Читать книгу Schwertsänger - Jennifer Roberson - Страница 11

SECHS

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Sand wurde vom Schmutz abgelöst, verkümmertes Gras von dickmaschigem Rasen, Kreosoten von speerartigen Bäumen und sprießenden Sträuchern, die ich nicht benennen konnte. Sogar der Geruch änderte sich. Ich schnupperte und mochte ihn nicht, schmeckte ihn auf der Zunge und erkannte, daß er von den Bäumen kam. Ein beißender, aufdringlicher Geruch, nicht viel anders als der Geruch des Huvakrauts, obwohl er nicht die gleiche Wirkung hatte.

Auch das Land selbst veränderte sich. Die verstreut liegenden Hügel von Harquhal verschmolzen hier zu einer Familie, indem sie sich an den Händen und Köpfen und Schultern berührten. Und mehr versprachen. In der Ferne konnte ich Berge sehen, die aus der Erde himmelwärts wuchsen.

Wir schlugen uns nordwärts und folgten dem Handelsweg aus Harquhal heraus. Mit jedem Schritt brachte mich der Hengst weiter vom Süden fort, weiter von dem fort, was ich kannte, und stieß mich in ein fremdes Land, wie ein Schwert durch den Bauch eines Mannes. Ich mochte das Bild nicht besonders, aber das sagte ich Del nicht.

Nun, ich bezweifle, daß sie überhaupt sehr viel Interesse gezeigt hätte. Sie war in Schweigen versunken, ungewöhnlich still, selbst für ihre Verhältnisse. Und doch spürte ich Erwartung, eine Vorahnung, die nichts mit Angst oder Besorgtheit zu tun hatte, oder mit dem Unbehagen, das ich empfand. Del war verschlossen, aber nicht, weil sie sich zurückzog. Sondern weil das, was sie empfand, äußerst persönlich war: Delilah kam nach Hause.

Ich wußte es sofort, obwohl sie selbst nichts sagte. Es war eine Veränderung ihrer Haltung. Ein kaum wahrnehmbares Aufrichten des Rückgrats, ein Straffen der Schultern, ein Anheben des Kinns. Und ein zögerndes, wunderbares Lächeln, das ihr Gesicht erhellte.

Es war eine bemerkenswerte Verwandlung, die mir darüber hinaus Gewißheit verschaffte.

Del hielt ihren gesprenkelten Wallach an einem kleinen Steinhügel an. Sie schwang ein Bein über seinen Rücken und glitt hinab, wobei sich der Burnus kurz am Steigbügel verfing. Sie riß ihn geistesabwesend los, entfernte sich von ihrem Pferd und beachtete es nicht, als es zu folgen versuchte. Kurz darauf gab es auf, wandte sich ab und neigte den Kopf, um ihn in hügeliges, torfartiges Gras zu versenken. Del beachtete es nicht. Sie kletterte lediglich hinter dem Steinhügel aufwärts und zog Boreal aus der Scheide.

Sie schaute nach Norden. Hinter und unter ihr konnte ich nichts sehen außer Dels Rücken, ganz in cremefarbene Seide gewickelt. Sie hob das Jivatma, hielt es quer zur Sonne, so daß Licht auf der Klinge tanzte, ließ es dann sinken und küßte den Stahl einmal, zweimal, dreimal in einer Geste der Ehrung und Weihung.

»Sulhaya«, sagte sie laut, womit sie ihren nordischen Göttern dankte.

Ich zitterte. In der Sonne war es warm, aber ich fror bis auf die Knochen. Dann verging die Kälte, und mir war wieder warm; ich war zurückgelassen mit der quälenden Erinnerung an etwas, das ich nicht erklären konnte.

Sonnenlicht glitzerte von Boreals bloßer Klinge. Del hatte das Jivatma nicht gestimmt, und doch sah ich den ganz schwachen Hauch lachsfarben-silberner Färbung. Als wisse das Schwert, genau wie Del es wußte, daß es letztendlich heimgekehrt war.

Ich bewegte mich unbehaglich im Sattel. »Bascha ...« Del wandte sich um. Ihr Gesicht und ihre Haltung waren verändert. Ich sagte nichts mehr.

