Читать книгу der dämon und die lethargie - Jeanette Y. Hornschuh - Страница 13

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6.

„Und was ist der Plan für heute?“ frage ich, während ich mich darauf konzentriere, das Wachs von dem kleinen geschwungenen Kerzenhalter zu pulen.

„Bisschen umherlaufen.“ ruft Traian mir vom Esstisch aus zu.

„Mh…“ murmle ich. Nachdem ich ihn nun schon einige Male auf seinen Ausflügen begleitet habe, hatte ich gehofft, heute nach langem mal wieder meinen täglichen Streifzügen nachgehen zu können. Aber… wenn ich ehrlich bin… Hatte ich das wirklich gehofft? Was bringt mir die Suche nach Imee schon…? Sie wird mich auch nicht besser auf den nächsten Angriff vorbereiten, den sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in diesem Moment plant. Anfangs hatten diese Streifzüge mir geholfen, mich der Unruhe zu stellen, die seit Nileyns Verlust in mir herrscht. Ja… und anfangs gab es tatsächlich noch Anlass zur Hoffnung, dass mich die Fährte aus geronnenem Blut wirklich zu Imee führen würde. Aber nach der Zeit… Mittlerweile merke ich, dass diese Streifzüge eigentlich genau das Gegenteil bewirken, sie lassen das Kribbeln eher anwachsen… An Tagen wie diesen heute, wo ich mich so leer fühle - da sollte ich mich vielleicht eher der Ablenkung hingeben, denn der Unruhe nachzugeben…

Resigniert puste ich mir eine Strähne aus der Stirn.

Wenig später steht Traian fertig eingepackt am Eingang und öffnet die Haustür. Nachdem er ein paar Schritte über den kleinen Gartenweg gelaufen ist, blickt er zum Haus zurück. Ein Grinsen macht sich auf seinem Gesicht breit - weil er mich an der Tür stehen sieht…

Gemeinsam laufen wir den schmalen Weg entlang, der vom Haus wegführt. Die Luft ist klar und kalt, die Wolken, welche sich die letzten Tage noch so hartnäckig am Himmel gehalten haben, sind nun gänzlich verschwunden und auch am weiten Horizont erstrahlt nicht mehr das kleinste bisschen Weiß. Nur der Boden schimmert so leuchtend in diesem zarten kristallenen Weiß, dass es einem fast unwirklich vorkommt. Als wir an der Wegbiegung ankommen, erregt irgendetwas Traians Aufmerksamkeit. Ich folge seinem Blick zum Haus und sehe, wie Levian ebenfalls den frostigen Pfad entlangschreitet. Meine Hände verkrampfen sich unwillkürlich… Schweigend beobachten wir, wie der blonde Jäger auf uns zukommt. Kleine Wölkchen treten an der Stelle des dicken Schals heraus, hinter dem er seinen Mund versteckt. Als er in Hörweite ist, fragt Levian: „Gehst du zum Dorf, Traian?“

Diesmal ist es kein Zucker, der meine Zähne zum Knirschen bringt…

„Nein, ich gehe nur so ein bisschen herum.“, Traian macht eine Handbewegung in Richtung seines linken Oberschenkels und lächelt, „Ich brauche Training, du verstehst?“

Angespannt betrachtet Levian Traians Bein: „Mh…“ Dann schaut er ihm ins Gesicht und mir ist, als wolle er Traian etwas darauf erwidern - doch er tut es nicht…

Nach einer kurzen Weile sieht Levian mich an. Ein undefinierbarer Ausdruck macht sich in seinem Gesicht breit. Ich atme tief ein, um die Spannung zu lösen, die meinen Körper durchzieht. Aber natürlich ist es zwecklos. Wenn er etwas zu sagen hat, warum sagt er es nicht einfach?! Stattdessen steht er einfach nur schweigend da…

Ohne ein weiteres Wort an uns zu verlieren, dreht Levian sich von uns weg und läuft geradeaus, um dann den Pfad zu verlassen. Verärgert stehe ich auf der Wegbiegung und blicke ihm hinterher. Nach einer ganzen Weile meint Traian neben mir: „Du könntest auch ihm folgen…“ Überrascht schaue ich ihn von der Seite aus an, doch seine Augen sind weiterhin auf den in der Ferne dahinschreitenden Freund gerichtet.

