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Neustart in der WG

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„Warte, Julia! Ich helf’ dir!“

Ich drehte mich um und entdeckte hinter mir Frank, der zusammen mit einem jungen Mann auf mich zukam.

Ich stellte meinen großen Rucksack wieder ab und reichte Frank die Hand.

„Das ist übrigens Matthew, er hat das Zimmer neben dir!“

Also begrüßte ich auch ihn und ging dann hinter den beiden her ins Dachgeschoss.

„Hast du da Steine drin? Der wiegt bestimmt mehr als du!“ keuchte Frank im Treppenhaus.

„Nein, aber Bücher.“

„Glaubst du etwa, du kommst bei uns zum Lesen?“

Irritiert blieb ich auf der Treppe stehen. Wie hatte Matthew das jetzt gemeint?

„Hier ist Party angesagt!“ redete er weiter.

Ich beschloss auf seine lockere Art einzugehen.

„Ich hoffe mal, dazu ladet ihr ein paar nette Kommilitonen ein!“

Nun blieb Matthew stehen und sah mich an.

„Etwa solo?“

„Jetzt fang nicht gleich an zu flirten, Matthew! Hilf mir lieber mit Julias Tasche!“ mischte sich Frank ein.

Matthew lief die paar Stufen zu Frank und nahm ihm den Rucksack ab. Ich hatte den Verdacht, dass er mir imponieren wollte, allerdings bemerkte ich auch sofort seinen überraschten Gesichtsausdruck, als er meine Sachen anhob. Dennoch ließ er sich nichts anmerken und stellte die Tasche in mein Zimmer.

„Dafür gibst du nachher zum Einstand aber einen aus!“ forderte Matthew mich auf.

„Trinkt ihr Bier?“ fragte ich und holte aus meinem Rucksack einen Sechserpack.

„Du weißt, wie man sich einschmeichelt“, grinste Matthew und verschwand mit dem Bier in der Küche.

Ich setzte mich erst mal auf mein Bett und sah mich in meinem kleinen Zimmer um. Ich hatte lange suchen müssen, bis ich ein erschwingliches, möbliertes Zimmer gefunden hatte. Auch wenn der Raum winzig war, würde das für mich völlig reichen. Als ich mir den Raum zum ersten Mal angesehen hatte, lernte ich Frank, Simone und Giselle kennen. Sie waren mir alle sehr sympathisch. Nun saß ich in Giselles altem Zimmer. Ich fand es schon etwas schade, dass ich die anderen Mitbewohner vorher nicht kennen lernen konnte, allerdings hatte ich schon so lange nach einem Zimmer gesucht, dass ich einfach zugegriffen hatte. Zumindest waren Frank und Simone ganz nett.

Es klopfte an meine Tür.

„Ja?“

„Kommst du mit in die Küche?“ fragte Frank.

Also folgte ich ihm und ließ mir von Matthew ein Bier öffnen.

„Simone ist übrigens letzten Monat ausgezogen“, eröffnete mir Frank.

„Habt ihr schon jemand anderen?“

„Ja, zum Semesterbeginn kommt Antonia.“

„Und wie ist sie so?“

„Ich fand sie ganz nett. Sie ist Erstsemesterin, erst zwanzig und sie sieht dir sogar ähnlich!“

„Nur weil sie nach deiner Beschreibung auch blond, klein und schlank ist, sehen die beiden sich noch lange nicht ähnlich, Matthew!“

An mich gewandt meinte Frank:

„Aber für ihn sehen eh alle Frauen gleich aus!“

„Und wer wohnt noch hier?“

„Im Moment hast du Glück, du bist mit uns beiden alleine“, äußerte Matthew.

„Warum nennst du das Glück?“

„Andere Frauen wären glücklich mich für sich zu haben!“

Ah ja, so ein Typ war Matthew also. Ich wollte schon mit einem Spruch antworten, besann mich aber eines besseren. Ich musste es mir nicht schon am ersten Tag mit Matthew verderben.

„Und wann kommen die Anderen?“ ging ich also nicht auf ihn ein.

Frank grinste.

„David und Antonia kommen erst in vier Wochen, Robin wahrscheinlich in zehn Tagen.“

„Wahrscheinlich?“

„Sie nimmt es nicht so genau mit Zeitangaben“, erklärte Matthew.