Sie steckte das Schwert wieder zurück in die Scheide. Der Moment war vorbei, sie war wieder Del, aber mit einem neuartigen Lächeln auf den Lippen. Einem Lächeln, das ich noch niemals gesehen hatte, und ich wünschte, es gälte mir.

»So«, sagte sie, »ich bin zu Hause. Jetzt mußt du eine Entscheidung treffen.«

»Eine Entscheidung treffen?«

Sie zeigte auf den Steinhügel. »Dort liegt die Grenze.«

Das hatte ich schon herausgefunden. Aber ich schaute dennoch hin. Der Hügel stellte eine große Unbekannte dar. Einen Ort, an dem sich keine Sandtiger tummelten.

Ihre Stimme war sehr ruhig. »Ich könnte es verstehen.«

Ich sah sie an. Ich sah Verständnis und Mitgefühl in ihren Augen. Sie war noch nicht ganz einundzwanzig Jahre alt, altersmäßig bedeutend jünger, aber an Einsicht weitaus älter als ich. Manchmal haßte ich sie dafür, jetzt haßte ich mich. »Würdest du das?«

Vernünftigerweise gestand sie dann ein: »Vielleicht nicht.«

Hoolies. Ja, sie tat es. Genauso sehr, wie ich selbst es tat. Und daher, gegen jede Vernunft, und sei es nur, um ihr zu beweisen, daß sie unrecht hatte, ritt ich über die Grenze.

Und wünschte mir sofort, ich hätte es nicht getan. Irgend etwas war hier falsch.

Del, die dies anscheinend nicht bemerkte, ging hinunter, um ihren grasenden Wallach einzufangen. Sie drehte ihn um, führte ihn zum Hengst hinauf und stieg schweigend auf. Und dann sah sie mich an und dankte mir, wobei sie den nordischen Ausdruck gebrauchte.

»Was?« Ich war überrascht.

»Danke«, wiederholte sie, diesmal in der südlichen Sprache.

Etwas Feuchtkaltes rann mir das Rückgrat hinab. »Du brauchst mich nicht.« Vor lauter Streitsucht und Unbehagen kam es sehr viel barscher heraus, als ich vorgehabt hatte. (Manchmal macht mich die Wahrheit, verstrickt in unbenannte Gefühle, ein klein wenig mürrisch.) »Du brauchst mich nicht. Nicht wirklich. Das wissen wir beide. Du brauchst niemanden. Nicht, solange du das Schwert trägst.«

Del runzelte die Stirn. Dann verzog sich ein Mundwinkel. »Auf deine eigene, besondere Art bist du genauso unbezahlbar wie mein Schwert.«

»Aha.« Ich setzte den Hengst mit einer Kniebewegung in Gang. »Erzähl mir mehr, Bascha!«

»Nein«, antwortete sie unwillig. »Weil du fischst, Tiger, und ich sehe nirgendwo einen See.«

»Ich mache was?«

Sie öffnete den Mund, schloß ihn, betrachtete mich einen Moment lang, öffnete dann erneut den Mund und sagte mir, was fischen bedeutete. Und was in diesem Falle die Fische waren.

»Du ißt sie?« Ich war entsetzt. Fisch klang nach abstoßenden Lebewesen, mit ihren Schuppen und Flossen und Kiemen.

Ihre Brauen zogen sich in einer Falte zusammen. »Bei all deinen Reisen von Harquhal nach Julah hast du doch bestimmt Fisch probiert. Julah ist, glaube ich, nicht so weit vom Meer entfernt ... und Harquhal ist nicht so weit vom Norden entfernt. Gehen Männer nicht fischen?«

Ich runzelte die Stirn. »Ich habe nie viel Zeit in Harquhal verbracht ... und was Julah betrifft, wie sollte ich wissen, wie nahe es am Meer ist? Ich bin nie über die Berge gereist.«

Erstaunen teilte helle Brauen und schickte sie in Bögen zum Haaransatz. »Hast du dir niemals Karten angesehen?«

