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unangenehme Begegnungen

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Es war etwa halb drei, als wir wieder aufbrachen.

„Wollen wir noch auf die Party der Jungs?“ schlug ich vor.

„Das ist keine gute Idee!“

„Wieso nicht?“

„Ich lebe in einer anderen Welt!“

„Die hat mir gefallen!“

Robin freute sich.

„Robin, wieso gehst du mit den Jungs eigentlich nicht aus?“

Als er nichts sagte, fragte ich weiter:

„Wollen die beiden dich nicht dabei haben?“

„Ich glaub’ nicht…“

„Aber wieso denn das nicht?“

Robin sagte wieder nichts, aber ich ließ nicht locker.

„Julia, ich mach dir einen Vorschlag: Wir gehen da kurz rein und dann wirst du selbst sehen, was ich meine!“

Schon im Eingang fiel es mir auf. Robin zog die Blicke auf sich, aber die sahen nicht unbedingt freundlich aus und Robin schien sich dabei auch nicht wirklich wohl zu fühlen. Spontan nahm ich ihn in meine Arme und plötzlich veränderte sich das Szenario.

„Ist das deine Kleine?“ fragte einer der Partygäste Robin.

Verwirrt sah er ihn an.

„Seine ganz allein!“ antwortete ich und drückte mich noch enger an Robin.

„Witziges Outfit!“ rief ein anderer.

„Hej Kumpel!“

Eine Gruppe junger Männer stand nun vor uns.

„Eins musst du mir unbedingt verraten! Wie hast du es geschafft, so ne scharfe Schnecke abzuschleppen?“

Im ersten Moment hatte Robin unsicher meine Hand gedrückt, nun gewann er langsam sein Selbstvertrauen zurück.

„Sie steht auf schrille Outfits!“

„Das muss ich mir merken!“

Gemeinsam gingen Robin und ich durch die Räume. Auch wenn mit uns kaum einer redete, so schien Robin sich in seiner auffälligen Rolle doch wohl zu fühlen.

„Hier sind aber auch einige Sahneschnitten!“ flüsterte Robin mir zu.

„Lässt du mich mit deiner Kleinen mal tanzen?“

Vor uns stand ein breiter Kerl und sah mich an. An Robins Blick bemerkte ich sofort, dass ihm der Typ gefiel. Noch bevor Robin etwas sagen konnte, erwiderte ich:

„Ich tanze nur mit meinem Schatz!“

„Das will ich gerne sein!“ offenbarte er zu meiner Überraschung und griff nach meinem Arm.

Ich versuchte ihn abzuschütteln und Robin stellte sich zwischen uns.

„Sie hat `nein` gesagt!“ meinte er.

Daraufhin ließ der Typ mich los und legte seine Hände auf Robins Schultern. Erschrocken sah ich hin. Was ging denn hier ab?

„Bleib ruhig, Lars!“ forderte Matthew, der plötzlich neben Robin stand.

Er und Frank gingen mit Robin nach draußen. Ich versuchte schnellstens hinterher zu kommen, denn ich hatte kein Bedürfnis mit dem Kerl alleine zu bleiben.

Draußen fragte Frank:

„Was sollte das, Robin? Ich hab’ keine Lust, mich deinetwegen noch mal zu prügeln!“

„Ich…“, begann ich.

„Was?“

„Ich hab’ Robin dazu überredet, er wollte gar nicht mitkommen“, erklärte ich schließlich.

Im Innersten war ich erleichtert und froh, dass ich nicht alleine reingegangen war. Der Typ hatte schließlich nicht Robin angemacht. So was war mir vorher noch nie passiert und hatte mich verunsichert.

„Danke, Robin!“ brachte ich schließlich hervor.

„Nein, Liebes! Ich hab’ dir zu danken! Es war ein außergewöhnliches Gefühl, so bewundert zu werden!“

„Bewundert?“ fragte Matthew.

Er und Frank verstanden kein Wort und ich war froh, dass Robin nichts weiter erzählte.

Als ich am Sonntag von der Arbeit kam, hatte ich eigentlich vorgehabt, mich sofort ins Bett zu legen. Aber kaum lag ich, schon klopfte es an meine Tür. Zu meiner Überraschung war es David.

„Oh, entschuldige! Ich wollte dich nicht wecken.“

„Hast du nicht, David. Was gibt’s?“

„Eigentlich wollte ich dich fragen, ob... Aber wenn du müde bist...“

Ich stand auf und ging zu David.

