Читать книгу Die Missionen 101-110 der Raumflotte von Axarabor: Science Fiction Roman-Paket 21011 - Jan Gardemann - Страница 20

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Tyson wurde wach. Sein Mund war trocken, der Nacken tat ihm weh und die Kälte war in seinen Körper gekrochen. Deshalb nestelte er am Reißverschluss seines Overalls herum und zog ihn nach oben. Hatte er den Reißverschluss so weit offen gelassen?

Er drehte seinen Kopf und sah zu Anderson herüber, der mit seinem Handcomputer beschäftigt war. Hast du mich durchsucht, dachte der Techniker. Doch er kam zu keinem Schluss. Unauffällig presste er seinen linken Arm gegen die Schulter. Augenblicklich beruhigte er sich wieder. Der kleine Blaster in seinem Schulterholster war noch an Ort und Stelle. Aber Tyson wollte sichergehen. Dazu wollte er aber ungestört sein.

Er rieb sich theatralisch die Augen und setzte sich in seinem Bett auf, so als wäre er gerade erst erwacht. Gerade als er aufstehen wollte, hörte er aber Andersons Stimme.

„Die Innenraumüberwachung ist ausgefallen“, sagte der Offizier und sah ihn mit ausdrucksloser Miene an.

Tysons Herz pochte. Er zwang sich zur Ruhe. Der verdammte Kerl passte auf wie ein Schießhund. „Es scheint also wirklich Einiges auf der SEBAREIDER im Argen gewesen zu sein. Bei meiner Inspektion habe ich auch ein paar dicke Patzer in der Kommunikationsanlage bemerkt.“

Doch Anderson ließ sich anscheinend nicht beeindrucken. „Mit dem Überwachungsprogramm scheint es ein anderes Problem zu geben.“ Der Offizier taxierte Tyson in aller Ruhe. „Die Speicherkristalle sind weg!“

Tyson runzelte die Stirn. „Du meinst, jemand hat sie willentlich entfernt?“

Anderson nickte. „Ich war es definitiv nicht. Also warst entweder du es, oder jemand aus dem verschlossenen Raum.“

Tyson hielt dem Blick des Raumlandeinfanteristen stand. Mit einem Mal erhöhte sich die Spannung innerhalb der Rettungskapsel. „Oder war die Überwachung schon ausgeschaltet, als wir in dieses Ding hier gestiegen sind?“

Anderson presste seine Lippen zusammen. Er hatte nicht darauf geachtet, das war leider die Wahrheit. Tat er dem Tyson gerade etwa unrecht? Er wusste es nicht. Dafür erinnerte ihn die ganze Sache an eine völlig andere Episode seines Lebens.

„Was ist los, Ned?“

Der Offizier grinste plötzlich. „Ich war mal in eine Sache verwickelt, bei denen eine Kamera eine ziemlich große Rolle gespielt hat. Ich war damals bei der Militärpolizei. Um uns herum tobte die Janus-Offensive. Aber Krieg ist nicht nur ein gefräßiges Monster, sondern er korrumpiert auch die Menschen. Wenn Du um dich herum deine Kameraden sterben siehst, ist das eine klare Botschaft: Rette Deinen Arsch!

In einer Garnison war es zu einer Mordserie gekommen. Die Opfer gehörten allesamt der Infanterie an. Mehrheitlich waren es mustergültige Soldaten. Bislang gab es drei Mordopfer. Das Vorgehen des Täters war immer gleich gewesen. Ein Schuss aus nächster Nähe in den Hinterkopf, also ein richtiger Klassiker. Da die Morde alle innerhalb der Garnison erfolgten, mussten die Täter aus unseren Reihen kommen. Aber wie das so ist, stießen meine Kollegen und ich bei den Befragungen auf den absoluten Corpsgeist. Anstelle die Morde aufzuklären, errichteten die Männer und Frauen eine Mauer des Schweigens.

