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Kapitel 3 – Dûhirion

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Wie lange saß er schon hier unten fest? Dûhirions Blick tastete sich an der rauen, feuchten Steinwand entlang bis an die Decke. Seine Zelle hatte keine Fenster, es gab keinen Tag- und Nachtwechsel, keinen Sonnenstand, anhand dessen er die vergangene Zeit abschätzen konnte. Zeit hatte an Bedeutung verloren. Was war eine Minute im Vergleich zu einer Stunde hier unten? Tage konnten ebenso gut Wochen sein. Alles rann ihm durch die gebrochenen Finger wie Sand; wie sein eigenes Blut, wenn sich eine neue Wunde an seinem geschundenen Körper auftat. Zeit maß sich allein an der Abstinenz oder der Anwesenheit von Schmerz.

Wenn die Heilerin Jonna ins Verlies geschickt wurde, bedeutete das eine Weile des relativen Friedens. Sie versorgte seine Verletzungen, richtete die gebrochenen Knochen und half ihm dabei, sich trotz der Fesseln zu säubern. Jedes Mal, wenn sie bei ihm war, versicherte sie ihm, dass er keine Narben davontragen würde. Dûhirion wusste nicht, ob ihm das ein Trost sein sollte oder ob sie das bloß sagte, um die Stille zu füllen.

Schwerfällig hob er den linken Arm und berührte seine rechte Gesichtshälfte. Das Rasseln der massiven Ketten begleitete seine Bewegung. Jonna hatte bei ihrem letzten Besuch lediglich die klaffenden Wunden in seinem Gesicht geheilt.

Der Körper des Dunkelelfen blieb eine blutige, deformierte Hülle. Einige seiner Rippen waren gebrochen, die frischen Striemen auf seinem Rücken bluteten nicht mehr, doch sonderten unaufhörlich Wundsekret ab. Schwere Verbrennungen zeichneten seine Füße, das Feuer hatte sich besonders tief in die Sohlen gefressen. Sein Gesicht war geschwollen, die trockenen Lippen aufgerissen. Fieber loderte heiß in seinen Adern, Hunger tobte in seinen Eingeweiden, und der Durst nagte an seiner Kehle.

Doch trotz allem schlug sein Herz weiter. Es hatte nicht nachgelassen, hatte sich nicht der Folter ergeben. Er lebte und sein Wille blieb ungebrochen.

Elanor braucht mich, dachte der Dunkelelf. Die ungeborenen Kinder brauchen mich. Umbra bekommt mich nicht.

Er wusste, dass es schlecht um ihn stand. Das letzte Mal, als er im Verhörzimmer saß, hatte Hastor angeordnet, ihm nichts zu essen und zu trinken zu geben, bis er bereit war zu reden. Er konnte sich nicht bewegen, ohne von Schmerzen überwältigt und gelähmt zu werden. Doch die kaum mehr vorhandene Hoffnung, zu Elanor zurückzukehren, war alles, was er hier unten noch hatte. Alles, woran er sich festhielt und was ihn davon abhielt, den Verstand zu verlieren.

»Wo ist Valion, Nummer Siebenunddreißig?« Hastors Stimme hallte geisterhaft durch den langen Gang des Kerkers. »Was sind die Pläne deines Freundes?«

»Ich weiß es nicht«, nuschelte er in die Leere.

Das letzte Mal hatte er seinen Freund bei der Lebensmittelverteilung in der Aschegrube gesehen. Sie hatten sich gestritten, weil Valion ein idealistischer, impulsiver Idiot war und er das vergaß, wenn Dûhirion ihn nicht regelmäßig daran erinnerte. Ihre Wege hatten sich getrennt und seither hatten sie sich nicht wiedergesehen.

Er hörte Hastors schwere Schritte ungeduldig auf und ab gehen. »Du weißt, dass sich Valion den Rebellen angeschlossen hat und den Untergang der Gilde plant? Wer sind seine Spione?«

Das Echo seiner Worte verhallte. Wie Wasserblasen stiegen sie vom steinernen Boden nach oben und zerplatzten an der Decke. Silben, Vokale und Satzfetzen fielen als feiner Nieselregen auf ihn nieder.