„Was ist denn los?“

„Ich hab’ ein Problem mit meinen Hausaufgaben.“

„Und da fragst du mich? Ich hab’ von Computern absolut keine Ahnung!“

„Es geht um eine Gebrauchsanweisung, die ist auf Englisch.“

„Zeig mal her!“ forderte ich ihn auf.

„Sie ist auf meinem Rechner. Magst du mitkommen?“

Gemeinsam gingen wir in Davids Zimmer. Es war nicht viel größer als meins und zu meiner Verwunderung noch unordentlicher.

David zeigte auf den Bildschirm seines PCs. Die Gebrauchsanweisung ging über fünf Seiten, war aber relativ einfach zu verstehen.

„Soll ich sie dir übersetzen?“ bot ich David an.

„Das wäre echt super! Schaffst du das heute noch? Ich muss das bis morgen fertig haben.“

David war spät dran, sicher hatte er diese Hausaufgabe schon viel früher bekommen. Ich ersparte mir einen Kommentar und bat David um einen Zettel und einen Stift. Bis ich das Ganze getippt hätte, würde es Ewigkeiten dauern. Also machte ich die Übersetzung schnell mit der Hand.

„Ich hoffe, du kannst meine Schrift entziffern!“ äußerte ich meine Befürchtung, als ich fertig war und einen Blick auf mein Geschreibsel warf.

„Klar! Kein Problem! Danke, Julia!“

David setzte sich an seinen Platz und ich verließ sein Zimmer wieder.

„Hast du dich jetzt doch entschieden, Liebes?“ fragte mich Robin gleich, der mit den Anderen im Wohnzimmer saß.

„Wozu entschieden?“

„Gehst du uns fremd?“ erkundigte sich Matthew.

Matthew, Frank und Robin schienen sich zu amüsieren, lediglich Antonia sah mich eigenartig an.

„Gute Nacht!“ sagte ich nur und war froh, endlich ins Bett zu kommen.

Weder am Montag noch am Dienstag bekam ich einen meiner Mitbewohner zu Gesicht, denn gleich nach der Uni ging ich zur Arbeit und kam nicht vor Mitternacht nach Hause. Als ich am Mittwoch die gemeinsame Wohnung betrat, wollte ich schnell unter die Dusche, etwas lernen und dann zu Kai fahren, aber Toni hielt mich auf.

„Gehst du mir aus dem Weg, Julia?“

Erstaunt sah ich sie an.

„Nein, wieso sollte ich?“

„Na, weil ich dich letzten Freitag...“

„Vergiss es, Toni!“

„Es tut mir aber leid!“

„Ist schon vergessen!“

„Heißt das, du gehst wieder mit mir aus?“

„Sicher!“

„Dieses Wochenende?“ fragte sie mich gleich hoffnungsvoll.

„Toni, ich kann nicht jedes Wochenende ausgehen...“

Sie unterbrach mich einfach:

„Ich lad’ dich auch ein!“

An das Finanzielle hatte ich gar nicht gedacht.

„Hast du mittlerweile einen Job?“

„Ja, in der Villa, von der du mir erzählt hattest.“

„Und was machst du da?“

„Putzen und Babysitten. Ist echt klasse da und die Bezahlung ist auch in Ordnung!“

„Schön, Toni! Das freut mich für dich!“

Ich wollte in meinem Zimmer verschwinden.

„Gehen wir nun am Wochenende auf eine Party?“ fragte sie wieder.

„Ich weiß noch nicht, ob ich arbeiten muss.“

Genau genommen wusste ich sehr genau, wann ich Dienst hatte, aber ich hatte den Chef gebeten, mich sofort anzurufen, wenn viel zu tun war, damit ich meine Nachhilfe bezahlen konnte. Außerdem war ich nach der Sache mit Robin und diesem aufdringlichen Typen etwas unsicher, was Partys anging.

Ich sah Antonia ihre Enttäuschung an.

„Sonst frag’ doch Robin, ob er mit dir ausgeht“, schlug ich vor.

Sie sah nicht sonderlich begeistert von meiner Idee aus, also beschloss ich noch mal darüber nachzudenken.

Kurz vor sieben klingelte ich an Kais Tür. Zu meiner Verwunderung öffnete niemand, also setzte ich mich auf die Stufen vor der und Tür wartete.

Etwa fünf Minuten später ging die Tür auf. Kai stand mit nassen Haaren vor mir.