Drei Tage nach dem letzten Mord standen wir mit weniger als nichts da. Es gab keine verwertbaren Zeugenaussagen, keinerlei sonstigen Beweise. Wir wussten nur, dass bei den Morden serienmäßige Handblaster benutzt wurden, die zur Standartausrüstung der stationierten Truppen gehörten. Langsam fing auch der Flaggoffizier General Tiger Patton an, Druck auszuüben. Seine Befürchtung war, dass sich in unseren Reihen ein Verräter herumtrieb und mordete. Dieses Gerücht hielt sich hartnäckig und begann die Moral der Männer zu beeinträchtigen. Während wir also mit unserem Latein am Ende waren und blind in alle Richtungen ermittelten, ereignete sich im Außenbereich der Garnison ein weiterer Mord.

Ein Soldat war erschossen worden, als er in einen Aufklärungspanzer steigen wollte. Erneut nach dem alten Muster: Ein Schuss in den Hinterkopf.

Ich war der erste Ermittler am Tatort und begann mit den Ermittlungen. Schnell stellte sich heraus, dass jemand die Überwachungsanlage des Panzers deaktiviert hatte. Aber wahrscheinlich hatte der Mörder nicht ausreichend Zeit, denn ihm ist ein folgenreicher Fehler passiert. Am Tatort befanden sich zahlreiche weitere Panzer. Deren Überwachungssysteme waren jedoch noch betriebsbereit. Anhand einer ganzen Collage von Videostreams konnten wir problemlos den Täter ermitteln. Nach einem recht eindringlichen Verhör stellte sich heraus, dass es während des Einsatzes zu Fehlfunktionen des erst kürzlich angeschafften Blastergewehrs B780 gekommen war. Die betreffenden Toten waren als Zeugen für die Probleme mit dem Gewehr herangezogen worden. MMT-Technologies, der Hersteller des B780, hatte nun einige unserer Leute mit großen Summen gekauft. Auf diese Weise sollten schlechte Meldungen über das B780 verhindert werden, da ein großer Waffendeal kurz vor dem Abschluss stand. Aber die gedungenen Killer waren unvorsichtig gewesen. Ein Hoch auf Überwachungssensoren und die Dummheit der Menschen.

Nach dem Einsatz war es dann auch Zeit für meinen langersehnten Heimaturlaub auf Alsar 20. Es war widerlich zu sehen, wie einige unserer eigenen Jungs für Geld ihre Kameraden ausgeschaltet haben. Die Zeit bei meiner Familie hat mir damals sehr darüber hinweggeholfen.“

*


Alsar 20. Ein Nerv am Augenlied von Tyson zuckte. Das war der Planet, zudem die SEBAREIDER unterwegs gewesen war und zugleich auch das Ziel der unautorisierten Subraumkommunikation, die Tyson bemerkt hatte. Das wusste der Techniker zwar alles, dennoch war er überrascht, wie offen Anderson mit dieser Information umging. Außerdem sprach das, was der Offizier eben über das Thema Verrat gesagt hatte, eher nicht dafür, dass er selbst ein Verräter war. Oder war das nichts als raffinierte Mimikri?

„Du kommst von Alsar 20?“, antwortete Tyson in einem ruhigen Ton.

Anderson nickte. „So wahr ich hier sitze. Bis zur Hochschule bestand mein Leben nur aus der Arbeit auf dem Bauernhof meines Vaters. Der Planet ist ja ein waschechter Agrarplanet. Danach entdeckte mich die Raumflotte und weg war ich.“ Er zuckte mit den Schultern. „Meine ganze Familie ist noch dort. Dementsprechend hart war es natürlich für mich, als ich die Nachricht über den abgerissenen Kontakt dorthin gehört habe.“

Tyson stützte seinen Kopf mit der rechten Hand ab. „Wann warst du das letzte Mal bei deiner Familie?“ Sein Herz begann in seiner Brust zu hämmern, aber er lag ganz augenscheinlich entspannt auf der Seite. Vielleicht war dies die alles entscheidende Frage, wenn Anderson sie denn wahrheitsgemäß beantwortete. Zusätzlich hing jetzt alles davon ab, ob der Techniker sein Gegenüber richtig lesen konnte.

