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2.4.1.4. Umstrukturierung des Vokalsystems

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Sodann änderte sich das indogermanische Vokalsystem der Stammsilben, ein verzwickter Vorgang, der sich u.a. durch i- und a-Umlaut, aber auch durch Dehnung vollzog. Sie lässt sich mit Hilfe indogermanischer Rekonstruktionen über das Germanische und verschiedene Stufen einzelner Sprachen, so des Niederländischen, darstellen. Die folgende kurze Zusammenfassung der Nachwirkung einiger dieser Erneuerungen im Niederländischen beruht u.a. auf Ausführungen und Beispielen von Sonderegger und Van Bree, die im Folgenden zum Teil zitiert werden.

Aus dem indogermanischen Kurzvokalsystem, das sechs Phoneme umfasste, entstanden im Germanischen die Kurzvokale/a/,/e/,/i/, /o/ und /u/. Einzelsprachlich erfolgte dann eine Phonemvermehrung durch Umlaute, spontane Palatalisierungen und Brechungen, in der Folge kennt das Niederländische/a/,/ā/,/e/,/ē/,/ie/,/o/,/ō/,/ø/,/ɔ/,i/,u/,/u/:


So ist a in ndl. akker (‚Acker‘) auf ger. beziehungsweise idg. a zurückzuführen, vergleiche idg. *aĝros. In offenen Silben entstand im Niederländischen durch Dehnung ā wie in dagen (,Tage‘). Ein a kann auch mit einem älteren o zusammenhängen, vergleiche ndl. acht (‚acht‘), das im idg. *oktom als mögliche Andeutung für vier Finger mit der Dualisform *okto- in der Bedeutung von zwei mal vier entsprechen würde, lat. octō. Beispiele von e und ē, die auf a zurückgehen, sind ndl. heffen (‚heben‘), vergleiche got. hafjan, ahd. heffen, anl. heuon und veen (‚Moor‘), vergleiche got. fani, ahd. fenni, anl. feni.

Weiter konnte aus idg. e neben ger. e auch ger. i entstehen, einzelsprachlich ergaben sich dann e, i, oder ē, wie ein Vergleich vom Niederländischen mit dem Althochdeutschen beispielsweise zeigt: 1) e > e, ahd. fel, anl. fel, ndl. vel (‚Fell‘); 2) i > i, ahd. fisc, anl. fisk, ndl. vis (‚Fisch‘); 3) i > ē, ahd. wituwa, anl. widowa, ndl. weduwe (‚Witwe‘); 4) e > ē, ahd. geban, anl. gevon, ndl. geven. Bei verwandten Wörtern ist wie im Deutschen mit Alternanz von e und i zu rechnen, vergleiche ndl. geven, dts. geben, ndl. gift, dts. Gift (‚Gabe‘). Durch Ausgleich oder durch weitere gesetzmässige lautliche Entwicklungen ist dieser e-i-Wechsel im Niederländischen vielfach verschwunden, vergleiche dts. sprechen, spricht, ndl. spreken, spreekt.

Unter spezifischen Bedingungen, welche die Merkmale der Folgesilben betreffen, fand eine zusätzliche Steuerung von germanisch e und i sowie von o und u statt, die zum Teil einzelsprachlich erhalten ist und sich auch im Niederländischen nachweisen lässt. Die Änderungen dieses komplexen Vorganges erläutert Sonderegger u.a. mit folgenden Beispielen: 1) e > i, vergleiche lat. medius, ahd. mitti, anl. mitdon, ndl. midden, (‚mitten‘), auch gri. pénte, ahd. fimf, anl. vinf oder durch Wegfall von -n- vor dem ursprünglichen Frikativ im Nordseegermanischen auch anl. vueth, fithima, vīf ‚ mnl. vijf, ndl. vijf (‚fünf‘), sodann ger. *meluk- (‚Gemolkenes‘), ahd. miluh, anl. miluk, mnl. melc, auch anl. milken neben melken (,melken‘), ndl. melken, schliesslich das mit gri. éthos verwandte ger. *siðuz (e > i), ahd. situ, anl. sido, mnl. sede, ndl. zede (‚Sitte‘); 2) i > e, vergleiche das mit dem lat. vir verwandte ger. *weraz, ahd. wër (‚Mann‘); 3) u > o, vergleiche idg. *gulþa-, ahd. gold, anl. golt, mnl. golt (‚Gold‘).

