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Dirty Bastards

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Ich bin eine schlechte Hausfrau. Wahrscheinlich bin ich die schlechteste Hausfrau der Welt. Ich bin eine so schlechte Hausfrau, dass meine Exfreunde mich immer loben mussten, wenn ich ausnahmsweise was Sauberes gemacht habe statt Schweinerei.

Mein Exfreund, der Engländer, zum Beispiel. Er hat mich immer gelobt, wenn er dachte, ich mache Fortschritte.

»Du bist ein braves Mädchen heute«, sagte er zum Beispiel. »Ich bin total stolz auf dich.«

»Ja?«, fragte ich. »Warum? Was habe ich gemacht?«

»Du hast die Handtücher zurück ins Bad gebracht«, sagte er. »Sehr gut.« Oder manchmal: »Du hast die richtige Mülltüte in die Mülltonne getan. Danke schön. Das sieht so gut aus, wenn du das machst.«

Ich weiß nicht, warum ich so eine schlechte Hausfrau bin, aber ich weiß nur, dass ich, wenn ich was putzen muss, sehr spezifische Kopfschmerzen hinter den Augen bekomme. Deswegen kann ich nicht lange putzen. Mein Ex, der Engländer, glaubte, dass ich zu schnell denke, und beim Putzen muss man langsam denken, und deswegen halte ich es nicht aus. Deswegen sprach er, wenn er mir beim Putzen zuguckte, ganz langsam und hypnotisierend mit mir: »Hoch … und runter und … rund, und rund und rund und rund … und jetzt wieder hoch, jetzt den Lappen spülen – sehr gut – und jetzt noch eine Runde – hoch und runter und rund, rund, rund – einmal rund – den Lappen spülen – sehr gut. Sehr gut hast du das gemacht. Toll!«

Aber ich fürchte, dass das alles nur ein Trick gewesen ist, um mich mehr zum Putzen zu bringen.

Ich erinnere mich, wie meine ältere Schwester mit ihrer jüngsten Tochter nach Berlin zu Besuch kam, als mein Teenager Ryan so sieben Jahre alt war.

»Ich bin die schlechteste Hausfrau der Welt«, sagte ich zu ihr.

»Nee«, sagte sie. »Ich bin die schlechteste Hausfrau der Welt!«

»Nein«, korrigierte ich. »Ich bin das.«

Wir fingen an, uns darüber zu streiten, wer von uns die schlechteste Hausfrau der Welt ist. Ich muss sagen, der Schlampenwettbewerb ging echt knapp aus.

»Evie«, sagte sie über ihre zweite Tochter, »wusste nicht, dass man Eierkuchen aus Milch und Mehl und so machen kann, und nicht immer aus dem Fertigmix aus der Packung.«

Ja, dachte ich. Das ist ziemlich beschämend für eine Hausfrau. Aber ich kann das locker toppen.

»Einmal, als ich das Badezimmer geputzt habe und Ryan mir dabei zuschaute, fragte er mich, welche Großeltern uns morgen besuchen würden.«

Meine Schwester lachte.

»Ja, okay«, sagte sie. »Das ist ziemlich gut. Ich meine, schlecht.«

»Oh!«, sagte ich. »Und bei Ryans Sprachtest für die internationale Schule war das einzige Wort, was er nicht kannte, ›Bügeleisen‹. Sie haben mir nachher erzählt, wie er das Bild mit dem Bügeleisen anguckte und meinte: ›Ich weiß nicht, was das ist. Ich weiß nicht, was dieses Ding ist.‹ Aber sie haben ihm keine Punkte abgezogen, weil sie dachten, dass es kein sprachlicher Mangel wäre, sondern dass das Bügeleisen nicht zu seinem Alltag gehörte. Sie meinten zu mir: ›Wir haben uns gedacht, dass es vielleicht nicht Teil seiner Alltagskultur war.‹«

Meine Schwester lachte sehr.

»Ich kann das toppen«, sagte sie.