„Dann sind wir hier drei Frauen und drei Männer?“

Nun sahen Frank und Mathew sich an. Grinsend bestätigten sie das schließlich.

„Und warum bist du schon einen Monat vor Semesterbeginn hier, Julia?“

„Warum nicht, Matthew? Sonst hätte ich ja deine nette Gesellschaft versäumt!“

„Endlich mal jemand, der mich zu schätzen weiß! Du gefällst mir, Mädel!“

„Was studiert ihr?“

„Lehramt“, war Franks kurze Antwort.

„Welche Fächer?“

„Mathe und Sport.“

„Wievieltes Semester?“

„Ich komm’ jetzt ins sechste.“

„Und wie alt bist du?“

„Vierundzwanzig. Fertig mit dem Verhör?“

Ich nahm einen Schluck von meinem Bier.

„Du könntest ja auch einfach von dir aus erzählen!“

„Du bist die Neue!“

„Und?“

„Dann fängst du auch an!“

Matthew bestätigte Franks Worte, also begann ich:

„Ich bin hier, um mein Hauptstudium zu machen.“

„Sollen wir dir jetzt auch jedes Wort aus der Nase ziehen?“ fragte Matthew vorwurfsvoll.

„Ich bin vierundzwanzig, will Diplom-Dolmetscherin für Englisch und Spanisch werden und hab’ mein Grundstudium an einer kleinen Uni im Norden gemacht. Für die letzten fünf Semester hab’ ich mich hier eingeschrieben.“

„Warum hast du die Uni gewechselt?“

„Weil meine Mitbewohner zu neugierig waren!“ gab ich zurück.

Frank lachte.

„Was wollt ihr sonst noch wissen?“

„Hast du einen Freund?“

„Ich habe viele Freunde, allerdings kenne ich in dieser Stadt außer euch noch niemanden.“

„Wenn du willst, zeig’ ich dir die Stadt“, bot Mathew gleich an.

„Darauf komm ich gern zurück! Was machst du eigentlich?“

„Ich studier auch auf Lehramt. Mein Hauptfach ist Deutsch, Nebenfach Sport. Bin im fünften Semester. Außerdem bin ich noch zu haben“, fügte er gleich hinzu.

„Wie alt bist du?“

„Dreiundzwanzig, ich steh’ also in der Blüte meines Lebens!“

„Redet der immer so oder nur wenn er was getrunken hat?“ wandte ich mich an Frank.

„Da wirst du dich dran gewöhnen müssen, Julia! Aber keine Sorge, er hat bloß ne große Klappe!“

„Hast du eigentlich nen Führerschein?“ fragte Frank zusammenhanglos.

„Ja.“

„Klasse!“ freuten sich die beiden.

„Allerdings keinen Wagen, den kann ich mir nicht leisten“, gab ich zu Bedenken.

„Macht nichts, Frank hat einen!“

„Jobbst du nebenbei, Frank?“

„Klar! Wir arbeiten beide in einem Fitness Studio“, verriet Matthew gleich.

„Arbeitest du da oder versuchst du Frauen aufzureißen?“

„Sie hat dich durchschaut, Matthew!“

„Wenn du gerne ins Fitness Studio gehst, kann ich da preislich was machen.“

„Nettes Angebot, Matthew, aber da halt ich mich lieber an Frank!“

„Es ist unglaublich, Frank! Du sagst kaum was und kriegst trotzdem immer die Frauen ab!“

„Vielleicht solltest du darüber mal nachdenken“, neckte ich Matthew.

Ich verbrachte einen netten Abend mit den beiden und fühlte mich gleich nicht mehr so allein. Auch wenn Matthews Art auf Dauer bestimmt nervig war, so gab es doch Schlimmeres. Ich würde mich schon an ihn gewöhnen. Eigentlich wunderte mich sein Gerede gar nicht, er war ein echter Sunnyboy, so wie er aussah, liefen ihm die Mädchen wahrscheinlich scharenweise hinterher. Genau wie Frank war er groß und durchtrainiert. Matthew war blond und blauäugig, Frank hingegen hatte schwarzes Haar und dunkelbraune, große Augen.

Als ich alleine in meinem Zimmer war, legte ich mich gleich ins Bett. Meine Sachen konnte ich auch noch morgen auspacken.

