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How To Clean A Pushchair

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Mein Freund ist zickig, denke ich.

Er zickt immer. Er zickt. Er zickt voll rum.

Das ist das Problem zwischen uns, das ist der Grund, weshalb alles nicht klappt: weil er zickig ist.

Warum habe ich so lange gebraucht, um das zu checken? Ich weiß warum: Normalerweise ist die Zicke die Frau, die Frau bei Columbo, die ältere Frau, ohne Geld, ohne Macht, der Mann geht immer fremd, sie zickt aus Verzweiflung, aus Hoffnungslosigkeit, aus Hilflosigkeit. Normalerweise zicken nur Frauen: Frauen, die sich nicht respektiert fühlen, Frauen, die so aufs Sofa achten wie mein Freund, dass es nur keine Flecken kriegt.

Aber bei uns ist mein Freund die Zicke. Einfach: zicken, zicken, zicken, sich beschweren, sich beschweren, sich beschweren, Kritik, Kritik, Kritik. Es hagelt Kritik, er ist eine Zicke.

»Der Kinderwagen ist so schmutzig, dass es mir peinlich ist, aber wenn ich dir das sage, rastest du wahrscheinlich aus«, sagt er.

»Nee«, sage ich. »Kannst ja selber putzen, wenn es dich so stört.«

»Ist es dir nicht peinlich?«, fragt er.

Ich zucke mit den Schultern.

»Manchmal«, sage ich.

»Siehst du jemals andere Kinderwagen, die so schmutzig aussehen?«, fragt er.

»Ich gucke mir andere Kinderwagen nicht an«, sage ich. »Aber wenn ich es doch tue, ist es mir schon ein bisschen peinlich.«

Ich hasse es, das zuzugeben, aber in Wahrheit ist mir der Kinderwagen schon peinlich, wenn ich merke, dass er schmutzig ist. Neulich habe ich ihn im Eingang vom Kaufland stehengelassen – und der Kinderwagen daneben war auch von Hauck, nur nicht so schmutzig.

»Ist echt eklig«, sagt mein Freund.

»Ach«, sage ich. »Wenn er soooooooo schmutzig ist, dann putz ihn doch!«

»Mache ich dauernd«, sagt er. »Aber ich erwarte ab jetzt, dass du dich auch ein bisschen drum kümmerst. Und vielleicht sollte Baby Leo nicht mehr im Kinderwagen essen dürfen? Aber ich will nichts sagen, worüber du dich aufregst.«

Ich sage nichts.

»Zumindest kein Eis«, sagt er.

Zickig, denke ich. Komisch, dass er denkt, ich würde mich aufregen. Ich rege mich nie auf – ich explodiere alle zwei Monate und schreie ihm ins Gesicht, das ja. Aber er zickt. Er ist zickig. Und dieser Gedanke entspannt mich ein bisschen. Er hat übrigens auch recht, unser Kinderwagen ist super peinlich und eklig und Baby Leo sollte kein Eis mehr im Kinderwagen essen.

Mein Freund fährt am Wochenende weg, ich vermisse ihn gar nicht, wenn er wegfährt. Deswegen habe ich ein bisschen ein schlechtes Gewissen, aber wer vermisst eine Zicke? Aber weil es mein eigentliches Ziel ist, dass er irgendwann mal mit mir zufrieden ist, dass er irgendwann mal glücklich wird und nicht mehr zickt und wir miteinander in Frieden leben können, google ich, sobald er weg ist, HOW TO CLEAN A PUSHCHAIR.

Ist eigentlich super simpel: man mischt ein Rezept zusammen, wie eine altmodische Apothekerin oder vielleicht eine Hexe, mit Natron und Essig. Dann schmierst du das in deinen Kinderwagen, lässt ihn einweichen für 12 Stunden und musst viel Zeitungspapier drunterlegen, wenn du nicht willst, dass der Boden Schaden nimmt. Also mische ich meine Mischung, schmiere den Kinderwagen damit voll, lasse einweichen und lege Zeitungspapier darunter.

Am nächsten Morgen ist der Kinderwagen so gut wie neu – und der Boden dekoriert mit hässlichen schwarzen Flecken. Ich rufe meine Freundin Tanja in Hamburg an und sie erklärt mir, ganz schnell aber deutlich, dass ich im Grunde genommen hausgemachte Säure produziert habe und damit die Oberfläche des Holzbodens permanent beschädigt habe.

Ich heule so laut, dass Baby Leo Angst bekommt und Tanja versucht, mich zu beruhigen.

»Er wird soooooooooo wütend sein!«, rufe ich. »Wenn ich daran denke, will ich meine Haut mit dieser Scheißsäure wegbrennen von meinem Leib, ich will seine kalten wütenden Augen nicht sehen, wenn er den Boden entdeckt.«

»Weine doch nicht so wegen so was«, sagt Tanja.

