Читать книгу Die schlechteste Hausfrau der Welt - Jacinta Nandi - Страница 11
86.000 Gedanken
ОглавлениеAngeblich hat man 86.000 Gedanken am Tag, und wenn sie alle negativ sind, ist dein Gehirn wie ein Garten mit verdorbenem Unkraut, aber das Gute ist, wenn sie überwiegend positiv sind, dann ist dein Gehirn wie eine Wiese im Sommer mit kleinen blauen Blumen drin, und die Gedanken tanzen im hellgoldenen Sonnenschein in der leichten erfrischenden Brise, und das echt Gute ist, dass man seine 86.000 Gedanken steuern kann, indem man sich bewusst auf die positiven Gedanken konzentriert und die bösen, negativen ignoriert. Man denke an die guten und schlechten Bakterien im Darm und die Wirkung von Actimel, je mehr Actimel man trinkt, desto weniger böse Bakterien besiedeln den Darm, so einfach ist es, deine Gedanken zu steuern. Und deswegen schreibe ich jetzt ein Gratitude Journal: ein Dankbarkeitstagebuch.
Woher habe ich diese Info mit den 86.000 Gedanken, fragt ihr euch, und woher weiß ich, dass das stimmt? Das ist ganz simpel, ich habe das gelernt von einer Hippiefrau bei YouTube, und ich weiß, dass das stimmt, denn warum würde eine Hippiefrau bei YouTube mich anlügen?
Ich fange an, immer abends, nachdem das Baby eingeschlafen ist, ganz normal in mein Dankbarkeitstagebuch zu schreiben, werde aber immer besoffener, und manchmal, wenn ich richtig besoffen bin, gerät meine Dankbarkeit außer Kontrolle.
Ich fange ganz normal an:
Ich bin dankbar, dass die Welt schön ist und ich in Sicherheit bin.
Ich bin dankbar, dass ich Kinder habe.
Ich bin dankbar, dass die Kinder gesund sind (ich versuche, den Gedanken zu unterdrücken, dass das ein bisschen behindertenfeindlich ist).
Ich bin dankbar, dass die Kinder hübsch sind (ich versuche, den Gedanken zu unterdrücken, dass das lookist ist, schaffe es doch nicht, und lösche das aus meinem Dankbarkeitstagebuch).
Ich bin dankbar, dass ich meinen Freund kennengelernt habe, da er mir das Baby gemacht hat, und das Baby ist perfekt.
Ich bin dankbar, dass mein Exfreund mit mir Schluss gemacht hat, denn nur so konnte ich das Baby machen.
Ich bin dankbar, dass mein Freund jetzt drei Wochen weg ist, so dass ich mit dem Baby alleine eine Bindung aufbauen kann.
Ich bin dankbar, dass die perfekteste Kita aller Zeiten uns abgelehnt hat, weil wir jetzt viel, viel Zeit haben werden, um uns zu binden, wir werden so verbunden sein, wir werden eine Mutter-Kind-Bindung haben, auf die alle anderen Mütter auf dem Spielplatz voll neidisch sein werden.
JA, ICH BIN DANKBAR, DASS WIR KEINEN KITAPLATZ BEKOMMEN HABEN, SO HABE ICH MEHR ZEIT MIT MEINEN KINDERN. ICH BIN DANKBAR FÜR DEN BREXIT, SO LERNE ICH DIE EU RICHTIG KENNEN, RICHTIG ZU SCHÄTZEN, WIRKLICH ZU LIEBEN. ICH BIN DANKBAR, DASS ICH DICK BIN, DENN JETZT WEISS ICH, DASS MEIN FREUND MICH WIRKLICH WEGEN MEINER PERSÖNLICHKEIT LIEBT UND NICHT WEGEN MEINES KÖRPERS. ICH BIN DANKBAR, DASS ICH SO VIELE KOHLENHYDRATE ESSE, DASS MEIN BAUCH AUSSIEHT WIE DER EINES NARWALS, DENN DIE SIND MEINE LIEBLINGSWALE. ICH BIN DANKBAR, DASS ICH ALLEINE BIN IN DEUTSCHLAND, WEIL MENSCHEN MIT FAMILIEN IMMER AN NERVIGEN PICKNICKS UND GRILLPARTYS TEILNEHMEN MÜSSEN UND ICH TOTAL GLÜCKLICH ZU HAUSE BLEIBEN DARF. ICH BIN DANKBAR, DASS ICH UND DAS BABY DIE OSTERFEIERTAGE TOTAL ALLEINE VERBRINGEN DÜRFEN. ICH BIN DANKBAR, DASS …
Ich höre auf zu schreiben, dass ich dankbar bin, denn ich merke gerade, dass ich aus Versehen aus Langeweile viel getrunken habe innerhalb von zwanzig Minuten und eigentlich ziemlich betrunken bin. Keine Kita, keine Arbeit, keine richtigen Freunde, keine Ziele, Mann, bin ich deprimiert und total undankbar für mein verkacktes Leben. Ich twittere: When I am drunk sometimes the things I write in my gratitude journal can get a bit out of control. Zwei Minuten später schäme ich mich, dass ich das geschrieben habe, aber wenn ich es lösche, werden die Leute wissen, dass ich mich schäme, und solange die anderen Menschen nicht wissen, dass du dich schämst, ist es halb so schlimm, du schämst dich nur theoretisch. Das ist wie wenn ein Baum hinfällt im Wald, aber niemand guckt hin: zählt kaum. Ich threade eine Antwort zu meinem schamvollen Tweet: Schreibe gerade einen Text darüber für morgen bei meiner Lesebühne! Ha, denke ich mir. Jetzt schnell einen Text über Dankbarkeit schreiben, und das Leben kann weitergehen. BITTE SCHÖN!