Читать книгу Schwertsänger - Jennifer Roberson - Страница 12

SIEBEN

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Bei Sonnenuntergang verließen wir den Weg und schlugen seitlich an einem Hügel unser Lager auf, wobei wir vorgesehene Lagerplätze in einer windgeschützten Höhle, die aus dichtem Rasen herausgekerbt worden war, mieden. Wir richteten uns dort ein wie Zecken bei einem Hund, banden die Pferde an, entzündeten ein Feuer und nahmen unser Abendessen aus den Satteltaschen: getrocknetes Cumfafleisch, zähe Datteln, einen Laib gepreßtes Brot, eine Bota sauren Wein. Nichts davon war besonders appetitanregend, aber es tat seinen Dienst. Und es war südliche Nahrung. Ich empfand eine seltsame Dringlichkeit, mich so lange wie möglich an das zu halten, was ich kannte. Bald, zu bald, würde ich überhaupt nichts mehr kennen.

Ich aß, trank und saß zusammengekauert auf meiner Decke, als der letzte Streifen Sonnenlicht am Himmel verblaßte. Ich beschloß zu reden, denn das war besser als die nordische Stille. »Ein rauher Ort, der Norden.«

Del hörte auf, Wein in ihren Mund zu spritzen. Sie runzelte verwirrt die Stirn. »Rauh?«

Ich hob eine Schulter. »Rauh. Hügelig.« Ich machte eine wogende Bewegung mit einer Hand. »Kein ebener Boden.«

»Hier nicht«, stimmte sie zu. »Wir befinden uns jetzt in den Ausläufern, den Niederungen. Bald werden wir im Hochland sein ... und danach in den Bergen. Und dort gibt es Wiesen und Täler ... genug ebenen Boden, auf dem man etwas anbauen und leben kann.« Sie wischte sich einen Tropfen vom Kinn, seufzte und strebte von mir fort, während sie sprach, obwohl sie physisch nirgends hinging. »Die Wälder wiederzusehen und das Gras und die Reinheit des Schnees ...«

»Schnee?« Ich wandte den Kopf, um sie anzusehen. »Wir werden in Schnee kommen?«

»Ja, natürlich ... unser Ziel sind die Berge jenseits des Reiverpasses.«

Sie war unglaublich sachlich. Hochland, Niederungen, Berge und Reiverpaß ... ich erwog, sie darauf hinzuweisen, daß ich ihre nordische Geographie nicht kannte und auch nicht den nordischen Schnee.

Ich nahm die Bota, als sie sie mir reichte, trank Wein und reichte sie zurück. Del nahm sie an, tat aber nichts damit, sondern beobachtete mich statt dessen. »Du bist immer noch verwirrt, nicht wahr?«

Verwirrt. Nun, so konnte man es auch nennen. Alles, was ich wußte, war, daß schon wieder etwas meine Haare zu Berge stehen ließ.

Ich seufzte verdrießlich und stieß einen Schuh in das Gras, in die Erde. »Ich schwöre, es ist etwas hier.«

»Ich dachte, es ginge dir besser.«

»Das stimmte. Es ist wiedergekommen.« Das war es, und zwar ungefähr in dem Moment, als wir unsere Decken ausgebreitet hatten. Stetig aufgebautes Unbehagen. Ich hatte versucht es abzuschütteln, aber es wurde statt dessen stärker. »Sieh mal, Del, ich weiß, wie das klingt — was glaubst du, wie mir das gefällt —, aber ich weiß nicht, was ich dir sagen soll. Ich spüre nur etwas, fühle etwas ...« Ich schüttelte den Kopf und brach ab. »Es ist, als wäre man mit einem gefährlichen Gegner im Kreis. Man weiß nicht, was er tun wird, aber man weiß, daß er es tun wird.«

»Abergläubischer Südbewohner.« Del grinste und schüttelte den Kopf. »Ich will mich nicht über dich lustig machen, Tiger — nicht wirklich. Aber du hast schon ein- oder zweimal fast dasselbe zu mir gesagt, als ich von etwas sprach, das ich nicht richtig erklären konnte. Du pflegtest mich Zauberin zu nennen, erinnerst du dich? Nordische Zauberin.« Sie neigte den Kopf ein wenig. »Aber wie soll ich dich nennen?«

»Einen Narren«, sagte ich gereizt. »Warum nicht? Ich fange an zu glauben, daß ich einer bin.«

»Kein Narr«, sann Del. »Nein, mehr, glaube ich. Etwas völlig anderes.«

Ich fuhr herum. »Was?«

Sie zuckte leicht die Achseln und verschloß und öffnete die Bota. »Was du mit Therons Schwert gemacht hast ...« Sie verstummte.

