Читать книгу Schwertsänger - Jennifer Roberson - Страница 8

DREI

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Sie stand langsam auf, ganz langsam, bis die Tischplattes auf gleicher Höhe mit ihrem Oberschenkel war. Eingehüllt in den Burnus, war das meiste von ihr verborgen. Aber ich kannte sie. Ich wußte, wie sie sich bewegte, wie sie sich straffte, wie sie abwartete. Ich wußte, wie ich ihre Absichten einschätzen mußte, indem ich nur in ihren Augen las.

»Del ...«

Sie sah mich nicht einmal an.

Ich wandte ruckartig den Kopf und suchte den Raum ab, in dem Versuch zu sehen, was sie sah. In dem Versuch zu sehen, was sie erregt hatte, was die Frau, die ich kannte, so sehr verändert hatte, indem es sie zu einem lauernden Tier machte.

Ich sah nichts. Nun, nicht nichts. Ich sah Männer. Einfach Männer. Über Tische gebeugt, sich auf Stühlen räkelnd, Geschichten erzählend, Witze, Gerüchte. Und Bardamen, die ihren Geschäften nachgingen. Und Rauch und Lampenlicht und Schatten.

»Del ...« Ich wandte mich um, runzelte die Stirn und sah die Farbe langsam aus ihrem Gesicht weichen. Ihre nordische Gesichtsfarbe war nie sehr intensiv, aber jetzt gab es einen ganz entschiedenen Unterschied. Jetzt sah sie aus wie eine Frau, die seit drei Tagen tot war.

Langsam sank sie auf ihren Stuhl zurück. Ihre auf den Tisch gestützten Hände versuchten noch immer, ihr Gleichgewicht zu halten, die Finger ausgebreitet, starr und zitternd. Zitternd, ich hatte Del niemals zittern sehen.

»Könnte es sein, daß ich mich irre?« fragte sie sich selbst mit seltsamer, tonloser Stimme. Dann wieder, kraftvoller, und doch noch immer merkwürdig tonlos: »Könnte es sein, daß ich mich irre?«

Ich wandte noch einmal ruckartig den Kopf, um herauszufinden, was sie auf so dramatische Weise berührt hatte. Und wieder sah ich Männer. Ich sah, wie sich einer von ihnen von seinem Stuhl erhob, sich umwandte und sich zielbewußt der Tür näherte. Er duckte sich unter dem Vorhang hindurch und war fort. Ich hörte Del langsam und geräuschvoll ausatmen.

»Was zu den Hoolies ...« Eine erhobene Hand schnitt mir das Wort ab. Ich wartete, noch immer besorgt wegen des kurzzeitigen Zitterns ihrer Hände, und allmählich wich der undurchdringliche, blinde Ausdruck aus ihren Augen, und Del sah mich an. Dieses Mal, denke ich, sah sie mich.

»Es ist etwas Persönliches«, sagte sie nur und schüttete einen Becher Wein in sich hinein.

Del trinkt nicht viel. Es sieht ihr nicht ähnlich, den Wein hinunterzuschütten, aber jetzt sah ich, wie sie den Becher an den Mund hielt, als könne die Flüssigkeit ihre Kräfte wiederherstellen. Ich beobachtete, wie sich ihre Kehle bewegte, als sie wiederholt schluckte und den Wein trank wie ein Mann, der Dämonen zu vertreiben versucht.

Oder eine Frau, die mit ihren eigenen kämpft.

»Persönliche Angelegenheiten sind eine Sache.« Ich fing den Becher mit einer Hand ab, nahm ihn ihr fort und stellte ihn entschieden auf den Tisch. »Dies ist eine andere. Vielleicht sollest du darüber reden.«

»Vielleicht sollte ich einen Krug Aqivi bestellen, um dich zum Schweigen zu bringen«, sagte sie scharf. Und dann entschuldigte sie sich mit angespanntem Mund für ihren Ton.

Aber nicht für die Worte. Ich lächelte. »Eine wirkungsvolle Bestechung. Soll ich Jemina zurückrufen?«

»Nein.« Del starrte auf das kalt werdende Hammelstew. »Nein, wir müssen das Geld zusammenhalten.«

»Dann laß uns den Wein behandeln, wie er behandelt werden sollte.« Ich füllte ihren Becher wieder auf. »Mit langsamer und wohlerwogener Wertschätzung.«

»Er ist sauer.«

Ihre Farbe kehrte gleichzeitig mit ihrer feurigen Stimmung zurück. »Ja, er ist sauer«, sagte ich milde. »Und im Moment bist du das auch.«

»Aber du weißt nicht ...« Sie unterbrach sich.

