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Leningrad - die 1. Ladogaschlacht

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Für die Heeresgruppe Nord verfolgt Hitler weitergehende Ziele. Laut Weisung Nr. 41 vom 5. April gilt es, „Leningrad zu Fall zu bringen und die Verbindung mit den Finnen herzustellen.“ Für dieses operativ zweifellos wichtige Ziel wird Mansteins 11. Armee nach der Eroberung Sewastopols zu Feldmarschall Küchlers Heeresgruppe Nord verlegt. Eine folgenschwere Fehlentscheidung Hitlers, die zulasten des deutschen Südflügels geht. Statt über die Straße von Kertsch zu springen und die strategisch wichtige Schwarzmeerküste in Besitz zu nehmen, sollen Mansteins Verbände Brückenköpfe über die Newa bilden und die Ostseemetropole erobern. Eine Alternative wäre gewesen, den Kessel von Demjansk mit seinen 100.000 Mann zu räumen und die freigewordenen Kräfte der 18. Armee zu unterstellen.

Der beabsichtigte Angriff auf Leningrad erhält zunächst den Decknamen „Feuerzauber“, später wird das Unternehmen in „Nordlicht“ umbenannt. Manstein, als Bezwinger der Festung Sewastopol zum Feldmarschall befördert, übernimmt die operative Planung. Vorgesehen ist das Überschreiten der Newa östlich des an der Flussmündung gelegenen Leningrad mit anschließendem Schwenk nach Westen zum Zwecke einer engen Einschließung. In der von deutsch-finnischen Truppen belagerten Ostsee-Metropole vegetieren zu diesen Zeitpunkt noch zirka 1,1 Millionen Menschen. Marija Bystrowa44, Leiterin einer Werkhalle, spricht davon, dass der Hunger „unerträglich“ war. „Wir ernährten uns sogar von Tischlerleim, aus dem wir eine Art Sülze machten. Während dieser Zeit konnte man feststellen, daß die schneller starben, die über den Hunger jammerten und ständig etwas vermißten.“

Doch während die einfachen Genossen in Leningrad darben und auf Leichenwagen stapeln die menschlichen Kadaver, laben sich Angehörige der Parteispitze und des Geheimdienstes an Kuchen und sogar Kaviar. Eine unerhörte Dekadenz von Eliten, die eine klassenlose Gesellschaft predigen.

Nach dem Willen des asketisch lebenden Führers soll Leningrad, wie im Falle Sewastopols erfolgreich vorexerziert, durch schwersten Artilleriebeschuss und massive Luftbombardements sturmreif geschossen werden. Anschließend ist die totale Vernichtung der Revolutionsmetropole geplant.45 In seiner pathologisch-destruktiven Phantasie malt sich der gefährlichste Brandstifter aller Zeiten das Inferno aus – es werde „in straffster Zusammenarbeit mit der Luftwaffe der größte Feuerzauber der Welt losgelassen“. Sein frisch gebackener Feldmarschall glaubt allerdings „beim Russen nicht an eine Terrorwirkung“. Manstein bemerkt gegenüber Küchler kühl, dass es wohl am zweckmäßigsten sei, „die Stadt einzuschließen und Verteidiger wie Bewohner verhungern zu lassen.“46 Denn die Blockade Leningrads ist bis dato nicht wasserdicht. Über den Ladogasee gelangt weiterhin Nachschub in die Stadt. Dieser größte Binnensee Europas konnte im Zuge der Herbstoffensive 1941 nicht mehr von der Heeresgruppe Nord und den finnischen Waffenbrüdern abgeriegelt werden.

Aber vor Leningrad kommen die Deutschen immer zu spät. Bevor Hitler seine „Nero-Vision“ verwirklichen kann, tritt der Russe selbst zum Angriff an. Einerseits zum Entsatz Leningrads. Andererseits in präventiver Absicht, um Mansteins Eroberungspläne zu durchkreuzen. Am 27. August greift die Wolchowfront unter General Merezkow mit der 8. Armee an, dem widrigen Wald- und Sumpfgelände zum Trotz. Der überraschende Stoß richtet sich gegen den 20 Kilometer schmalen „Flaschenhals“. Jener deutsche Frontvorsprung, der bis ans Südufer des Ladoga-Sees reicht und Leningrad vom sowjetischen Hinterland östlich des Wolchow trennt.