„Tut mir leid, dass du warten musstest. Ich hab’ noch schnell geduscht.“

„Ich bin froh, dass du überhaupt Zeit für mich hast!“ gab ich ehrlich zurück.

Wieder setzten wir uns in die Küche und Kai schaffte es schnell, mir alles zu erklären. Danach redeten wir noch so miteinander. Ich erfuhr, dass Kai bereits einunddreißig war und vor dem Studium eine Ausbildung in einer Bank gemacht hatte.

„Und warum hast du die Uni gewechselt?“ fragte er mich schließlich.

Ich warf einen Blick auf meine Uhr, es war bereits nach zehn.

„Tut mir leid, Kai, ich muss jetzt los, sonst komm ich morgen gar nicht mehr hoch...“

„Soll ich dich bringen?“ bot er mir an.

„Nein, danke! Ich bin mit dem Fahrrad hier.“

Kai brachte mich noch bis zu meinem Fahrrad, dann radelte ich so schnell wie möglich nach Hause.

Am Freitag sprach Toni mich wieder an, sie wollte unbedingt auf eine Party mit mir gehen.

„Warum gehst du nicht mit Matthew und Frank alleine?“ fragte ich sie.

„Du bist also doch sauer auf mich!“ stellte sie fest.

„Nein, Toni, bin ich nicht.“

„Warum kommst du dann nicht mit?“

„Weil ich diese Woche viel gearbeitet hab’ und unheimlich müde bin“, versuchte ich ihr ehrlich zu erklären.

„Dann leg dich doch jetzt noch ein bisschen hin, dann bist du bis heute Abend wieder fit!“ schlug sie vor.

„Ich muss putzen!“

„Das übernehm’ ich für dich!“ rief sie und machte sich sofort an die Arbeit.

Wie konnte ich da noch nein sagen?

Gegen acht klopfte es an meine Zimmertür.

„Ja?“ fragte ich verschlafen.

Frank kam rein.

„Du willst also heute wieder mitkommen!“ stellte er fest.

Ich sah auf meine Uhr, es wurde langsam Zeit, dass ich mich fertig machte.

„Wann fahrt ihr los, Frank?“

„In einer Stunde. Ich hab’ übrigens noch was gut bei dir, Julia“, erinnerte er mich.

„Und?“

Ich rechnete damit, dass er wieder wollte, dass ich fahre.

„Ich darf heute aussuchen, was du anziehst!“ erwiderte er grinsend.

Na klasse! Ich hatte keine Lust auf eine Diskussion, aber ich konnte wegen Toni auch nicht sagen, dass ich nicht mitkomme.

„Bitte!“ brummelte ich also und zeigte auf meinen Kleiderschrank.

Frank öffnete ihn und legte dann einen schwarzen Minirock und eine rote, figurbetonte Bluse auf mein Bett.

„Das ist nicht dein Ernst!“

„Doch sicher! Und dazu trägst du die!“

Frank reichte mir meine hochhackigen Stiefel.

„Wo hast du die gefunden?“ fragte ich ihn, denn ich hatte meine Stiefel schon die ganze Woche gesucht.

„Die lagen in meinem Wagen“, erklärte er und wollte gehen.

„Frank, das kostet dich aber was!“

Fragend sah er mich an.

„Heute fährst du!“ bestimmte ich einfach.

Zu meiner Verwunderung stimmte Frank dem tatsächlich zu. Vielleicht würde das doch noch ein netter Abend werden!

Also zog ich mich schnell um, verschwand kurz im Bad und ging dann ins Wohnzimmer.

„Zufrieden?“ fragte ich Frank.

Matthew und Frank grinsten sich mal wieder an, dann stand Frank auf und kam zu mir.

„Fast“, meinte er und nahm dann genau wie Matthew letzte Woche das Zopfband aus meinen Haaren.

„Ich bin soweit!“ rief Toni und kam aus ihrem Zimmer.

Gemeinsam gingen wir los. Mir fiel auf, dass Toni diesmal eine enge Hose und ein Glitzertop trug. Beides stand ihr sehr gut. Ich wünschte, ich hätte auch eine Hose an, ich trug nicht mehr gerne Röcke. Ein Wunder, dass ich diesen überhaupt noch hatte. Ich beschloss, ihn nach diesem Abend zu entsorgen. Noch mal würde ich es Frank nicht so einfach machen!

Wieder dauerte es nicht lange und Frank und Matthew ließen uns alleine. Warum sollte ich mich erst so anziehen, wenn sie dann doch nicht bei uns waren? Das ergab für mich absolut keinen Sinn.

