Er trat mehrere Schritte in den Raum hinein, kam auf mich zu.

Erst jetzt bemerkte ich den Pergamentbogen, den er in der freien Hand hielt und nun vor mich auf dem Sekretär ablegte.

Ich ließ mich wieder auf den Stuhl dahinter sinken. Wusste genau, dass er es nicht schätzen würde, wenn ich ihm die Sitzgelegenheit angeboten hätte.

Dann tippte Rayn mit dem Zeigefinger darauf. »Sie wurden auch zum Ausspähen verwendet.«

Das Foto zeigte eine unscharfe Aufnahme, die eine kleine Drohne in der Luft über dem Haus des letzten Opfers abbildete. Nach dem Zeitstempel am Rand war sie nur fünf Minuten vor dem Attentat entstanden. Sicherlich kein Zufall.

»Woher hast du das? Wer hat es gemacht?« Das Beunruhigendste an den Anschlägen war bisher nämlich die Tatsache, dass es keine brauchbaren Überwachungsbilder davon gab. Das konnte ein Zufall sein. Eigentlich glaubte ich aber nicht daran. Jeder Bürger Californias wuchs in dem Wissen auf, dass jede Tat, jede Handlung aufgezeichnet und überwacht wurde – doch von den Anschlägen gab es keine Aufnahme, die die Täter oder auch nur den Tatzeitraum zeigte. Es war fast, als wären sie aus den Aufzeichnungen getilgt worden oder besaßen Informationen über die toten Winkel der Überwachungstechnik. Ich hatte sofort Lanahaa im Verdacht gehabt, doch saß sie in einer Zelle im kaiserlichen Palast, umgeben von weißer Magie, die sie ruhigstellte. Also praktisch in einem magischen Käfig ohne jegliche Verbindung nach außen. Von dort sowie in ihrer Verfassung konnte sie keine Angriffe koordinieren. Und die Flugbahnen der Aufklärer inklusive toter Winkel änderten sich ständig.

Rayn schüttelte unwillig den Kopf. »Es ist ein Ausschnitt aus den Aufnahmen von einer der Überwachungsdrohnen, die Tekre Industries über California fliegen lässt. Sie haben es uns, auf unsere Standard­anfrage nach ›verdächtigen Aktivitäten‹ zum Standort und Zeitpunkt des letzten Attentats hin, geschickt. Und mir versichert, dass sie den Luftraum im Auge behalten.«

Soso. Tekre Industries zeigte also guten Willen. »War noch etwas Hilfreiches zu sehen?«, fragte ich hoffnungsvoll und dachte im gleichen Moment, dass Rayn dann vermutlich noch mehr Fotos mitgebracht hätte.

»Nein.« Er schüttelte wie vorhergesehen noch einmal den Kopf. »Die Drohne ist auf eine bestimmte Umlaufbahn programmiert, sie war zum Zeitpunkt der Explosion längst wieder weg.«

»Verdammt!« Vor ihm gestattete ich es mir zu fluchen. »Wäre auch zu schön gewesen.«

»Das kannst du laut sagen.« Seine Augen verdunkelten sich. »Immerhin haben wir zusätzlich das Ergebnis der Analyse der Überbleibsel des neuesten Attentats. Es ist wie bei den letzten: An der Drohne, die den Schaden angerichtet hat, waren kleine Granaten – wahrscheinlich mit den Stiften nach unten – angebracht worden, bevor man sie zum Abstürzen gebracht hat.«

»Mhm«, machte ich nur. »Um durch den Aufprall am Boden genug Druck für die Detonation auf die Zünder auszuüben.«

»Genau.«

Die Attentäter bastelten sich also das, was sie brauchten, selbst zusammen. Das machte es schwieriger, ihnen auf die Spur zu kommen. Es bedeutete keine oder verschiedenste Seriennummern von Einzel­teilen. Keine Trackingmöglichkeit wie bei hochwertigen Waffen und damit fast keine Möglichkeit, die Herkunft des Materials zurückzuverfolgen und den Käufer beziehungsweise Täter zu finden. Trotzdem würden wir nicht aufgeben. Nicht, wenn Menschenleben auf dem Spiel standen. Wir würden sie fassen! Hoffentlich früher als später.

»Such weiter nach Zusammenhängen zwischen den Attentaten. Es muss welche geben! Und mach mir einen Termin bei Tekre Industries. Ich will mit eigenen Augen sehen, an was sie dort aktuell basteln!« Obwohl ich nicht glaubte, irgendwelchen Beweisen auf die Spur zu kommen und mir sicher war, dass längst alles vernichtet oder versteckt worden war, was das Unternehmen mit Lanahaas Machenschaften oder den jetzigen Anschlägen der Rebellen in Verbindung bringen könnte, wollte ich es mir nicht nehmen lassen, ein bisschen im Wespennest herumzustochern.

Rayn räusperte sich überrascht. »Natürlich. Solange ich bei deinem Herumgeschnüffel außen vor bleibe.« Dann spekulierte er: »Die Art der Attentate, also die Technik und die nichtmagischen Waffen lassen vielleicht auf magisch unbegabte Menschen als Täter schließen.«

Darüber dachte ich kurz nach.