„Er will aber niemanden um sich haben…“ gebe ich zurück.

Wieder lässt Traian sein schiefes Grinsen erkennen und meint nun keck: „Ich auch nicht.“

„Bei dir ist mir das egal.“ erwidere ich und laufe weiter den Weg entlang. Lachend schließt er zu mir auf.

Heute entscheidet sich Traian, kurz vor dem Dorf abzubiegen. Wir laufen eine große Schleife, die uns auf Umwegen wieder zurück zum Haus bringen wird.

Während einer kurzen Pause nutze ich die Gelegenheit, um ein Thema wiederaufzunehmen, das mich schon eine Zeit lang beschäftigt: „Letzens, da… Mh, ich meine… lass es mich mal nett formulieren: manche meinen ja vielleicht, dass ein wenig Überheblichkeit einen Menschen erst interessant macht, aber um ehrlich zu sein, ist das Ausmaß an Hohn, das du mit deinem Liedchen zeigst, doch eher ein Zeichen für deine Unreife.“

Auf einem großen Stein am Wegesrand sitzend schaut Traian mit geneigtem Kopf zu mir hoch: „Was?“

Eines muss man ihm lassen: mittlerweile hat er gelernt, dass Verärgerung oder gar pures Ignorieren bei Diskussionen mit mir nicht gerade zielführend sind. Er reagiert schon weitaus gelassener auf solche Spitzen.

Ich setze zu einer Erklärung an: „Na dieses Liedchen, das du immer summst… Du weißt schon, wo es darum geht, dass der arme Jäger verhungert…“

„Das habe ich nicht selbst geschrieben.“ meint er.

„Jaaa… schon klar… Darum geht es auch nicht.“ entgegne ich wiederum.

„Es ist eine alte Weise.“

„Nh… ja… das sagtest du bereits, Traian…“

„Und die handeln meist von solchen Themen.“

„DARUM geht es mir nicht!“, maule ich nun wirklich gereizt, „Vielmehr geht es darum, dass gerade DU so ein Liedchen auf den Lippen trägst und es dazu noch im Haus eines Jägers summst, auf den diese Beschreibung sehr wohl auch passen könnte.“

Eine Weile lang beobachtet Traian mich, ohne etwas zu erwidern. Er wirkt nachdenklich, so als ob er sich bewusst Zeit lässt die richtigen Worte zu wählen. Während ich warte, dass er irgendetwas sagt, knie ich mich kurz hin und zupfe einen getrockneten, mit Reif überzogenen Grashalm ab. Schließlich scheint seine Überlegung zu einem Ergebnis geführt zu haben. Er erklärt: „Es ist ein Lied, das von Nomaden gesungen wird. Dass diese Jäger es singen, ist nicht weniger seltsam als dass es ein humpelnder Anfänger singt, der mit einem Dämon zusammen durch sein Gebiet spaziert.“

Sprachlos lasse ich den ausgezupften Halm zu Boden fallen. Bisher wirkte Traian immer so kindisch und unglaublich oberflächlich auf mich. Ärgerlicherweise muss ich mir aber nun doch eingestehen, dass es vielleicht ein klein wenig an mir selbst lag, dass ich diesen Eindruck von ihm hatte. Dieses überhebliche Getue und dieser seltsam betont fröhliche Ausdruck… Vermutlich ist es nur seine persönliche Art und Weise, um sich zu schützen. Ein kalter Schauer überkommt mich, als mir klar wird, dass wir gar nicht mal so wenig gemein haben…

„Du bist eine ganz furchtbare, nervtötende Person.“ stiere ich ihn an.