„Warum hauen die beiden immer gleich ab?“ sprach ich meine Gedanken laut aus.

„Weil ich ihnen gesagt hab’, dass wir neue Leute kennen lernen wollen!“

„Wann?“

„Vorhin, als wir aus dem Wagen ausgestiegen sind, hab’ ich das Frank verraten“, erwiderte sie voller Übereifer.

„Bitte trink diesmal nicht soviel!“ bat ich sie gleich, denn anscheinend durfte ich wieder auf sie aufpassen.

„Keine Sorge, Julia!“

Kurz darauf wurde sie schon zum Tanzen aufgefordert. Ich beobachtete sie eine Weile und erkannte schnell, dass sie sich heute an Cola hielt. Erleichtert ging ich zu Matthew und Frank.

„Wo hast du Toni gelassen?“

„Sie hat bereits Anschluss gefunden!“

„Und du nicht?“

„Deswegen bin ich nicht hier“, erklärte ich und nahm Matthew sein Bier aus der Hand, um es zu trinken.

„Du musst noch fahren!“ ermahnte Matthew mich.

Ich lächelte ihn an und nahm noch einen Schluck.

„Heute nicht!“

„Wie hast du Frank dazu gekriegt?“

„Mir hast du diesen Anblick zu verdanken!“ verriet Frank großspurig.

Beide sahen mich von oben bis unten an. Das hatte ich wohl verdient, nachdem wie ich sie morgens immer musterte...

Irgendwann kam Toni zu uns.

„Ich hab’ dich schon gesucht, Julia! Kommst du mit tanzen?“

Also zog ich mit ihr ab. Ich hatte das Gefühl, ihr das schuldig zu sein, nachdem sie schon meinen Putzdienst übernommen hatte. Obwohl ich gerne noch bei Matthew und Frank geblieben wäre. Es war angenehm, mit ihnen rumzualbern, insbesondere wenn ich selbst trinken konnte!

Schnell war Toni wieder von mehreren Männern umgeben, also ließ ich sie alleine weiter tanzen und stellte mich an den Rand.

„Wir kennen uns doch!“

Ich sah zur Seite und erkannte den Typen, der mir in der Situation mit Robin bereits negativ aufgefallen war.

„Heute ganz allein?“ fragte er grinsend.

Ich wollte einfach gehen, doch er hielt mich wieder am Arm fest und zog mich dann auf die Tanzfläche.

Ich versuchte mich dagegen zu wehren, doch mit meinen Stiefeln fand ich keinen Halt und so zog er mich einfach weiter. Plötzlich gesellte Toni sich zu uns.

„Alles klar?“ fragte sie mich.

„Sie schuldet mir einen Tanz!“ entgegnete der Typ ihr.

„Julia?“

Als ich nichts sagte, sah sie ihn an und forderte mit fester Stimme:

„Lass sie los!“

„Was willst du sonst tun?“ höhnte er.

Toni packte ihn am Handgelenk, drückte zu und drehte es so, dass er mich tatsächlich losließ. Erstaunt sah er Toni an und wollte sie nun packen.

Da tauchten Matthew und Frank auf.

„Such’ dir ne eigene Schnecke, Lars!“ forderte Frank von dem Typen und zog Toni an sich.

„Warum hast du uns nicht geholt?“ fragte Matthew mich vorwurfsvoll.

Toni löste sich aus Franks Arm, kam zu mir und nahm mich in ihre Arme. Dann flüsterte sie mir ins Ohr:

„Alles okay, Julia?“

„Ja, danke! Können wir jetzt gehen?“

Arm in Arm gingen Antonia und ich nach draußen. Erleichtert sah ich, dass Frank und Matthew uns gefolgt waren.

„Und wo geht’s jetzt hin?“ fragte Toni zu meiner Überraschung.

Am liebsten wäre ich sofort nach Hause gefahren, aber die Jungs wollten auch noch weiter ziehen, also sagte ich nichts.

„Damit eins klar ist, Mädels: das nächste Mal, wenn es Probleme gibt, holt ihr uns sofort!“ forderte Frank bestimmt bevor er losfuhr.

„Für so was brauchen wir euch nicht!“ entgegnete Toni zu meiner Überraschung.

Das sah ich allerdings völlig anders!

„Wie viel hast du schon getrunken?“ fragte Matthew und drehte sich zu uns nach hinten um.