Neben dem schon im Indogermanischen vorhandenen und erhaltenen u, vergleiche idg. *juka und lat. iugum, das sich später im Niederländischen in o, vergleiche mnl. joc (‚Joch‘) oder auch ø verwandeln konnte, vergleiche idg. *hubil-l-ar-, anl. huvil, mnl. houvel, ndl. heuvel (‚Hügel‘), entstanden aus den indogermanischen silbenbildenden Liquiden beziehungsweise Nasalen die urgermanischen Kurzvokale *ul, *um, *un und *ur. Sie entwickelten sich zu u oder o und wurden in einer späteren Phase im Niederländischen zu o, ō, oder ø, so: 1) *ul > u > o, vergleiche idg. *fulla-, afr. ful, fol, anl. fol, mnl. vol ndl. vol (‚voll‘); 2) *um > u > o, vergleiche idg. *gumtis, ahd. kumft, anl. cuomst, mnl. comst, ndl. komst (‚Kommen, Ankunft‘); 3) *un > u > ō, vergleiche idg. *sunu, anl. suno, mnl. soon, ndl. zoon (‚Sohn‘); 4) *ur > o, ō, vergleiche idg. *murþra > anl. morth, mnl. mord, ndl. moord (‚Mord‘); 5) *ur > o > ø wie idg. *duri als Dual für ‚Tür‘ in der Bedeutung von zwei Türhälften, anl. duri, mnl. dore, ndl. deur. Im Gegensatz zum Deutschen mit Bildungen wie gefunden neben gegolten sind in geschlossenen Silben im südlichen Anl. u und o zu o zusammengefallen, im nördlichen Anl. kam aber auch u wie in munt (‚Mund‘), ndl. mond neben o wie in folk (‚Volk‘) vor.

Sodann kannte das Urgermanische die besondere Entwicklung von anχ, inχ und unχ zu āχ, īχ, ūχ, weiter entstanden aus den fünf indogermanischen Langvokalen wie auch aus älteren Kurzvokalen und Diphthongen die germanischen Langvokale/ā/,/ē/,/ī/,/ō/und/ū/. Durch Umlaute und Diphthongierungen erfolgte dann einzelsprachlich eine Phonemvermehrung, die im Niederländischen/ū/,/ī/,/ɔ/,/ʌ//ɔei/ und/ɛi/umfasst:


Aus Urgermanisch -anχ-, -inχ-, -unχ- entstanden mit n-Schwund und Ersatzdehnung: 1) ā, vergleiche *anχan ‚ anl. dahto, ndl. dacht (,dachte‘); 2) ī, vergleiche *þinχan- ‚ ahd. (gi)thīhan, anl. thīon, diphthongiert ndl. gedijen (‚gedeihen‘); 3) ū, vergleiche *þunχ-tō ‚ ahd. thūhta, anl. (n) eduhe (mit proklitischer Verneinung), thute, mnl. docht, ndl. dunkte (‚dünkte‘). Die mnl. Bildung docht für dacht gilt mit der Entwicklung a > o als einzelsprachliche Bildung, die als sogenannte ingwäonische Erscheinung das Niederländische kennzeichnet.