Am dritten Tag der Offensive sind die Sowjets auf 5.000 Meter Breite bis zu sieben Kilometer tief eingebrochen. Die Angriffsspitzen stehen vor den strategisch wichtigen Höhen von Sinjawino. Im Führerhauptquartier herrscht „größte Aufregung“. Hitler sieht „ein Bild willenloser Führung“. Er beauftragt Manstein mit der Abriegelung des sowjetischen Einbruches. Starke Luftunterstützung und neu zugeführte „Tiger“ der 1. Kompanie/Schwere Panzerabteilung 502 sollen die deutsche Schlagkraft erhöhen und die Initiative zurückgewinnen. Es ist die Premiere der schweren Kampfwagen mit der nahezu unverwüstlichen Frontpanzerung von 120 Millimetern und der vernichtenden Feuerkraft der 88-Millimeter-Kanone. Ihr Einsatz markiert einen Wendepunkt der Waffentechnik im Osten. Bis zum Auftreten der Tiger, die pro Kampfwagen 90 Schuss Kanonenmunition mitführen, verfügten die Sowjets mit ihren T 34 und KW über die schwersten Tanks mit der größten Feuerkraft.

Die 20 Kilo schwere Panzergranate des Tiger erreicht beim Abschuss eine Mündungsgeschwindigkeit (V0) von 810 Metern in der Sekunde. Damit vernichtet die rasante „Acht-Acht“ den T 34 bereits auf über zwei Kilometer Entfernung (günstigste Durchschlagsleistung bis 1.500 Meter); also lange bevor der russische Kommandant seinerseits wirksames Feuer eröffnen kann. Das große Manko des 700 PS starken 57 Tonners mit den eckigen Formen stellt die mangelnde Beweglichkeit dar. Das niedrige Leistungsgewicht, zehn PS pro Tonne, ermöglicht im Gelände nur eine Marschgeschwindigkeit um die zehn km/h (bei einer theoretischen Höchstgeschwindigkeit von 38 Stundenkilometern, die allerdings feste Straßen bedingt). Die Planungen für den Bau schwerer Panzer reichen auf eine Weisung Hitlers vom 26. April 1941 zurück, knapp zwei Monate vor dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion. Es ist also eine Legende, wenn vielfach behauptet wird, der Tiger sei eine hastige Neuentwicklung gewesen, geschuldet dem unerwarteten Auftreten der T 34 und KW auf russischer Seite. Allerdings haben die schweren Sowjetpanzer die deutsche Produktion ganz sicher massiv beschleunigt.

Über die legendäre Kampfkraft des „Panzer VI“ schwärmt der ehemalige Tiger-Kommandant Alfred Rubbel47 noch im 21. Jahrhundert: „Wer wie ich in der Panzertruppe der Bundeswehr zwanzig Jahre mit Panzerausbildung, Panzereinsatz und Panzerentwicklung beschäftigt und danach noch jahrelang in der panzerbauenden Industrie tätig war, kommt beim Vergleich von heute zu damals zu dem Urteil, dass die Tiger einen technischen und waffenmäßigen Vorsprung bedeuteten, der weder im Krieg noch in den (außerdeutschen) Nachkriegsentwicklungen jemals eingeholt werden konnte. Ich wage die Behauptung, dass die heutigen, mit Elektronik hochgezüchteten und über alle Maßen im rauen Kriegseinsatz empfindlichen Panzer dem Tiger in einem länger dauernden Einsatz unterlegen sein würden.“

Ihre Überlegenheit können die neuen Superpanzer bei ihrem ersten Einsatz im September 1942 freilich (noch) nicht unter Beweis stellen. Generaloberst Guderian, der Schöpfer der deutschen Tanktruppe, kommt zu dem deprimierenden Urteil:

„Er [Hitler] bestimmte eine ganz nebensächliche Aufgabe, nämlich einen örtlich begrenzten Angriff in einem völlig ungeeigneten Gelände: die sumpfigen Wälder bei Leningrad, in denen schwere Panzer nur in Kolonne zu einem auf den Schneisen vorfahren konnten und somit direkt vor die Rohre der natürlich auch an den Wegen postierten Abwehrgeschütze fuhren. Schwere, vermeidbare Verluste und die Preisgabe des Geheimnisses und damit zukünftiger Überraschungen waren die Folge.“48

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Bis zum 9. September wird die russische Offensive, der sich inzwischen das IV. Garde-Schützenkorps und die wieder aufgestellte 2. Stoßarmee angeschlossen haben, gestoppt. Mansteins Verbände gewinnen nach und nach die Initiative zurück. Der sowjetische Hauptmann Posselenow49 schreibt am 12. September in sein Tagebuch:

„Die ganze Erde bebt von Bombeneinschlägen. Es scheint, als wenn die Deutschen alles mit der Erde vermischen wollen. In ununterbrochenem Strom kommen ihre Kampfmaschinen und werfen Bomben, Bomben, wann nimmt das ein Ende? Ringsum die Hölle [...] Im Streifen von 2 km bis zur vorderen Linie Leichen, Leichen von Menschen und Pferden. Ein höllischer Gestank.“

Auch die Newa-Gruppe der Leningrader Front, die bei Dubrowka von Westen her angetreten ist, bleibt nach Überschreiten der Newa in einem schmalen Brückenkopf am Ostufer liegen. Das gut liegende deutsche Artilleriefeuer und die rollenden Luftbombardements erweisen sich als unüberwindlich.

Inzwischen gliedert Manstein seine Verbände zum konzentrischen Gegenstoß. Am 21. September tritt von Norden her die 121. Infanteriedivision an, während aus südlicher Richtung die 24., 132. und 170. Infanteriedivision vorrücken, um die eingebrochenen Sowjetdivisionen an ihrer dünnen Basis im Osten abzuschneiden. Zwar erzielt die Konteroffensive Bodengewinne, aber die Verluste sind enorm. Die 132. Infanteriedivision verliert schon am ersten Angriffstag 510 Mann. Das VI. Garde-Schützenkorps unter Generalmajor Gagin wehrt sich verbissen.

Oberleutnant Siegfried Weber50 erlebt blutige Nahkämpfe beim Jägerregiment 49. Der Angehörige der 28. Jägerdivision berichtet:

„Im unübersichtlichen Wald- und Buschgelände tobte der Kampf auf nahe und nächste Entfernung. Immer wieder gelang es dem Feind, mit Panzern, aufgesessener und Begleitinfanterie [...] einzudringen. Im Gegenstoß musste er dann mit MPi, Handgranaten oder Spaten im Nahkampf abgewehrt werden. Die Russen gehörten einer Eliteeinheit an, keiner ergab sich, unverwundete Gefangene konnten nicht gemacht werden.“

Aber schließlich führt Mansteins Schlag aus der Nachhand an der berüchtigten „Elekroschneise“ bei Gaitolowo zum Erfolg. Für den entscheidenden Durchbruch auf eine Höhe wird Oberleutnant Weber das Ritterkreuz verliehen. Fünf Tage nach Angriffsbeginn sitzen sechs Schützendivisionen- und -brigaden im Kessel. Hauptmann Posselenow notiert:

„Wir sind abgeschnitten. Keine Post, keine Verpflegung. Munition auch fast keine. Die Verpflegung verteilen wir so: eine Tagesration für vier Tage. Heute spüren wir schon die Folgen [...] Die Stimmung kann ich nicht als schlecht bezeichnen, eher gleichmäßig [...]“

