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Kapitel 6

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„Now I´m stronger than yesterday!“ - Britney Spears

In meiner Hausarrest-Zeit konzentrierte ich mich soweit es ging auf die Schule. Auf das Konzert unserer lokalen Lieblingsband durfte ich dann aber nach vielem Betteln doch gehen. So herzlos waren nicht einmal meine Eltern! Nach ungefähr einem Monat in der Isolation fing ich mit heimlichen Happy Rock-Besuchen an und griff mein Party-Leben wieder auf. Offiziell wollte ich nur einen gemütlichen Mädels-Abend bei Miri genießen. Vincent schien vergessen, ich konzentrierte mich auf oberflächliche Eroberungen und fand es besonders prickelnd, dabei gesehen zu werden. Unter anderem widmete ich mich leidenschaftlichen Knutschereien auf der Tanzfläche mit meinem quasi „Ex-Freund“ Dani und genoss es, beobachtet zu werden. Damit ging ich als „böses Mädchen“ durch und gewann an Bekanntheit, wobei mir egal war, ob diese neue Aufmerksamkeit, die ich erfuhr, negativ oder positiv war. Hauptsache irgendeine Form von Aufmerksamkeit!

Um meinem neuen „Ich“ die Krone aufzusetzen und meine innere Verwandlung auch äußerlich sichtbar zu machen, hatten Miri und ich beschlossen, dass wir uns Dreadlocks machen lassen würden. Wir beide: zuerst sie und das Wochenende darauf dann auch ich. Wir fanden das eine sehr gute Idee und schafften es sogar, unsere Eltern davon zu überzeugen. Immerhin waren wir beide erst 16! Die Verwandlung vollzog kein geringerer als – tada! - Vincent. Der begehrenswerte, heiße Vincent, der mich noch immer faszinierte. Bereits am Nachmittag war ich bei Vincent und er fing an, mir die Dreads zu machen. Ich genoss es wirklich, mit ihm allein zu sein... später kam dann auch Miri und hatte schlechte Laune. Jeden noch so aufkeimenden Streit konnte ich aber wieder ersticken und in Harmonie umlenken durch Lachen über einen unserer berühmten „Insider“. Abends waren die Dreads dann fertig, ich sah aus, als hätte ich einen fluffigen Pudel auf dem Kopf. Aber ich war glücklich über meine Verwandlung: endlich nicht mehr das brave Mädchen mit den langen, glatten blonden Haaren! Nachdem noch weitere Freunde von uns gekommen waren, gab es Abendessen und ein gemütliches Beisammensein. Die Situation mit Miri war irgendwie angespannt und ich wusste aber nicht, wieso. Es war nichts vorgefallen und ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen, warum sie so schlecht drauf war. Als wir dann alleine waren, fragte ich sie, was denn los sei und dann platzte die Bombe: ich würde sie nerven, sie „packe“ mich nicht mehr, schließlich seien wir nicht verheiratet, sie habe jetzt Markus und brauche mich nicht mehr. Puh. Was war denn das? Ich konnte mich überhaupt nicht äußern und war fix und fertig. Was sollte das? Schließlich waren wir seit über zwei Jahren beste Freundinnen und hatten so ziemlich alles geteilt, was man sich nur vorstellen kann! Wir hatten gemeinsam unsere Pubertät durchlebt und unglaublich viel miteinander durchgestanden. Zahlreiche verrückte und einmalige Erlebnisse, waren durch dick und dünn gegangen. Sie war immer die Heldin und ich stand in ihrem Schatten. Was störte sie jetzt plötzlich daran? Ich verstand es nicht und ging erschöpft schlafen, nachdem ich etwas Trost bei Vincent gefunden hatte. Am nächsten Morgen ließ ich mich, ohne mich zu verabschieden, von meiner Mutter abholen. Die darauffolgenden Tage waren wie ein schlimmer Kater. Ich wollte nicht wahrhaben, dass dieser Streit wirklich passiert ist und unsere Freundschaft zu Ende ist. Andererseits erweckte der verletzte Stolz auch eine Trotzreaktion in mir. Ich fühlte mich stark, so stark wie nie. Nun war ich frei und unabhängig und mein veränderter, coolerer Style, unterstrich diese Tatsache. Ich fing an, allein wegzugehen und suchte mir neue Freunde, mit denen ich von nun an meine Zeit verbrachte. Es tat mir wirklich gut, endlich eine eigenständige Persönlichkeit zu sein. Ich bin aus dem Schatten ins Licht hervorgetreten und wurde endlich gesehen. Miri versuchte hin und wieder, mich „zurückzugewinnen“, aber ich wollte nicht mehr. Ich wollte jetzt mein eigenes Leben fühern und nicht mehr ihre persönliche Sklavin sein. Von diesem Zeitpunkt an suchte ich meine Freunde selbst aus und entschied auch allein, was ich unternehmen würde und mit wem. Das war das Ende unserer siamesischen Mädels-Freundschaft. Es sollte nie mehr so werden, wie es war.