»Nein«, stimmte ich zu, »ich weiß es nicht. Es sei denn, du erzählst mir davon.«

»Es ist etwas Persönliches«, wiederholte Del.

Ich rührte mit einem Stück Brot in erstarrtem Stew, formte Inseln aus dem Fleisch und baute Kanäle in die Sauce. Sanft sagte ich:

»Du weißt mehr über mich als irgendein anderes lebendes Wesen.«

Ihr Blick war scharf, verdutzt, sie dachte darüber nach, beherrschte sich schnell wieder und schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht. Nicht jetzt.«

»Dieser Mann ...«

»Nicht jetzt.«

Es gibt in bezug auf Del Zeiten, in denen Schweigen die beste Strategie ist. Demgemäß wandte ich meine Aufmerksamkeit dem sauren Wein und dem Hammelstew zu, während Jemina mir von der anderen Seite des verrauchten Wirtshauses schöne Augen machte.

Am Morgen jagte Del mich mit einer nicht allzu sanft gegen meine Rippen geschmiegten Faust aus dem Bett. Als ich gekränkt gegen solch schlechte Manieren protestierte, warf sie mir lediglich Dhoti, Harnisch und Burnus zu und schlug vor, ich solle alles so bald wie möglich anziehen, da sie für heute morgen Pläne für uns gemacht habe.

»Pläne?« Ich zog mich an, schlüpfte in den Harnisch und prüfte das Gewicht der geborgten Klinge. »Welche Art Pläne?«

»Beschaffung«, sagte sie knapp und zog den Vorhang mit einem Ruck auf.

Diese Bewegung war zuviel für den zerschlissenen Stoff, der unser kleines Gastzimmer vom Flur trennte. Der Vorhang teilte sich, und Del stand mit einer Handvoll fadenscheinigen grünen Stoffes da. Mit einem verwirrten Zungenschnalzen warf sie ihn zur Seite.

»Du fühlst dich heute morgen nicht wohl, nicht wahr?« Ich hob die Satteltaschen auf und verließ ihr voran den muffeligen, niedrigen Raum. »Wenn du vielleicht einen größeren Teil der letzten Nacht aufs Schlafen anstatt aufs Denken verwandt hättest ...«

»Du hast geschnarcht.«

Aha. Mein Fehler also, ich hätte es wissen sollen. Demgemäß hüllte ich mich in Schweigen und ging hinunter in den Schankraum, um das Frühstück zu bestellen.

Del hatte ebenfalls keinen Appetit, doch sie war zu diszipliniert, um Nahrung nicht anzunehmen, wenn sie angeboten wurde, da sie nicht wußte, wann wir wieder eine Mahlzeit bekämen, aber ganz offensichtlich genoß sie sie nicht. Ungeduldig kaute sie auf hartem Brot herum, löffelte gewürztes Kheshi in sich hinein und trank scharfe Ziegenmilch. Und sagte mir dann, ich solle mich beeilen, als ich daran dachte, eine zweite Schale Kheshi zu bestellen.

Ich sah sie gereizt und stirnrunzelnd an. »Hoolies, Del, wir brauchen nicht über die Grenze zu rennen.«

»Wir brauchen auch nicht hier herumzubummeln. Tiger, du weißt, daß es ein Zeitlimit gibt.«

»Zeitlimit hin oder her«, sagte ich mürrisch. »Ein Mann muß essen, Del. Oder er wird absolut nicht von Nutzen sein, wenn du ihn brauchen solltest.«

Das brachte sie zum Schweigen, wie ich es mir gedacht hatte. Sie erinnerte sich daran, daß ich sie freiwillig begleitete. Ich konnte gehen, wann immer ich wollte. Und indem ich Del daran erinnerte, daß ich ihr die bestmögliche Hilfe gewähren wollte, ließ ich all ihre rechtschaffene Entrüstung schrumpfen.