»Nun?« Ich setzte mich aufrecht. »Ja?«

Del runzelte erneut die Stirn. »Ich könnte lügen und sagen, es sei nichts gewesen. Aber es ist etwas gewesen, Tiger.«

Ich fluchte mit entschiedener Barschheit. »Und hast du vor, mir zu sagen, was es war?«

Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht. Ich weiß es selbst nicht. Nur daß — nun ... du sagst, du spürst hier etwas, und offensichtlich hast du es getroffen.«

»Getroffen.« Ich nickte. »Ich verstehe — ich habe es getroffen. Mit diesem Schwert.«

»Ich weiß nicht, wie ...«

»Hoolies, Del, es gibt anscheinend eine ganze Menge, was du nicht weißt.« Ich ließ mich auf meine Decke fallen.

Sie seufzte. »Es läuft immer auf Geschichten heraus ... Erzählungen von diesem und jenem. Wer weiß, was die Wahrheit oder was Lüge ist und ob es einen Unterschied gibt?«

Ich runzelte die Stirn. »Geschichten sind nützlich. Schau dir nur diesen Jungen an, Bellin, der mit uns reisen wollte ... und wer bist du dann, daß du deine Wirkung leugnen willst? Ich bezweifle nicht, daß die Männer ständig über die blonde, blauäugige Bascha reden, die ein Schwert führt wie ein Mann.«

»Ich führe es wegen eines Mannes.« Del sah auf die Bota hinab und hob eine Schulter an. »Jetzt wäre ich wahrscheinlich — wenn die Räuber uns niemals gefunden hätten — verheiratet, würde Babys bekommen, einen Haushalt führen, einen Mann versorgen ... all die Dinge tun, die eine Frau normalerweise tut.« Sie hob den Kopf und schaute über das Feuer hinweg in die dahinter liegende Dunkelheit.

»Aber wer will entscheiden, ob ich mit jenem Leben glücklicher wäre, anstatt mit dem, das ich führe?«

»Aber dieses Leben entstand aus einer Tragödie.«

»Ja. Und wenn dieses Leben aufzugeben bedeuten würde, daß ich meine ganze Verwandtschaft wiederbekommen würde, dann würde ich es tun. So.«Sie schnippte mit den Fingern. »Aber das würde es nicht bedeuten. Ich bin, was ich bin, und habe, was ich habe. Es gibt kein Zurück.«

Ich richtete mich auf einen Ellenbogen auf. »Was, wenn es eines gäbe, Del? Was, wenn deine Blutschuld erlassen wäre? Du hast Jamail zurückgelassen. Es steht keine Familienschuld mehr aus. Was würdest du dann tun?«

Ihr Gesicht war unter ihrem Haar verborgen. »Ich bin ein Schwerttänzer, Tiger. Das ist mein Leben, ich habe es erwählt.«

»Für einen Zweck«, sagte ich ruhig, »und dieser Zweck ist fast erfüllt.«

Sie wandte den Kopf und sah mich an. »Und wenn ich dasselbe zu dir sagen würde?«

Ich schüttelte den Kopf. »Das würde nicht passen, Del. Ich wurde Schwerttänzer ...«

»... aus dem Verlangen nach Rache heraus«, beendete sie meinen Satz gelassen.

»Belüge dich selbst nicht noch mehr als mich, Tiger. Du bist, was du bist, weil du stark genug gehaßt hast, um zu überleben, um diesen Haß anzuerkennen und ihn zu gebrauchen.« Sie runzelte ernst die Stirn und versuchte, die passenden Worte zu finden. »Was die Räuber mir angetan haben, war nicht viel anders als das, was die Sklaverei dir angetan hat. Es hat uns zerbrochen, gebeugt, neu erschaffen, Hingabe aus der Zerstörung herausgeschält ... Widerstand aus der Verzweiflung.« Sie zog den Atem ein, ließ ihn wieder ausströmen. »Ich dachte, ich würde das niemals sagen — es ist nichts, worauf man stolz sein kann, angesichts vergossenen Familienblutes —, aber ich werde es einfach sagen, dir, der es verstehen sollte: Ich bin damit besser dran, ungeachtet des Grundes.«

Ich dachte kurz an all die Jahre der Sklaverei. Sie wurden so mühelos abgetan. Ich war jetzt schon länger frei, als ich jemals Sklave gewesen war, aber die Erinnerungen blieben bestehen. Ich würde sie niemals vergessen.

