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Wahrheit oder Pflicht

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„Was war der schlimmste Streich, der dir je gespielt wurde?“ wollte Phillip von Matthew wissen.

„Das ist leicht“, entgegnete er mit einem Blick auf mich, „ich sag’ nur blaue Haare!“

Robin und ich bekamen kaum noch Luft vor Lachen. Schon längst saßen wir alle im Wohnzimmer auf dem Fußboden. Ich hatte den Anderen einen Sechserpack Bier ausgegeben, verzichtete aber selbst auf Alkohol.

„Du bist dran, Matthew!“

„Julia…“

„Nicht schon wieder ich!“ beschwerte ich mich gleich.

„Also gut, dann Antonia! Wahrheit oder Pflicht?“

„Wahrheit!“

„Bist du im Moment in jemanden verknallt?“

Toni wurde rot, dann meinte sie:

„Ich nehm’ doch lieber Pflicht.“

Matthew überlegte.

„Sei nicht so fies!“ flüsterte ich ihm zu.

Matthew sah mich an, dann forderte er Toni auf:

„Beweis und, dass du Karate kannst!“

„Kann ich gar nicht!“ gab Toni zurück.

„Judo!“ sagten Frank und ich gleichzeitig.

„Also gut, dann zeig’ uns das!“

„Wer ist mein Opfer?“

Grinsend sah Matthew mich an, also stand ich auf und stellte mich vor Toni hin.

„Greif mich an!“ forderte sie mich auf.

Keine zwei Sekunden später lag ich auf dem Fußboden.

„Julia ist doch keine Herausforderung! Wetten, dass du das mit mir nicht schaffst!“

„Komm her!“ forderte Toni Phillip auf.

Kurz darauf bereute er seine große Klappe.

Nun wandte Toni sich an David.

„Wahrheit!“ war seine Wahl.

„Gibt es eine besondere Frau in deinem Leben?“

„Ja!“

Antonias Blick drückte keine Freude aus.

„Erzähl!“ forderte ich David auf.

„Ich habe eine zehnjährige Tochter.“

Damit hatte niemand gerechnet.

„Sie lebt bei ihrer Mutter, aber in den Semesterferien fahre ich sie immer besuchen.“

„Also bist du verheiratet?“ wollte Toni wissen.

„Nein, geschieden.“

„Frank, was darf’s sein?“ wandte sich nun David an ihn.

Frank entschied sich für die Wahrheit.

„Was ist dein dunkelstes Geheimnis?“

„Das werd’ ich euch bestimmt nicht verraten!“

„Dann zeig uns, wie gut du Tango tanzen kannst und zwar mit Toni!“

Frank stand auf und reichte Toni die Hand. Es wunderte mich nicht, dass sie sich weigerte. Also stand ich auf.

„Was dagegen?“ fragte ich Frank auffordernd.

„Absolut nicht!“

Frank nahm meine Hand und wir gingen an die Seite, wo wir mehr Platz hatten. Derweil war Matthew dabei, eine CD einzulegen. Als das Lied begann, legte Frank los. Ich hatte absolut keine Ahnung vom Tango tanzen, Frank allerdings auch nicht und so machten wir uns zum Gespött der Runde.

Frank brachte mich zurück an meinen Platz.

„Ich danke für diesen Tanz!“ meinte er großspurig, dann setzte auch er sich wieder hin.

„Trotzdem bist du jetzt dran, Julia!“

„Wahrheit!“ entschied ich.

„Was war dein peinlichstes Erlebnis?“

Also begann ich zu erzählen:

„Ich war vielleicht seit einem Jahr in meiner ersten WG, als ich nach der Arbeit nach Hause kam. Ich war schon ziemlich geschafft, trotzdem ließ ich mich von einigen Mitbewohnern zu einem Bierchen überreden. Aus einem wurden dann mehrere und ich war nicht mehr ganz nüchtern, als plötzlich das Licht ausging. Stromausfall! Zumindest dachte ich das damals. Da mittlerweile nur noch Hannes und ich auf waren, beschlossen wir ins Bett zu gehen. Jeder in sein eigenes versteht sich!“ erklärte ich Matthew nachdrücklich, da er mich angrinste.

