Читать книгу Gretchens Rache - Isabel Rohner - Страница 9
ОглавлениеDie Geschichte
vom Schlangenkönig
Es war einmal vor langer Zeit, da ließ sich ein fremder Graf im Spreewald nieder. Obwohl er freundlich war, begegneten ihm die Menschen mit Misstrauen, denn er hatte kein Geld. Darunter litt der fremde Graf und suchte nach Wegen, seine Lage zu ändern. Er hörte davon, dass in den Fließen des Spreewaldes ein Schlangenkönig lebte. Dieser sollte eine wertvolle Krone tragen, die jedem, der in ihren Besitz kommen sollte, Reichtum und Glück versprach.
Der Graf war von der Geschichte fasziniert und machte sich daran, den Schlangenkönig in den verzweigten Fließen des Spreewaldes zu suchen. Tatsächlich entdeckte er diesen nach einiger Zeit und in der Tat trug der König der Schlangen eine prächtige Krone.
Zusammen mit anderen Schlangen kam der König regelmäßig an einer bestimmten Stelle an Land. Dort, an einer besonders schönen Lichtung, wo die Sonne durch die dichten grünen Zweige der hohen Bäume schien, nahm er jeweils seine Krone ab, legte sie sorgfältig auf die hellste Stelle der Wiese und tollte mit den anderen Schlangen herum.
Dies beobachtete der Graf aufmerksam im Verborgenen und über eine längere Zeit hinweg. Dann beschloss er, dem Schlangenkönig die Krone zu rauben.
Kurz vor der Stunde, in der die Schlangen wie jeden Tag an Land kamen, zog der Graf ein wunderschönes helles Tuch aus der Tasche. Es war mit Goldfäden durchwirkt und sah aus, als würde die Sonne selbst daraus hervorscheinen. Es war das letzte, was der Graf noch an Kostbarkeiten aus dem Besitz seiner Familie besaß. Dieses Tuch legte er auf die Wiese und versteckte sich in einem Gebüsch ganz in der Nähe.
Als der Schlangenkönig mit seinem Gefolge kam, nahm er wie immer seine Krone ab und suchte nach der hellsten Stelle auf der Wiese. So kam es, dass er seine Krone direkt auf das goldene Tuch legte. Dann tollte der Schlangenkönig mit den anderen Schlangen herum.
Vorsichtig kam der Graf aus dem Gebüsch hervor, griff sich Tuch und Krone und rannte, so schnell er konnte. Einige Meter abseits der Lichtung wartete sein Pferd auf ihn, das er nun schnell bestieg und davonritt.
Allerdings hatte der Schlangenkönig inzwischen den Diebstahl bemerkt und verfolgte den Grafen nun mit seinem Gefolge – und es schlossen sich immer mehr Schlangen an.
Der Graf ritt, so schnell er konnte, die Schlangen, die immer näher und näher kamen, hinter ihm her. Gerade als sie nach den Hinterbeinen seines Pferdes schnappen wollten, konnte er sich durch einen Sprung über eine Mauer retten. Damit entkam er der wütenden Schlangenhorde – und die Krone tat ihre Wirkung. Von nun an lebte der Graf als glücklicher und reicher Mann im Spreewald. Zum Dank an den Schlangenkönig ließ er in sein Wappen zwei Schlangen und eine Mauer aufnehmen. Und wenn er nicht gestorben ist, so lebt er noch heute.
Linn legte Hartmanns Memo weg. Sie hatte sich auf ihrem engen Einzelbett ausgestreckt, um sich vor dem Abendessen noch eine Runde auszuruhen.
Eine seltsame Story, dachte sie. Und wo war da die Moral? Wie konnte es sein, dass der Graf einfach so die Krone stehlen konnte und dafür nicht bestraft wurde? Warum rächte sich der Schlangenkönig nicht an ihm? Stattdessen profitierte der Dieb sogar von der eigentümlichen Kraft der Krone und wurde für seine Dreistigkeit mit Glück und Reichtum belohnt. Und wo waren überhaupt die Frauen in dieser Geschichte?
Wäre ich der Schlangenkönig, dachte sie, ich würde diesen Betrug nicht einfach so vergessen.
Ihr Magen knurrte. Hoffentlich gab es am Abend etwas Leckeres zu essen.