Ich bin, was auch immer ich bin, sagte ich. Ich bin, was ich aus mir gemacht habe, ungeachtet der Gründe.

Aber ich konnte es ihr nicht sagen.

Ich stand auf, zog meinen Burnus zurecht und bewegte das Schwert leicht in der Scheide. »Ich denke, ich werde mich etwas umsehen.«

Del sah hinter mir her, machte aber keine Anstalten, mir zu folgen. Ich wandte mich um und begann auf die Spitze des Hügels zu klettern.

Niederungen, so hatte sie sie genannt. Nur Ausläufer, unbedeutend im Vergleich zu den Bergen. Aber ich war mir bereits einer Bedrücktheit bewußt, die meinen Geist zum Schweigen brachte. Ich war an die weiten Ausdehnungen der südlichen Wüste gewöhnt, an das unfruchtbare Land des Sandes und der Sonne. Hier gab es Vegetation im Überfluß, reiche, würzige Erde, die von einem Versprechen auf Leben sang, das ich nie gekannt hatte, und sogar eine Luft, die anders roch und schmeckte. Die Niederungen erhoben sich, in eigenartiger Umkehrung zu ihrem Namen, rund um mich herum.

Ich schaute hinaus in die Ferne und mochte die Dichte der Nacht nicht. Im Süden erscheint selbst die tiefste Dunkelheit noch ziemlich hell. Das rührt daher, daß der Mond, der Licht über die Meilen flachen Sandes verbreitet, keine Hindernisse kennt. Licht fließt ungehindert und stetig am Boden entlang. Aber hier, wo es Hügel und Berge und Bäume gibt, kämpft das Mondlicht um die Herrschaft und verliert fast immer.

Ich erschauderte. »Ich mag es nicht«, sagte ich leise. »Und ja, ich habe einen Grund ... ich kenne es einfach noch nicht.«

Unter mir wieherte der Hengst. Er redete mit mir oder mit dem Wallach oder vielleicht mit sich selbst. Der Klang wurde deutlich herangetragen und klang näher, als er war. Als ich hinabsah, konnte ich das Feuer sehen und den Schatten von Dels Silhouette, die zufrieden vor den Flammen zusammengekauert saß.

Nun, sie würde zufrieden sein. Sie war schließlich zu Hause, nach vielen Jahren.

Irgend etwas stach mich in den Rücken. Ich fluchte. Fuhr herum. Verlor mich in den plötzlich auftauchenden Schatten und stolperte über einen Stein. Fluchte erneut gegen den Schmerz in meinem großen Zeh an. Der Stein rollte davon, polterte und verfing sich an einem anderen. Dort blieb er liegen. Ich sah ihn deutlich, Seite an Seite mit dem zweiten. Und einem dritten und einem vierten ... bei siebenundzwanzig hörte ich auf zu zählen.

Steine. Einfach nur Steine. Aber seltsam abgerundete, glatte, als seien sie geformt und sorgfältig poliert worden. Einer nach dem anderen ergossen sie sich zu einer langen, gebogenen Linie, wie eine Halskette aus Punjakristallen. Schwarz im Licht eines abnehmenden Mondes, bei Tageslicht, bei Sonnenlichtvielleicht von anderer Farbe. Ich folgte ihrer Spur, bis der letzte wieder auf den ersten traf — oder darauf getroffen wäre, wenn ich ihn nicht von seinem Platz gestoßen hätte.

Die regelmäßige Anordnung war erfreulich. Ich war ein Schwerttänzer, geboren als Kind des Kreises, und hier stand ich einem weiteren gegenüber, einem nördlichen statt einem südlichen, aus Steinen gebildet statt aus einer in den Sand gezeichneten Linie, aber nichtsdestoweniger ein Kreis. Dadurch fühlte ich mich besser. Erheblich besser.

Ich fühlte mich dadurch äußerst gut.