Andersons Blick veränderte sich, flackerte leicht. Mit einem Mal schien es, als würde er durch Tyson geradewegs hindurch blicken. Er zuckte mit den Schultern und begann zu sprechen.

„Mein Vater bewirtschaftet eine große Fläche und produziert vor allem Tekaliven. Wenn du mich fragst, sind es vielleicht die Besten im ganzen Sternenreich. Aber ich bin da wahrscheinlich auch etwas parteiisch. Etwa siebzig Prozent der Früchte werden von Ernterobotern geerntet. Obwohl wir regelmäßig in Upgrades investieren, beschädigen die Roboter die Früchte sehr oft. Das macht sie für gute Restaurants völlig unbrauchbar, deshalb stellen wir aus den autonom geernteten Früchten ausschließlich Öl her. Die handgeernteten Tekaliven hingegen werden uns für Unsummen aus den Händen gerissen. Da Zwangsarbeit aber durch Dekret des gewählten Hochadmirals verboten wurde, können wir einfach keinen größeren Prozentsatz von Hand ernten. Deshalb braucht mein Vater zur Erntezeit jede helfende Hand, die er bekommen kann. Deshalb plane ich meinen Urlaub auch immer so, dass er zwei Hände mehr hat. Es klappt nicht immer, aber oft. Das letzte Mal eben vor gut zwei Jahren. Das Klima auf Alsar 20 ist etwas speziell. Irgendein intelligenter Mann hat mal gesagt, es wäre wie eine schwangere Jungfrau. Jemand anderes hat mir mal gesagt, der Planet sei wahrhaft schizophren. Ich für meinen Teil mag das Wetter, es ist wie das Leben: hart und unpersönlich.

Die erste Hälfte des Jahres brennen die beiden Sonnen vom Himmel herunter, die andere Hälfte regnet es ununterbrochen und der Planet verwandelt sich in eine Schlammwüste.

Ich stand also mal wieder irgendwo auf einer Leiter und erntete einen der unzähligen Bäume ab. Das gestaltet sich bei deutlich über dreißig Grad natürlich etwas anstrengender, da die Zweige zusammengebunden werden und es somit keinen Schatten gibt. Die beiden Sonnen brennen dir also die ganze Zeit einen über und du schwitzt die ganze Zeit wie ein Irrer. Das ist für dich ziemlich widerlich, aber dafür freuen sich die Membrillo Fliegen. Dicke fette Brummer, die außerdem über ein ziemlich gut ausgeprägtes Gebiss verfügen. Damit können sie verdammt gut zubeißen und das tun sie leider auch.

Ich war also gerade erst einen halben Tag da, aber meine Arme und Beine waren schon von kleinen Blutungen überzogen. Dabei bleibt es jedoch nicht, da die verdammten Viecher jedes Mal mit einem Biss auch ihre widerliche Brut in deine Haut absetzen. Wenn du nix dran machst, entzündet sich die Wunde zuerst und eitert. Der Nachwuchs der Membrillos gedeiht wunderbar in deinem Gewebe, was unheimlich juckt und wehtut. Irgendwann stirbt dann das Hautgewebe ab und die Viecher schlüpfen aus dir hervor. Da du ja so ein guter Wirt warst, fallen sie gleich nochmal über dich her. Und nochmal, und nochmal. Auf Alsar 20 gibt es die Geschichte vom traurigen Benjamin. Das war so ein richtiger Säufer. Er arbeitete nur so viel, damit er sich eine Flasche Oak leisten konnte. Dann machte er Feierabend und kippte sich den Fusel hinter die Binde.