»Kannst du nicht«, sagte ich.

»Kann ich doch«, sagte sie.

»Dann topp mal«, sagte ich.

»Als Jamie das erste Mal unser Bügelbrett gesehen hat – ich bewahre es in der Putzkammer auf –, als Jamie das also das erste Mal gesehen hat, ist sie zu mir gerannt und hat gerufen: »Mama! Wir haben ein SURFBRETT im Schrank!«

Ich lachte. »Du gewinnst«, gab ich zu. »Aber ich bin die zweitschlechteste.«

Aber zwei Wochen später merkte ich, dass meine Schwester doch Unrecht hatte. Ich, Jacinta Nandi, ich bin die schlechteste Hausfrau der ganzen Welt und aller Zeiten.

Was passiert ist: Als ich Ryan von der Schule abholte, sah er richtig blass und müde, total verhungert aus.

»Ich habe Hunger«, flüsterte er.

»Du hast Hunger?«, fragte ich besorgt. »Warum hast du nicht dein Mittagessen gegessen?«

»Ich konnte das nicht«, sagte er.

»Warum konntest du das nicht?«, fragte ich.

»Das war nicht essbar«, sagte er.

»Du musst aufhören, so wählerisch zu sein«, sagte ich. »Glaubst du, dass Mesut Özil wählerisch ist? Mesut Özil isst all sein Gemüse auf. Ich habe so ein Interview mit ihm gelesen, erst gestern. Mesut Özil isst alle Arten Gemüse, die es gibt in dieser Welt.«

»Mum«, sagte Ryan. »Ich konnte das nicht essen, was sie mir gegeben haben.«

»Du hättest es probieren sollen«, sagte ich.

»Ich konnte das nicht in der Nähe von meinem Mund haben«, erklärte er.

»Was war es denn?«, fragte ich.

Er guckte mich ernsthaft an.

»Es gab zum Essen«, sagte er bedeutungsvoll und ernsthaft und sehr betont: »Zum Essen gab es Fischhaut mit Quark drin und Kartoffeln.«

Ich guckte ihn an und sagte nichts. Ich guckte ihn einfach an und schwieg. Dann fragte ich, leise: »Was?«

Er wiederholte: »Fischhaut mit Quark drin und Kartoffeln.« Ich kann das genau so auf Englisch sagen, wie er es gesagt hat: »Fischhaut with Quark inside and potatoes.«

Ich sagte nichts. Ich guckte ihn verzweifelt an und sagte dabei nichts. Ich durfte ihm nicht sagen, was ich gerade dachte. Ich sagte heimlich zu mir: »THESE DIRTY GERMAN BASTARDS, fucking German scum, always writing their fucking books about intefuckingration and then feeding our innocent ausländische children Fischhaut with Quark inside and fucking potatoes, scum, scum, scum, dirty German scum, fucking Fischhaut with fucking Quark inside, and fucking potatoes, I wish this scumbag land would fucking schaffen itself fucking ab, fucking Fischhaut, THE DIRTY BASTARDS, my poor boy, FUCKING Fischhaut with Quark inside, aw, my poor boy, my poor boy, the poor child, those filthy bastards, oh, oh, oh, this, this, this, this, THIS is what the RAF were talking about, now I understand the Baader-Meinhof-Komplex, now I get it, now I finally get it, now I understand: These People. Are. Filthy. Scum. Fischhaut. With Quark inside. The dirty bastards. My poor boy. Fisch-HAUT. For fuck’s sake.«

Ich sagte das aber nicht laut. Ich beugte mich zu seinem Level hinunter, brachte seinen Körper in die Nähe zu meinem, und ich fasste ihn an der Schulter. Dann atmete ich tief ein und erklärte ihm so, wie sie bei Supernanny immer zeigen, dass man den Kindern, nachdem sie vom Naughty-Stuhl aufstehen dürfen, noch mal so leise und ruhig erklären soll, warum sie auf den Naughty-Stuhl mussten, so ruhig und entspannt und verständnisvoll: Du musstest auf dem Naughty-Stuhl sitzen, weil du mich eine Fotze genannt und mich in den Bauch getreten hast, deswegen, in genau diesem Ton sprach ich ihn jetzt an:

