Читать книгу Ava & Me - Jennifer Lösch - Страница 11
Kapitel 7
ОглавлениеZuhause angekommen, musste ich erst einmal alles verarbeiten. Es kam mir so unreal vor. Mein Kopf brummte und es drehte sich alles noch eine ganze Weile. Ob ich mir das alles nur eingebildet hatte oder ob es tatsächlich real war? Ich fragte mich, was mit meiner Ma los sei und wieso ich in Dr. Millers Augen so ein Entsetzen auslöste. Ich hätte nicht kommen sollen, ich hätte vor allem nicht allein dorthin gehen sollen. Wieso sind diese Reihen von Zufällen genau heute passiert? „Der Anrufbeantworter!“, erinnerte ich mich. Ich rannte zum Telefon meiner Tante Lynn und schaute ungläubig auf die Zahl 1, die dort stand.
Nachdem ich den Knopf betätigte, hörte ich die Stimme von Dr. Miller, die mir zu sagen versuchte, dass ich heute leider nicht zu meiner Mutter in die Klinik kommen könne. Dass es ihr heute nicht gute gehen würde und sie mit Untersuchungen und Genesungsbehandlungen beschäftigt waren. Die Verbindung war sehr schlecht und man verstand Dr. Miller kaum. Ihre Stimme wurde durch ein Knacken und Rascheln unterbrochen. „War der Anruf heute Morgen schon auf dem Telefon?“, fragte ich mich selbst. Ich habe doch nachgesehen und dort war nichts. Als ich erneut auf den Knopf drückte, sagt eine automatische Stimme: „Sie haben eine neue Nachricht von 0800-1275464 um 08.12 Uhr erhalten!“ Dieser Tag war definitiv seltsam und nicht mein Tag, dachte ich mir und machte mir erst einmal einen Kaffee. Den brauchte ich jetzt.
Tante Lynn und Ava waren beide noch nicht zuhause. Daher genoss ich die Ruhe und lies den Tag nochmals Revue passieren. Ich konnte mir einfach nicht erklären, was das heute war und wieso ich dieses Brennen im Magen immer noch spürte. Je länger ich darüber nachdachte, desto unwirklicher und irrealer kam es mir vor. Vielleicht hatte ich einfach Kreislaufprobleme und zu wenig getrunken. Das kam des Öfteren vor. Wäre Mr. Klark nicht da gewesen, um mir aufzuhelfen und mir ein neues Taxi nach Hause zu rufen, wüsste ich auch nicht, wie ich es überstanden hätte.
Mr. Klark entpuppte sich dann doch noch als sehr nett und bot mir gleich ein Glas Wasser an. Er half mir sofort nach oben. Er war doch größer, als vorerst gedacht, fiel mir auf und ich schätzte ihn auf Mitte 50. Seine strahlend weißen Zähne erinnerten mich daran, auch mal wieder einen Zahnarztbesuch zu vereinbaren. Er redete sehr warmherzig mit mir und machte sich wirkliche Sorgen. Ich dachte, ich müsse ihm das nächste Mal ein kleines Geschenk als Dankeschön vorbeibringen.
Mit meinem Kaffee in der Hand setzte ich mich in unser Wohnzimmer und wollte warten, bis jemand von den anderen nach Hause kommen würde, um meine Geschichte zu erzählen, auch, wenn sie mir sowieso wieder niemand glauben würde. Als ich so in Gedanken schwebte, wurden meine Augen jedoch immer schwerer. Trotz Kaffee merkte ich, dass ich ziemlich müde und mitgenommen war. Also schlief ich von der einen auf die andere Sekunde auf unserer Couch ein.
~Ich erwachte in einem sehr hellen, sogar eher grellen Raum. Als ich mich umschaute, war ich wohl in der Klinik. So fühlte und hörte es sich zumindest an. Ich musste in einem Operationssaal oder etwas Ähnlichem sein. Es stand ein steriler Tisch in der Mitte des Raumes und überall lagen Scheren, Spritzen und weitere silberne Utensilien herum. Es war nicht dreckig, sondern für meinen Geschmack eher zu sauber. Das Licht blendete mich so sehr und wurde von den hellen Metall Gegenständen reflektiert, sodass ich nur schwer sehen konnte. Also nahm ich meine Hand vor die Augen und stand auf. Ich trug ein weißes Gewand, das bis auf den Boden hing. Eine Art Nachthemd. „Wo bin ich hier?“, dachte ich in den Raum hinein, aber sagte nichts.
Da ich wusste, dass ich allein war, machte ich keinerlei Anstalten, etwas zu sagen und ging schnurstracks Richtung Tür. Die einzige Tür, die ich dort sah. Als ich den Raum verließ, nahm ich die Stimmen und Geräusche lauter als vor wenigen Sekunden wahr. Sie sagten nichts, sondern jammerten eher. Es hörte sich unheimlich und traurig an. Zu gerne würde ich einfach nur von diesem Ort verschwinden. Aber ich wusste nicht, wo genau ich war. Ich folgte den Stimmen, um einen Ausgang zu finden. Eigentlich bewegte ich mich schon von ganz allein, ohne eine Ahnung zu haben, wo mich meine Füße hintrugen. Ich schaute an mir herab, meine Füße waren nass und blau. Es war schon recht kühl hier, stellte ich fest. „Was ist hier eigentlich los?“. Ich ging durch eine weitere Tür - hier waren viele Türen zu separaten Räumen. Jede von ihnen hatte ein gläsernes Fenster, durch das man in den Raum schauen konnte. Über jeder dieser Türen waren verschiedene Nummern angeschrieben. Ich schaute mich um und folgte noch immer diesem Wimmern. Was generell eine blöde Idee gewesen wäre. Wenn ich bei Sinnen gewesen wäre, würde ich das Wissen. Aber ich schaute mir irgendwie selbst zu, wie ich ganz automatisch und selbstverständlich zu dieser einen Tür ging und durch das Fenster schaute.
