Читать книгу Handbuch Niederländisch - Jelle Stegeman - Страница 20
2.1. Das Rhein-Maas-Schelde-Delta und seine ersten Bewohner 2.1.1. Prähistorie
ОглавлениеWährend des ausgehenden Zeitalters der letzten Eiszeit entstand an der Nordseeküste um 9700 v. Chr. eine von Mündungsarmen geprägte Flusslandschaft, die, sei es durch Einwirkung der Natur, sei es durch menschliches Eingreifen, im Laufe der Zeit immer wieder ihre Gestalt änderte, bis sie sich zum Rhein-Maas-Schelde-Delta der Gegenwart herausbildete (vgl. Abb. 1a, 1b, 1c, 1d). Jäger und Fischer streiften in der Mittleren Steinzeit von 9000 bis 5500 durch das Gebiet, dann begannen die Menschen in dieser Gegend erstmals Landwirtschaft zu betreiben. Die Kultivierung des Deltas, die bis heute das Handeln der Delta-Bewohner massgeblich bestimmt und sich auch in ihrer Sprache niederschlägt, nahm ihren Anfang. Zuvor hatten sich im Gebiet der heutigen Niederlande, Belgiens und des Nordwestens Deutschlands schon Menschen aufgehalten, was 300.000 Jahre alte Spuren der ausgestorbenen Neandertaler, die vom Jagen und Sammeln lebten, bezeugen. Erste moderne Menschen, wandernde Jäger, Fischer und Sammler, waren hier um 12.700 v. Chr. erschienen.
In der Jüngeren Steinzeit nahmen zwischen 5500 und 2000 v. Chr. Bauern und Viehzüchter, die zur bandkeramischen Kultur zählen, südlich der Flüsse in der Umgebung des heutigen Limburgs ihren Wohnsitz, Teile der ausgedehnten Wälder mussten dort für Nutzflächen Platz machen. Grabhügel aus der Zeit nach 2900 v. Chr., die zum Teil noch heute in der Landschaft erkennbar sind, zeugen vom Totenkult der Völker, die im Deltagebiet während der Späteren Steinzeit und der Bronzezeit lebten. Im Nordosten des Deltas liessen sich die Megalithiker nieder, die der Trichterbecherkultur zugeordnet werden. Mehr als fünfzig Hünengräber in den nördlichen Niederlanden, hergestellt aus markanten Findlingen, belegen heute noch, dass sie auch in diesem Teil Europas gelebt haben. Bauern und Viehzüchter aus der Glockenbecherkultur dürften um 2500 v. Chr. eingewandert sein.
Abb. 1: Das Rhein-Maas-Schelde-Delta (vgl. Bosatlas 20, 45, 75, 201). 1a 8. Jh. v. Chr.; 1b 1. Jh. n. Chr.; 1c 13. Jh.; 1d 17. Jh.
Um 500 v. Chr. fingen die Bewohner des Deltas an, erhöhte Siedlungen zu bauen, nachdem sie sich zuvor auf natürlichen Bodenerhöhungen niedergelassen hatten, um sich gegen die Überflutungen in der Fluss- und Moorlandschaft am Meer zu schützen. So entstanden bis 1200 n.Chr., als erste Seedeiche angelegt wurden, allein schon in den Niederlanden mehr als 1100 kleinere Haus- und grössere Dorf-Warfen. Ortsnamen aus der Zeit der Germanen mit lexikalischen Elementen wie terp (aus Afr. therp ‚höher gelegenes Land‘ beziehungsweise thorp aus pgm.*þurpa ‚Bau auf urbar gemachtem Land‘ oder als ablautende Variante neben dorp ‚Dorf‘), wierd (Afr. auch werd oder wird, ‚Höhe‘, das möglicherweise etymologisch mit weren ‚Wasser abwehren‘ zusammenhängt und vielleicht mit wierd und waard verwandt ist), und werf (‚Warfte‘) markieren die Siedlungen. Hunderte Ortsnamen in den Landschaften entlang der Nordseeküste, von Südholland bis Dänemark enthalten sprachliche Elemente, die an diese Wohn- und Landwirtschaftskultur erinnern, so -werf in Wieringerwerf, -werd in Tjerkwerd, wird- in Wirdsterterp, -wier in Metslawier, -ward in Bolsward, -uert in Usquert, -warf in Warfhuizen, -uard in Aduard, -warden in Leeuwarden, -weer in Amsweer, sodann weiter östlich in deutschen Ortsnamen auf -wehr, -würden, -wörden, -worth oder -wurth und schliesslich in dänischen Namen auf -vaerft, -vart oder -verft.
Erste kleinere Dämme aus der gleichen Zeit bezeugen, dass die Deltabewohner, traditionell im Norden als ‚Westgermanen‘ und im Süden als ‚Kelten‘ bezeichnet, bereits lange vor der römischen Zeit versucht haben, Sumpfland durch Entwässerung urbar zu machen, eine Fertigkeit, die spätere Bewohner der Niederlande schon im Mittelalter zu gefragten Fachleuten in Europa machte (siehe 4.1.1.). Zu Beginn der Zeitrechnung, zwischen 58 und 51 v. Chr., eroberten die Römer Gebiete links des Rheins der als ‚Belgae‘ bezeichneten Germanen, wie Caesar in Einzelheiten in seinen Commentarii belli Gallici beschreibt. Die zum Teil lückenhaft erstatteten Berichte dieser Epoche setzen dem Zeitalter der Prähistorie der Niederlande ein Ende.