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Kapitel 2

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Wir wohnten am Ende einer kleinen Reihenhaus-Siedlung in Bristol. Das ist in der Nähe von London. Wir: das waren meine Tante Lynn, meine Cousine Ava und Becky - eine enge Freundin aus Kindertagen meiner Mutter, die sich als Ziel gesetzt hatte, auf uns aufzupassen und meine Ma nicht allein zu lassen. Sie waren schon immer ein Herz und eine Seele gewesen und ich war froh, dass sie da war. Das Haus war bereits lange im Besitz der Familie und dementsprechend heruntergekommen. Das Geld für eine neue Fassade oder ein neues Dach war seit der Trennung von Lynn´s Mann Arthur nicht mehr vorhanden. Klar zahlte er Unterhalt, mal mehr, mal weniger, aber das langte gerade mal so für die Nebenkosten und das Nötigste am Haus. Ein Umzug war aufgrund der steigenden Mietpreise auch nicht so einfach. Verkaufen konnte man das Haus auch nicht in diesem Zustand. Ein Teufelskreis. Das einzige, das Geld bringen würde, wären Tante Lynns Puppen. Sie besaß eine riesige Sammlung aus Kindertagen. Sie waren eine Menge Wert. Aber wirklich trennen konnte sie sich nicht davon. Daher verschloss sie alle bei sich im Zimmer - wie ein kleiner Schatz, was Ava und mir nicht wirklich viel ausmachte, denn wir fanden sie einfach furchterregend.

„Emma!“, rief es von unten durch den Flur. „Es wird Zeit, du musst gleich los.“ Verknittert schaute ich auf die Uhr, der Wecker zeigte bereits 07.30 Uhr. Oh Fuck, dachte ich und sprang aus dem Bett. Dass ich nicht über meinen Wäscheberg fiel, war alles - mein Zimmer glich einer Kleidermüllhalde. „Aufräumen“ klebte bereits seit einigen Wochen an meinem Ankleidespiegel auf einem Post-it. Handgeschrieben von Tante Lynn. Die restlichen mussten wohl durch das Herumwerfen der Kleidungsstücke auf DEN STUHL verschollen gegangen sein. Wer kennt ihn nicht, den Stuhl?

Schnell rannte ich ins Bad, warf mir etwas Wasser ins Gesicht und putzte meine Zähne. Für mehr war keine Zeit, denn ich musste den Schulbus noch erwischen, sonst hätte mich Becky mitnehmen müssen, die genau neben uns wohnte. Was an sich nicht schlecht gewesen wäre, aber ihre Freundin Nadja war gerade zu Besuch. Und diese Person ging gar nicht. Eine Frau Mitte 40 mit einem Ego, das durch die Decke schoss. Immer einen dummen Spruch auf den Lippen. Auch darin, Sprichwörter wiederzugeben, eine Niete. Aber sie selbst fand es immer lustig und Becky leider auch. Sie reimten auch manchmal zusammen an neuen Sprichwörtern, die gar keinen Sinn ergaben. Und auf Nadja hatte ich, ohne einen ersten Schluck Tee oder wenigstens ein Wasser intus zu haben, keine Lust.

Ich schaute nochmal in den Spiegel, hatte das, was ich dort sah, für OK befunden und kämmte meine Haare. Da ich sehr dicke, lockige, braune Haare hatte, war das immer der schlimmste Teil am Morgen. Aber ein Haargummi und ein schneller Dutt ging auch immer. Das wird es wohl heute werden. Beim Anziehen meiner Jeansshorts und dem T-Shirt mit einer Erdbeere drauf, knödelte ich meine Haare zusammen und spritzte einen Spritzer meines Lieblings-Parfüms in die Luft. Danach rannte ich durch die Dunst-Wolke und wollte gerade das Bad verlassen. „Sooooo, fertig!“, rief ich die Tür hinaus.

Da stand Ava mit ihrem weißen kurzen Kleidchen und einer Jeansjacke vor mir. Kaugummi-kauend schaute sie mich an und rümpfte die Nase. „Na? Hast du wieder rumgedieselt mit deinem tollen Parfüm?! Mom mag das nicht, das weißt du.“ Sie kaute ungeniert weiter und ergänzte ihren herzlichen Satz noch mit dem Ende: „Naja, besser, als muffig zu riechen. Deine Klamotten müssten wohl auch mal wieder in die Wäsche. So peinlich….“ Augenrollend ging sie nach unten.

Morgendliche Diskussionen mit Ava sparte ich mir gern, da sie in der Regel sowieso nichts brachten und mich nur noch mehr von allem abhielten, vor allem wenn ich zu spät war.