»Natürlich habe ich mir Karten angesehen. Ich kenne die Punja, nicht wahr? Ich weiß, wo alle Ländereien liegen, nicht wahr? Und die festen Dörfer und alle Wasserlöcher. Ich weiß ...«

Del hob eine Hand. »Ja. Ich verstehe. Tatsächlich, entschuldige. Ich bezweifle deine Weisheit nicht.« Ihr Ton war so sanft, ihr Gesichtsausdruck so ernst! Was bedeutete, daß sie nichts von dem meinte, was sie sagte, und es nur sagte, um Wirkung zu erzielen. (Oder um mich zum Schweigen zu bringen.) »Ich dachte nur, daß es seltsam erscheint, daß du dir bezüglich der Grenzen und dessen, was dahinterliegt, so unsicher bist.«

»Und ich vermute, du bist dir sicher.«

»Ich habe es gelernt«, sagte sie ruhig. »Es war Teil meiner Ausbildung, das Land kennenzulernen, das ich durchqueren wollte. Ich habe alles hier gespeichert.« Sie berührte ihren Kopf. »Zusätzlich zum Erlernen des Schwerttanzes müssen wir auch Mathematik, Sprachen und Geographie lernen.«

Nun, das erklärte, warum Del und einer oder zwei andere nordische Schwerttänzer, die ich getroffen hatte, meine Sprache so gut beherrschten. Die südliche Sprache ist leicht zu lernen, aber das Desert — die Sprache der Punja — ist es nicht. Del hatte mich zum Übersetzen gebraucht. Sie konnte es jetzt ein wenig, weil sie es von mir aufgeschnappt hatte, aber zumeist unterhielten wir uns in der südlichen Sprache. Das war mir ganz natürlich erschienen.

Was Mathematik und Geographie betraf, so waren mir diese Begriffe völlig fremd, waren nicht mehr als Klänge.

Meine Lehre war allein dem Schwerttanz gewidmet gewesen, den physischen Formen und Ritualen, die den Schwerttanz so einheitlich machten. Ich hatte meine Zeit damit verbracht, zu lernen, wie man sich bewegt, wie man kämpft, wie man tötet, und es war für nichts anderes Raum gewesen.

Ich zuckte die Achseln. »Wir sind verschiedene Menschen, Bascha ... aus verschiedenen Bräuchen geboren.«

Schließlich nickte sie nachdenklich. »Manchmal vergesse ich das. Für uns gibt es immer den Kreis, und den Tanz ... es ist schwierig, sich daran zu erinnern, daß es mehr für uns gibt als nur Schwerter und Kreise und das Tanzen. In diesen Dingen sind wir uns so ähnlich ... in anderen so sehr verschieden.«

Del war geradezu redselig. Das Überschreiten der Grenze zum Norden hatte anscheinend viele ihrer persönlichen Probleme gelockert, die sie so sorgfältig gehütet hatte, und stellte ihr frei, von Dingen zu sprechen, die normalerweise keiner von uns erwähnte.

»Ja, nun, du bist eine Frau, und ich bin ein Mann«, erklärte ich freundlich. »Da muß es Unterschiede geben.«

Dels Gesicht war ausdruckslos. »Das muß sein«, stimmte sie zu, »auch wenn es keine geben sollte.«

»O Del ... nun, laß uns nicht davon anfangen. Du weißt, daß ich der erste bin, der anerkennt, was du geleistet hast. Hoolies, Bascha! Ich bin derjenige, der mit dir gekämpft hat, erinnerst du dich? Ich weiß, wozu du fähig bist. Halte ich mich zurück? Weiche ich aus? Behandele ich dich anders, weil du eine Frau bist?«

Sie dachte einen Moment darüber nach. »Nicht mehr als üblich.«

»Sulhaya«, sagte ich mürrisch und versank in Schweigen.