Traian lacht: „Haha, soll ich darauf wirklich etwas erwidern?“

Hng… wann ist er nur so schlagfertig geworden?! Langsam erhebe ich mich und deute mit einer Handbewegung an, dass wir unseren Weg nun fortsetzen sollten. Obgleich er sich so nur eine sehr kurze Pause gönnen konnte, erhebt er sich bereitwillig. Während ich meine nackten Füße frustriert über den vereisten Boden poltern lasse, denke ich darüber nach, was Nileyn mir mal über ansässige Jäger und ihr Verhältnis zu Nomaden erzählt hat. Traians Reaktion, als ich ihm von der Begegnung mit dem Nomaden berichtete, lässt darauf schließen, dass er ein ähnlich gestörtes Verhältnis zu dieser Kategorie von Jägern hat. Nahahaha, das wollen wir doch gleich mal testen! „Sag mal, Traian, wie kommt es denn eigentlich, dass du als ansässiger Jäger ein Lied auf den Lippen trägst, das Nomaden zu singen pflegen?“

Abrupt bleibt der grünäugige Jäger neben mir stehen und starrt mich unverwandt an: „Es war seit jeher so, dass jedes Gebiet einem bestimmten Jäger zugeteilt wird. Nomaden sind der Abschaum der Jägergemeinschaft, weil sie pure Egoisten sind. Sie sind nicht daran interessiert, den Menschen zu helfen. Ihr oberstes Ziel ist es, ihr eigenes Wohlergehen sicherzustellen und dafür nehmen sie uns ansässigen Jägern die Existenzgrundlage. Wenn ich also im Gegenzug ein Lied summe, das sich mit dem Tod eben solcher Jäger beschäftigt, dann finde ich das nur gerecht.“

Ein wenig erstaunt über diese dann doch recht harte Reaktion lasse ich die Erklärung kurz sacken. Als Traian Anstalten macht, weiterzulaufen, rufe ich mir den Liedtext ins Gedächtnis, den er an jenem Abend doch in einer recht schönen Klangfolge wiedergegeben hat: „…die Teufel allein, sie schwinden nicht… Wenn ich ehrlich sein soll…“, murmle ich, „…glaube ich nicht so recht, dass sich dieses Lied auf das Ableben eines Nomaden bezieht.“

„Oh doch, das tut es.“ entgegnet Traian.

Bestimmt schaue ich zu ihm herüber: „Woher willst du das denn…“

Doch plötzlich streift mich seine linke Hand am Unterarm - Ieeeekkk?!

„Bitte… dies ist wirklich kein Thema, über das ich reden mag…“ sagt er leise.

Nur mühsam widerstehe ich dem ersten Reflex, der in mir bei den Worten „Ich mag nicht darüber reden.“ stets den unerklärlichen Drang weckt, so lange auf dem Thema herumzubohren, bis mein Gegenüber dann doch darüber redet. Stattdessen hole ich tief Luft und entschließe mich dazu, seiner Bitte nachzukommen und das Thema Nomaden nicht mehr anzusprechen.

Als ich meinen Blick über die Landschaft schweifen lasse, kann ich in der Ferne schon die Umrisse des kleinen Backsteinhauses erkennen.

„Lass uns morgen wieder Zucker besorgen.“ bestimme ich.

„Haha, gern…“ freut sich Traian.

Am frühen Abend sitze ich am Esstisch gegenüber von Traian und beobachte ihn dabei, wie er mit dem Küchenmesser Kartoffeln für das Abendessen schält. Wenn man bedenkt, dass das Messer, mit dem er sie schält, so stumpf ist, dass man das Ding gut und gerne auch als Löffel, oder Mess… Löff… Möffel? - umfunktionieren könnte… dafür führt er den Möffel wirklich mit einer beachtlichen Präzision durch die Knolle hindurch.