Als ich aufwachte, waren Frank und Matthew noch in ihren Zimmern. Also frühstückte ich allein, packte danach meine Sachen aus und räumte dann die Küche auf. Ich hatte nirgends einen Putzplan entdeckt und wollte nicht sofort negativ auffallen. Dass ich etwas schlampig war, würden meine Mitbewohner noch früh genug bemerken.

Danach nahm ich mir mein Fahrrad, das ich gestern vor der Tür abgeschlossen hatte und suchte einen Supermarkt. Ich war mir nicht sicher, wie die beiden darauf reagieren würden, dass ich mir das Frühstück bei ihnen geliehen hatte, also wollte ich alles schnell wieder ersetzen. Eigentlich hatte ich bereits gestern vorgehabt einzukaufen, aber ich musste auf dem Weg hierher dreimal umsteigen und hatte meinen Anschlusszug verpasst, weil der Erste Verspätung hatte. Leider hatte mir auf den Bahnsteigen niemand geholfen und so musste ich mich mit meinem Fahrrad und meinem Rucksack alleine rumquälen.

Als ich die Wohnungstür aufschloss, sah ich gleich Matthew. Er ging in seiner Unterhose in die Küche und fragte verschlafen:

„Hast du Brötchen mitgebracht?“

Kein schlechter Anblick! Matthew hatte einen durchtrainierten, muskulösen Körper. Als ich Matthew hinterher sah, fiel mir sofort sein knackiger Hintern auf. Nun kam Frank aus dem Bad, auch er trug nicht mehr als einen Slip und auch für ihn schien das völlig selbstverständlich zu sein.

„Morgen, Julia!“ grüßte er freundlich.

„Guten Morgen, Frank“, antwortete ich und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.

An den Anblick der beiden könnte ich mich durchaus gewöhnen!

Ich ging hinter ihnen her in die Küche und legte Brötchen auf den Tisch.

Erstaunt sahen sie mich an.

„Gewöhnt euch nicht dran! Das mach’ ich nicht jeden Morgen!“

„Schade!“

Während ich meine Einkäufe auspackte, fragte ich:

„Gibt’s hier eigentlich nen Putzplan?“

„Du bist dran!“ bemerkten sie gleichzeitig.

„Das hier ist nicht meine erste WG!“

„War aber einen Versuch wert!“ rechtfertigte sich Matthew.

„Der Plan hängt hier“, verriet Frank und öffnete einen der Küchenhängeschränke.

„Und wie ist das mit dem Badezimmer?“

„Wenn du mit Putzen dran bist, musst du das natürlich mitmachen!“ entgegnete Matthew verständnislos.

„Ich meinte eher einen Zeitplan.“

„Kommst anscheinend aus ner großen WG“, folgerte Frank.

„Wir waren zu acht und hatten nur eine Toilette.“

„Wahrscheinlich auch noch alles Mädels?“ wollte Mathew wissen.

„Na, das hätte sicher ein totales Chaos gegeben!“

Bei dieser Vorstellung musste ich lachen.

„Bis jetzt hat das auch ohne Plan ganz gut geklappt, außerdem haben wir ja auch noch das kleine Gäste WC“, erklärte Frank.

„Weiß einer von euch wo ich das `blue elephant` finde?“ wechselte ich das Thema.

Die beiden hielten für einen Moment mit ihrem Frühstück inne und sahen mich an.

„Was willst du da denn?“

„Ich hab’ da heute Nachmittag ein Vorstellungsgespräch.“

„Als was?“ fragte mich Frank und beide beobachteten mich genau.

„Als Serviererin, wieso?“

„Warum gerade im `blue elephant`?“

„Weil die gut zahlen!“

„Ich hoffe, du weißt auch warum.“

„Klar, weil ich fließend spanisch spreche und die dort ne Menge Geschäftskunden haben.“

Jetzt lachten Frank und Matthew. Irritiert sah ich sie an. Als sie sich wieder beruhigt hatten, riet Frank mir:

„Nur ein kleiner Tipp, Julia, geh’ ins `blue elegant`!“

„Aber wenn du im `blue elephant` anfängst, werd’ ich da sofort Stammkunde!“ lachte Matthew.

Später fand ich raus, dass das ´blue elephant` eine oben ohne Bar war. Das wäre ja was geworden!