„Gar nichts! Aber ich kann Judo!“ erklärte sie stolz.

Als Frank an einer Ampel bremste, hörte ich wie hinter uns Flaschen durch den Kofferraum kullerten. Ich drehte mich um und nahm mir eine.

„Klasse! Kriegst du die auf?“ fragte ich Toni.

„Ich nehm auch eine!“ sagten Matthew und Toni gleichzeitig. Also angelte ich noch zwei Flaschen Bier aus dem Kofferraum und reichte sie Matthew, denn er hatte einen Flaschenöffner an seinem Taschenmesser.

„Armer Frank!“ das konnte ich mir einfach nicht verkneifen, bevor ich die Flasche ansetzte und trank.

Frank sah mich durch den Rückspiegel an, äußerte sich aber nicht.

Diesmal gingen wir in eine Studentenkneipe.

„Wollt ihr noch ein paar Leute kennen lernen oder bleiben wir unter uns?“ fragte Frank.

„Mir…“

Toni fuhr mir aufgeregt ins Wort:

„Nette Studenten kennen lernen!“ rief sie.

Also steuerten Matthew und Frank auf einen großen Tisch im hinteren Teil der Kneipe zu. Die beiden wurden freundlich begrüßt, nachdem sie Toni und mich vorgestellt hatten, wurden sie schnell von einigen Kommilitoninnen zu sich geholt.

Antonia zog mich mit sich an das andere Ende des Tisches. Dort hatte sie zwei freie Plätze entdeckt.

„Kann ich dir einen ausgeben?“ wurde Toni sofort von dem jungen Mann, der ihr gegenüber saß, gefragt.

Toni nahm das Angebot lächelnd an, sie sah in diesem Moment sehr fröhlich aus. Vielleicht schaffte sie es wirklich endlich Kontakte zu knüpfen.

Ich beobachtete für einen Moment die lustige Runde. Das alles kam mir bekannt vor, genau so hatte ich mit meiner Clique immer in der Kneipe, in der ich auch arbeitete, gesessen. Es kam mir vor, als wäre das alles schon Ewigkeiten her. Ich vermisste meine Freunde und insbesondere meine damaligen WG-Mitbewohner. Mein Blick fiel auf Frank, er hatte doch tatsächlich ein Bier in der Hand. Kurz entschlossen ging ich zu ihm.

„Ich geh’ davon aus, dass du das für mich geholt hast!“ knallte ich ihm an den Kopf und nahm ihm die Flasche aus der Hand.

Erstaunt sah er mich an.

„Eigentlich nicht, aber wenn du willst, bestell’ ich dir auch eins“, bot er an.

„Frank, ich kann nicht mehr fahren!“ erinnerte ich ihn.

„Brauchst du auch nicht.“

Frank war irritiert, was wollte Julia von ihm? Oder wurde sie immer kratzbürstig, wenn sie getrunken hatte?

Mit einem Mal wurde mir klar, dass ich übertrieb. Es war nichts dabei, wenn Frank ein Bier trank. Bei der ersten Party hatte er überhaupt keinen Alkohol getrunken und ich sollte mich hier nicht so unmöglich aufführen. Nur weil ich keinen Tropfen Alkohol trank, wenn ich fuhr, konnte ich das natürlich nicht von Frank verlangen.

Ich gab ihm die Flasche zurück, murmelte:

„Tschuldige!“ und verschwand ganz schnell zu den Toiletten.

Frank sah Julia hinter her. Was sollte das gerade?

„Wo ist Julia schon wieder?“ fragte ihn Toni, die auf einmal hinter ihm stand.

„Wahrscheinlich zur Toilette“, meinte Frank, schüttelte den Kopf und unterhielt sich dann wieder mit den Anderen.

„Julia?“

Ich drehte mich um, Antonia stellte sich zu mir in die Schlange der Wartenden vor der Toilette.

„Hast du etwa geweint?“ fragte sie sofort.

„Nein, nein, alles bestens!“

„Hat dich wieder so ein Typ angemacht? Am besten du bleibst in meiner Nähe! Ich pass’ schon auf dich auf!“

Ich musste lächeln, Toni war wirklich rührend. Auf der einen Seite so naiv und dann wollte sie mich beschützen!

„Wie gefällt’s dir hier, Toni?“

„Davon hab’ ich immer geträumt“, schwärmte sie gleich.

„Aber du fühlst dich nicht wohl“, fügte sie sofort hinzu, als sie in mein Gesicht sah.