»Könnte sein«, gab ich zu. »Die Mehrheit der Menschen ohne unsere Begabung ist mit der Herrschaft der magischen Elite einverstanden. Sie kümmern sich nicht um Politik. Ich würde so weit gehen, ihnen zu unterstellen, dass sie froh sind, dass bei den Regentschaftswahlen Magicians antreten müssen – dass die Pflicht des silbernen Briefs nie auf sie oder ihre Kinder fallen wird. Sie freuen sich womöglich sogar deshalb umso mehr über das Leid der Kandidaten«, sprach ich leise aus, was ich dachte. »Der Kaiser benachteiligt sie sozusagen zu ihrem eigenen Vorteil. Aber dass sie sich der Gefahren der Aufgaben nicht aussetzen müssen, bedeutet auch, dass sie nie regieren werden – in keinem der fünfundzwanzig Länder des Kaiserreiches. Und genau das kreidet eine Minderheit der Nichtmagischen uns schon immer an.«

»Ja, wir benachteiligen sie. Aber wir waren seit jeher in der Minderheit.« Rayn wirkte erzürnt. Er klopfte unbewusst mit seinem Stock gegen den Sekretär, als er sich bewegte. »Wir haben uns ewig versteckt, haben unsere Begabungen für uns behalten. Konnten diese nur heimlich und in Furcht zum Guten einsetzen, weil wir als Hexer und Hexen verschrien wurden. Weil wir von den Nichtmagischen in manchen Zeitaltern gar gefoltert, verstoßen und ausgegrenzt wurden – weil wir anders waren«, hielt er dagegen. »Wäre das nicht so gewesen, hätte sich der Rat nie erheben müssen. Alle Menschen hätten seit jeher in vollem Bewusstsein ihres jeweiligen Wesens friedlich zusammen gelebt!«

Und seine Eltern würden noch leben, vervöllständigte ich stumm, was er nicht aussprach. »Du hast ja recht«, beschwichtigte ich ihn. »Das Mittelalter ist längst vergangen. Sie werden uns nie wieder ungestraft wegen unserer Natur an den Pranger stellen. Vor etwa fünfzig Jahren kam vieles anders, als die meisten erwartet haben.« Sinnend blickte ich auf meine Hände.

Rayn nickte zustimmend. »Die Magicians erkannten die Notwendigkeit, aus den Schatten zu treten. Mit gutem Grund! Naturkatastrophen und sinnlose Politik hatten unsere Welt an den Abgrund geführt – das bestreite ich nicht. Die Aussicht, kämpfend zu sterben, war allemal besser als die, tatenlos zu sterben. Es war an der Zeit, etwas zu verändern. Die Frage ist nur, ob die Weltordnung zum besseren verändert wurde.«

Stille trat ein.

»Wie sich gezeigt hat, sind wir wenigen gar nicht so wenige und vor allem viel stärker. Es ist eine Schande, dass wir uns so lange versteckt haben«, setzte Rayn schließlich hinzu. »… nicht früher zusammengeschlossen haben. Ich meine nicht zu den Geheimbünden, die existierten, sondern zu etwas Mächtigem wie dem Rat. Und dass selbst dieser nicht wusste, wie viele ihr wahres Ich versteckt hielten und sich dadurch erst so spät erhob. Wenn ich daran denke, was heute alles anders sein könnte, wenn es mehr Verständnis für Magie gegeben hätte.«

»Mhm.« Meine Gedanken machten sich selbstständig. »Glaubst du, das ist einer der Gründe für das Prozedere der Regentschafts­wahlen? Ich meine abgesehen von der Suche nach dem stärksten Magician – Blablabla –, was des Kaisers Propaganda eben von den Häuserdächern schreit«, überlegte ich laut. »Dass die Nichtmagischen alle fünfundzwanzig Jahre daran erinnert werden sollen, dass sie niemals mit einem Magischen mithalten können. Daran erinnert werden, was passiert, wenn wieder Krieg herrscht. Wie viele wir töten könnten, bevor sie auch nur zucken. Dass Magie die mächtigste Gewalt des Universums ist«, erklärte ich weiter. »Dass sie froh sein sollten, wenn sie in Ruhe ihr Leben leben können – weil wir die Naturkatastrophen mit unserer Magie eindämmen.«

»Du meinst, da steckt ein tieferer Sinn hinter der Art und Weise der Regentschaftswahlen?« Ein seltsamer Ausdruck erschien plötzlich auf Rayns Gesicht. »Führt man die Überlegung fort, drängt sich mir die Vermutung auf, dass die Grausamkeit des Prozederes vielleicht gleichzeitig den Unmut der Nichtmagischen uns gegenüber abmildern soll. Eine Art verquere Wiedergutmachung für ihre Entmachtung.« Rayn sah völlig schockiert aus.

»Na ja«, murmelte ich, nun von meinem eigenen Gedankengang abgestoßen. »Es lässt sie auf jeden Fall hinterfragen, was Magicians erklärten Feinden antun, wenn wir uns Abscheulichkeiten wie die Regentschaftswahlen – aus ihrer Perspektive – selbst antun.«

»Du meinst, der Kaiser uns antut. Warum auch immer er das tut?«, korrigierte Rayn mich stirnrunzelnd. »Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass der Rat dieses Prozedere so erdacht hatte. Ich glaube längst nicht alles, was die kaiserliche Kommunikation verbreitet. Aber ja, vielleicht hat das Konzept eine Weile funktioniert. Und jetzt … war alles zu viel. Die Grausamkeit der Wahl, Lanahaas Aufbegehren, all die Magie, die Toten. Womöglich sehen die Attentäter derart bösartige Kreaturen in uns Magicians, dass gerade die Angst vor uns sie zu ihren Taten antreibt.«

»Man kann es ihnen nicht einmal verübeln«, murmelte ich und dachte daran, wie der Kaiser Rayns Eltern mit Magie zu Tode gequält hatte; wie Lanahaa mich mit der Wolkenschlange getäuscht und gefoltert hatte.

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