Alles, was er bis zum Zeitpunkt des ersten Verhörs gewusst hatte, war, dass Valion die Explosion in der Oberstadt verursacht hatte. Wobei sein Ziel, seiner Aussage nach, ein simpler Hausbrand gewesen war. Angeblich habe er nicht gewusst, dass sich etwas Explosives im Gebäude befand. Dûhirion zweifelte mal mehr, mal weniger daran.

»Wo ist Valion?«, grollte Hastor.

Diese einfache Frage hatte ihm einiges an Schmerz und Erniedrigung eingebracht. Sie war die Daumenschraube gewesen, die seine Finger brach. Sie war die Peitsche, die wiederholt auf seinen blanken Rücken niederfuhr und seine Haut aufriss.

Ich weiß es nicht, dachte er.

Ein Sturm aus grässlichen Geräuschen erfüllte seine Zelle. Er musste erneut mit anhören, wie seine Knochen barsten, und seine eigenen qualvollen Schreie hallten durch seinen Kopf.

Ich weiß nicht, wo er ist. Ich weiß es nicht, bitte hört endlich AUF!

Dûhirions Atem beschleunigte sich. Er wollte die Augen schließen und sich die Ohren zuhalten, bis alles verschwand. Bis er sich sicher sein konnte, allein zu sein. Doch seine Glieder waren zu schwer, seine Muskeln gehorchten ihm nicht.

Sein Blick huschte unstet durch die Zelle, zwischen den Raumecken hin und her.

Durchhalten, ermahnte er sich. Halt verdammt noch mal durch!

Er rief sich Elanors Bild zurück ins Gedächtnis. Ihren zierlichen Körper, die feingliedrigen Hände, die beinahe so rau waren wie seine eigenen. Ihre bronzefarbene Haut, die zahlreichen Sommersprossen auf ihrer Nase und den Wangen. Die wunderschönen blauen Augen und das lange braune Haar.

Sein Puls verlangsamte sich. Für den Bruchteil einer Sekunde konnte er ihren Duft riechen. Lavendel, Thymian und Bergamotte.

»Wir wissen von deiner Liebschaft, Siebenunddreißig«, raunte Hastor mit einem boshaften Lächeln auf den weißen Lippen. »Wartet sie auf dich, deine Elanor? Wird sie um dich weinen, wenn du nicht zu ihr zurückkehrst?«

Umbra wusste nichts von Elanor. Sie konnten nichts von ihr wissen. Dûhirion starrte zitternd geradeaus. Er war sich nicht mehr sicher, ob der Hochelf wirklich etwas in der Art gesagt hatte oder ob es sein Fieber war, das ihm diese Worte zuflüsterte.

Jemand räusperte sich, er zuckte zusammen und blickte hastig zu den Gitterstäben. Durch seine getrübten Sinne erkannte er nicht sofort, wer vor seiner Zelle stand. Zunächst war dort bloß eine verschwommene Gestalt, klein gewachsen wie ein Kind.

»Faylen?«, raunte er beinahe unhörbar.

Die kleine Dunkelelfin sah auf ihre Füße. Sie hielt die Puppe im Arm, die sie auch bei sich trug, als er sie gefunden hatte. Allein und verloren in der Aschegrube von Malachit, nachdem sie aus Orlean entkommen war. Vermutlich als einzige Überlebende des Massakers im dortigen Elendsviertel der Dunkelelfen.

