Читать книгу Die schlechteste Hausfrau der Welt - Jacinta Nandi - Страница 10

Karrierefrau versus Hausfrau
(wie Alien versus Predator)

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Ich glaube, niemand denkt, dass ich eine tolle Hausfrau bin – aber die super-duper tollste ambitionierte erfolgreiche Killerkarrierefrau bin ich auch eigentlich nicht, oder? Ich bin nicht mal in die Künstlersozialkasse gekommen! Ich lebe so ein Loserleben, wo ich mal Kleinkünstlerin, mal Englisch-Nachhilfelehrerin bin – ich glaube, das ist der Hauptgrund dafür, weshalb ich die bezahlte Putzkraft nicht als ausgebeutete, unterdrückte Sklavin sehen kann. Weil ich auch keine Rente habe. Weil ich 12 Euro pro Stunde ein ganz gutes Gehalt finde. Weil ich ganz oft 12 Euro pro Stunde für Englischunterricht kriege, weil ich ganz oft nach einem Abend Lesebühne mit 30 Euro oder sogar weniger in der Tasche nach Hause gehe. Eine Karrierefrau sieht anders aus – und wenn ich »anders« sage, meine ich erfolgreicher.

Jahrelang lebte ich vom Englischunterricht. Ich finde vieles an mir peinlich, das aber nicht, wenn ich ehrlich bin. »Ist es dir nicht peinlich, so ein Klischee zu sein?«, fragte mich meine Freundin Diane, die manchmal echt bitchy sein kann. Ich wusste gar nicht, wovon sie redete. Ich hatte angefangen, im Hof von einem Club einer Gruppe Spaniern den Unterschied zwischen I have been sleeping with my boss (eine Affäre, die noch nicht vorbei ist) und I have slept with my boss (ein ONS) zu erklären.

Ich schäme mich nicht dafür, keine tolle Karrierefrau geworden zu sein. Ich werde nicht neidisch, wenn ich die Werdegänge meiner Uni-Kommilitoninnen lese. Es ist okay für mich, so wie es gelaufen ist. Eine Alleinerziehende, eine Hartz-IV-Mama, eine Englischlehrerin, eine Übersetzerin, eine Kleinkünstlerin. Ist okay. Außer, wenn ich an meine Kiddies denke. Dann denke ich: Sie haben unter der Karriere der Mama so gelitten, als ob ich die CEO von MTV wäre oder, was weiß ich, bei der World Bank fest angestellt.

Einmal, es war der 23. Dezember, der letzte Hort-Tag des Jahres. Ich hatte einen Englischkurs um 16 Uhr, was nicht besonders spät ist, oder? Es klingt nicht besonders spät. Aber wir waren um 17.10 fertig, und ich rannte wie verrückt zum U-Bahnhof, und war trotzdem erst 17.55 im Hort. Mein Sohn war damals sieben Jahre alt. Die Schule, der Hort, alles leer. Ein Zettel klebte auf der Tür zum Hortbereich: WIR SIND IM KELLER. Ich rannte runter – ich hatte High Heels an –, das Gebäude leer und leise. Keine Kinder, keine Lehrer, keine Erzieher. Leer und leise war alles. Mein Sohn und der türkische Hausmeister in einem Raum. Der Hausmeister reparierte, mein Sohn reichte ihm ab und zu ein Werkzeug. Mein Sohn, wie er es damals öfters machte, redete pausenlos – ab und zu sagte der Hausmeister »Ja« oder vielleicht »Hammer bitte.«

»Ryan«, flüsterte ich von der Tür und er drehte sich um, sein Gesicht voller Sonne.

»Ich helfe!«, rief er begeistert, und dann ein Moment Panik: »Mama, morgen ist Weihnachten«, als ob ich es vielleicht vergessen hätte.

»Andere Kind sind weg«, sagte der Hausmeister. »Beate wollte nach Haus gehen.«

»Ja«, sagte ich. Es war kein Vorwurf, und trotzdem wollte ich mich verteidigen:

»Die anderen Mütter«, sagte ich unsolidarisch, »sind alle Teilzeit arbeitend als Yogalehrerinnen!« Ich erwähnte nicht, dass ich eine Teilzeit arbeitende Englisch-Nachhilfelehrerin war. Ich war voller Wut und Neid – und Scham.

»Er ist ein guter Junge«, sagte der Hausmeister. »Viel helfen, viel reden.«

Ryan umarmte seinen Hausmeister und rannte weg. Ich kam mir wie eine schlechte Mutter vor. Ich kam mir wie eine Rabenmutter vor.