„Ach, das mit diesem Typen vorhin hat mich schon ein bisschen mitgenommen…“

„Bist du so was nicht gewohnt?“

Ich war schockiert von ihrer Vermutung.

„Nein! Auf so was kann ich auch verzichten!“

„Da wo ich herkomme, passiert so was regelmäßig!“ erklärte Toni.

„Kein Wunder, dass du Judo kannst! Muss ja schrecklich sein, wenn einem so was öfter passiert.“

„Mir nicht, aber bei hübschen Frauen ist das normal.“

Normal? Hübsche Frauen?

„Du bist doch hübsch!“

„Das sagst du nur so!“

Tonis Blick ging zum Boden.

„Was glaubst du, warum du sonst auf jeder Party sofort Anschluss findest?“

Wie kam so ein süßes Mädchen wie Antonia nur darauf, dass sie nicht attraktiv sein könnte?

Sie war nicht überzeugt von meinen Worten, also machte ich ihr einen Vorschlag:

„Was hältst du davon, wenn wir uns an die Bar setzen? Wetten, du wirst innerhalb von zehn Minuten von jemandem angesprochen!“

Ich brauchte all meine Überredungskünste, dann stimmte Toni endlich zu.

Ich steuerte die Bar an und Toni kam hinter mir her. Wir hatten Glück, gerade wurden zwei Plätze frei und wir setzten uns.

„Das sieht gekonnt aus!“ meinte Toni.

„Was?“

„Wie du dich in dem Minirock auf den Barhocker gesetzt hast! Ich weiß aus Erfahrung, dass das gar nicht so einfach ist!“

Ich musste lachen, darüber hatte ich gar nicht nachgedacht.

„Dürfen wir mitlachen?“

Toni und ich drehten uns um, hinter uns standen zwei Jungs und sahen uns auffordernd an.

Ich grinste Toni an, doch sie flüsterte mir zu:

„Die sind bloß wegen dir hier!“

Es schien tatsächlich ihr Ernst zu sein, warum hatte sie bloß so ein geringes Selbstbewusstsein? Und woher kam diese schlechte Meinung über sich selbst?

Noch immer sahen die beiden uns an und da Antonia anscheinend nichts sagen wollte, nahm ich das in die Hand:

„Wir haben darüber diskutiert, wer von uns besser aussieht!“

Antonia wurde hochrot und sah mich vorwurfsvoll an.

„Und was ist an zwei hübschen Mädels so komisch?“

„Ich musste bloß lachen, weil mir gerade die Argumente ausgegangen sind! Aber vielleicht könnt ihr uns ja helfen?“

Das war eine ziemlich eindeutige Aufforderung von mir.

Die beiden musterten uns genau.

„Das ist eine verdammt schwierige Frage!“

Beide grinsten uns an, dann bestellten sie für uns etwas zu trinken. Da ich auf sämtliche Annäherungsversuche eher abweisend reagierte, umgarnten bald beide Toni.

Irgendwann verabschiedete sich einer der Jungs von uns, der Andere unterhielt sich weiter mit Toni.

Ich ging zu ihr und flüsterte:

„Ist es okay, wenn ich zu Matthew und Frank gehe?“

Sie lächelte mich an und nickte, der junge Mann schien ihr zu gefallen.

„Wo hast du Toni schon wieder gelassen?“ fragte Matthew mich sofort.

Die Gruppe am Tisch war kleiner geworden und ich setzte mich zu ihm.

„In netter männlicher Gesellschaft!“

„Und du hast schon wieder keinen abgekriegt?“

Die Frage hörte sich nicht mitleidig an, ich hatte eher das Gefühl, dass Matthew mich aufziehen wollte.

„Wer sagt das?“ fragte ich und lehnte mich an ihn.

„Und was ist mit mir?“

Frank setzte sich zu uns und sah mich auffordernd an.

„Nimm doch Matthews andere Schulter!“ empfahl ich ihm grinsend.

„Nettes Angebot, aber Matthew ist mir eindeutig zu maskulin.“

Ich setzte mich wieder gerade hin und musterte Matthew.

„Da kann ich dir nicht widersprechen, Frank!“

„Bin ich dir etwa zu männlich?“ fragte Matthew mich.

„Ich steh’ auf schöne Männer!“ eröffnete ich den beiden.

„Und worauf stehst du sonst noch?“

„Auf Matthews Bier“, antwortete ich und schnappte mir seine Flasche.