Dort befand sich ein kleines Mädchen, das einen Teddybären im Arm hielt. Dieser sah alt und zerfleddert aus, als hätte er schon viel erlebt. Ich sah das Mädchen nur von hinten und hörte ein dumpfes, aber weit entferntes Schluchzen. Es schien sehr weit weg und gar nicht aus diesem Raum zu kommen. Das Mädchen hatte lange, braune Haare und eine hellblaue Schleife im Haar. Es saß dort auf einem Stuhl und weinte vor sich hin. Mein Versuch, die Tür zu öffnen, gelang leider nicht, lies das Mädchen aber verstummen. Ich öffnete meinen Mund, um etwas zu sagen, aber es kam nichts raus. Sie drehte sich um… und schaute mich direkt an.
Tante Lynn? Sie war es! Ich erkannte Bilder von früher, die wir uns ab und an allemal zusammen anschauten. Und dann erkannte ich auch die blaue Schleife wieder. Ma und meine Tante Lynn hatten sie damals sehr oft im Haar und stritten sich laut Erzählungen öfters darum. Das Mädchen verzerrte ihr Gesicht zu einem bösen Ausdruck und íhre Mundwinkel gingen weit nach unten, als würde sie gerade sehr wütend werden. Als sich das Mädchen in schnellen Schritten dem Fenster an der Tür näherte, erschrak ich so sehr, da ich damit nicht gerechnet hatte und stolperte ein paar Schritte zurück. Daraufhin prallte ich gegen die gegenüberliegende Tür und drehte mich sofort um, in voller Panik, was mich hinter dieser Tür erwarten sollte. Über dieser Tür stand die Nummer 404. Ma?
Ich blickte sofort hinein und dort saß sie, meine Ma! Allerdgins auch als Kind. Mit einer blauen Schleife in den Haaren. Dünn, klein und zierlich. Sie sah ausgezerrt und hilflos aus. Einfach ein Häufchen Elend, das auf einem Stuhl in der Mitte des Raumes saß. Als sie mich sah, weiteten sich ihre Augen sofort. Sie sah aus wie ein Reh, das gerade vor ein Auto gelaufen war und auf die zukommenden Lichter starrte. Sie schreckte nach oben und rannte ebenfalls schnell zur Tür. Doch hier erschrak ich nicht, denn ihr Ausdruck war hilfesuchend und nicht gefährlich. Ich versuchte, die Tür von außen zu öffnen, aber es ging nicht. Ich sah sie etwas Schreien und Tränen an ihrem Gesicht herabgleiten. Aber ich konnte sie nicht verstehen. Die Türen waren zu dick gewesen und waren aus massivem Stahl. Sie versuchte, die Tür von innen zu öffnen, aber auch das funktionierte nicht.
Erst dachte ich, sie schrie, weil sie Hilfe von mir erhoffte und endlich einen Ausweg nach draußen fand, der so nah war. Aber ich sah die Panik in ihren Augen, und erkannte, dass sie die Worte „Lauf“ immer wieder mit ihren Lippen formte. Nach ein paar Minuten erkannte ich, was sie eigentlich von mir wollte und starrte sie mit ängstlichen Augen an. Ich trat ein paar Schritte zurück und erkannte die Gefahr…. Sie wollte nicht raus, Sie wollte, dass ich gehe. Und zwar schnell….Und warum hörte ich Tante Lynn an Ihrer Tür wimmern, verstand Ma aber nicht einmal brüllend? Ich witterte Gefahr.
Dann hörte ich ein Schlurfen. Keine Schritte, es hörte sich nach einem tiefen, langsamen und gefährlichen Schlurfen an. Vielleicht ein Sack der über den Boden gezogen wurde. Weiter stieg Panik in mir auf. Als ich mich umschaute, sah ich niemanden. Keine andere Person und nichts Verdächtiges. Für einen Moment war das Mädchen, das meine Ma war, für kurze Zeit verschwunden und ich konnte sie nicht mehr durch das Fenster in der Tür sehen. Daraufhin kam sie mit einem Block und einem Stift zurück und schrieb hektisch etwas auf.
Als Sie es an die Tür hielt, sodass ich es lesen konnte, begann mein Magen sofort zu brennen und stach so sehr, dass es mich fast in die Knie zwang. Auf dem Zettel stand: „Emma, wach auf. Es ist nur ein Traum, du bist noch nicht soweit. Du musst hier weg!“ Mein Magen schmerzte so sehr, dass ich zusammenbrach und das Bewusstsein verlor….schon wieder.