Del sagte den Rest des Tages auch nicht viel. Sie schien sich an jedem Schritt des Wallachs, der sieweiter vom Süden fortbrachte, zu erfreuen, während ich mich selbst hin und wieder dabei ertappte, über die Schulter zurückzuschauen. Bald, zu bald, wurde die Weite der Wüste durch die Unmittelbarkeit des Nordens ersetzt. Es gab nichts mehr, von dem ich hätte behaupten können, daß es mir vertraut war. Ich war wirklich ein Fremder, abgeschnitten von den mir bekannten Dingen.

Ich saß zusammengekauert auf dem Hengst und verlor mich in Gedanken, denn ich war so gewöhnt an seinen Rhythmus, daß ich ihn ungestraft unbeachtet lassen konnte, außer wenn er seine Gangart änderte. Im Moment tat er das nicht. Er trottete vorwärts, aufwärts, die Ohren zuckten in alle Richtungen, und das messingbeschlagene Zaumzeug klimperte mit jedem Nicken seines Kopfes.

Rund um uns herum schwoll der Boden an wie Blasen auf einem Handballen. Über uns kauerten die Berge, die darauf warteten, uns einzuschließen.

Ich erschauderte kurz. Bewegte mich im Sattel. Bewegte mich erneut, stirnrunzelnd nordwärts schauend, in Richtung auf die Berge. Ich öffnete den Mund, um Del etwas zu sagen, schloß ihn aber wieder mit einem lauten Geräusch, und verachtete mich zutiefst, weil ich es fast laut gesprochen hätte.

Aber etwas hier war falsch.

Es ließ die Haare auf meinem Körper zu Berge stehen. Etwas bewegte sich unter meiner Kopfhaut. Sie schmerzte, und ich kratzte heftig, wobei ich jedoch sehr genau wußte, daß es keine bohrende Krankheit war, sondern etwas Unbekanntes. Etwas Undefinierbares. Und etwas, das mich vielleicht in Dels Augen zu einem ausgesprochenen Narren machte.

Ich sog tief den Atem ein, in dem Versuch, das anwachsende Empfinden der Verkehrtheit abzuschütteln. Ich wollte nur erneut Atem ablassen, aber statt dessen sprudelten Worte heraus. »Ich mag es einfach nicht.«

Es überrascht mich sogar selbst, so herausgeplatzt zu sein, so entschieden und endgültig. Del fuhr herum und schaute mich an, der obere Teil ihres Körpers bewegte sich in dem sanften Rhythmus ihres Pferdes. »Magst was nicht?«

Ich schaute stirnrunzelnd auf die gestutzte Mähne des Hengstes hinab. Meine Finger zupften unwillkürlich an den losen Fäden der geflochtenen Baumwollzügel. Ich sah breite Fingernägel, einige seltsam gefurcht, andere schmal und narbentragend, und mit Erzsplittern gesprenkelte Knöchel. Das Gewicht, das ich in der Gefangenschaft verloren hatte, war durch eine aufbauende Ernährung zurückgekehrt, aber die Narben waren eine Erinnerung beständigerer Art. Es war noch gar nicht so lange her, daß Del und ich der Gefangenschaft des Tanzeers Aladar entkommen waren: ich der Goldmine, Del den unerwünschten Aufmerksamkeiten. Nur eine Sache von Monaten.

»Tiger ... was magst du nicht?«

Da war es wieder. Und ich hatte keine bessere Antwort. »Ich weiß nicht«, sagte ich widerwillig. »Es

»Es«, wiederholte sie offen, nach verwirrtem Überlegen. Ich hob die Schultern und rollte sie, prüfte den Sitz des Harnischs und das Gewicht meines Schwertes. Nein, nicht meines, Therons. »Bascha ... spürst du nichts?«

»O doch«, antwortete sie bereitwillig.