Um sich seine Dosis Oak leisten zu können, schuftete er das ganze Jahr über auf dem Feld. Dabei wurde er natürlich immer wieder von den verfluchten Membrillos gebissen. Sagen wir es mal so: er hatte es nicht so sehr mit Hygiene und sein Körper interessierte ihn absolut nicht. Zumindest solange nicht, wie er sich das Oak leisten konnte.

Mit der Zeit schuf sich der traurige Benjamin also einen ganzen Zoo an, der in ihm wuchs und der ihn auf Schritt und Tritt begleitete. Entweder schuftete Benjamin auf den Feldern und war abgelenkt, oder er soff sich besinnungslos. Ja, ein ziemlich armseliges Leben. Aber so ging es Tag ein und Tag aus. Jahr für Jahr. Irgendwann verschwand Benjamin dann aber. Es hört sich verrückt an, aber die Menschen waren davon überzeugt, dass ihn seine Membrillos aufgefressen haben. Letztlich ist es `ne Frage der Mathematik. Wenn die Summe X an Larven in ihm reiften und nicht beseitigt wurden, musste der Grenzwert irgendwann überschritten werden. Benjamin züchtete sich seine Killer sozusagen selbst heran. Ich hoffe für ihn, dass er völlig besoffen war, als er aufgefressen wurde. Aber wissen tu ich es natürlich nicht. Angeblich fand man in seinem Zelt nur eine völlig leere Flasche Oak. Das spricht ja für meine These, also das er völlig besoffen war.

Wirklich eklige Geschichte, oder? Dabei wäre es so einfach gewesen. Wir geben unseren Arbeitern ein gratis Kontingent an Applikatoren. Die Dinge sind gerade mal so groß wie eine Zigarre und jagen dir eine Ladung Amoxizeran in die Wunde. Da überleben weder Larven, noch Bakterien. Die Dinger tun zwar auch weh, sind aber wohl trotzdem eine bessere Strategie als das Schicksal des traurigen Benjamins.

Naja, ich stand da eben mitten in dem verfluchten Baum, als ich etwas hörte. Ich weiß nicht, ob du die Dinger kennst. Wir haben von der Raumflotte Implantate verpasst bekommen. Wenn es irgendwo Ärger gibt, werden diese Implantate aktiv und lösen per Knochenschall ein verflucht höllisches Sirren aus.

Wie gesagt, ich hänge im Baum und höre ein anschwellendes Sirren. Ich blute wie ein Schwein und merke, dass mich schon wieder eine dieser blöden Fliegen in die Wade gebissen hat. Ich muss also von der Leiter runter, damit ich die neue Wunde versorgen kann. Beim Runterklettern vergesse ich das Sirren fast wieder. Ich springe die letzten Stufen von der Leiter herunter, nehme den Applikator und setze ihn auf die Wunde. Das Scheißding pumpt seine Ladung in meine Wade und gleichzeitig fühlt es sich an, als würde mein Kopf von dem Sirren platzen. Es ist so laut, dass ich es nicht mehr ignorieren kann. Stell` dir mal die Situation vor. Ich stehe da mitten zwischen den Bäumen, der Applikator reißt mir fast die Wade weg und gleichzeitig macht mich das Sirren wahnsinnig. Das nenne ich dann doch mal Jackpot. Mein Vater war dann einen Erntehelfer los, ich musste wieder mal für das Sternenreich in den Krieg ziehen.“

––––––––


Tyson war von dem Bericht fast schwindelig geworden. Was ihn total verwirrt hatte, war der plötzliche Wechsel in der Sprechweise von Anderson gewesen. Vom einem zum anderen Moment hatte sich der Offizier in den Bauerjungen verwandelt, der er unzweifelhaft einmal gewesen war.