Unten angekommen nahm ich mir noch einen Frenchtoast, den Lynn für uns vorbereitet hatte und eine braune Tüte Essen mit Brot für den Tag mit. Was da wohl wieder drin sein mochte. Schnell schaute ich rein und entdeckte einen Apfel und eine Banane. Das untere müsste das Brot mit Erdnussbutter sein. Und daneben eine Packung Kaugummi. Die Kaugummisucht lag wohl in der Familie. Naja, in der Familie Hudson, wenn ich es genau nehme. „Hier habt ihr noch jeder 5 Pfund. Mehr ist leider nicht drin. Wünsch euch einen schönen Tag!“, sagte Lynn und verschwand nach oben. Sie selbst musste auch etwas spät dran sein, denn außer einer Kaffeetasse stand kein weiteres Gedeck an ihrem Platz am Esstisch. Mit Luftküssen sendend an uns stieg sie die Treppe nach oben.

Ava und ich nahmen unsere Sachen und gingen gemeinsam zum Bus. „Verpetzt du mich, wenn ich mit Markus fahre?“, fragte mich Ava, keines Blickes würdigend. „Nö, wieso sollte ich? Könnt ihr mich mitnehmen?“ „Weil ich weiß, dass du Markus nicht magst. Und Mom es nicht wissen soll, noch nicht.“ „Quatsch! Habe ich schon jemals was gesagt?“, fragte ich mit hochgezogener Augenbraue. „Nein.“, antwortete Ava kleinlaut. „Aber du könntest.“ „Und du könntest damit kontern, dass ich schon nachts allein draußen war oder allein an die Klinik gefahren bin. Also ist es ausgeglichen. Solange wir zusammenhalten und Markus dich nicht schlecht behandelt, ist alles andere deine Sache.“

Ava schaute mich an, dann fing sie an zu lachen und meinte: „Gut, denn er steht da vorne um die Ecke mit seinem Auto. Wir können dich gern mitnehmen, aber …“

„…nur bis zur Sporthalle an der Schule.“, vervollständigte ich ihren Satz. „Weil uns niemand sehen soll.“ „Genau.“, erwiderte Ava und zwinkerte mir zu. „Na, dann los.“

An der Sporthalle angekommen stieg ich aus dem Auto und Markus und Ava fuhren noch ein Stück weiter. Markus war der aufgeblasenste und seltsamste Typ, den ich kannte. Er war Trainer im Fechtclub und ein Ass im Mathe-Club. Durch ihn hatte der Mathe-Club der Jason High schon etliche Pokale und Urkunden gewonnen. Aber ein typischer Streber war er nicht. Er hätte auch in einem Rugby-Club sein können, was sein Aussehen anging. Aber dennoch war er nicht in der Clique der coolen Jungs, sondern eher bei den Querdenkern unterwegs. Leider auch sehr selbstverliebt und einnehmend. Genau das, was Ava nicht war.

Sie tat zwar immer auf cool und nahm seit einigen Wochen auch den Kleidungsstil an, den Markus gerne wünschte, aber im Inneren war sie eher ruhig und verletzlich. Da wir uns in der Familie nicht sehr viel leisten konnten, war sie froh, dass sich jemand wie Markus mit ihr abgab. Denn nur durch ihn wurde sie auf die Beachpartys oder andere Veranstaltungen der Umgebung eingeladen und konnte sich auch mal ein Getränk leisten. Sonst galt die Regel: jeder durfte maximal 2x im Monat auf eine Feier, einen Geburtstag oder eine Party und Geld ausgeben. Für mehr hatte unser Taschengeld nicht hergehalten. Aber es war okay. Denn wir wussten beide, dass Lynn sich viel Mühe mit allem gab und auch kein High-Verdiener war. Lynn war Lehrerin an einer Grundschule im Nachbarort und putzte nebenbei, meistens an den Wochenenden die Kindertagesstätte daneben. Es war schon viel zu tun und wir kamen immer hin.

Aber auch die Kosten vom Haus wurden immer mehr, da, je länger nichts daran gemacht wurde, mehr und mehr zu reparieren war. Daher würde es nicht mehr lange dauern und auch Ava und ich würden uns einen Job suchen müssen, um mithelfen zu können. Tante Lynn wollte bereits in den Sommerferien mit uns etwas Wichtiges besprechen. Daher wussten wir schon, dass wir den Urlaub unterstützend Zuhause oder mit einem Sommer-Job verbringen würden. Aber auch das würden wir hinbekommen.

Ich wurde aus den Gedanken gerissen, als das Läuten der Schulglocke erhellte. Nur noch 2 Wochen. Dann waren endlich Ferien.

Ava & Me

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