Das erleichterte mich unermeßlich. »Dort. Siehst du? Ich bin nicht verrückt. Da ist etwas Seltsames ... etwas Unheimliches ...«

»Seltsam?« fragte sie. »Ich glaube nicht. Was ich spüre, ist ein Gefühl von Heimat.«

Ja, nun, das war verständlich. Aber ich, ich spürte etwas anderes. Ich fühlte mich entschieden verwirrt. »Del ...«

Sie zügelte ihren gesprenkelten Wallach. Dementsprechend blieb auch der Hengst stehen. Del legte die gespreizten Hände, auf den flachen Knauf ihres Sattels und stützte sich auf die ausgestreckten Arme, wobei sie das Gewicht vom Rumpf auf die Handgelenke verlagerte. »Was du empfindest«, sagte sie, »ist Angst.«

»Ang...«

»Angst«, wiederholte sie und überging meinen bestürzten Einwand. »Du bist noch nie zuvor aus dem Süden herausgekommen. Du hast deine Heimat noch niemals zuvor verlassen.«

»Del, ich bin kein Kind ...«

»Kinder nehmen Veränderungen eher an als Erwachsene.« Ihr Gesicht war ernst. »Ich weiß, was du empfindest. Ich habe es selbst empfunden, als ich in den Süden zog, um Jamail zu finden. Als ich erst einmal die Grenze zwischen unseren Ländern überschritten hatte, wußte ich, daß ich nicht wieder zurückgehen konnte, bis meine Arbeit beendet war. Ich wußte, daß ich abgeschnitten war, verleugnete mein früheres Leben. Das, was ich zu tun hatte, war wichtiger als alles andere in meinem Leben ...«

»Aber ich habe keine Arbeit zu erledigen.« Jäh unterbrach ich sie. »Ich bin nur hier, weil ich Lust hatte mitzukommen.«

Del seufzte und schob eine herabhängende Locke ihres Haares hinter ein Ohr.

Ich biß die Zähne zusammen und versuchte, mich in Geduld zu üben. »Da ist noch etwas anderes«, sagte ich. »Etwas mehr. Sage mir, ich sei verrückt, wenn du willst, aber ich spüre es. Ich weiß, daß es hier ist.«

Del sah sich um. Jeder Schritt brachte uns ein wenig höher hinauf, und wir stiegen beständig aus der weiten Flachheit des Südens heraus. Hier, mit Hügeln und Erhebungen und Mulden um uns herum, war es schwer zu glauben, daß die Punja überhaupt existierte. »Es könnte regnen«, bot sie schließlich an. »Vielleicht ist es das, was du spürst.«

»Hoolies, Bascha, wir reden nicht von Regen, hier — reden wir von etwas völlig anderem, von etwas Ernstem.« Ich starrte sie an. »Und wenn du es nicht spürst, bist du taub, stumm und blind.«

Ihr Kiefer spannte sich an. »Bin ich das?«

Ich atmete tief ein. Schob einen seidenen Ärmel bis zum Ellenbogen hoch und legte einen muskulösen Unterarm frei. Natürlich standen die dunklen Haare aufrecht. »Nun?« fragte ich.

Del schaute auf meinen Arm. Schaute mich an. Etwas zeigte sich in ihrem Gesicht, irgendeine Form eines inneren Aufruhrs, den sie bekämpfte, damit er sich nicht zu offen zeigte. Ich beobachtete, wie sorgfältig sie sich die Worte zurechtlegte, die sie zu gebrauchen gedachte. »Ich denke, daß du dir vielleicht selbst eingeredet hast, daß da etwas Seltsames sein muß ...«

»Mir selbst eingeredet?« Ich ließ sie nicht zu Ende kommen. »O nein, Bascha, dazu brauchte es keines Einredens. Es ist wirklich. Ich bilde mir nichts ein.«

Del seufzte leise. »Du selbst hast mir erzählt, daß du nicht an Magie glaubst, daß sie für dich nicht existiert ...«

»Was ich dir gesagt habe, ist, daß ich sie nicht mag«, sagte ich deutlich. »Oh, sie existiert, in Ordnung. Wie, warum oder in welcher Form, kann ich nicht erklären. Alles, was ich weiß, ist, daß die meisten Leute sie nicht zu gebrauchen verstehen und sie daher falsch gebrauchen.« Ich schüttelte den Kopf und sah mich unruhig um. »Es ist etwas am Norden ...«