Kurz darauf bestellte ich für Matthew und mich noch eine Runde und stieß mit ihm an.

„Amüsierst du dich endlich, Julia?“

Toni war wieder bei uns.

„Ist er schon gegangen?“ fragte ich sie gleich.

„Ja, aber ich hab’ seine Nummer!“

Antonia sah zufrieden aus.

„Wollt ihr jetzt nach Hause?“ fragte Frank uns.

„Nö! Wenn ich schon trinken darf, dann will ich das auch ausnutzen!“

Toni besorgte noch mehr Bier und setzte sich dann zu mir.

„Frank beobachtet dich!“ flüsterte sie mir schließlich ins Ohr.

Ich blickte zu Frank, Toni hatte Recht.

„Das hier ist übrigens eine absolut feminine Schulter!“ klärte ich ihn auf und lehnte mich an Toni.

„Ach? Darf ich auch mal austesten?“

Unsicher sah Toni Frank an. Er stand auf und kam auf unsere Seite des Tisches. Als er hinter ihr stand sprang sie sofort auf. Frank schnappte sich ihren Platz und lehnte sich nun an meine Schulter.

„Tatsächlich, äußerst weiblich!“ stellte er ernst fest.

Mittlerweile saß Toni auf seinem Platz und beobachtete uns. Ich lächelte sie aufmunternd an, denn ich vermutete, dass sie nur so unsicher war, weil sie ihrem eigenen Aussehen gegenüber solche Komplexe hatte und sich deswegen von Frank eingeschüchtert fühlte. Aber ich war mir sicher, dass sich das im Laufe der Zeit geben würde.

Noch immer verharrte Frank an meiner Schulter. Er sah urkomisch aus, wie er sich so schräg nach unten beugte, denn er war viel größer als ich und bestimmt war diese Haltung sehr unbequem. Auch Antonia bemerkte es und wieder lachten wir.

„Was ist so komisch?“ fragte Matthew uns.

Toni und ich sahen uns an und wir hatten jetzt wirklich Probleme damit, uns wieder zu beruhigen.

„Ihr lacht mich doch nicht etwa aus?“ fragte Frank todernst und setzte sich wieder auf.

„Nie!“ lachte Toni und Frank nahm wieder seine alte Position an meiner Schulter ein.

„Das kann ich auch!“ erklärte Matthew und lehnte sich auch gegen mich. Allerdings mit seinem vollen Gewicht, so schaffte er es, dass ich von der Bank auf den Fußboden rutschte.

Toni beugte sich zu mir unter den Tisch.

„Gibt’s da unten was Besonderes?“ fragte sie heiter.

Wie ich ihren Kopf schräg unter dem Tisch sah, musste ich kichern. Dann versuchte ich mich wieder aufzusetzen.

„Hallo Frank! Du auch hier?“

Das waren meine Worte, als ich nun halb auf seinem Schoß saß. Wenigstens war ich überhaupt alleine wieder hoch gekommen.

Toni und Matthew schien die Situation zu amüsieren. Gerade als Matthew sich wieder an mich lehnen wollte, setze ich mich ganz auf Frank.

„Ich glaub’, der ist total betrunken!“ erklärte ich Frank mit einem Blick auf seinen Kumpel.

„Und du nicht?“

„Nein, Frank, ich doch nicht!“ stritt ich empört ab.

Wir flachsten noch eine ganze Weile rum. Als Toni anfing zu gähnen, brachen wir auf.

„Warum gehst du nicht los?“ fragte ich Frank verwundert.

„Vielleicht stehst du erst mal auf!“ lachte Toni.

„Was hab’ ich damit zu tun?“

Verwundert stand ich auf und hielt mich am Tisch fest. Nun erhob sich auch Frank und quetschte sich an mir vorbei.

„Du hast es aber plötzlich eilig!“ stellte ich fest.

„Männer!“ sagte ich zu Toni. „Die kann man einfach nicht verstehen!“

Ich ließ den Tisch los und ging zwei Schritte, dann hielt ich mich an Matthew fest.

„Matthew, du stehst irgendwie im Weg!“

„Du stehst mir im Weg!“

„Ich dir? Und nun?“

Matthew hakte mich ein und ging mit mir in Richtung Wagen. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich wieder Tonis Unsicherheit.

Zu Matthew sagte ich leise:

„Warte mal!“

„Komm her!“ rief ich ihr nun zu.