Grinsend beugte ich mich hinab und nahm den von seinem Platz gerutschten Stein auf. Er war kühl, seidig, schmeichelnd in meine Handfläche geschmiegt. Seine Berührung nahm mir den letzten Rest des Unbehagens und ersetzte es durch Freude, eine intensive, dauerhafte Freude, die mich den Stein liebkosen ließ. Widerwillig beugte ich mich hinab und legte ihn zurück in die Kahlheit der Mulde, die ich aufgedeckt hatte. Zufrieden nickte ich, denn die Symmetrie war wiederhergestellt.

Eine Woge des Wohlbefindens erfüllte mich. Ich fühlte mich nicht länger unter Druck oder niedergeschlagen, sondern von einer tödlichen Zufriedenheit erfaßt.

Und dem Bedürfnis, sie zu teilen.

Ich richtete mich auf. »He, Del!« Echos hallten im Überfluß. »Hast du Lust zu üben? Es ist gerade hell genug, um es interessant werden zu lassen — und irgend jemand hat uns freundlicherweise einen Kreis hinterlassen.« Ich betrat ihn, stieg über den Stein, den ich in der Hand gehalten hatte, und zog Therons Schwert aus der Scheide. Das hell purpurfarbene Schimmern war verschwunden, aber das Mondlicht ließ das Silber erglühen. In dem Glanz sah ich die Runen, die in die Klinge gebrannt waren, und fühlte ihre Fremdartigkeit erneut wirken. Aber das Unbehagen war vollkommen verschwunden. Was ich jetzt empfand, war selbstzufriedene Freude, ein Vorgefühl wahren Vergnügens. Es war fast sexueller Natur. »Komm, Del ... dir könnte ein wenig Übung nicht schaden!«

Sie erklomm den Hügel langsam, ein Schatten inmitten anderer Schatten. »Warum schreist du so?« fragte sie barsch. »Ich habe den Frieden dieser Nacht genossen, und du zerstörst ihn mit deinem Lärm.«

Ich machte eine Geste. »Siehst du den Kreis? Ich dachte, wir könnten ein wenig üben.«

Del runzelte die Stirn. »Welchen Kreis? ...« Und dann verstummte sie jäh, den veränderten Tonfall ihrer Frage unterdrückend. »Komm heraus«, sagte sie schroff. »Komm jetzt sofort heraus!«

»Warum, zu den Hoolies?«

Sie ging nicht auf meine Frage ein. »Hast du irgend etwas berührt? Irgend etwas im Kreis oder an dem Kreis selbst?«

»Ich habe einen Stein zurückgelegt, nachdem ich ihn aus Versehen zur Seite gestoßen hatte. Warum?«

Del fluchte. Helles Haar entflammte im fahlen Mondlicht. Ihre Augen lagen in Schattenmulden verborgen. »Es ist ein Lokikreis, Tiger. Ich kann nicht hineinkommen, nicht jetzt — aber du kannst noch immer herauskommen. Tu es jetzt, bevor sie erwachen.«

»Bascha, du machst dich lächerlich. Es ist nichts hier...«

Doch, jetzt. Und ich spürte es kommen.

Irgend etwas riß mich auf die Knie. Das Schwert fiel mir aus den Händen, als ich nach vorn schwankte und die Hände auf dem Gras spreizte. Irgend etwas hatte mich, und doch konnte ich überhaupt nichts fühlen. Keine Finger, keine Stricke, keine Fallen. Nur eine Macht, und diese Macht zog mich hinab in ein widerliches Wechselspiel mit der Erde.

Ich lag flach ausgestreckt auf dem Bauch und wurde festgehalten. Mein Gesicht, das zur Seite gewandt war, lag im Gras und dem Dreck darunter, in einer kalten, feuchten Dunkelheit, die in die Augen und in die Nase und in den Mund eindrang.

Ich wollte schreien, aber ich schluckte nur Dreck und Gras.

Mich windend, versuchte ich freizukommen. Versuchte, mich dem Griff, der mich mit unerbittlicher Kraft festhielt, zu entziehen. Ganz schwach hörte ich Del rufen, aber ihre Worte ergaben keinen Sinn. Meine Ohren waren mit Gras verstopft.

Ich spuckte und hustete, versuchte zu atmen, versuchte halb erstickt, Dreck und Feuchtigkeit auszuspeien.

Ich war mir einer völlig unpassenden Dringlichkeit meines Körpers bewußt, eines Bedürfnisses, mich in die Erde zu erleichtern, wie ein Mann in eine Frau. Das erweckte in mir den Wunsch, mich zu übergeben.