So kam es, dass ich in diesem Sommer, der nun folgte, viel unterwegs war und neue Leute kennenlernte und schließlich eine Beziehung mit einem netten und anständigen 19-jährigen Jungen einging. Er hatte gerade sein Fachabitur in der Tasche und musste ab Oktober seinen Dienst bei der Bundeswehr antreten. Es war schön mit ihm, wir verbrachten eine angenehme Zeit miteinander, gingen ins Kino und auf Feste, die es im Sommer haufenweise gibt. Ziemlich schnell war mir aber klar, dass es auf eine Freundschaft hinauslaufen würde, weil ich keine Gefühle entwickeln konnte. Zeitgleich hatte auch Vincent eine neue Beziehung und somit standen wir nur wenig in Kontakt. Dennoch fand ich einen Weg, wie ich ihn – gemeinsam mit meinem Freund natürlich – auch außerhalb verschiedener Veranstaltungen treffen konnte. Wir besuchten ihn hin und wieder, damit er meine Dreadlocks pflegen konnte. Ich fühlte mich in seiner Nähe unglaublich wohl und freute mich darüber, dass sich die beiden Jungs recht gut verstanden. Auf den verschiedenen Events mit Bands und natürlich in meinem geliebten Happy Rock genoss ich weiterhin mein neues Leben in vollen Zügen. Ich tanzte, trank und guckte mir die Jungs an. Dass ich meine Beziehung früher oder später beenden würde, war mir bewusst, denn ich liebte es, einfach „böse“ zu sein und mit zahlreichen süßen Jungs zu flirten und den ein oder anderen auch zu küssen. Nach ca. 4 Monaten beendete ich dann also die Beziehung und erlitt so eine Art „Miri-Rückfall“. Sie bat mich darum, ihr zu verzeihen und wir versöhnten uns – vorübergehend. Sie hatte inzwischen Markus verlassen und unserer Freundschaft erlebte ein Revival, in dem es wieder hieß: wir gegen den Rest der Welt!

In meiner Single-Zeit feierte ich viel mit ihr und der ganzen Clique, zu der nun auch Vincent gehörte. Aber unsere Zeit war noch nicht gekommen und so schnappte ich mir bei einem Konzert im Jugendtreff einen neuen hübschen Dreadlock-Träger und nach ein paar Dates waren wir dann auch zusammen. Felix hatte wunderbare schwarze Dreads und ein Lippenpiercing, was mir sehr gut gefiel. Außerdem war er etwas schüchtern und machte gerade seinen Zivildienst in einer Sozialstation. Bald schon lernte ich seine Freunde kennen und integrierte ihn ebenfalls in meinen gemeinsamen Freundeskreis mit Miri. Den 17. Geburtstag von Miri feierten wir mit einer Party in ihrem Keller und auch Vincent war da. Nach ein paar Caipirinhas führten wir ein langes Gespräch, in dem er mir offenbarte, dass er mich durchaus gernhatte. Ich schwebte auf Wolke sieben und schließlich vereinbarten wir, dass wir heiraten würden, wenn wir beide mit 30 gerade solo seien. Wow! Was für ein Kompliment von meinem heimlichen Schwarm! Trotz dieser tollen Aussichten blieb ich bei Felix und ließ mich sogar von ihm entjungfern. Mit wahrer Liebe hatte das nichts zu tun; es reichte mir nur so, die scheinbar letzte 16jährige zu sein, die „diese Sache“ noch nicht erlebt hatte. Also suchte ich mir einen Samstag vor Weihnachten aus und brachte es endlich hinter mich. Wir waren in seinem Zimmer, redeten vorher darüber, wie es sein würde, auch dass es mein erstes Mal wäre. Es war ok, relativ unspektakulär und ich war froh, diese Hürde genommen zu haben.

Weiterhin ging mir aber Vincent nicht aus dem Kopf und das nächste Highlight unserer bisher recht unschuldigen Beziehung war die Silvesterparty bei ihm. Wir feierten alle bei Raclette auf dem Wohnzimmerboden und der gesamte Freundeskreis inklusive Felix war dabei. Zu späterer Stunde gab es unter anderem Feuerzangenbowle, welche mich dann einschlafen ließ. Als ich wieder wach wurde, waren Vincent, Markus, Miri und deren neuer Schwarm Jan noch übrig. Ich setzte mich auf die Couch zu Vincent und mit der Zeit lehnte ich mich an ihn, während er – bewusst oder unbewusst? - sanft über meinen Arm streichelte. Ich wusste, dass sowohl Felix im selben Raum lag und schlief sowie Vincents aktuelle Flamme in seinem Bett bereits auf ihn wartete. Aber dieser Gedanke spornte mich eher noch an und verlieh mir mehr Mut für den nächsten Schritt. Ich nahm seine Hand, streichelte sie behutsam und legte vorsichtig meinen Kopf auf seinen Schoß. Statt mich zurückzuweisen, setzte er das Streicheln fort und arbeitete sich weiter vor über meinen Kopf, mein Gesicht und berührte schließlich mit dem Finger meine Lippen. Mir wohligem Kribbeln hauchte ich leichte Küsse auf seinen Finger und wünschte mir, dass der Moment niemals zu Ende ginge. Ich war mir jetzt sicher: Irgendwann wird unsere Zeit schon noch kommen!

Ich will brennen

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