Es ist schwer, mit jemandem böse zu sein, der einem die Hand hinhält. Außerdem zeugt dies von einem schlechten Charakter.

Ich betrachtete Dels Gesichtsausdruck. Und dann schickte ich die Bedienung ruhig mit der zweiten Schale Kheshi fort, stand auf und hob meine Satteltaschen erneut auf. Schweigend wies ich auf die Tür.

Del machte auf dem Absatz kehrt und marschierte hinaus.

Es wurde deutlich, daß sich Del besser an Harquhal erinnerte als ich, obwohl es fast ein Jahr her war, seit sie hier gewesen war. Sie führte mich auf direktem Weg zu einem kleinen Laden, der sich in die Schatten einer Mauer duckte, und untersuchte dort unsagbar lange, was wie Stapel pelzartiger Felle, geschmeidigen Leders und schwerer, gefärbter Stoffe aussah. Da ich es satt hatte, ihr wie ein Träger zu folgen, der zu Diensten einer südlichen Dame wartet, setzte ich die Taschen an der Tür ab und begann meine eigenen Untersuchungen.

Der Laden roch nach gegerbtem Leder und stinkendem Fell sowie nach anderen Gerüchen, die ich nicht zu benennen vermochte. Gewöhnt an Wüstenseiden und Gazestoffe, konnte ich nicht verstehen, was ein Mensch mit so viel Gewicht und Volumen anfangen wollte. Aber Del verstand es anscheinend. Sie wählte schließlich die Dinge aus, die sie haben wollte, und gab dem Ladenbesitzer fast all unser Geld.

»Sulhaya«, sagte sie, als er die Felle in langen biegsamen Bündeln um weiches Leder rollte und zuband.

Er antwortete in Dels unverständlicher, nordischer Sprache. Ich betrachtete ihn genauer. Er war alt und daher weißhaarig, und der Süden hatte seine Haut geröstet, aber seine Augen waren so blau wie Dels. Kein Südbewohner. Er war eindeutig ein Nordbewohner, was bedeutete, daß Del anscheinend wußte, was sie tat. Ein gewisser Trost, denke ich, wenn man berücksichtigte, daß ich es nicht wußte.

Die Augen des alten Mannes ruhten auf Dels Schwertheft, das über ihre linke Schulter ragte. Boreals Heft ist auf eine Art gestaltet, daß das Auge irregeführt wird, daß der Betrachter in eine Art Trance versetzt wird, wenn er das Heft zu lange anstarrt. Das Silber ändert sich ständig, eine Form verschmilzt zu einer anderen, dann zu einer weiteren, bis man die Zeit vollständig vergißt und nur noch an die sich bewegenden Formen in dem Metall denkt. Und ihnen zu folgen versucht, um zumindest eine zu erkennen, bevor die Klinge das Aussehen des Hefts annimmt und einen vollständig verwirrt.

»An-Ishtoya?«fragte der alte Mann, und Del blieb jäh stehen.

Ihr Gesicht war frostig, zu einem makellosen Schauspiel unbeweglicher Schönheit erstarrt. Aber hart wie Stein und ähnlich leblos.

An-Ishtoya. Der höchste Rang, den ein Nordbewohner kennenlernen kann, als Schüler, als Lehrling, im Kreis. Der Rang wird vom An-Kaidin, dem Schwertmeister, verliehen, der höher steht als die Lehrer selbst, dem Kaidin, dem Höchsten der Hohen. Sie war Ishtoya — Schülerin — gewesen und dann An-Ishtoya – die Höherstehende —, vom An-Kaidin selbst dazu ernannt.

Aber Del hatte dem allem den Rücken gekehrt, sich statt dessen Schwerttänzer genannt, wie es ihr freistand, und war somit durch keine anderen Rituale als die gebunden, die der Kreis bestimmte.

Der alte Mann war eindeutig in ihre streng behütete Privatsphäre eingedrungen. Aber sie reagierte nicht wie so oft bei mir. Vielleicht aufgrund seines Alters. Vielleicht, weil er ein Nordbewohner war. Vielleicht auch, weil er besser wußte, was das Wort und alles damit Zusammenhängende bedeutete.