»Es ist nichts am Norden«, unterbrach sie mich schroff. »Es ist etwas an dir. Am Sandtiger, der sich nicht darum kümmert, was andere vielleicht glauben, der ihre Gefühle ins Lächerliche zieht. Und jetzt kann er nicht mit seinen eigenen umgehen.« Sie ließ einen Fuß aus dem Steigbügel rutschen, warf ein Bein über den Sattel und glitt hinab, um auf dem Boden auf mich zu warten. »Komm herunter, Tiger, und ich werde dir zeigen, daß das, was du spürst, Aberglaube ist.«

»Was?«

Sie sah zu mir hoch. »Wir werden das klären, Tiger, ein für allemal, damit ich mir dein Murren nicht mehr anhören muß.« Sie deutete mit einem Finger zum Boden. »Komm herunter!«

Ich erwog zu erklären, daß ihr Ton etwas zu wünschen übrigließ — sie hätte fragen können, anstatt zu befehlen —, aber ich entschied, daß es den Streit nicht wert war. Also stieg ich ab und wartete.

Del ging von den Pferden fort und bedeutete mir zu folgen. Ich tat es murrend und blieb stehen, als sie in einer Mulde zwischen zwei kleinen Erdwällen anhielt.

»Nun?« fragte ich.

»Zieh dein Schwert aus der Scheide und stecke es in den Boden.«

Sie lächelte nicht. »Tu so, als wäre er der Bauch eines Mannes.«

Ich schaute mir den Boden aufmerksam an, dann sah ich sie an. »Was soll geschehen?«

»Nichts«, sagte Del zwischen zusammengebissenen Zähnen. »Überhaupt nichts wird geschehen, und dann wirst du sehen, daß du Unsinn redest.«

Ich seufzte. »In Ordnung. Es ist in Ordnung, Bascha ... nimm einen Mann beim Wort.«

»Ich nehme das Schwert beim Wort.«

Ich sah sie stirnrunzelnd an. Sie tat absichtlich geheimnisvoll, einfach um mich zu verwirren. (Das klappt auch fast immer.) Aber dieses Mal weigerte ich mich, Del gewinnen zu lassen. Ich zog Therons Schwert aus der Scheide und steckte die Klinge in die Erde.

Nichts geschah.

»Da«, sagte Del, »siehst du ...«

Tatsächlich, ich sah es, so lange ich konnte. Und dann explodierte der Boden um uns herum.

Einen irrsinnigen Moment lang hatte ich das Bedürfnis, laut aufzulachen. Ich wollte ihr Gesicht hineinreiben, laut ausrufen, daß ich recht gehabt hatte.

Aber ich tat es nicht. Ich war zu sehr mit dem Versuch beschäftigt zu atmen.

Schließlich hörten meine Augen auf zu tränen, meine Ohren hörten auf zu klingeln, meine Brust hielt in ihren Anstrengungen inne. Ich setzte mich auf. Spuckte Dreck aus. Nieste. Zupfte mir Gras aus den Haaren. Spähte durch den beißenden Rauch und sah Del fast das gleiche tun. Sie war also wohlauf. Das bedeutete, daß ich ungestraft hämisch grinsen konnte.

Obwohl ich nicht ganz sicher war, ob ich das noch wollte.

Das Schwert stand aufrecht zwischen uns, unberührt von dem Sturm, der uns beide zu Boden geschleudert hatte. Die Erde um es herum war verbrannt, aber die Klinge zeigte keine Asche- oder Kohlespuren. Sie glühte in einem hellen, schillernden Purpur.

Ich stand langsam auf und klopfte Schmutz und Asche von meinem Burnus. »Nun«, sagte ich leichthin, »Zeit, sich ein neues Schwert zu besorgen.«

Del blieb sitzen. Sie betrachtete die glühende Klinge. Ich sah Erstaunen und Unglauben. Sorgfältige Überlegung. Die Linie zwischen ihren Brauen vertiefte sich, als sie Therons Schwert stirnrunzelnd ansah. Zu sich selbst sagte sie: »Das sollte es nicht tun. Theron ist tot.«