Nervös rieb Faylen ihre schmutzigen Zehen aneinander. Ihr Blick folgte der langen Kette, die an einem Metallhering im Boden befestigt war, durch die Gitterstäbe führte und in einem eisernen Ring endete, der um seinen Hals lag. Es knirschte vernehmlich, als sie trotz ihres gebrochenen Genicks den Kopf hob und mit dem Zeigefinger auf sein blindes Auge deutete. »Was ist mit deinem Auge passiert?«

»Komm zu dir, Dûhirion!« Ihr Antlitz begann zu flimmern. »Ich bin es, Maryn. Erkennst du mich?«

Dûhirion blinzelte angestrengt und seine Sicht schärfte sich. Die Zwergin hatte ihre Hände auf die Oberschenkel gestützt und beugte sich zu ihm herunter. Sie musterte ihn forschend.

Für den Bruchteil einer Sekunde stieg Scham in ihm auf. Seit er in dieser Zelle festsaß, war er seiner Kleidung beraubt. Inzwischen hatte er sich daran gewöhnt, nackt und vollkommen schutzlos zu sein, doch von einer Freundin so gesehen zu werden, rief ungeahnt die Peinlichkeit darüber wieder wach.

Einer ihrer Mundwinkel verzog sich minimal, Maryns Brauen senkten sich bloß ein klein wenig. Es war genug für ihn, um die Verachtung und Abscheu zu erkennen, die sie empfand. Für ihn? Für das, was ihm angetan worden war?

»Was machst du hier, Maryn?«, fragte Dûhirion heiser.

»Ich wollte mit dir sprechen«, antwortete sie und richtete sich auf.

»Wie lange bin ich …« Längeres Sprechen strengte ihn an. Jedes Wort, jede einzelne Silbe war wie ein Dolch, der mit grober Kraft in sein Gesicht gestochen wurde. »… schon hier unten?«

Maryn zog das Tuch, mit dem sie ihre von Brandnarben entstellte untere Gesichtshälfte zu verdecken pflegte, über Mund und Nase. Dunkel erinnerte er sich daran, dass es hier unten erbärmlich stank. »Kann ich dir leider nicht genau sagen. Eine Woche? Vielleicht zwei?«

Der Dunkelelf fluchte.

»Ich bin hier, weil ich heute erfahren habe, dass sie dich hinrichten lassen wollen«, fuhr Maryn fort und wich seinem Blick aus. Ihr Kiefer bewegte sich unter dem Tuch, als würde sie sich auf die Lippe beißen. »Die rechte und linke Hand unseres Gildenmeisters haben sich darüber unterhalten. Es kursieren schon länger Gerüchte, dass Umbra einen Verräter im Kerker gefangen hält. Ich war die Letzte, die dich gesehen hat. Erinnerst du dich? Wir wollten zusammen draußen sitzen und etwas trinken. Ich … ich habe dich noch einmal zurückgerufen und du bist vor meinen Augen niedergeschlagen worden.«

Ja, er erinnerte sich. Es war an jenem Abend gewesen, als er dem Rebellenanführer Canis Lupus zum ersten Mal persönlich begegnet war.

»Da du nicht zurückgekehrt bist, konntest nur du der Verräter sein, von dem sie alle sprechen.« Maryn zupfte an ihrer Maskierung. »Aber … ich will das immer noch nicht glauben. Sag mir, dass du kein Verräter bist, Dûhirion!«

Es mochte an seiner Müdigkeit liegen, an der Dehydrierung und den Schmerzen, dass Dûhirion Schwierigkeiten hatte, ihr zu folgen. »Sie wollen mich hinrichten lassen?«, murmelte er. »Warum sollten sie … woher weißt du …?«

»Ich habe ein Gespräch belauscht.« Maryn wurde ungeduldig. »Man hält dich für einen Verräter.« Unwirsch fuhr sie sich mit der Hand durchs blonde Haar. »Unter den Assassinen wurde munter verbreitet, dass du und Valion zu den Rebellen gehört. Dass du gemeinsam mit ihm die Zuflucht nahe Orlean angegriffen hast. Die Dunkelelfen stehen seither in einem schlechteren Licht als je zuvor. Jeder von ihnen wird als Spion der Grauwölfe verdächtigt. Sie bezichtigen sich sogar gegenseitig der Spionage. Mehrere Assassinen, auch Dunkelelfen, haben deinen Tod gefordert.«

Dûhirion fühlte sich, als würde der Folterknecht zu seinen Füßen sitzen und ihm einen Zeh nach dem anderen abschneiden.