Die idg. Langvokale und *ō fielen zum ō zusammen, vergleiche lat. frāter, ahd. bruoder, anl. bruothron (Dat. Plur.), mnl. broder, brueder, ndl. broeder (‚Bruder‘); so auch *bok, ahd. buoh, anl. buoke (Dat. Sing.), mnl. buec, ndl. boek (‚Buch‘). Germanisch ō wurde immer zum ndl. oe/u/, ein Übergang, der mit Ausnahme der Küstendialekte vermutlich über eine diphthongische Zwischenstufe erfolgte. Somit dürfte die Vorstufe des Niederländischen ein ō gekannt haben, das sich unmittelbar zum oe entwickelte. Dialektische Varianten dieses Lautes fielen später zum oe zusammen und traten an die Stelle des alten ū, das durch Palatalisierung und Diphthongierung verschwunden war, vergleiche die anl. Ortsbezeichnung Bidningahusum und anl. hūs mit ndl. huis (‚Haus‘).

Das germanische ē, auch als ē2 bezeichnet, das aus idg. ēi entstanden war, wurde entweder direkt, so im Küstengebiet oder sonst wahrscheinlich über eine diphthongische Zwischenstufe, vergleiche ahd. hiar, im Niederländischen schliesslich zu ie/ī/wie in hier (‚hier‘). Präteritumformen der starken Verben der 7. Klasse erhielten dieses ie, vergleiche anl. (bi)haldan, (be)hilt, ahd. haltan, hialt, ndl. (be)houden, (be)hield (‚behalten, hielt‘) wie später auch lateinische beziehungsweise altfranzösische Lehnwörter, vergleiche frühe Entlehnungen wie ahd. riemo, mnl. rēm, ndl. riem (‚Riemen‘) aus lat. rēmus und die Ortsbezeichnung Tieglon, die das Wort tiegel aus lat. tēgula enthält, im anl. tegela allerdings mit ē, im mnl. mit ē und ie wie teghel, tighel dann ē im ndl. tegel (‚Ziegel‘). Ebenso enthalten spätere Lehnwörter aus dem Afz. wie ahd. spehōn, mnl. spien, ndl. spieden (‚spähen‘) aus espier dieses ie.

Schliesslich entstanden aus dem indogermanischen Diphthongsystem, das zwölf Phoneme umfasste, die germanischen Diphthonge ai, eu und au. Durch Phonemspaltung und Monophthongierungen ergab sich einzelsprachlich eine Phonemvermehrung. In der Folge entstanden im Niederländischen/ei/,/ɛi/, /e./ und/e/, das später mit/ē/zusammenfiel, sodann /o/,/o.//ou/,/ɔu/und/ô/, schliesslich/ui/,/ɔei/ beziehungsweise/ie/:


Indogermanische Diphthonge fielen ausser ēi und ei zu den germanischen Kurzdiphthongen ai, eu und au zusammen, ein komplexer Vorgang, der sich namentlich wegen der Entwicklung der Langvokale nicht mit Sicherheit nachvollziehen lässt. Es wären folgende Laute zu unterscheiden: 1) ger. ai aus idg. āi, ai, ōi und oi, das zu ndl. /ei/,/ɛi/, /e./ oder/ê/wurde, vergleiche idg. *gaiti-, ahd. geiz, anl. get- in Ortsbezeichnungen wie Gētenbrugga, mnl. gheet, geit, ndl. geit (‚Geiss‘), sodann idg. *moinis im ahd. gimeini, das aus meini (‚zusammen‘) und Präfix gi (‚tributpflichtig‘) zusammengesetzt ist, anl. gemeine, mnl. gemēn, ndl. gemeen (‚gemeinsam‘); 2) ger. au aus idg. āu, ōu und ou, das im ndl. zu /o./ wurde, vergleiche lat. auris, ahd. ōra, anl. ōra ‚ ndl. oor (,Ohr‘) und idg. *roudhos, ahd. rōt ‚ anl. rōt, mnl. root, ndl. rood (‚rot‘); vor w blieb allerdings ou, vergleiche ahd. scouwōn, anl. skouwon, ndl. schouwen (‚erblicken, schauen‘); 3) ger. eu aus idg. ēu, eu das zum ndl. ui (/ɔi/) diphthongierte, vergleiche lat. teutoni (als Name eines Volkes) und möglicherweise idg. teutā, ahd. thiota, anl. *thiudisk, mnl. dudesc, ndl. Duits.

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