Читать книгу Emmas Sommermärchen - Ivy Bell - Страница 7
Оглавление11. Juni 2006
Hamburg
Emma lümmelte auf einem Küchenstuhl herum. Die Fenster des französischen Balkons waren weit geöffnet und sie hielt ihre Beine in die Sonne. Es war herrlich warm.
Sie seufzte. Gestern hatte sie noch mit Marco telefoniert. Nächstes Wochenende kommt er aus New York zurück und dann müsste sie sich langsam entscheiden, wie es weiter geht. Er betonte ständig, wie sehr er sich schon auf sie freute, um danach wieder mit diesem leidigen Wohnungsthema anzufangen. Emma kratzte an ihrem Telefon herum und behauptete, die Verbindung wäre so schlecht. Nachdem sie ein paar Mal »Hallo! Marco? Ich höre nichts!« gerufen hatte, legte sie einfach auf. Carla, die mit ihr in einem Biergarten saß, schaute sie merkwürdig an.
»Kann es sein, dass du gar nicht mit Marco zusammenziehen möchtest?«, fragte Carla, und Emma gab zu, dass ihr das alles zu schnell geht.
Carla äußerte sich nicht weiter zu diesem Thema, aber das brauchte sie auch nicht. Emma wusste, dass Carla mit Marco einfach nicht warm wurde. Sie konnte nicht genau sagen, was es ist, aber irgendetwas störte sie an Marco.
Emma wackelte mit ihren Zehen und streckte sich wohlig. Heute würde sie sich nicht mehr entscheiden, wie es weiter gehen würde, dazu war das Wetter viel zu schön. Sie hatte in den letzten Jahren viel gearbeitet, da konnte sie sich jetzt auch mal eine kleine Auszeit nehmen.
Aus Carlas Zimmer war heftiges Tippen zu hören. Emma wusste, wenn ihre Schwester so auf die Tastatur hämmerte, dann war sie im Stress. Sie machte sich Sorgen. Carla wirkte überarbeitet und unzufrieden, aber als Emma sie gestern nach ihrem Volontariat fragte, hatte Carla abgewunken und gemeint, darüber wolle sie heute nicht sprechen. Emma beschloss, ein wenig zu lesen und Carla später zu bekochen. Vielleicht könnten sie abends auch noch an der Elbe spazieren gehen, das würde sie bestimmt entspannen, bevor ihre Arbeitswoche wieder losging. Und vielleicht würde es Emma auch helfen, ein paar Entscheidungen zu treffen.
Carla starrte wütend auf ihren Laptop. Sie wusste nicht mehr, was sie ändern sollte. Frau Hagen könnte ihr mal im Mondschein begegnen! Sie öffnete ihr Mailprogramm, schrieb ein paar höfliche Zeilen an Frau Hagen und kopierte ihren leicht geänderten Artikel in den Anhang. Dann drückte sie auf »Senden« und lehnte sich zurück. Morgen würde Frau Hagen sie garantiert in ihr Zimmer zitieren. Sie würde ihre dürren Finger unter ihrem Kinn aneinanderpressen und sie über den Rand ihrer strengen Brille mit ihren kalten, grauen Augen mustern. Dann würde sie ihr sagen, dass sie ihr den Text zur erneuten Bearbeitung gemailt hatte; Frau Hagen war nämlich ein Fan des papierlosen Büros. So war es immer. Carla schaffte es nicht, Frau Hagen mit ihren Artikeln zufriedenzustellen. Und was noch schlimmer war, auch die zweite Version war in der Regel nicht gut genug.