»Glaubst du mir jetzt?«

Sie schaute nicht einmal auf. »Berühre es, Tiger!«

Ich riß fast den Mund auf. »Es berühren? Das berühren? Nach dem, was es zuvor getan hat? Du bist sandkrank, Bascha. Wir lassen das Ding für den nächsten Dummkopf, der vorbeikommt, hier im Boden stecken, und dann soll er sich damit amüsieren!«

Sie schüttelte den Kopf. »Das können wir nicht. Es ist ein Jivatma – für eine bestimmte Person gemacht. Es würde das Schwert entehren, es zu verlassen. Wir sollten es nach Staal-Ysta bringen, um es in Staal-Kithra angemessen zu begraben.«

Sie ratterte fremdartige Namen herunter, aber ich war zu aufgeregt, um sie auch nur nach einem davon zu fragen. »Hoolies, Del, es hätte uns beide töten können.«

»Nein«, sagte sie ruhig, »das glaube ich nicht.« Sie kaute auf ihrer Unterlippe herum und schaute von dem Schwert zu mir. Zweimal, dann noch einmal. Nachdenklich. Nach innen gekehrt. Als dächte sie über etwas Neues und völlig Unerwartetes nach. Und dann lächelte sie zaghaft, so zaghaft, als erkenne sie etwas, und sie lachte, als sei das, was sie überlegt hatte, auch eine Antwort auf eine Frage. »Das Kind geht dahin, wo der Mann vielleicht nicht hingeht ...« Der Satz verflog, aber das Leuchten in ihren Augen nicht. »Vielleicht kann ich trotz allem siegen.«

»Del ...«

Aber sie stieß sich vom Boden hoch und ignorierte meine begonnene Frage. Sie zeigte auf das Schwert. »Ich schwöre, du kannst es berühren. Du kannst es gebrauchen. Es ist nur ein Schwert.«

Eine gewisse Vorsicht ließ mich schroff antworten. »Das hast du schon einmal gesagt.«

Sie kniff die Lippen zusammen und nickte. »Ja. Das habe ich. Es war nur ein Schwert. Und es ist es wieder, ich verspreche es.«

»Warum glüht es dann?«

»Weil du es irgendwie gestimmt hast. Nicht richtig — du kennst die Rituale nicht—, aber irgendwie hast du die Seele in der Klinge berührt.« Del zuckte die Achseln. »Es gibt da zu vieles, was ich dir nicht sagen kann, weil du kein Ishtoya bist. Es gibt Geheimnisse, Tiger, die nur die An-Kaidin kennen.«

»Du kennst sie.«

»Ja«, sagte sie, »ich kenne sie. Aber ich bin ein Schwerttänzer, kein An-Kaidin, es ist nicht an mir, es dir zu sagen.«

»Dann zieh du es aus dem Boden.«

Del seufzte. »Das kann ich nicht. Du hast es gestimmt, Tiger. Nur ein bißchen — nicht genug, um es dazu zu bringen, dir genauso zu dienen, wie es Theron gedient hat —, aber genug, um es die Unterschiede zwischen uns bemerken zu lassen.« Sie wandte den Kopf nach links, in Richtung des Hefts von Boreal. »Bevor du seinen Namen kanntest, konntest du mein Schwert nicht berühren, ohne seine abwehrende Macht zu spüren. Nun, ich kann Therons Schwert nicht berühren.«

»Dann kann ich es auch nicht. Ich kenne den Namen dieser dreimal verfluchten Klinge nicht besser als du.«

Del lächelte milde. »Anscheinend kümmert das ihn oder sie nicht.«

»›Ihn oder sie«‹, murmelte ich düster und wandte beiden den Rücken zu.