Warum erzähle ich das alles? Weil ich sonst keine großen Unterschiede merke zwischen Ostfrauen und Westfrauen, aber bei der Reaktion auf diese Geschichte war der Unterschied spürbar.

»Ich hatte so ein schlechtes Gewissen!«, erzählte ich einer westdeutschen Freundin.

»Kann ich gut verstehen!«, antwortete sie sofort. »Du bist keine Karrierefrau, und der Kleine muss nicht zu Weihnachten das letzte Kind im Hort sein, oder? Du solltest versuchen, am letzten Tag vor den Ferien halbtags zu arbeiten.«

»Aber 16 Uhr ist echt nicht spät«, sagte ich, »oder?«

»Er wird bestimmt später seiner Therapeutin davon erzählen!«, lachte sie. Es war einer dieser Witze, die eigentlich nicht lustig sind.

Ich biss nachdenklich auf meiner Unterlippe herum. Wechselte das Thema und dann machte ich eine Umfrage bei meinen deutschen Freundinnen. Und ich entdeckte eine klare Trennung bei Ost- und Westdeutschen, die wie die Chinesische Mauer bestimmt vom Weltall aus gesehen werden könnte. Irgendwie dachten alle Westdeutschen, dass ich »irgendwie« »irgendwas« »besser« »organisieren« hätte sollen – ich weiß nicht genau, was –, während die Ostdeutschen gleichgültig mit den Schultern zuckten und sagten: »So ist das halt, wenn man arbeiten muss und ein Kind hat.«

»Findest du es echt nicht schlimm für ihn?«, fragte ich meine Freundin Steffi, die bei Lush arbeitete.

Sie lächelte: »Nein! Hat der Hausmeister ihn geschlagen oder so was? Ich verstehe die Geschichte nicht ganz. Klingt für mich nach Spaß, unten im Keller, mit den Werkzeugen und so.«

»Er liebt diesen Hausmeister«, gab ich zu.

»Siehste!«, sagte Steffi.

»Wollte ihn zu seinem Kindergeburtstag einladen.«

Steffi nickte.

»Ich denke manchmal«, fuhr ich fort, »dass meine Karriere es nicht rechtfertigt, ihn so viel im Hort zu haben. Ich sollte mehr Geld verdienen, dann wäre dieses Rabenmütterleben zu rechtfertigen.«

Steffi sagte: »Das kann ich nicht nachvollziehen. Du musst es gar nicht rechtfertigen, dass du arbeiten gehst und ein Kind hast. Egal, wie viel du verdienst! Das hat mit Rabenmüttern nichts zu tun! Das ist selbstverständlich.«

Und das ist es auch für die Frauen aus Ostdeutschland, die ich kenne: selbstverständlich. Eine Frau arbeitet, sie muss keine Karriere machen, aber sie arbeitet, auch wenn sie Kinder hat. In der DDR war es gang und gäbe, sein Kind zur Kita zu schicken, ab einem echt jungen Alter, und Hort war auch normal. Dieses Stigma, das wir aus dem englischsprachigen Raum mit Fremdbetreuung assoziieren, ist ihnen tatsächlich fremd. Die Ostfrauen hatten Gleichberechtigung, wenn es darum ging, nach der Geburt wieder arbeiten zu gehen. Allerdings mussten auch sie damals wie heute doppelt arbeiten: zu Hause und außerhalb des Hauses.

Im Vergleich dazu basiert die jetzige Bundesrepublik, so wie die alte Bundesrepublik, darauf, dass eine Frau entweder Hausfrau oder Karrierefrau ist. In den 50ern durfte eine westdeutsche Frau nicht arbeiten gehen ohne die Erlaubnis ihres Ehemannes. Heutzutage gibt es keine spezifischen Gesetze, die deutschen Frauen verbieten, arbeiten zu gehen – aber unsere Gesellschaft basiert subtil darauf, dass die Frau und die Kinder zu einem Mann gehören. Ehegattensplitting, Familienversicherung, all das macht es schwer für eine Frau, finanziell unabhängig zu sein. Wenn eine Frau mit einem Mann zusammenkommt, der mehr als sie verdient, ist es oft »praktisch«, es so zu »organisieren«, dass sie die meiste Kindererziehung übernimmt. Und dann verliert sie Jahre ihrer Karriere, und die Ungleichheit ist noch tiefer als zuvor.

Die schlechteste Hausfrau der Welt

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