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Lasst mich bloß in Ruhe

Larah

Ich hasse es. Ich hasse es. Ich hasse es.

Die Neue zu sein ist megascheiße. An meiner alten Schule hatte ich meine Ruhe. Verdammt, warum musste Dad auch in diese Kanzlei einsteigen? Okay, er verdient dort einen Haufen Kohle mehr und hat auch mehr zu sagen. Ist jetzt Seniorpartner, oder so. Ja, sie haben lange mit mir gesprochen, ob mir der Umzug nichts ausmacht. Sie haben schon so viel für mich getan, da wollte ich nicht zickig sein. Also habe ich zugestimmt. Ist trotzdem scheiße.

Freunde hatte ich nicht. Aber mir hier meine Freiräume zu schaffen, ist anstrengender als gedacht. Einige tun so, als wären sie nett. Sie versuchen, mit mir ins Gespräch zu kommen.

Der einzige, der mir nicht auf den Sack geht. Hmm, falsches Geschlecht. Der einzige, der mir nicht permanent auf die Eierstöcke geht, ist Ben. Mein Sitznachbar in den meisten Kursen. Er ist kein Laberkopp. Wenn er mich was fragt, hat es mit dem Unterricht zu tun. Das ist okay. Wenn ich ihm helfen kann, mache ich das.

Aber es gibt ein paar Typen, die brauchen noch etwas, um es zu kapieren. So wie der Kerl aus dem Bio-LK mit seinen Glitzerfreundinnen. Der glaubt doch wirklich, er wäre Gottes Geschenk an die Weiblichkeit schlechthin. Würg.

Boah, Mann, hat der mich angegraben. Ich stand ruhig in meiner Ecke und habe gelesen, als er und ein paar Kumpels zu mir traten. Ich habe meinen allerschönsten Verpiss dich-Blick aufgesetzt. Das haben die Hohlbirnen aber nicht kapiert. Stattdessen sülzt er mich zu. Ich wäre ja wohl das Größte. Nein, du Idiot, ich bin nur zufällig das längste Mädchen des Jahrgangs. Nicht das Größte. Da gibt es einen feinen Unterschied.

Und so ging das weiter. Sogar mein beharrliches Schweigen hat ihn nicht gestört. Sauer wurde ich erst, als er anfing, mich zu betatschen.

„Nimm die Finger weg!“, habe ich ihn angeknurrt. Er hat nur schmierig gelacht. Seine Kumpels haben pflichtschuldig eingestimmt.

Er hat seine Griffel natürlich nicht von mir genommen. Also habe ich nachgeholfen. Als sich seine Finger auf meinen Hintern gelegt haben, war Ende Gelände.

Blitzschnell habe ich zugepackt und seine Hand verdreht. Eine höchst schmerzhafte und ausgesprochen effektive Methode, selbst starke Männer auf die Knie zu zwingen und ihnen die Tränen in die Augen zu treiben. Geschockt standen seine Kumpels daneben.

Blödmann, oder wie der Kerl heißt, habe ich angezischt: „Fasst du mich noch ein einziges Mal an, breche ich dir die Finger. Haben wir uns verstanden?“

Mit schmerzverzerrtem Gesicht nickt er. Ich habe ihn losgelassen und von mir gestoßen. Fluchtartig hat die Gruppe das Weite gesucht, nicht ohne mir noch ein paar Obszönitäten zuzurufen. Ist mir egal.

Eine Gruppe Leute, ich glaube aus dem Sport-LK, hat die Szene beobachtet. Ein Typ, Piet oder so, hat mir beifällig zugenickt.

Seitdem habe ich etwas mehr Ruhe.

Allerdings haben sie sich ein neues Opfer gesucht. Ben.

Und der kann sich anscheinend nicht sonderlich gut wehren. Immer wieder juckt es mich in den Fingern, mich einzumischen. Aber nein. Ich will meine Ruhe haben. Wenn es sich ergibt, sehe ich, wie die Leute des Sport-LK sich unauffällig dazwischen drängen.

Die Mädchen meiner Jahrgangsstufe sind auch etwas komisch. Nachdem ich dem Arsch klar gemacht habe, was ihm blüht, wenn er mich nochmal anfasst, erlebe ich eine Bevölkerungszunahme in meiner Ecke des Schulhofes.

Nicht, dass sie direkt bei mir stehen und mich volltexten. Aber irgendwie halten sie sich in meinem Sichtbereich auf. Soll mir Recht sein.

Es irritiert mich, dass sie näher zu mir rücken, wenn Arsch und seine Kumpels sich in ihre Richtung bewegen. Bin ich denn die Mutterhenne und sie kommen unter meine Flügel, oder was?

Mal sehen. Ich probiere mal etwas aus. Bei der nächsten Gelegenheit schlendere ich wie zufällig zu der Mädchengruppe, die von dem Sackgesicht und seinen Kumpels aktuell bedrängt wird. Als sie mich näherkommen sehen, drehen sie ab und verschwinden. Also doch. Test bestanden.

Nun gut. Dann spiele ich eben das Muttertier. Ist in Ordnung. Die Wirkung ist frappierend. Noch zwei-, dreimal solch eine Aktion und der AmO lässt sich in dieser Ecke des Pausenhofes nicht mehr blicken. AmO? Arsch mit Ohren.