»Nein«, sagte sie kurz darauf. »Schwerttänzer.«

Etwas bewegte sich kurz in seinen Augen. Aber sein Gesicht — ein Gewebe aus Linien und Falten, die tief in eine Haut eingraviert waren, die heller war als meine eigene– änderte sich nicht. Er schaute erneut auf Boreal und nickte dann. Einmal. »Singt gut«, sagte er in südlicher Sprache und wandte sich ab, um einen anderen Kunden zu bedienen.

Ich schulterte die Satteltaschen, nahm eines der gerollten Bündel auf und verließ den Laden unmittelbar vor Del. Als sie heraustrat, blieb ich stehen, um sie neben mich treten zu lassen.

»Singt gut«, sagte ich verwirrt. »Hat er nicht ›tanzt‹ gemeint?«

Del hatte ihre Rolle aus Fellen unter einen Arm geklemmt. Ihr Gesicht war ausdruckslos. »Nein«, sagte sie. »Das hat er nicht.«

Soviel zu der Erwartung einer Antwort oder weiterer Erklärungen. Da ich es jedoch besser wußte, als daß ich sie gedrängt hätte, ließ ich es dabei bewenden.

Wir beluden unsere Pferde sorgfältig, denn wir wußten, daß Harquhal unsere letzte Ansiedlung vor der Grenze war. Und wenn wir erst einmal die grauen Mauern verlassen hätten und gen Norden zögen, würde ich in meiner Umgebung ein Fremder sein. Del würde uns führen, während ich ihr nur folgen konnte, da ich den Norden nicht kannte. Unsere Rollen würden vertauscht sein, und ich war mir nicht sicher, ob ich das mochte.

Obwohl Del dies ohne Zweifel tun würde.

Sie schwieg noch immer, als wir ihren zögerlichen Wallach und meinen ungestümen Hengst aus dem aus Latten gebauten Stall hinter dem Wirtshaus hinausführten. Über breiten Hinterteilen trugen unsere Pferde jetzt die Rollen aus Fellen und Leder, die oben und seitwärts herausragten. Der Hengst war sich noch nicht sicher, ob er solche Maßnahmen gutheißen sollte. Er ging mit seinen massiven Hinterbeinen seltsam erhöht, wie auf Zehenspitzen. Das häufige geräuschvolle Schlagen seines Schwanzes sagte mir deutlich, daß er erwog, einen Kommentar dazu abzugeben, wie das nur ein Pferd kann.

Er schnaubte, stieß mit seiner Nase — absichtlich — gegen meine rechte Schulter und knabberte daran.

»Hör auf damit«, schlug ich vor und war mir vollkommen der Vorderhufe bewußt, die so nahe an meinen eigenen Fersen stampften.

Er tat es nicht, und so stieß ich eine riesige Faust in Richtung seiner Nase, als er wieder auf meine Schulter abzielte. Die Faust und die Nase verbanden sich. Er fuhr sofort zurück, nickte und ruckte am Ende geflochtener, blau gefärbter Zügel mit dem Kopf, während ein Auge in unschuldigem und verwirrtem Erstaunen umherrollte. Aber das Auge urteilte auch gerissen. Ich lächelte, winkte mit einem warnenden Finger und sah die schräggestellten Ohren sich aufrichten. Sofort legte er sie wieder an, aber er hatte aufgegeben. Er war nicht so sehr böse, als vielmehr verstimmt, weil ich ihn bei seinen Tricks erwischt hatte, und mit Verstimmungen konnte ich umgehen.

Del schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, warum du ihn behältst. Er macht mehr Ärger, als er wert ist.«

»Das kommt darauf an«, sagte ich, denn ich erinnerte mich daran, daß der Hengst, trotz aller Berechnung, einen meiner Feinde getötet hatte. Unglücklicherweise war ich nicht dabei gewesen, um es zu bezeugen. »Was den Grund betrifft, denke ich, daß es zum größten Teil Gewohnheit ist. Wie ein Mann, der seine nörgelnde Frau Jahr für Jahr für Jahr behält.«

Sie warf mir einen vielsagenden Blick zu und weigerte sich, darauf einzugehen. »Eines Tages wird er dich vermutlich töten.«

»Oh, das glaube ich nicht. Er schlägt mich vielleicht immer wieder einmal auf den Kopf, aber letztendlich denke ich, daß er mich eher mag.« Ich tätschelte den festen, flachen Kiefer. »Wir sind uns sehr ähnlich.«

»Voller Tricks«, stimmte Del zu und sah dann an mir vorbei zu dem Wirtshaus, wo wir den größten Teil des vorigen Abends verbracht hatten.