Der Rasen war lebendig. Er strich an meinem Körper entlang und verband dann seine Wurzeln und Halme mit meinem Haar, meinen Fingern und Zehen. Er kitzelte Mund und Nasenlöcher und wollte in meine Augen eindringen, als er sich mit meinen Wimpern verflocht. Ich kniff die Augen zusammen und versuchte erneut zu schreien, aber der geöffnete Mund machte lediglich hereinkriechendem Rasen den Weg frei. Ich würgte, als kleine Halme meinen Rachen kitzelten.

Hoolies, Bascha, tu was!

Das tat sie. Sie riß die Kette herunter, die sie trug, und warf sie in den Kreis. »Nehmt das statt dessen!« rief sie. »Nehmt das, und laßt mir den Mann!«

Ich war, das wußte ich, kaum mehr als ein wie ein Mann geformter Wall am Boden, halb von der Erde und dem Rasen verschlungen. Einen Moment länger, und es wäre überhaupt nichts mehr von mir übrig. Aber irgend etwas dachte über das Angebot nach. Überdachte Dels Worte. Taxierte das Geschenk, das sie darbot.

Und akzeptierte es.

Ich wand mich aus dem Dreck und Gras frei, wobei ich die Proteste reißender Wurzeln und zerrissenen Grases hörte. Ich stolperte, fiel, rappelte mich wieder hoch und versuchte, über den Steinkreis hinweg hinauszustürzen.

»Das Schwert«, schrie Del. »Überlasse ihnen kein Jivatma!«

Irgendwie erreichte ich es, hielt es fest und brachte es aus dem Kreis, wo Del mein Handgelenk ergriff. Ich war schwach und verwirrt. Sie zog mich fort.

»Bascha ...«

»Wir müssen wieder packen und aufsatteln, so schnell wir können, und beten, daß die Kette im Moment ausreicht«, sagte sie fest. »Später kann ich mit den Göttern sprechen und sie um ihr Eingreifen bitten.«

Ich ließ das Schwert fallen, das ich wieder mühsam in die Scheide gesteckt hatte, und bückte mich, um es aufzuheben. »Del ...«

»Wir dürfen keine Zeit verschwenden, Tiger. Die Loki sind ebenso launisch wie gierig.«

»Aber was sind sie?« Ich versuchte, die Nachwirkungen zu überwinden, aber ich konnte es nicht. Wut und Entsetzen erweckten in mir den Wunsch, meinen Leib vollständig zu entleeren. »Was, zu den Hoolies, hatte mich in den Klauen?«

Sie ließ mich los, als wir das Lager erreichten, und machte sich daran, Gegenstände in die Satteltaschen zu stopfen. »Ich werde es dir später erklären.« Und als ich mich nicht schnell genug bewegte, um ihr zu folgen, richtete sie sich auf und fixierte mich mit einem ärgerlichen, festen Blick. »Im Süden wurde von mir erwartet zu tun, was auch immer du sagtest, wenn du es sagtest, weil du das Land besser kanntest als ich. Dies hier ist der Norden — willst du nicht dasselbe umgekehrt tun?«

Der Punkt ging an sie. Ich nickte zitterig und ging davon, um die Pferde bereitzumachen.

Zumindest versuchte ich, die Pferde bereitzumachen. Der Hengst, das verdrehte Tier, das er nun einmal war, beschloß, daß er seine Arbeit für diesen Tag getan hatte und nun ausruhen wollte. Ich konnte es ihm nicht wirklich vorwerfen. Wie ich hatte auch er gegessen, getrunken und sich entspannt — und war bereit nachzusinnen über was auch immer Pferde nachsinnen, wenn sie nichts besseres zu tun haben. Und nun störte ich ihn.

Ich dachte an Dels Dringlichkeit und die möglichen zusätzlichen Bedrohungen durch den Lokikreis. Ich hatte keine Lust, mich über den Hengst aufzuregen, obwohl er mehr als bereit war, sich über mich aufzuregen.

»Tiger — kommst du?«

Ich knallte den Deckengurt und die Decke auf den Rücken des Hengstes, sah, daß beides ins Rutschen geriet, als er seitwärts tänzelte, fing es auf, hielt es fest, entging geschickt einem Stoß seines Kopfes, ergriff den Sattel, schwang ihn hinauf. Der Hengst, der sehr geschickt in dieser Art Tanz war, versuchte, dem abrutschenden Sattel auszuweichen. Ich gab nicht nach, ließ ihn herunterplumpsen und wich einem tapsenden Huf aus. »Nicht jetzt«, bestimmte ich fest, dem Hengst, nicht Del gegenüber, die sowieso zu beschäftigt war, um mich zu hören.

