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1.2.1. Periodisierungen der Geschichte des Niederländischen

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Die historische Beschreibung einer Sprache setzt die Einteilung in zeitlich begrenzte Einheiten voraus: ein diachronischer Überblick bedingt somit eine Reihe Darstellungen synchronischer Sprachzustände, wobei aber gilt, dass natürliche Sprachen sich fortlaufend ändern. Somit setzt Diachronie eine nicht bestehende Synchronie voraus. Für diesen bekannten Widerspruch der Sprachgeschichte, der hier nicht weiter zur Diskussion steht, sind Lösungen zu suchen, die es gestatten, Zeiteinheiten abzustecken, in denen ‚keine bedeutenden‘ sprachlichen Veränderungen stattfinden.

Ein solches subjektives Vorgehen wird erschwert, da sprachliche Erneuerungen, die eine neue Stufe einläuten, häufig vereinzelt in Erscheinung treten und sich in der Regel zeitlich nicht genau festlegen lassen. So ist es unmöglich, ein Jahr zu nennen, in dem der sprachhistorisch so entscheidende Prozess der Reduktion von Vokalen in unbetonten Silben abgeschlossen war. Noch im 11. Jh. sind solche Vokale, die als Merkmale des Altniederländischen gelten, zu finden, wie a in Hebban olla uogala (‚haben alle Vögel‘). Hundert Jahre später sind sie im Mittelniederländischen zum Schwaə, geschrieben <e> reduziert wie in hebben, alle und vogele oder vogels. Das Neuniederländische unterscheidet sich diesbezüglich vom Mittelniederländischen durch Apokope, so wird das Mittelniederländische bedde (‚Bett‘) durch Wegfall des Auslauts zum bed. Auch diese Entwicklung, die im Spätmittelalter anzusetzen ist, längere Zeit beanspruchte, Gegenstand von Diskussionen der Sprachgelehrten in der frühen Neuzeit war (vgl. 5.4.3.2.) und sich im Norden anders vollzog als im Süden, lässt sich nicht mit genauen Daten festlegen. Wählt man für die Periodisierung trotzdem die Reduktion des Auslauts als Ausgangspunkt, die auch im Niederländischen die bedeutsame Mutation von einer synthetischen in eine analytische Sprache begleitet, so ist unsicher, ob eine solche Unterscheidung in Sprachstufen sich auch für die Beschreibung der sonstigen phonemischen Merkmale oder zur Kennzeichnung graphemischer, syntaktischer, morphologischer und lexikalischer Erscheinungen eignet. So lässt sich die Syntax des späteren Mittelniederländischen nicht eindeutig von derjenigen des Frühneuniederländischen abgrenzen. Schliesslich ergibt diese Dreiteilung, die auf sprachimmanenten Erscheinungen basiert, ungleiche Perioden, die für das Neuniederländische gar eine Sprachstufe von fünf Jahrhunderten bedeutet.

Verfasser von Handbüchern zur Geschichte des Niederländischen gründen die Periodisierung denn auch zwangsläufig auf mehreren, verschiedenartigen Kriterien. In der Regel gehen sie von der Dreiteilung Alt-, Mittel- und Neuniederländisch aus, verfeinern diese allerdings auf recht unterschiedliche Weise, um überschaubare Zeitabschnitte zu erhalten. So berücksichtigt De Vooys zuerst die Sprachstufe des Mittelniederländischen, nimmt dann die vollen Jahrhunderte als Abgrenzung der jeweiligen Abschnitte wie Zestiende eeuw (‚Sechzehntes Jahrhundert‘) und Zeventiende eeuw (‚Siebzehntes Jahrhundert‘), wählt später eine von der Politik abgegrenzte Episode wie De Bataafse Republiek. De inlijving. De eerste jaren van het koninkrijk (1795 – ±1835) (‚Die Batavische Republik. Die Einverleibung. Die ersten Jahre des Königreiches, 1795 – ±1835‘) oder eine Periode, die auf kulturellen Erneuerungen basiert, zum Beispiel De Gids-tijd. Opkomst van de taalwetenschap (±1835 – ±1885) (‚Die Epoche der Zeitschrift De Gids. Entstehung der Sprachwissenschaft, ±1835 – ±1885‘), vgl. De Vooys 1952.