Ich schaute ebenfalls hin und sah nichts. Aber als ich wieder zu ihr zurückblickte, bemerkte ich, daß sie etwas sah.

Und wußte, daß sie es würde erledigen müssen, bevor wie Harquhal verließen.

Ich seufzte. Nickte. Hielt an. »Na los«, sagte ich. »Erledige es.«

Sie warf den Kopf herum. »Du weißt es?«

»Ich weiß, daß es dich niemals ruhen lassen wird«, sagte ich ruhig. »Geh, Bascha! Sieh nach, ob er da ist. Wenn nicht, können wir in dem Wissen von hier fortreiten, daß du zumindest nachgeschaut hast ... Wenn er da ist, nun ...« Ich zuckte die Achseln. »Das ist deine Sache, Bascha.«

»Aber ... du weißt nicht, warum ...«Sie brach ab und schüttelte ein wenig den Kopf. Seidenhelles Haar, ungeflochten, glitt über seidenbedeckte Schultern. »Das kannst du nicht.«

»Vielleicht bin ich dickköpfig, aber ich bin nicht völlig dumm«, erklärte ich ihr barsch. »Gestern abend hast du einen Mann gesehen, und bis du ihn wiedersiehst und das wie auch immer geartete Verlangen, das dich letzte Nacht wachgehalten hat, befriedigst — in einem richtigen Bett, könnte ich hinzufügen —, wirst du launisch sein wie eine schwangere Frau.«

Sie öffnete prompt den Mund, um gegen den letzten Teil meines Kommentars zu protestieren. Del mag es nicht, wenn ich mich über Frauen amüsiere oder sie irgendwie wegen ihres Geschlechts abwerte. Nun, meistens tue ich dies aus dem Wunsch heraus, sie zu necken, und hoffe auf eine verbale Auseinandersetzung. Einmal habe ich es getan, weil Frauen im Süden wenig Beachtung finden. Del hatte meine Einstellung weitreichend verändert, aber auch die Sklaverei hatte sich verändert. Ein Mann, der als Sklave aufgezogen wird, erleidet seine eigene Art von Erniedrigung und lernt schnell, andere nicht so zu beurteilen, wie er selbst beurteilt wird.

Aber nach einem Moment stellte sich heraus, daß Del überhaupt nicht auf die Neckerei einging. Sie kniff lediglich verbissen den Mund zusammen. Ihr Gesichtsausdruck war grimmig. »Es ist etwas, das ich tun muß.«

»Das weiß ich. Das habe ich gerade gesagt.«

»Ich werde ehrlich sein. Es wird ein Schwerttanz werden.«

Ich lachte fast, beschränkte mich aber auf ein Lächeln, als ich erkannte, daß sie meiner Reaktion große Bedeutung beimaß. »Wenn er Schwerttänzer ist, wird es fair sein. Wenn er keiner ist, wird es ein Witz werden.«

Helle Brauen zogen sich zusammen. »Tiger ...« Aber sie unterbrach sich, verschloß in sich, was immer sie hatte sagen wollen, und ließ mich in das Angesicht der Qual sehen.

»Geh«, sagte ich sanft. »Ich werde da sein, Bascha.«

Wir banden die Pferde an, verließen sie und zogen denselben karmesinroten Vorhang zur Seite, den wir am Abend zuvor zur Seite gezogen hatten. Huvagestank hing in dem Wirtshaus, und der Rauch war fast undurchdringlich. Es war noch zu früh, als daß sich dieser Ort mit Männern gefüllt hätte, die Träume in Alkohol, Rauch und Frauen suchten.

Aber nicht zu früh für den Mann, den Del suchte.

Schließlich sah er sie herankommen. Ich erkannte ihn nur an der Überraschung in seinen Augen, der Bewunderung, der kleinen Flamme des Verlangens. Er war eindeutig ein Südbewohner, vom Haar und von der Haut her dunkel, mit tiefliegenden, hellbraunen Augen. Sein Alter konnte ich nicht bestimmen, abgesehen von den Kennzeichen, die besagten, daß er sein Leben in der Wüste verbracht hatte, denn die Sonne hatte ihren Tribut gefordert. Seine Zähne hoben sich strahlend weiß vom Dunkelbraun seines Gesichts ab.