Erleichtert kam sie sofort und ich legte meinen Arm um ihre Taille. Sie umfasste meine Schulter und zu dritt gingen wir weiter, dabei fiel mir Antonias unsicherer Gang auf. Ich hatte selbst zuviel getrunken und konnte sie nicht halten. Auf der anderen Seite neben mir kam auch Matthew ins Wanken, dieses Hin- und Hergeziehe führte schließlich dazu, dass ich in meinen Stiefeln umknickte und nach hinten fiel. Zumindest beinahe fiel, weder Toni noch Matthew konnten mich halten, aber Frank stand hinter mir.

„Heute hat sie’s aber auf dich abgesehen, Frank“, fand Matthew.

„Nee, nee! Diesmal ist Frank in mich reingerannt!“ stellte ich sofort klar.

Frank stellte mich wieder auf die Beine, ließ mich aber nicht los. Matthew ging zu Toni, hakte sie ein und ging mit ihr weiter. Ich sah Antonia an, dass sie völlig überrumpelt war, zumindest ging sie aber mit Matthew mit.

„Kann es sein, dass du torkelst?“ fragte Frank mich wieder ernst.

„Nein! Aber guck dir die beiden an!“ zeigte ich auf Toni und Matthew.

Auch wenn Frank der schwankende Gang der beiden nicht entgangen sein konnte, hielt er mich doch weiter fest. Ich umfasste also auch ihn und ging weiter. Im Gegensatz zu Matthew und Toni ging er sehr sicher und mir wurde mein eigener Gang sehr bewusst, als ich wieder und wieder gegen Frank stieß.

„Diesmal sitz’ ich aber vorne!“

Mit festem Blick sah Antonia Matthew an, als sie das forderte.

„Frank?“ wandte sich Matthew an ihn.

„Macht das unter euch aus!“

Kurz darauf saß ich hinter Frank im Wagen und hatte Matthew neben mir. Sofort griff er in den Kofferraum und suchte nach einer weiteren Bierflasche.

„Hilf mir mal!“ forderte er mich schließlich auf.

Ich drehte mich um.

„Da sind nur noch drei Flaschen“, stellte ich fest.

„Ist schon okay!“ meinte Frank.

Also holte ich zwei davon nach vorne, die Matthew gleich für Toni und sich öffnete.

„Was ist mit dir?“

„Ich werd’ Frank doch nicht sein letztes Bier wegtrinken!“

Matthew bot mir von seiner Flasche an, aber ich wusste, wann ich genug hatte.

Als wir angekommen waren, klappte Frank für mich seinen Sitz nach vorne. Mühsam schälte ich mich aus seinem kleinen Wagen und musste mich wieder an ihm festhalten, bis ich endlich sicher stand.

Grinsend sahen Matthew und Frank sich an.

„Du bist heute ganz schön aufdringlich, Frank!“ äußerte ich schnell, bevor sie mich wieder aufziehen konnten.

Diesmal gingen Toni und ich vor, wieder Arm in Arm und ohne Matthew klappte es besser.

Zum ersten Mal blieb ich im Treppenhaus stehen und seufzte:

„So viele Stufen!“

„Das nächste Mal nehm’ ich mir ein Zimmer im Erdgeschoss“, stimmte Toni mir zu.

„Schon verstanden! Zwei Schwerlasttransporte!“ hörten wir Matthew und Frank hinter uns.

Toni schrie auf, als Matthew sie einfach auf seine Arme hob, ließ es sich aber dennoch gefallen, von ihm nach oben getragen zu werden.

„Krieg’ ich auch so nen Service?“ fragte ich Frank.

Grinsend warf er mich einfach über seine Schulter und lief Matthew hinterher. Es dauerte nicht lange, da hatte er ihn eingeholt.

Oben angekommen wartete er auf Matthew und Toni. Keuchend kam Matthew an und stellte Toni gleich ab:

„Das war ein Schwersttransport!“

Frank lachte.

„Wie viel wiegst du, Toni?“

„Nur sechsundsechzig Kilo!“

„Da ist meine Last mindestens zehn Kilo leichter!“

„Du kannst mich trotzdem ruhig wieder runterlassen!“ forderte ich Frank auf.

„Nur ungern!“

Toni schloss auf und verschwand sofort im Bad.

„Wo darf ich dich absetzen, Julia?“

„Genau hier!“

„In meinem Zimmer!“ forderte Matthew.

Ich haute Frank auf den Rücken:

„Jetzt lass mich endlich runter!“

Julias Geheimnis

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