Er stampfte, schnaubte, erwischte mit dem harten Knochen seines Kopfes einen Ellenbogen und schubste mich zur Seite. Mit pferdeartigem Nachdruck.

»Tiger ...« Ängstlich und ungeduldig.

»Del, ich komme ...«Ich fluchte, stieß dem Hengst einen Ellenbogen in die Rippen und schubste ihn zurück. Dann wiederholte ich die Bewegung, als der Kopf streitlustig herumschwang.

Nase traf Ellenbogen. Ellenbogen gewann.

»Das ist kein Spiel, Tiger.«

»Nein, das ist es bestimmt nicht ...«Ich zog den Deckengurt mit grimmiger Entschlossenheit an, befestigte die Schnallen und fuhr herum, um sie aufzuzäumen, »... aber manchmal muß ich ihn davon überzeugen.«

Sie klang verwirrt, dringlich, ungeduldig. »Überzeuge ihn ein anderesmal.«

Ein Huf landete auf meinem Fuß. Ich trug Sandalen, es tat weh. »Du Mist ...« Aber ich unterbrach mich, als der Kamm des Hügels Feuer fing. »Was, zu den Hoolies, ist das?«

»Die Loki wollen uns noch immer«, sagte Del grimmig. »Die Kette war nicht genug.«

Ein hell glänzender Fels taumelte über den Kamm des Hügels. Er zog einen Feuerschweif nach sich.

»Hoolies ...« Aber ich beendete den Satz nicht. Dels übermütiger Wallach beschloß, das Ganze abzukürzen und loszurennen.

Der Pflock landete am Boden. Da es jetzt frei war, wenn es auch das Seil und den Pflock mit sich zog, stürzte das gesprenkelte Pferd an dem Hengst vorbei und jagte in rasendem Lauf den Hügel hinab.

Mein Pferd, das den Wettkampf liebte, beschloß, sich ihm anzuschließen. Und hätte es auch getan, ziemlich plötzlich, wenn ich nicht Dels Decke vom Boden aufgehoben und über seinen Kopf geworfen hätte. Da es nun nichts mehr sehen konnte, beendete es seine Flucht und blieb zitternd, schnaubend und schwitzend stehen.

»Nicht jetzt«, erinnerte ich den Hengst und schwang mich in den Sattel. »Del, wenn du kommen willst, dann beeile dich.«

Sie kam und zog eine Satteltasche hinter sich her. Sie reichte sie hinauf, so gut sie konnte und ohne übertriebenen Aufwand, aber der Hengst, der das unerwartete Schaben von Leder auf seinen Schultern spürte, als ich die Satteltaschen an den Sattelknauf hängte, sprang zur Seite. Die Decke rutschte ihm vom Kopf, und der Anblick brennender Felsen spiegelten sich in seinen hervortretenden Augen.

Ich fluchte, holte die Zügel und die Satteltaschen ein, sortierte sie und riß den Hengst in Dels Blickrichtung herum. Hinter ihr richtete sich der Hügel mit seiner unirdischen Flammenkrone auf.

»Er geht durch«, warnte ich. »Mach dich bereit zu springen — ich ziehe dich hinter mich hinauf ...«

Der Hengst kämpfte gegen mich, ich kämpfte gegen ihn, und Del wartete am Boden. Ich riß ihn herum, riß ihn erneut herum, ließ ihn steigen. Und dann beugte ich mich hinab, während ich ihn laufen ließ, und streckte einen Arm aus.

Del spannte sich an, streckte die Hand aus, streckte sich. Ich ergriff sie, zog sie im Lauf hinauf. Sie schlang ein Bein hinauf und klammerte sich mit den Beinen an den Hengst und mit beiden Armen an mich.

Ich schrie, und wir flohen.

Ein Blick zurück zeigte mir Rinnsale schmelzenden Steins, die über den Kamm des Hügels liefen. Sie krochen mit erschreckender Genauigkeit auf die verstreuten Überreste unseres Lagers zu.

Del preßte sich gegen meinen Rücken. »Halt nicht an, Tiger. Denk noch nicht einmal daran anzuhalten.«

Das tat ich auch nicht, weil ich es nicht konnte. Der Hengst hatte seinen eigenen Kopf.

Schwertsänger

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