Carla griff nach dem Telefon und rief Chris an. Er würde sie garantiert wieder aufheitern können, schließlich kannte er Frau Hagen. Chris arbeitete schon seit sieben Jahren bei »Schiller & Tegenkamp«, allerdings hatte er einen netteren Chef. Carla hatte ihn kennengelernt, als sie, einem Nervenzusammenbruch nahe, auf die Toiletten im Gang stürmen wollte, um sich zu beruhigen. Dabei rannte sie leider in Chris, der gerade mit ein paar Unterlagen aus dem Fahrstuhl kam. Die Unterlagen flogen durch die Gegend, und während Carla mir Chris auf dem Boden herumgekrochen war, um alles wieder einzusammeln, hatte er schon herausbekommen, wer sie war, in welcher Abteilung sie angestellt war, dass sie Volontärin war, wo und was sie studiert hatte und so weiter und so fort. Chris war eben Redakteur durch und durch und wusste, wie er den Leuten etwas aus der Nase ziehen konnte. Außerdem war er extrem neugierig, liebte dramatische Geschichten, und war schwul. Für Carla war er ein Lichtblick in der Agentur. Auch, wenn ihr nach ihrer ersten Begegnung der Kopf geschwirrt hatte. Noch nie war sie in so kurzer Zeit mit so vielen Fragen bombardiert worden, und sie hatte auch noch nie so bereitwillig geantwortet. Normalerweise war sie eher misstrauisch, aber aus irgendeinem Grund war ihr Chris sofort sympathisch gewesen. Seit diesem Tag hatten sie sich regelmäßig zum Mittagessen getroffen, waren irgendwann auch nach der Arbeit zusammen ausgegangen und inzwischen dicke Freunde.
Carla lauschte auf das Freizeichen und betete, dass Chris zu Hause war und ein wenig Zeit zum Quatschen hatte. Nach dem dritten Klingeln nahm er ab.
»Hallo?«
Oh weh, er klang verschlafen. Dann war er bestimmt lange unterwegs gewesen.
»Hallo Chris, hier ist Carla«.
Sofort änderte sich Chris´ Tonlage.
»Carla, Schätzchen, wie geht es dir? Alles in Ordnung? Du klingst ein wenig bedrückt. Ich dachte, du hast ein ganz tolles Wochenende mit deiner Schwester.«
Carla seufzte. »Eigentlich hatte ich das auch. Aber Frau Hagen hat mir am Freitag noch meinen letzten Artikel mit ihren freundlichen Anmerkungen zurück gemailt und behauptet, er wäre eine Katastrophe und sie erwartet die überarbeitete Version noch am Wochenende. Ich habe ihr den Artikel gerade geschickt.«
»Was hast du denn geändert? Der Artikel war super, da gab es nichts zu ändern!« Chris klang ehrlich entrüstet.
»Ein paar Formulierungen habe ich überarbeitet, im Mittelteil ein wenig gestrichen, aber sonst habe ich nichts geändert. Das gibt morgen bestimmt Ärger.«
»Weißt du was? Du schnappst dir jetzt deine Schwester und dann treffen wir uns bei mir. Das Wetter ist so schön, wir können entweder auf meiner Terrasse herumhängen oder noch ausgehen. Ich muss mich nur erst mal sammeln. Ich war gestern lange aus und habe so einen hinreißenden Mann kennengelernt.«, Chris machte eine kleine Pause und Carla hörte einen zufriedenen Seufzer durch das Telefon. Sie gluckste.
»Lachst du mich etwas aus?« Chris klang entrüstet.
»Nein!«, rief Carla, »niemals! Ich finde das nur süß, wenn du verliebt bist. Passiert ja auch nur etwa jedes zweite Wochenende.«
»Haha. Ich muss mich ja auch für Zwei verlieben, bei dir passiert schließlich gar nichts.«
»Vielen Dank!« Jetzt war es an Carla, gekränkt zu sein.
»Nun schmolle nicht. Mach den Laptop aus, vergiss die Hagen, schnapp dir deine Schwester und kommt her. Ich bin sowieso schon ganz neugierig auf Emma. Entweder, sie war in Hannover oder bei ihrem Freund oder in England. Seit wir uns kennen, versteckst du sie vor mir. Damit ist jetzt Schluss. Ich erwarte euch in einer halben Stunde bei mir.«
»Zu Befehl!« Carla lachte. »Aber gib mir eine dreiviertel Stunde. Ich muss mich noch ein wenig herrichten.«
»So sei es«, kicherte Chris ins Telefon, dann legte er auf.