Tyson nickte schweigend. Aber er hatte jetzt ein Problem. Oder war es Anderson, der das Problem hatte? Gerade hatte sich die Komplexität der Situation erneut fast schon exponentiell gesteigert. Das Problem war nicht, dass der Techniker nicht vom Bericht überzeugt war. Das genaue Gegenteil war der Fall, er glaubte Anderson jedes Wort. Aber das was er gerade gesagt hatte, konnte sich so einfach nicht zugetragen haben. Jedenfalls vor zwei Jahren!

„Stimmt irgendwas nicht, Larry? Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen!“

Tyson sah Anderson stirnrunzelnd an.

„Larry ist doch okay, oder soll ich lieber Lawrence sagen?“

Tyson winkte ab. „So nennt mich noch nicht einmal meine Mutter.“ Wenn er jetzt keine plausible Erklärung für sein Verhalten hatte, konnte es eng werden. Also musste er improvisieren.

„Ich war auch schon mal auf Alsar 20. Naja, genauer gesagt auf der Orbitalstation, ist aber auch schon eine ganze Zeit her. Musste jedenfalls gerade daran denken.“

Die Augen des Offiziers verengten sich. „Ach, tatsächlich?“ Es war, als würden die Augen Tyson durchleuchten. „Was hat dich denn dorthin geführt?“

„Es war natürlich mein Job“, sagte Tyson. „Wenn ich mich nicht völlig irre, war das vor elf Jahren.“ Er dachte angestrengt nach. Dann nickte er und begann Anderson eine Lüge aufzutischen. Alles war besser, als sich mit heruntergelassenen Hosen erwischen zu lassen!

„Mein Job ist im Prinzip immer gleich. Die Firma schickt mich irgendwohin und ich muss mir die Sache ansehen. Meist sind es Wartungsarbeiten und Inspektionen. Mein Gebiet ist Kommunikationstechnik, darum sollte ich mich auch in der Orbitalstation kümmern. Generell ist es so, dass ich mich in der Hierarchie von ganz oben nach ganz unten durcharbeite. Also stehe ich eines Tages im Büro des Kommandanten der Station. Ich habe seinen Namen leider vergessen, aber ich denke das ist nicht so furchtbar wichtig.

Damit ich besser arbeiten kann, schickt er seine beiden Assistentinnen in die Pause und lässt mich allein zurück. Also fange ich an mit meinem Job. Wenn ich irgendwo eingesetzt werde, schaue ich mir auch immer die Arbeitsstationen und Videoschirme an. Oftmals sind das uralte Dinger, die das Unternehmen gerne gegen neue Geräte austauscht. Das bringt richtig viel Umsatz, wesentlich mehr als eine gewöhnliche Inspektion oder Wartung. Aber leider waren die Geräte alle völlig neuwertig, ich würde dem Kommandanten also keine neuen Geräte verkaufen können. Persönlich war ich da auch gar nicht traurig drüber, ich bin schließlich Techniker und kein Verkäufer.

Also checke ich die Leitungen, Verbindungsdosen und die unterschiedlichen drahtlosen Netzwerke. Es ist alles vollkommen in Ordnung, lediglich eine Dose hatte einen Wackler. Kaum habe ich die Dose ausgetauscht, da steht der Kommandant wieder im Büro und nickt zufrieden. Aber dann will er, dass ich mir auch seine privaten Räume sofort anschaue. Normalerweise geht das so nicht, es ist ja kein Wunschkonzert. Aber das Ding ist – der Kommandant ist sowas wie der Auftraggeber meiner Firma. Also bestimmt er, welche Musik gespielt wird.

Deshalb stimme ich ihm zu und wir fahren mit dem Lift zum obersten Deck. Während wir in der Kabine stehen, sieht er mich plötzlich so seltsam an. Dann fragt er mich, ob ich eigentlich so etwas wie eine Verschwiegenheitsklausel in meinem Vertrag habe. Ich nicke, erkläre ihm das auch. Wir Techniker sind sowas wie Therapeuten, wir dürfen nämlich über gar nichts aus unserem Job reden. Naja, aber wirklich dranhalten tun wir uns nicht.