Van der Wal und Van Bree bestimmen die Periodisierung des Niederländischen einerseits auf sprachhistorisch begründeten Stufen wie De verscheidenheid van het Middelnederlands (‚Die Verschiedenheit des Mittelniederländischen‘). Andererseits benutzen sie die Jahrhunderte als Abgrenzung wie Drie eeuwen interne taalgeschiedenis (‚Drei Jahrhunderte interne Sprachgeschichte‘) oder eine sprachpolitische Gegebenheit wie De strijd voor en om het Nederlands in Vlaanderen (‚Der Kampf für und um das Niederländische in Flandern‘), vgl. Van der Wal et al. 2008.

Janssens und Marynissen gehen bei der Einteilung ihrer Sprachgeschichte von der Dreiteilung Alt-, Mittel- und Neuniederländisch aus, fügen aber ein Kapitel Het Nederlands vandaag (‚Das Niederländische heute‘) hinzu, was allerdings zum Neuniederländischen zu rechnen wäre, vgl. Janssens et al. 2005.

Auch Vekeman und Ecke grenzen die ersten Kapitel ihrer Geschichte der niederländischen Sprache aufgrund sprachhistorischer Kriterien ab, so folgt auf Das Altniederländische und seine Vorgeschichte ein Kapitel über Mittelniederländisch, sie wechseln dann aber auf eine Einteilung in Jahrhunderten, verwenden sodann zur Periodisierung politische Ereignisse, zum Beispiel im Kapitel 1794–1830. Revolutionen und Sprachpolitik, vgl. Vekeman et al. 1993.

Van den Toorn, Pijnenburg, Van Leuvensteijn und Van der Horst teilen ihre Sprachgeschichte aufgrund sprachimmanenter Gegebenheiten mit Kapiteln wie Oudnederlands (tot circa 1200) (‚Altniederländisch, bis zirka 1200‘) ein, unterteilen dann das Mittelniederländisch in Früh- beziehungsweise Spätmittelniederländisch, ohne dazu eindeutige Kriterien zu formulieren. Weiter beschreiben sie das Neuniederländische in drei verschiedenen Kapiteln, während der Titel des Kapitels über das Niederländische in Belgien offen lässt, ob es sich hier um Neuniederländisch handelt, vgl. Van den Toorn et al. 1997.

Schliesslich sei die Periodisierung von Van der Horst in seiner Geschichte der niederländischen Syntax erwähnt, die einerseits auf sprachhistorischen Erscheinungen beruht mit einem Kapitel wie Oudnederlands (‚Altniederländisch‘), andererseits eine Verteilung des Mittelniederländischen in zwei Kapitel kennt, dann einzelne Jahrhunderte berücksichtigt, schliesslich aber für die Beschreibung des neuesten Niederländischen einen Zeitabschnitt von zwei Jahrhunderten aufweist, vgl. Van der Horst 2008.

Die Periodisierung des vorliegenden Buches basiert zuerst auf den sprachlichen Erscheinungen, die sich mit den Begriffen Alt-, Mittel- und Neuniederländisch zusammenfassen und durch Entwicklungen des Sprachsystems begründen lassen. Die weitere Einteilung dieser Sprachstufen erfolgt aufgrund von Ausdrücken wie ‚frühe Neuzeit‘ oder ‚mittlere Neuzeit‘, die Historiker oft verwenden und die zum Beispiel die Struktur des Standardwerkes Algemene Geschiedenis der Nederlanden, vgl. Blok et al. 1977/83, markiert. Schliesslich deuten Bezeichnungen wie ‚Das überregionale Neuniederländische‘ oder ‚Das kultivierte Niederländische‘ in den Titeln der einzelnen Kapitel auf die Funktion des Niederländischen in der jeweiligen Periode. Diese Einteilung, die überschaubare Zeitabschnitte ergibt, beruht folglich sowohl auf sprachinternen Entwicklungen des Niederländischen, auf allgemeinen historischen Gegebenheiten als auch auf dem spezifischen Status der Muttersprache in der entsprechenden Periode.

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