Noch am selben Tag fing ich mit meiner Arbeit in der Bar an. Anfangs nur zur Probe, aber der Chef war zufrieden mit mir und so hatte ich schnell einen Job gefunden. Während meines Grundstudiums hatte ich in einer Studentenkneipe gejobbt. Meine Hoffnung, in einer nobleren Bar von den Gästen besser behandelt zu werden, erfüllte sich leider nicht. Die betuchteren Gäste waren genauso anzüglich wie alle anderen, allerdings fiel das Trinkgeld hier höher aus.

Schnell hatte ich herausgefunden, warum Matthew und Frank so begeistert von meinem Führerschein waren: Sie gingen beide gerne auf Partys und tranken Alkohol, also brauchten sie einen Fahrer. Auf die Art lernte ich wenigstens einige Leute kennen. Außerdem waren die beiden im betrunkenen Zustand einfach nur süß! Es hagelte von ihnen Komplimente, sie waren absolute Gentlemen und ich genoss es tatsächlich, so von ihnen umgarnt zu werden. Allerdings verlor ich auch schnell wieder die Lust, mit ihnen auf diese Partys zu gehen, auf Dauer war es ziemlich nervig den Anderen beim Trinken zuzusehen.

Als ich an einem Abend von der Arbeit nach Hause kam, waren beide noch nicht da, sie hatten heute Spätschicht im Fitness Studio. Ich legte mich total geschafft auf die Couch und schaltete den Fernseher ein, denn ich hatte noch keine Lust ins Bett zu gehen. Ich sah einen spannenden Thriller und zog mir in einer Werbepause schnell mein Schlafzeug an und holte meine Bettdecke, dann machte ich es mir wieder bequem. Ich hatte kein Licht eingeschaltet, was den Film noch spannender machte. Eine Frau war alleine in ihrem Haus und hatte aus dem Erdgeschoss Geräusche gehört. Also ging sie nach unten, wo aller Wahrscheinlichkeit nach der Killer bereits auf sie wartete…

„Buuh!“

Ich schrie auf, als ich die Stimme hörte und eine Hand auf meiner Schulter spürte. Hinter mir stand plötzlich ein Mann und ich kullerte tatsächlich von der Couch. Dann ging das Licht an und Matthew und Frank konnten sich kaum halten vor Lachen.

„Du Blödmann!“ rief ich, schnappte mir ein Kissen und schlug damit auf Matthew, der mich so erschreckt hatte, ein. Er wollte wegrennen, aber ich ließ nicht locker und rannte hinterher.

Als wir lachend zurück ins Wohnzimmer kamen, lag nun Frank eingekuschelt in meine Decke auf der Couch.

„Na, das hast du dir wohl so gedacht!“

Kurzerhand packte ich ihn am Rücken und schubste ihn von dem Sofa, um mich dann schnell auf meinen Platz zu legen.

Matthew lachte und Frank schien irritiert zu sein, mit so einer Reaktion hatte er wohl nicht gerechnet.

„Das ist meine Couch!“ erklärte ich todernst.

Es war die einzige Couch, ansonsten gab es lediglich zwei Sessel.

„Wie kommst du auf die Idee?“

„In meiner alten WG war das Sofa auch der Weiblichkeit vorbehalten!“

„Und das sollen wir dir glauben?“

Ich nickte und versuchte dabei todernst zu gucken.

Frank und Matthew sahen sich an, dann schnappte Matthew sich meine Beine, Frank hob mich an meinen Schultern hoch und sie nahmen mich einfach von dem Sofa und setzten mich auf einen der Sessel.

„Hier läuft das anders!“ erklärten sie.

Wenn sie gedacht hatten, ich würde mir das gefallen lassen, dann hatten sie sich geirrt. Dieses Spiel hatte ich in meiner alten WG schon viel zu oft gespielt, als das sie mich hätten einschüchtern können.

Da sie nun beide auf dem Sofa saßen, in ihrer Mitte aber noch ausreichend Platz war, nahm ich mir meine Decke, setzte mich zwischen sie, um gleich darauf meine Füße auf Matthews Schoß zu legen. Mit dem Kopf legte ich mich auf Franks Beine.

„Ich lass mich doch nicht vertreiben!“ verkündete ich gespielt empört.

Zu meiner Verwunderung half Matthew mir sogar dabei, mich in meine Decke einzupacken.

Julias Geheimnis

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