Der Kommandant steht vor seinem Loft und öffnet die Tür. Augenblicklich dringt so ein komischer Geruch auf den Gang. Ich sehe den Mann fragend an und er meint, dass er das einfach braucht. Er geht in seine Wohnung, ich folge ihm. Und dann geht es so richtig ab.

In der Wohnung herrscht eine Bullenhitze. Der Fußboden besteht aus Sand und die Wände sehen aus, als wären sie aus Felsen oder sowas. Hast du sowas schon mal gesehen? Auf einer Raumstation?

Die Fenster sind von innen zugemauert und von der Decke tropft irgendeine undefinierbare Flüssigkeit. Ich denke noch, es riecht wie ein Pumakäfig. Dann sehe ich den ersten Nackten. Es ist ein junger, muskulöser Typ. Er kommt zum Kommandanten, haut ihm auf den Hintern und gibt ihm einen Zungenkuss. Dann greift er dem höchsten Offizier der Station in den Schritt und sagt, dass er seinen Saft will.

Der Kommandant wird nervös und verscheucht hektisch den Adonis. Ihm ist die ganze Sache unangenehm.

Ich zucke aber nur mit den Schultern und sehe, wie sich drei ziemlich attraktive Frauen auf einem uralten antiken Sofa räkeln. Sie haben ihre Zungen und Finger in irgendwelchen Körperöffnungen, so dass mir ganz schön schwindelig wird. Aber da kapierte ich auch, wonach es roch. Schweiß. Kalter, abgestandener Schweiß stand förmlich in der Luft. Irritiert sah ich den Kommandanten an und war nicht überrascht, dass ich eine verräterische Beule im Schritt sah. Wahrscheinlich war es gerade die Kombination aus Peinlichkeit und seinem Fetisch, die ihn unglaublich geil machte.

Mir war das ziemlich egal, auch wenn mir die Frauen zugegebener Weise sehr gut gefielen. Aber ich war ja zum Arbeiten hier, nicht zum Gaffen. Das sagte ich dem Kommandanten dann auch.

Er nickte schnell und führte mich durch die Wohnung. Dabei kamen wir an gut und gerne zwanzig Menschen vorbei. Anscheinend mochte der Kerl sowohl Frauen, als auch Männer. Allesamt waren die Leute alle ziemlich gut aussehend und splitternackt, was nicht gerade dazu führte, dass ich abkühlte. Als ich an meinem Kragen herumzupfte, grinste er zweideutig und meinte, dass ich ja ruhig etwas ausziehen könnte. Ich lehnte aber dankend ab.

Dann standen wir vor einer Tür. Der Kommandant klopfte. Von der anderen Seite erklang ein hartes Herein.

Er öffnete die Tür, dann wurde es völlig absurd. Das Zimmer beherbergte relativ viel elektronisches Equipment, das erneut jede Menge Hitze erzeugte. In der Mitte des Zimmers thronte jedoch ein Hermaphrodit auf einem Podium. Äußerlich sah das Wesen wie eine dralle Blondine aus und war vollkommen nackt. Sie hatte drei Brüste, aber gleichzeitig auch einen stattlichen Penis.

„Endlich kommst du zurück, Earl!“ Ihre Stimme dröhnte durch den Raum.

Der Kommandant wollte etwas entgegen, doch der Hermaphrodit sprang von seinem Thron auf. Er trug hochhackige Schuhe und flog förmlich auf meinen Auftraggeber zu.

„Der Mann hier muss seine Arbeit tun!“ Versuchte der Kommandant die Situation zu retten. Aber es war passiert.

Der splitterfasernackte Hermaphrodit griff hinter sich und hielt plötzlich eine Peitsche in den Händen, die er lässig ausrollte. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, in welchem Hohlraum sich die Peitsche bisher befunden hatte, verfolgte das Schauspiel aber mit einer Mischung aus Neugierde und Abscheu.