»Ich … bin hier, um Abschied zu nehmen«, sagte die Zwergin und sah ihm in die Augen. »Und vielleicht ein letztes Mal an deinen gesunden Elfenverstand zu appellieren.« Beim zweiten Satz war die Unsicherheit fast gänzlich aus ihrer Stimme gewichen. »Dûhirion, wenn du unschuldig bist, dann dürfen sie dir nichts antun. Gib ihnen die Informationen, die sie haben wollen, ich bitte dich!«

Er lachte humorlos und verfiel in ein trockenes Husten. Seine gebrochenen Rippen protestierten mit hämmernden Schmerzen gegen die abrupte Bewegung seines Brustkorbs. »Ich habe … versucht ihnen zu erklären, dass ich … nichts weiß.« Das Gespräch erschöpfte ihn zunehmend, seine Zunge war furchtbar schwer. Dûhirion sehnte sich nach einem langen Schlaf. Traumlos und leer, nur ein weites Feld aus weicher, warmer Dunkelheit, in der er sich erholen konnte.

Maryn tippte unruhig mit einem Fuß auf den Boden und schien um Worte zu ringen. »Dûhirion … willst du es wirklich so weit kommen lassen? Ich bin mir sicher, wenn du der Gilde erklärst, dass Valion alleine gehandelt hat oder dass er dich dazu gezwungen hat, mit ihm und den Rebellen zu kooperieren …« Die Zwergin ging einige Schritte auf und ab. »Du könntest dich retten. Du könntest … könntest dich als Köder anbieten. Locke Valion zur Gilde, damit er für seinen Verrat bestraft wird und nicht du!«

»Nein, kann ich nicht«, erwiderte Dûhirion monoton.

Maryn blieb abrupt stehen. »Warum nicht?«

»Weil ich … Valion das nicht …«

Die Zwergin schlug mit beiden Fäusten gegen die Gitterstäbe. »Aber Elanor und deinen ungeborenen Kindern?«

Der Dunkelelf zuckte zusammen. »Woher weißt du …?«

»Ich bin bei ihr gewesen«, antwortete sie und senkte die Stimme. »Vor mittlerweile vier Tagen. Ich sagte ihr, wie es um dich steht und dass du nicht mehr zu ihr zurückkehrst.«

Nein. Nein, nein, nein, echote es in seinem Kopf. So sollte es nicht kommen. Was wird aus ihr und den Kindern ohne mich? Ich kann … ich darf sie nicht allein lassen. Ich muss …

»Wie hat sie … was hat sie …?«, stammelte er.

Maryn schnaubte traurig. Sie streckte ihre Arme durch die Stäbe und lehnte die Stirn dagegen. »Wie würdest du reagieren, wenn man dir erzählt, dass dein Liebster und Vater deiner Kinder tot ist?«

Er schwieg. Elanor glaubte bereits, dass er tot wäre. Sie würde allein zur Magierakademie Krähenfels aufbrechen müssen. Allein die Kinder großziehen. Weder ihr geliebter Onkel konnte ihr folgen noch Nara und Arik.

Dûhirions Brustkorb zog sich schmerzhaft zusammen. Er hatte Elanor in einer Welt zurückgelassen, die sie und ihre Kinder verabscheute.

»Du hättest Adular mit ihr verlassen, oder?« Maryns Worte hingen anklagend über ihm. »Nachdem du sie geschwängert hast, müsstest du dafür sorgen, dass deine Kinder älter als ein paar wenige Tage werden. Natürlich wärt ihr gegangen. Aber das hätte dir nicht gereicht, oder? Hättest du Umbra den Rücken gekehrt?«

Er schwieg.