Ich schluchze.

»Ich weiß nicht«, sagt sie. »Jacinta, ich weiß, ihr habt ein Kind zusammen, aber ich hätte nie gedacht, dass du weinst wegen Holzböden oder einem Kinderwagen. Ich weiß nicht, ob diese Beziehung für dich das Beste ist.«

»Beziehungen mit Kindern sind immer scheiße, oder?«, sage ich. Baby Leo kommt zu mir und setzt sich auf meinen Schoß.

»Wahrscheinlich schon«, sagt sie.

Ich vernichte alle Beweisstücke und lege Kleidung und zwei Spielzeuge von Baby Leo über die schwarzen Flecken. Ich muss hart bleiben und die nicht aufheben, bevor mein Freund es tut. Dann sieht er die Flecken und denkt vielleicht, dass ich nicht schuld bin, oder nur indirekt.

Als Leo und ich in der S-Bahn sind, sagt eine alte deutsche Oma zu mir: »Ihr Kinderwagen ist so cleeeeeeeeeean. Das finde ich wirklich nett.« So wie ein Hipster redet sie, alles deutsch, aber clean auf Englisch, komisch. »Ach ja?«, frage ich begeistert. Vielleicht werde ich irgendwann mal gut genug für dieses Land sein, denke ich. »Ich habe so eine Mischung gemacht«, sage ich. »Eine Mischung?«, fragt sie. »Ein Rezept. Mit Essig und Backpulver, das auf Deutsch Natron heißt.«

Ein deutscher Mann lacht und redet mit mir Englisch.

»She means small«, sagt er auf Englisch. »Kleen. She has a typical Berlin accent.«

Er redet über sie, als ob sie ihn nicht hört, weil sie kein Englisch kann, der Arsch. Aber ich bin auch eine Idiotin, gedacht zu haben, sie wäre begeistert von der Sauberkeit meines Kinderwagens. So sauber er auch ist – und er ist jetzt super sauber –, aber das ist eigentlich das Mindeste, keine Sonderleistung.

»In England haben alle billige Kinderwagen«, sage ich ihr.

»Hier haben die deutschen Frauen entweder sehr teure Kinderwagen oder gar keine und tragen das Kind rum, als ob sie betteln gehen wollen.«

Ich lache, obwohl ich eigentlich denke, dass ich das Baby gerne getragen hätte, wenn ich keinen Kaiserschnitt gehabt hätte. Aber wenn deutsche Omis über deutsche Mamas lästern wollen, mache ich immer ganz unsolidarisch mit, nur um Small Talk zu machen. Jacinta, du falsche Schlange. Wir steigen aus der S-Bahn aus, der deutsche Mann sagt »Bye bye« zu uns und Baby Leo schreit »BAY BAY« und ich zeige der Oma, wo der Fahrstuhl ist. Ich hoffe, dass, wenn ich alt bin, die jungen deutschen Frauen auch so heuchlerisch nett zu mir sind wie ich gerade zu dieser Oma.

Als ich nach Hause komme, schläft Baby Leo noch, also google ich die Etymologie von clean und klein – ja doch, sie sind verwandt. Komisch, dass ich so lange gebraucht habe, um das zu merken. Normalerweise bin ich echt gut in so was. Habe sogar mal geträumt, dass morgen von morrow kommt, und hide (der Balg vom Tier) von Haut. Ich merke voll viel bei Wörtern, denke ich, ich merke immer die Gruppen von Wörtern, die zusammenpassen – alles mit st am Anfang bleibt still: stable, steady, still, stagnant, alles mit sl am Anfang ist locker und entspannt: sloppy, slovenly, slimy, slinky, slippery, slither, slow, sleepy. Immer wenn ich eine neue Verbindung zwischen einem deutschen Wort und einem englischen Wort merke, kriege ich so ein schönes Gefühl im Kopf – das Gegenteil von Kopfschmerzen. Ich denke, die Leute, die gut im Putzen sind, bemerken Flecken, wie ich Laute merke, und sortieren gerne Wäsche, so wie ich gerne Wörter sortiere.

Baby Leo fängt an zu weinen, ich hole ihn raus aus dem Kinderwagen und küsse ihn auf seine zarten Wangen.

»Du bist so cleeeeeeeean«, flüstere ich ihm auf Deutsch zu, und er lacht.

»Telly«, sagt er. »Piss?«

Wenn er piss sagt, meint er please. Diese Wörter sind gar nicht verwandt, er spricht nur schlecht. Trotzdem ist es ziemlich wahrscheinlich, dass er was kriegt, wenn er piss sagt.

»Telly?«, sage ich.

»Piss!«, sagt er.

Ich lache. Irgendwie ist es komisch, dass ich gleichzeitig so glücklich und so traurig sein kann.

Die schlechteste Hausfrau der Welt

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