Heute Abend scheint es mal wieder gekochte Kartoffeln mit Butter und Salz zu geben. Er ist wahrlich kein Kochgenie… Wenn er sich etwas Warmes zubereitet, dann sind es meist sehr einfache Gerichte. Er könnte doch auch ruhig mal etwas experimentieren? Aber vermutlich hat er einfach keine große Lust, lange in der Küche zu stehen. Etwas amüsiert denke ich daran zurück, wie viel Mühe sich Nileyn immer bei ihren Gerichten gegeben hat, welche dann leider geschmacklich die reinste Katastrophe waren - jedenfalls, soweit ich Levians Gesichtsausdruck beim zweifelhaften Genuss ihrer Speisen deuten konnte. Da ist es vielleicht auch keine schlechte Taktik, es wie Traian gar nicht erst zu versuchen, etwas Kompliziertes zu zaubern, bevor dann eine derartige Verirrung dabei herauskommt.

Nachdem er zwei Knollen geschält hat und sich nun eine dritte nimmt, um diese zu bearbeiten, ertönt wieder dieses leise, unbewusste Summen. Ich lehne mich auf meinem Stuhl zurück und versuche ein unbeteiligtes Gesicht zu machen, aber ich kann mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Als Traian bewusst wird, dass er abermals die ihm so wohlbekannte Weise vom sterbenden Jäger zum Besten gibt, stockt er. Die Augen weiter auf die Kartoffel gerichtet, meint er: „Ist unerwartet nett von dir, nicht weiter darauf einzugehen…“

Etwas irritiert darüber, dass er selbst das Thema aufgreift, nachdem er doch vorhin noch meinte, nicht darüber reden zu wollen, hebe ich an: „Naja… jeder hat sein eigenes Los zu tragen und so wie auch ich mit niemandem über meine Lebensgeschichte reden mag, so wirst wohl auch du schon Dinge erlebt ha…“ - Plötzlich wird mir klar, was er gerade ernsthaft… „Du sagtest nicht gerade, es wäre NETT von mir, oder?!“ entrüste ich mich.

Er lässt die dritte Kartoffel in den Topf wandern und nimmt eine neue aus der Kiste heraus: „Schon.“

„Was zum?! NETT?! Wie kommst du darauf… Wie kannst du nur… Wirklich - NETT?!“

Fast drei Monate habe ich - da Levian mehr oder weniger abwesend war - allein mit Traian in diesem Haus verbracht. Ich habe seine unangebrachten Bemerkungen ertragen, darüber, dass ich mehr als unwillkommen in diesem Haus bin. Ich habe die Beleidigungen ertragen, die idiotischen Sprüche über mein nicht mehr ganz so menschliches Dasein. Nicht einen Tag hat er lockergelassen, immer wieder hat er mir aufs Neue gezeigt, wie wenig er von mir hält… und nun DAS?! Ich finde keine Worte, um zu beschreiben, was gerade in mir vorgeht. So kann ich nichts anderes tun, als - so lächerlich es ist - Traian mit offenem Mund anzustarren.

Nett

„Äh… weißt du…“, hebt er an, nachdem er gemerkt hat, dass ich nicht in der Lage bin, mehr als ein dümmliches Starren zu erwidern, „…das war keinesfalls ein Kompliment… Es ist nur einfach so, dass ich nicht verstehe, warum du so… zu mir bist.“

Langsam, ganz langsam, ordnen sich meine Gedanken wieder.

Die vierte Kartoffel wandert in den Topf.

Ein Kompliment…

Er nimmt sich die nächste Knolle.

Eine harte Miene aufsetzend verschränke ich die Arme und führe aus: „Tja, du Anfänger, so sind wir ,Dämonen‘ nun einmal! Hat dir dein Zieh-Papi das nicht beigebracht?! Erst lullen wir unsere Opfer mit… mit NETTIGKEITEN ein… und dann, wenn sie Vertrauen gefasst haben…“ - ich spanne demonstrativ meine Finger an.