Alle Beteuerungen und Erklärungen halfen dem Kommandanten nicht mehr. Der Hermaphrodit griff mit seinen langen Fingern in das Haar des Mannes und verfrachtete ihn an die Wand, wo mehrere Handschellen angebracht waren. Grob wurde der Kommandant gefesselt.

„Wenn du willst, kannst du zuschauen. Würde dich das anmachen?“, fragte der Hermaphrodit mich mit seiner seltsam melodischen Stimme.

Ich schüttelte den Kopf. „Ich will nur meinen Job machen“, sagte ich so gelassen wie möglich.

Die Blondine grinste mich anzüglich an, dann holte sie mit der Peitsche lasziv aus. „Genau wie ich!“

Immer und immer wieder klatschte die Peitsche auf den Rücken des Kommandanten, aber er schwieg. Kein Laut kam über seine Lippen. Ich widmete mich derweil der Anlage und checkte sie auf Herz und Nieren.

„Schrei´ endlich du Schlampe“, zischte der Hermaphrodit immer wieder. Als der Kommandant endlich schrie, begann seine Peinigerin lustvoll zu stöhnen. Ich bin dann so schnell wie möglich aus dem Loft verschwunden. Das war einfach nicht meine Welt!“

*


„Interessante Geschichte“, sagte Anderson grinsend. „Passieren solche Episoden öfters?“

Tyson musste selbst lachen. „Manchmal. Aber das war bisher das seltsamste Erlebnis!“ Das stimmte sogar, aber es war eben nicht genau so auf dieser speziellen Raumstation passiert. Aber was machte das schon? Er hatte eine Ablenkung gebraucht, die Story hatte eine geliefert.

Der Offizier nickte stumm und schmunzelte. Nach einigen Momenten wurde er wieder ernst. Irgendetwas in seinem Blick gefiel Tyson aber nicht. Plötzlich lag ein lauernder Ausdruck darin.

„Sag mal, ich bin ja schon oft zur Orbitalstation geflogen. Es gibt da so eine Sache, die ich mir bisher noch niemand so richtig erklären konnte.“

Tyson sah den Offizier wachsam an. Dann nickte er ihm auffordernd zu. Jetzt heißt es aufpassen, dachte er. Anscheinend hatte Anderson Lunte gerochen. Hatte er mit seiner Geschichte vielleicht zu dick aufgetragen?

„Warum sind da so viele Antennen an der Unterseite von Deck sechs?“

In Tyson zog sich etwas zusammen. Wie sah die verdammte Orbitalstation überhaupt aus? Er hatte im Vorfeld Bildmaterial gesehen, auch von der Raumstation. Aber er konnte sich beim besten Willen nicht an sie erinnern. Das Aussehen hatte bei ihm keine Aufmerksamkeit ausgelöst, also war das Design wahrscheinlich vollkommen normal. Bei einigen Stationen war die Dämmung der Signale von Störfelder aus dem Inneren nach außen etwas schwach auf der Brust. Bei anderen Stationen war es die elektromagnetische Strahlung an sich, die die Sendeleistung negativ beeinflusste. Elektromagnetismus hatte jeder schon mal gehört, also entschied sich Tyson für diese Erklärung.

„Die Antennen sind nötig, um dem Phänomen der elektromagnetischen Strahlung besser begegnen zu können. Die meisten Raumstationen sind hervorragend gegen Strahlung aus dem Weltall isoliert, aber die eigene elektromagnetische Strahlung haben die Konstrukteure wohl lange Zeit völlig unterschätzt.“

Der Blick aus Andersons Augen verschwand und er entspannte sich sichtlich. Anscheinend hatte er die Erklärung gefressen. Warum auch nicht? Der Mann war schließlich bei der Raumlandeinfanterie und kein Astrophysiker.

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