»Ryan«, sagte ich. »Manchmal lebt man in einem Land und die Menschen, die in diesem Land wohnen, die tun komische Sachen, die nicht okay sind. Aber man muss da nicht mitmachen. Es ist okay, dass sie das tun, aber wir müssen nicht mitmachen. Ich akzeptiere total, dass du nicht –«, ich atme wieder tief ein, »– dass du nicht Fischhaut mit Quark drin essen wolltest. Mama hätte das auch nicht gegessen. Aber es ist okay, dass die deutschen Leute das tun. Die mögen das. Wir akzeptieren das. Aber wir wollen das nicht essen. Und wir müssen das nicht essen. Niemand darf dich dazu zwingen. Das nächste Mal, wenn die Dinner-Ladies versuchen, dir –«, ich atmete noch mal tief ein, ich konnte über dieses Essen nicht sprechen ohne viel Luft in meinem Körper, »– Fischhaut mit Quark drin zu geben, sag ihnen: ›Meine Mama ist eine Ausländerin, und sie sagt, dass ich das nicht essen muss, weil das keinem Ausländer schmeckt. Kann ich bitte ein bisschen Brot haben? Danke.‹«

»Ja, okay, Mama«, sagte er.

»Gut«, sagte ich.

Wir holten die Sachen für den Weg nach Hause, Pendelmappe, Snack-Box, Schulranzen. Wir verließen die Schule und liefen die Straße entlang.

»Hast du sehr schlimm Hunger?«, fragte ich ihn besorgt.

»Mein Bauch tut voll weh vor Hunger«, sagte er.

»Lass uns hier rein«, sagte ich, als wir am Steak-House vorbeikamen. Beim Steak-House kaufte ich ihm einen Grillteller. Mozzarella Sticks, Chicken Nuggets, Chicken Wings, Karottensticks, Lamm und Rindfleisch. So.

»Du hättest das auch nicht gegessen, oder, Mama?«

»Ich finde es okay, dass sie das essen«, sagte ich. »Ich verurteile sie nicht dafür.«

Der Grillteller kam. Ryan aß alles mit Begeisterung auf. Nur die Mozzarella Sticks nicht.

»Iss deine Mozzarella Sticks auf, Ryan«, sagte ich.

»Ich mag die nicht«, sagte er.

»Warum nicht?«, fragte ich.

»MUM! Ich hasse Fischhaut mit Quark drin. Habe ich doch schon gesagt.«

Ich sagte wieder nichts, guckte meinen Sohn an. Die Zellen in meinem Gehirn drehten sich langsam.

»Was?«, sagte ich leise.

»Ja, so Fischhaut mit Quark drin … so wie das hier.«

»Das ist kein Quark«, sagte ich. »Das ist Mozzarella.«

»Sieht aus wie Quark«, sagte er.

»Das ist keine Fischhaut«, sagte ich.

Ryan guckte mich total überrascht an.

»Das ist keine Fischhaut?«, fragte er.

»Warum hast du gedacht, dass das Fischhaut ist?«, fragte ich, langsam, wütend, eisig.

Ryan knabberte zufrieden an einer Karotte.

»Das ist die Haut von Fischstäbchen«, erklärte er.

Ich guckte ihn an und dachte zwei Sachen. Erstens dachte ich: Boah, Ryan, du verwöhntes Arschloch. Was für ein verwöhntes Arschloch bist du. Und zweitens dachte ich: Boah, Jacinta, du bist echt die schlechteste Hausfrau aller Zeiten. Dein Sohn denkt, dass die Panade von Fischstäbchen Fischhaut ist. Fucking hell, girl. You are. Seriously. One dirty bastard.

Die schlechteste Hausfrau der Welt

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