Die fünfte Kartoffel landet im Topf. Mit einem hämischen Grinsen blickt Traian nun zu mir auf: „Und dann was? Haha, als wäre ich nicht auch so eine leichte Beute, Eve!“

Ein wütendes Knurren bahnt sich den Weg durch meine Kehle: „Na schön, du Idiot, Schluss mit den NETTIGKEITEN! Dann lass doch mal die theatralische Geschichte über Traian und die Nomaden hören! Warum hat Mael dich als Kind bei sich aufgenommen?! Na los, erzähl dem ,Dämon‘ mal, welches Trauma du mit dir trägst, hä?!“

„Hnn, nein, so war das ja nicht gemeint… Das Wort ,nett‘ scheint dich wohl aus irgendeinem Grund wütend zu machen.“

„Als ,DÄMON‘ reagiere ich nahezu allergisch darauf…“ maule ich beleidigt.

Traian nimmt sich die sechste Kartoffel aus der Kiste und lächelt.

Wieder ertönt dieses leise „Danke…“ aus seinem Mund. Worauf bezieht sich das, ich habe doch gar nichts gemacht?!

„Halt die Klappe…“ murre ich knapp.

Schon ist der junge Jäger mit dem Schälen fertig und stellt den verbeulten Topf mit den sechs Kartoffeln darin auf den Herd. Er stellt sich vor das klobige Waschbecken und zieht den Möffel über einen Schwamm, um ihn zu reinigen.

„Das wäre doch eine gute Waffe…“ kommt mir plötzlich eine Idee.

„Eine Kartoffel?“ fragt Traian belustigt.

„Nein, du Spinner… ich meine Mö… Messer… Wurfmesser, um genau zu sein… Oh… es kommt jemand.“ Ich konzentriere mich auf die unregelmäßigen Schritte, die sich nun dem Haus nähern.

Schon geht die Eingangstür auf und der blonde Schopf von Levian zeigt sich. Keuchend tritt er in das Haus herein und… hält sich seinen linken Arm?!!!

„Was ist passiert?!“ rufe ich und stürze, das stetig hallende Stechen, das mich in seiner Anwesenheit befängt, ignorierend, zu ihm hin. Erst, als uns nur noch vier Schritte voneinander trennen, besinne ich mich wieder und bleibe stehen… Zwischen zusammengebissenen Zähnen drückt Levian hervor: „Hn… schon gut…“

Auch Traian macht Anstalten, ihm zur Hilfe zu kommen, doch es ist unnötig. Levian stapft an uns vorbei und lässt sich auf das Sofa fallen. Ich stelle mich neben ihn und blicke gebannt zu seinem Arm herunter. Als er seine dicke Winterjacke auszieht, ziert ein großer dunkelroter Fleck den linken Ärmel seines blaugrauen Langarmshirts.

„Bist… bist du bescheuert?!“, rufe ich aufgebracht, „Wie ist das passiert?! Was hast du gemacht?!“

Für einen Augenblick scheint Levian zu vergessen, dass er sich eisern geschworen hat, mich mit Missachtung zu strafen: „Ich wurde angegriffen… Das ist nichts… die Wunde ist nicht groß.“

„Nicht groß?!“, wiederhole ich aufgebracht, „Sie ziert den Arm deiner Bann-Hand! Ich möchte meinen, das allein genügt schon, um die übliche Gelassenheit mal für einen Moment abzulegen!“

Während ich rot vor Wut vor dem sitzenden Levian stehe, läuft Traian ruhig zum Schubladenschrank in der Küche herüber, holt einen kleinen metallenen Kasten hervor und setzt sich anschließend neben ihn auf das Sofa. Traian öffnet den Kasten und nimmt Verbandmaterial heraus. Dabei erkundigt er sich: „Wo wurdest du angegriffen?“