Zwei Tage später lautet der Tagebucheintrag: „Die Artillerie zerhackt die ganze Zeit den Wald, der Jahrhunderte unangerührt war. Er ist bis zur Unkenntlichkeit zerschlagen. Die Heimaterde ist aufgegraben, verwundet. Alles das, was sie schmückte, ist zerschlagen und zu Staub verwandelt [...] Alle stehen wir in Erwartung der Vernichtung [...] Auch eben suchen wir einen Ausweg wie eine Maus in der Falle. Wo man sich vorfühlt, überall ist das Loch zu. Noch ein geringer Feinddruck und alles wird überrannt.“

Am 2. Oktober ist das Gemetzel, die sogenannte 1. Ladogaschlacht, vorbei. Die Offensive kostet die Rote Armee 12.000 Gefangene und ein Mehrfaches an Gefallenen. Mansteins Verbände bezahlen ihren Sieg mit 26.000 Toten und Verwundeten. Ein ungewöhnlich hoher Blutzoll, der die Härte der Kämpfe unterstreicht. Allein die 28. Jägerdivision beklagt 717 Gefallene, 88 Vermisste, 3.276 Verwundete. Auch wenn die Sowjets ihr eigentliches Operationsziel, nämlich das Aufbrechen der Leningrader Blockade, verfehlt haben, ist der strategische Nutzen ihrer versumpften Offensive doch gewaltig. Durch die hohen deutschen Ausfälle und die viele verbrauchte Munition ist das Unternehmen „Nordlicht“ illusorisch geworden. Zwar bleibt Leningrad belagert, aber Hitlers Eroberungspläne sind nachhaltig durchkreuzt.

Als Ersatz für Ausfälle und Abgaben erhält die 18. Armee neben anderen Verbänden die 1., 9. und 10. Luftwaffenfelddivision, gebildet aus überschüssigem Luftwaffenpersonal. Da weder ihre Offiziere noch Unteroffiziere und Mannschaften über infanteristische Erfahrungen verfügen, bewähren sich Görings Neuaufstellungen bei den Bodenkämpfen nicht. Die nahe liegende, von Hitler ursprünglich auch ins Auge gefasste Lösung, mit jenen 200.000 Luftwaffensoldaten die gelichteten Reihen in den viel professionelleren Heeresverbänden aufzufüllen, hat der prestigesüchtige Reichsmarschall zu verhindern gewusst – zum schweren Nachteil der Ostfront.

Die 24. Infanteriedivision51 muss nicht nur Offiziere zum Zwecke der Ausbildung an die benachbarte, völlig unerfahrene 10. Luftwaffenfelddivision abgeben, sondern zur Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs überhaupt! Daran mag man ermessen, dass an sich gutes „Menschenmaterial“ ohne den scharfen preußischen Schliff und das auserlesene Offizierskorps nicht viel wert ist. Ganz anders die Formationen der Waffen-SS. Zumindest deren Kerndivisionen, nämlich die „Leibstandarte“, „Reich“, „Totenkopf“ und „Wiking“, bewähren sich im Felde vollauf. Ihre Kampfkraft wird auch von vielen Kameraden des Heeres anerkannt. Während des Krieges und auch danach. Noch im Jahre 1953 soll der ehemalige Ostfront-Oberleutnant Helmut Schmidt, der spätere Bundeskanzler, vor Veteranen der Waffen-SS laut bekunden, dass er „immer das Gefühl besonderer Sicherheit“ verspürt habe, wenn Himmlers Elitekämpfer neben seiner Einheit, der motorisierten leichten Flakabteilung 83, in Stellung lagen.52 Darin liegt viel Wahrheit und gewiss nicht nur Anbiederung!

Das militärische Know-how der Waffen-SS gründet nicht zuletzt auf die traditionelle Ausbildung durch ehemalige Heeresoffiziere. Dass sie darüber hinaus in ihren Reihen neue Prinzipien praktiziert und natürlich eine fanatischere Weltanschauung propagiert, ist kein Widerspruch dazu. Nicht allein der Glaube kann eine solide Grundausbildung ersetzen. Auch nicht bei der laut Göring vermeintlich „nationalsozialistischen“ Luftwaffe.

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