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Alliierte abhören

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„Befreundete Länder kann man nicht einfach abhören, Daten absaugen, verarbeiten,“ ärgerte sich Österreichs Vizekanzler Michael Spindelegger. Er war eine von vielen Stimmen im In- und Ausland.

Dabei ist es die Aufgabe von Nachrichtendiensten, Politiker in befreundeten Ländern auszukundschaften. Das gilt für Skeptiker der US-Allianz wie auch für begeisterte US-Freunde wie Angela Merkel.

Für die USA ist die Bundesrepublik ein Partnerland, das Wirtschaftsbeziehungen zur aufstrebenden Atommacht Iran pflegt, enge Kontakte zu Russland unterhält und einen Ex-Kanzler hat, der auf der Gehaltsliste von Wladimir Putins Gazprom steht.

„Es gibt zwischen Staaten keine Freundschaften“, erklärte mir ein ehemaliger Präsident des Bundesnachrichtendienstes am Rande einer Sicherheitskonferenz. „Es gibt nur Interessen.“14

Da kann es niemanden ernsthaft überraschen, dass NSA und CIA ihre langen Ohren in Richtung Berlin ausstrecken. Spioniert wird überall und immer, auch unter Freunden. Das ist bekannt. Und wird abgestritten. Es ist der Beruf des Geheimdienstlers – lauschen, leugnen und – wenn es sein muss – lügen.

Die Empörung war scheinheilig.

Deutsche Dienste spionieren fleißig mit – auch gegen Freunde, auch gegen Amerika. Knapp einen Monat nach der Verhaftung des US-Spions flatterten Belege in die Redaktionen deutscher Zeitungen. Aufgetaucht – wahrscheinlich nicht zufällig – war das BND-Protokoll eines abgehörten Telefonats mit US-Außenministerin Hillary Clinton. Im Oktober 2011 hatte sie mit ihrem Handy aus einer amerikanischen Militärmaschine telefoniert. Dem BND liegt ein vollständiges Protokoll im Wortlaut vor.

Die Pressestellen der Regierung hatten gerade angefangen, die Dementi-Maschinen anzuwerfen, als kurz darauf ein weiteres Abhörprotokoll auftauchte. Clintons Nachfolger im Amt, John Kerry, wurde bei einem vertraulichen Nahost-Gespräch mit dem ehemaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan belauscht.

Wie die Mitschnitte auf Festplatten des BND landeten, wurde nie geklärt. Der Regierungssprecher erklärte kleinlaut, es habe keine gezielten Abhörmaßnahmen gegen die amerikanischen Amtsträger gegeben. Die vertraulichen Mitschnitte waren im Rahmen anderer Operationen entstanden. „Beifang“ nannte man das beim BND.

„Idiotisch“ nannte es ein Regierungsbeamter. Eigentlich hätten alle Aufnahmen mit US-Politikern sofort gelöscht werden müssen. Sagte er. Dabei ist eines klar:

BND und CIA hatten beide die goldene Regel der Spionage gebrochen:

„Lass dich niemals erwischen.“15

Kurz nachdem die BND-Abhörprotokolle von Clinton und Kerry an die Öffentlichkeit gelangt waren, folgten Belege, dass die Bundesrepublik Deutschland auch andere NATO-Freunde belauscht. Ganz offiziell gehörte der NATO-Partner Türkei zu den erklärten Zielen der BND-Spionage. Seit vielen Jahren.

In einem geheimdienstlichen Grundsatzpapier aus dem Jahr 2009 wurde der Türkei eine hohe Priorität für den BND eingeräumt. Einige Tage später folgte die Enthüllung, dass der NATO-Partner Albanien ebenfalls langjähriges Spionageziel des BND war. Auch Maßnahmen gegen befreundete Länder wie Frankreich und Italien wurden ausdrücklich erwähnt.

Ja, Freunde spioniert man aus.

Das ist einfach so.

Evolution ohne uns

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