Del wartete, bis ich den Hengst, der wegen der Explosion davongaloppiert war, eingefangen hatte und wieder im Sattel saß. »Du bist der Sandtiger«, sagte sie ruhig. »Wie willst du ohne Schwert leben?«

Delilah wußte sehr treffend, wie sie an meinen Stolz, zusätzlich zu meiner Männlichkeit, appellieren konnte. Aber ich entschied, daß es nicht funktionieren sollte. »Ich werde ein anderes Schwert bekommen.«

»Wo?« Mit beredter Übertreibung streckte Del die leeren Hände aus und sah sich um. »Gibt es einen Schwertbaum in der Nähe? Werden sie gesät und geerntet wie Getreide?«

Ich zeigte ihr die Zähne und rang mir ein mildes Lächeln ab. »Ich kann im nächsten Dorf eines kaufen.«

»Und wenn sich uns jemand nähert, bevor wir eines erreichen, was tust du dann?«

Mein Lächeln erstarb, die Frage machte Sinn. »Ich kann nach Harquhal zurückgehen, wo es massenweise Schwerter gibt.«

Dels Hand fiel herab. »Dann tu es«, sagte sie barsch. »Und warum bleibst du nicht auch gleich dort?«

Ich lächelte selbstgefällig, meines Sieges sicher. »Weil du das nicht willst.«

Ich hatte eine Reaktion erwartet, aber nicht die, die ich bekam. Bei meinen Worten schaute sie Therons Schwert an, das noch immer im Boden steckte. Wandte ihren Blick dann mir zu. Überlegte kurz etwas und mochte das Ergebnis nicht. Sie öffnete den Mund, schloß ihn fest und murmelte etwas zu sich selbst, während sie stirnrunzelnd in Richtung der Berge sah, als trügen sie die Schuld.

»Ich genüge mir«, sagte sie in grimmiger Entschlossenheit. »Ich werde mir genügen, egal was du sagst.« Und dann verfiel sie wieder einmal in verbittertes Schweigen und schloß mich erneut aus.

Dies war überhaupt nicht das, was ich erwartet hatte. Irgend etwas störte sie, und es war ernst. Sicherlich mehr, als ich unserer kleinen Auseinandersetzung an Wert beigemessen hätte, wenn man bedachte, daß sie überwiegend ein Vorwand dafür war, Spannung abzubauen.

Sie traf ihre Entscheidung. Schweigend beobachtete ich, wie Del ihr Pferd einfing und aufstieg. Sie zog die fordernde Nase des Hengstes von den sich kräuselnden Lippen fort und wandte das Tier nordwärts, wobei sie die beschuhten Fersen gegen die Haut seiner Flanken stieß. Natürlich versuchte der Hengst zu folgen, erneut die Führung zu übernehmen und den Wallach an seinen Platz zu verweisen, aber ich hielt ihn zurück. Er schnaubte, stampfte, zerrte an straff gespannten Zügeln. Schlug geräuschvoll mit dem Schweif und versuchte, sich den Hügel hinabzuschleichen, als würde ich es nicht bemerken.

Ich bemerkte es. Ich ließ ihn schleichen. Hinüber zum Schwert, das noch immer im Boden steckte. Ich sah stirnrunzelnd darauf hinab und haßte das blasse, purpurfarbene Glühen. Es erinnerte mich an Theron, der die Nacht während unseres letzten Tanzes mit dem Schwert lebendig gemalt hatte. Nun war es kaum noch ein Schatten seines früheren Selbst, aber der Schatten war mehr, als ich ihm zugestehen wollte.

Dels Wallach schnaubte. Ich schaute hinter ihr her und sah, daß sie nicht wartete. Sie ritt zügig nach Norden, zügig aufwärts, versessen auf die Erfüllung ihrer Bestimmung. Bereit, mich zurückzulassen.

O Hoolies.

Ich seufzte. Sah mich um. Nein, Schwerter wachsen nicht auf Bäumen, noch werden sie wie Getreide gesät und geerntet. Und nur die Götter wußten, wann ich ein neues bekommen könnte.

Hoolies. Ich haße es, wenn Del recht hat.

Ich beugte mich hinab und ergriff das Heft, wobei ich undeutlich bemerkte, daß sich die Haare auf meinem Körper beruhigt hatten und der Schmerz fort war. Das Gefühl der Verkehrtheit ließ nach und ließ mich erleichtert zurück, als hätte ich die Blase durchstochen.

Zähneknirschend zog ich daran. Das Glühen wurde schwächer und erstarb dann. Die Klinge glitt aus der Erde. Es war wieder nur ein Schwert.

Und ich war ein Narr. Wieder einmal.

Schwertsänger

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