Ich habe meine Ruhe, die Mädels haben ihre Ruhe. Alz klaa. Und Angst vor dem Wichtigtuer habe ich kein bisschen. Wie auch? Innerlich muss ich grinsen, wenn ich daran denke, was ich so an den Nachmittagen mache.

Halt, ich will nicht unfair sein. Es gibt tatsächlich ein paar Mädchen, die sich genauso verhalten, wie ich es erhofft habe. Die mich links liegen lassen. In diesem Fall eher, bewusst schneiden. Gott sei Dank. Die Klon-Sisters sind doch zuverlässig.

Eines schönen Tages haben sie sich vor mir aufgebaut. Die Oberzicke hat mit äußerst spitzen Fingern an meinem Hoodie gezupft.

„Aus welchem Altkleidercontainer hast du den Lappen denn gezogen?“

Es ist schon ein erhabenes Gefühl, wenn man derjenigen, die einen so anmacht, körperlich überlegen ist. Sie muss beachtlich aufschauen, um mir ihre Verachtung entgegen zu schleudern. Während ich „hoheitsvoll“ auf sie heruntersehen kann. Mom und Dad sind gewiss nicht arm. Ich auch nicht. Immer wieder liegt mir Mom in den Ohren, mit mir shoppen gehen zu wollen. Aber mir ist das egal. Ich trage keine Schminke. Ich besitze nicht einmal welche. Meine Fingernägel sind praktisch kurz. Nur von meinen langen Haaren mag ich mich nicht trennen, auch wenn sie wegen des häufigen Duschens eher unpraktisch sind. Meine Klamotten sind mein Schutzwall. Der Hoodie ist schlicht und einfach praktisch und verbirgt mich ganz gut. Die Jeans ist robust und erfüllt ihren Zweck. Strass und anderes Zeugs gebrauche ich nicht. Okay, die Boots sind „getragen“. Aber nicht kaputt, oder so.

Das genaue Gegenteil sind meine drei aktuellen Gegenüber. Make-up, Parfum (wie man deutlich riecht), Markenklamotten, feine Schühchen. Na und?

Lange überlege ich, ob die Zicke überhaupt eine Antwort wert ist. Mein wahrscheinlich äußerst gelangweilter Blick irritiert sie zunehmend. Offensichtlich ist sie es nicht gewohnt, ignoriert zu werden. Ihre Augen ziehen sich zusammen. Fasziniert warte ich darauf, dass die entstehenden Runzeln auf der Stirn die Schminke zum Abplatzen bringen. Passiert nicht, leider.

Dafür entdecke ich etliche Pickelchen unter dem Make-up. Vielleicht sollte sie ihre Haut mal atmen lassen. In dem Moment bin ich heilfroh, dass meine Haut absolut rein ist. Im Gesicht. An anderen Stellen meines Körpers habe ich dagegen genug Unansehnliches, das ich gerne überdecke.

In meine Gedanken hinein bohrt sich plötzlich ein Finger in meine Brust. Nun wird es Zeit, Barbie mal eine Ansage zu machen. Ich beuge mich zu ihr vor. Dabei packe ich ihren Finger und biege ihn nach oben. Noch nicht schmerzhaft, aber unangenehm. Gleich werden ihre Augen groß.

„Hör mir gut zu.“ Ich lege all meine Verachtung für sie in meine Stimme. „Was ich anziehe, wie ich aussehe und was ich mache, geht dich einen feuchten Scheiß an. Du kannst labern, was du willst und wo du willst, solange du weit genug wegbleibst, dass wir nicht die gleiche Luft atmen müssen. Und wenn du mich noch einmal ungefragt anfasst, kriegen wir richtig Ärger miteinander.“

Entsetzt reißt sie ihre Augen auf. Ihre Klone ebenso, wie könnte es anders sein. Wozu ist man sonst ein Klon?

Ich weiß, dass ich einschüchternd wirken kann. Das habe ich viele Jahre trainiert. Ich weiß auch, dass die drei mir in keiner Weise gewachsen sind. Eigentlich unfair von mir. Aber das ist mir im Moment egal. Sie sind in meine Komfortzone eingedrungen. Fehler Nummer 1. Und sie hat mich ungefragt angefasst. Kardinalfehler überhaupt. Vor allem von jemandem, der mir direkt zu verstehen gegeben hat, dass er mir nichts Gutes will. Und ihre Bemerkung über die Lappen, die ich trage, ging eindeutig in Richtung Konfrontation. Okay, kann sie haben.

„Damit du es kapierst. Lässt du mich in Ruhe, lass ich dich in Ruhe. Kommst du mir weiterhin dumm, reagiere ich. Und das willst du nicht erleben. Frag deinen Freund. Der hat auch schon vor mir auf den Knien gelegen, als er mich angefasst hat. Ist das bei dir angekommen?“ Ein winziges bisschen verbiege ich den Finger noch. Das tut echt noch nicht weh. Ist wirklich nur unangenehm. Wenn man aber gar nichts gewohnt ist, kann das schon Angst machen.

Barbie schluckt. Mit einem Ruck entzieht sie mir ihre Hand.

„Mit Losern wie dir, will ich sowieso nichts zu tun haben.“ Sie wirft ihre Haare über ihre Schulter und wendet sich ab. Gefolgt von ihren Klonen.

Gut, Problem gelöst. Ich habe meine Komfortzone wieder für mich. Entspannt lese ich in meinem Buch weiter.

Moderne Engel

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