Ich kann nichts tun, um Elanor zu schützen. Kann ihr keinen Halt geben. Kann sie nicht unterstützen. Ich habe versagt …

»Wie du sagtest: Assassine und Familienvater verträgt sich nicht.« Maryn verengte die Augen, ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Sie klang gleichermaßen enttäuscht und wütend. Als würde sie allein den Gedanken nicht ertragen, dass Dûhirion sich von Umbra abwandte.

»Ich hätte mich nicht von Umbra abgewandt«, log er und drehte ihr den Kopf zu.

Niemand entkam der Gilde lebend. Das würde er bald am eigenen Leib erfahren.

Maryn runzelte die Stirn. »Und wie hättest du dir das vorgestellt? Familienleben und Meuchelmörder?«

»Spielt keine Rolle.« Er blickte wieder an die Decke. »Weiß … sonst noch jemand von ihr?«

»Nein. Ich habe dafür gesorgt, dass mich niemand sieht, als ich zu ihr gegangen bin«, antwortete Maryn schnell. »Willst du sie wirklich allein lassen?«

Dûhirion schüttelte den Kopf.

»Dann gib der Gilde, was sie fordert! Liefere ihr Valion aus und du kannst zu deiner Familie gehen!«

»Maryn, du weißt, dass das nicht passieren wird.«

»Valion oder Elanor.« Maryn umschloss die Gitterstäbe so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. »Das ist keine Wahl zwischen Cholera und Pest. Die Entscheidung sollte dir leichtfallen. Ich frage mich, warum das nicht der Fall ist. Aus reiner Loyalität Valion gegenüber oder weil du hinter dem stehst, was er tut?«

Die Gilde wird mich hinrichten lassen, egal was ich ihnen anbiete, dachte Dûhirion nüchtern. Tot bin ich ein ebenso nützlicher Köder wie lebend. Ich habe keine Chance mehr und ich glaube, das weißt du genauso gut wie ich. Letztlich bin ich nur ein Dunkelelf und damit entbehrlich. Sobald Valion erfährt, dass mich Umbra auf dem Gewissen hat, wird er alle Vorsicht fallen lassen und herkommen. Er wird blindlings angreifen und ihnen direkt in die Falle gehen. Mich leben zu lassen, damit ich ihn anlocke, wäre bloß ein sadistischer Bonus, damit die Gilde dabei zusehen kann, wie ich meinen Freund hintergehe. Das ist vielleicht Hastors Weg, aber nicht Taremias. Sie denkt pragmatischer.

Maryn stieß sich vom Gitter ab und fuhr sich erneut mit der Hand durchs blonde Haar. »Ich habe dich verteidigt, als sie behaupteten, du hättest Umbra verraten. Ich stand für dich ein.«

»Das weiß ich zu schätzen«, erwiderte Dûhirion heiser.

»Und weil du es ach so zu schätzen weißt, hältst du dem Verräter den Rücken frei?«, grollte die Zwergin. »Ich dachte, dir läge mehr an deinem Leben. Und an Elanor.«

Dûhirion schloss einen Moment lang die Augen. Elanor bedeutete ihm alles. Hatte er ihr das je so deutlich gesagt, wie sie es verdiente? Er wusste, dass es keine Hoffnung mehr für ihn gab. Nicht einmal, wenn er eine andere Hautfarbe gehabt hätte. Hastor hatte ihn zu seinem persönlichen Feind erklärt und allein das war für diesen Hochelfen ein Grund, jemanden hinrichten zu lassen.