Del beachtete die anderen an seinem Tisch nicht. Sie trat einfach an eine Ecke des Tisches, lehnte sich ein wenig vor, um sicherzugehen, daß er ihre Worte hören würde, und forderte ihn auf, ihr im Kreis gegenüberzutreten.

Und der Mann war offensichtlich überrascht. »Kreis?« echote er verwirrt und in offenkundigem Unglauben. Und dann erholte er sich und lachte. »Bascha, ich werde dich gern im Bett treffen, aber niemals in einem Kreis.« Er ließ das Kichern und Lachen verklingen und lächelte milde, aber ich sah die kaum wahrnehmbare Linie verwirrter Bestürzung zwischen den dunklen Brauen.

Mit einer flüssigen Bewegung und einem kurzen, zischenden Gleiten zog Del Boreal aus der Scheide und hielt sich das Schwert dann quer vor die Brust, das Heft an der Taille, die Handgelenke angespannt, und die Spitze reichte mindestens fünf Zoll über Dels Kopf hinaus. Es war ein diagonaler Strich aus Stahl, der aller Augen auf die Klinge und die Frau zog. Die Bewegung war makellos ausgeführt worden, offensichtlich gut geübt. Ihre Haltung — und damit ihre Absicht — war auf dramatische Art eindrucksvoll und wurde durch Dels Geschlecht beredt unterstrichen. Kein Mann in dem Wirtshaus konnte dies mißverstehen.

Man könnte sagen, es sei keine große Sache, ein Schwert aus der Scheide zu ziehen. Aber Del trug, wie auch ich, den Harnisch so, daß die Scheide diagonal über den Rücken gebunden war. Es ist weitaus bequemer, wenn man eine gleichmäßige Verteilung des Gewichts herstellt, weitaus ausgeglichener, als wenn der schwere Stahl lose herabhängt und gegen die Beine schlägt, aber die Leichtigkeit, das Schwert in die Scheide zu stecken oder herauszuziehen, ist erheblich beeinträchtigt. Es ist ein Zeichen des Stolzes (oder der Eitelkeit — wie man will), daß ein wahrer Schwerttänzer, der sorgfältig in der Kunst des Schwerttanzes unterrichtet wurde, den Harnisch immer auf diese Weise trägt.

Aber es war ein Schwert, und dies war der Süden, und Del war eindeutig eine Frau.

Er lachte, der Südbewohner. Und hielt dann inne, als die anderen innehielten, plötzlich, entsetzt, als sie die lachsfarben-silberne Spitze an die Haut seiner Kehle legte.

Leichthändig, schweigend zerteilte sie den Stoff seines Burnus. Ich sah, wie sich auf ihrem Gesicht etwas bewegte, etwas Unergründliches, nur daß ich diesen Ausdruck schon einmal zuvor gesehen hatte. Als Del Jamail das erste Mal erblickt hatte — und was ihm angetan worden war—, fünf Jahre nach seinem Verschwinden.

Sie nickte einmal, aber ich hatte den Eindruck, daß es überwiegend ihr selbst galt. Wie zur Erhärtung ihres Vorsatzes. »Tretet in den Kreis.«

Ich sprach es fast mit ihr, so vertraut waren die Worte. Die ewige Herausforderung eines Schwerttänzers, zu üben, zu kämpfen, zu tanzen. Zum Spaß oder auf Leben und Tod.

Verlangen wurde durch Verärgerung gesteigert. Die Nasenflügel des Südbewohners blähten sich. »Frau«, sagte er, »geht nach Hause. Geht nach Hause und kümmert Euch um Euren Mann.«

Dels Ton war sehr ruhig. »Ihr seid mein Mann«, belehrte sie ihn. »Ich werde mich im Kreis um Euch kümmern.«

Er hatte mit Begleitern gewürfelt. Jetzt verstreuten geschmeidige Hände Würfel und Münzen und Becher, als er wütend den Tisch leerfegte.

Boreal schnitt in seine Kehle ein.

Er fluchte. Del lächelte, aber nur ein wenig. »Tanzt mit mir«, forderte sie ihn auf, in dem verführerischen Gesang des Kreises.

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