Levian beginnt seinen Ärmel hochzukrempeln: „Ich war in Richtung Maels Gebiet unterwegs.“

„WAS?!“, blaffe ich, „Und da dachtest du, es wäre eine schöne Abwechslung, dich mal eben kurz vermöbeln zu lassen?!“ Immer noch schaffe ich es nicht, meine Lautstärke auf normales Niveau zu senken…

„Was soll das?!“, ruft Levian nun ebenfalls aufgebracht, „Warum regst du dich so auf?!“

„WARUM ich mich so aufrege?! Wenn du verletzt nach Hause kommst, von deinem kleinen ZeitfürdichalleinAusflug?! Da war es ja noch besser, als du dich noch den ganzen Tag in deinem Zimmer verkrochen hast! Wenigstens bist du da nicht halb tot zurückgekehrt!“

Levian packt nun ebenfalls der Zorn - ich kann es an seinen tiefblauen Augen sehen. Zu schmalen Schlitzen verengt stieren sie mich an als wäre ich sein schlimmster Erzfeind - der ich im Grunde genommen ja eigentlich auch bin… Den Tupfer wegschlagend, mit dem Traian gerade seine Wunde säubern wollte, springt er vom Sofa auf und stellt sich mir entgegen: „Zeit für mich allein?! Was glaubst du wie es mir geht?! Dass ich mir mal einfach einen schönen Erkundungsspaziergang gönne, um die Zeit totzuschlagen?! Du hast doch nicht die geringste Ahnung, wie ich mich fühle!!!“

„Nein!“, brülle ich, während meine Hände sich zu Fäusten ballen, „DU hast keine Ahnung, wie WIR uns fühlen! Ist dir jemals in den Sinn gekommen, dass du nicht der Einzige bist, der unter ihrem Verlust leidet?!“

Mit einem Schlag verändert sich sein Ausdruck. Schrie mir eben noch die pure Raserei entgegen, so zeigt sich nun eine Mischung aus Hohn und Gleichgültigkeit auf seinem Gesicht. Er schweigt, doch ich weiß genau, was er denkt… Deutlicher könnte es ihm kaum ins Gesicht geschrieben stehen. Plötzlich merke ich, dass das Stechen, das die ganze Zeit schon seit seiner Rückkehr in mir pulsiert, nun so stark ist, dass nicht mehr viel fehlt… Nicht mehr viel und ich vergesse mich… Zitternd umklammere ich meine rechte Hand, halte den Blick gesenkt und versuche ruhig zu atmen. Schnaufend dreht sich Levian, der meine Reaktion wohl fälschlicherweise als Zeichen der Niederlage interpretiert, um und schlurft Richtung Zimmer. Als sich die Tür hinter ihm schließt, stehe ich noch eine ganze Weile lang so da, umklammere meine Hand und hoffe darauf, dass das Ziehen bald wieder abebbt.

Ich schaue zu Traian herunter. Seine blaugrünen Augen ruhen ruhig auf mir. Er hat gut daran getan, sich in diesen Streit nicht einzumischen. Jetzt stellt er den Verbandskasten beiseite und erklärt fast schon beschwichtigend: „Die Wunde… war wirklich nicht groß.“

„Das ist nicht der Punkt!“ maule ich immer noch aufgebracht.

„Ich weiß…“ murmelt er.

Wir schweigen. Schließlich lasse ich mich seufzend neben ihm aufs Sofa plumpsen.

„Ich bringe morgen Zucker mit.“ sagt Traian und legt seinen linken Fuß auf den Wohnzimmertisch ab.

Mit krausgezogener Stirn drehe ich mich zu ihm hin: „Das klingt ja fast so als würdest du nicht damit rechnen, dass ich dich morgen begleite?“

Seinen Blick lässt er weiter starr aufs gegenüberliegende Fenster gerichtet…

„Mh.“ meint er nur…

der dämon und die lethargie

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