Schritte näherten sich zügig seiner Zelle. Die Zwergin drehte den Kopf nach links und sah den Gang hinunter. Ihr Unterkiefer bewegte sich, als würde sie auf ihrer Unterlippe kauen. »Verdammt«, murmelte sie gepresst. »Uns geht die Zeit aus.«

»Leb wohl, Maryn«, krächzte Dûhirion. »Und …«

»Du solltest dir Dankbarkeit und Freundschaftsbekundungen vorerst sparen«, unterbrach sie ihn tonlos. Ein kalter Schatten fiel über ihr Gesicht und ließ ihre Züge gefrieren. »Da … ist noch etwas, was ich lieber nicht täte. Ich habe versucht es zu verhindern, aber das liegt nicht in meiner Macht.«

Ächzend hob er den Kopf. »Was meinst du?«

Die Zwergin zuckte hilflos mit den Schultern. »Dass es einen weiteren Grund gibt, warum ich hier bin.«

Zwei Assassinen, ihrer Größe und Statur nach musste es sich um Waldelfen handeln, erschienen in seinem Blickfeld. Einer von ihnen trug ein schwarzgraues Brandeisen bei sich. Der Zweite ließ eine kleine Flamme auf seiner geöffneten Handfläche tanzen. Umbra kennzeichnete diejenigen, die die Gilde verraten hatten, und stellte ihre toten Körper danach öffentlich zur Schau. Er starrte auf das obere Ende des Eisens, die runde Scheibe, in die das zerbrochene Emblem der Gilde geprägt war.

»Sie werden dir den Kopf abschlagen.« Maryns Stimme drang kaum zu ihm durch. »Und damit kannst du dich glücklich schätzen. Es wird schnell und schmerzlos sein. Wenn sie Valion in die Finger kriegen, kann er sich auf einen langsamen und qualvollen Tod gefasst machen.«

Sie werden meinen Kopf ausstellen, dachte Dûhirion. Jeder wird ihn sehen. Elanor wird ihn sehen.

Der Waldelf hielt die Flamme in seiner Hand an das Brandeisen. Binnen Sekunden begann es weiß zu glühen. Der zweite Waldelf überreichte Maryn das Eisen und öffnete anschließend die Zelle. Die beiden Assassinen packten Dûhirion an den Armen und zerrten ihn in eine kniende Position.

Der Schmerz, der bislang gnädig dumpf gewesen war, zersplitterte und jagte scharfe Scherben in jede Faser seines Körpers. Er stach, schnitt und bohrte. Kleine Splitter gruben sich von innen in sein Fleisch und die Eingeweide, drückten spitz gegen seine Haut. Der Dunkelelf konnte nicht schreien, wie er wollte, gab lediglich ein atemloses Krächzen von sich.

Maryn musterte das Eisen. »Es tut mir wirklich leid, alter Freund.«

»Nein«, keuchte er heiser. »Nicht du.«

Etwas, was er nicht näher beschreiben konnte, blitzte in ihren grüngrauen Augen auf. Bedauern vielleicht? »Es ist meine Pflicht.« Sie kam näher, ihre Finger zitterten, als sie sein Kinn packte und seinen Kopf zurückbog. »Versuch stillzuhalten! Dann … geht es schneller …«

Ihm schien das Herz in der Brust zu explodieren. Dûhirions Atem raste, während sich die sengende Hitze seiner Stirn näherte. Er dachte nicht an den Schmerz, den er gleich fühlen würde. Alles, was wieder und wieder durch seinen Kopf schoss, war ein unausgesprochenes Flehen, dass Maryn ihn verschonen würde. Warum ließ Umbra ausgerechnet sie …?

Jegliche Gedanken rissen ab, verloren sich in einer weißen Explosion der Qualen, als das Eisen seine Haut berührte. Dûhirions geschundener Leib verkrampfte, krümmte sich gegen die Hände, die ihn aufrecht hielten. Seine Schreie warfen ein ohrenbetäubendes Echo an die trostlosen Kerkerwände.

»Ich musste es tun.« Maryn sprach wie aus weiter Ferne zu ihm. »Du warst es doch auch, der Valions Ringfinger abtrennen musste, oder?«

Dûhirion ging zu Boden. Um ihn her war alles hohl und schwarz.

»Ich werde bei deiner Hinrichtung sein.« Ihre Stimme wurde immer leiser und undeutlicher. »Es hätte nicht so weit kommen dürfen …«

Er verlor das Bewusstsein.

Adular (Band 2): Rauch und Feuer

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