„Ich kam nicht auf die Idee, ein Feuerzeug oder ne Kerze anzumachen und tastete mich durch die Dunkelheit. Als ich dann endlich in mein Bett schlüpfen wollte, erklärte Sebastian mir, dass ich in seinem Zimmer wäre. Er lag bereits im Bett. Das konnte nur heißen, dass ich eine Tür weiter musste, denn mein Zimmer lag zwischen denen von Sebastian und Theodor. Also ging ich weiter und legte mich ein Zimmer weiter ins Bett. Ich zog mich nicht mal aus, weil ich viel zu geschafft war. Als ich am nächsten Morgen wach wurde, lag Theo grinsend neben mir und ich musste feststellen, dass ich in seinem Bett gelandet war!“

Die Männer waren am Lachen, selbst David fand es komisch.

„Ich fand das damals gar nicht witzig!“

Nun wandte ich mich an Robin:

„Wofür entscheidest du dich?“

„Auch für die Wahrheit, Liebes!“

„Trägst du eine Maske?“

„Was denn für eine Maske?“ wollte Philipp wissen.

„Die Maske der Fröhlichkeit“, vermutete ich.

„Ja, Liebes!“

Ich hätte mich mit dieser Antwort zufrieden gegeben, aber David fragte:

„Warum?“

„Weil es zuviel Intoleranz gibt!“

Ich verstand sofort, was Robin meinte und beschloss mit ihm so bald wie möglich alleine darüber zu reden.

„Matthew, Süßer!“

Robin hatte eindeutig seine Maske wieder aufgesetzt und spielte weiter. Dennoch krabbelte ich zu ihm und legte meinen Arm um ihn.

Als Matthew nicht bereit war, auf Robins Frage zu antworten, flüsterte ich Robin zu:

„Lass ihn uns schminken und ihm nen Rock anziehen!“

Robin griff meine Idee direkt auf.

„Vergiss es!“ lehnte Matthew ab.

„Wenn du das ablehnst, darfst du der Frage nach der Wahrheit aber nicht mehr ausweichen“, erklärte Toni ihm.

Matthew wagte es und ließ sich darauf ein.

Robin flüsterte mir etwas zu.

„Tu das nicht!“

Doch Robin hörte nicht auf mich.

„Matthew, was hast du gegen mich?“

Ich befürchtete, dass Matthew Robin verletzen könnte, beugte mich zu Matthew und flüsterte ihm zu:

„Bitte sei nett zu Robin!“

„Warum sollte ich?“

„Denk an deine Wettschulden!“ erinnerte ich Matthew.

Schließlich hatte die Jungs gesagt, dass ich bekomme, was ich will, wenn ich es schaffe, mich sexy anzuziehen!

„Ich hab’ nichts gegen dich, ich kann dich bloß nicht wie Julia als Freundin ansehen. Für mich bist und bleibst du ein Mann und ich kann und will mich Männern gegenüber nicht so verhalten, wie Frauen gegenüber!“ erklärte er sehr offen.

„Und was hättest du gesagt ohne vorher mit Julia zu flüstern?“ wollte Robin wissen.

„Im Endeffekt dasselbe. Ich hab’ diese Worte bloß für Julia gewählt!“

Robin schien zufrieden mit der Antwort.

„Philipp?“

„Wahrheit!“

„Warum hat deine Schwester die Uni gewechselt?“

Sofort beschwerte ich mich bei Matthew, denn das war nicht fair. David stand mir bei, er war der Überzeugung, dass Matthew so eine Frage nur an mich richten dürfte.

Also wandte Matthew sich an mich.

„Nur um dich kennen zu lernen!“ scherzte ich.

Natürlich kaufte mir das niemand ab und schon waren wir bei der Pflicht. Egal was Matthew nun verlangte, ich würde es tun müssen, denn er würde wegen meiner Vergangenheit nicht locker lassen. Seinem Grinsen sah ich an, dass ihm meine Situation durchaus bewusst war. Frank flüsterte ihm etwas zu.

„Verlang das doch selbst! Ich weiß da was Besseres! Julia, heute Abend darfst du endlich mal auf meinem Schoß sitzen!“

„Hältst du so eine Schwerlast überhaupt aus?“ zog ich ihn auf, setzte mich aber dennoch zu ihm.

Wir alberten noch lange herum, um die Männer machten sich über die Biervorräte her. Als ich aus dem Bad kam und in mein Bett wollte, lag Philipp bereits drin und schnarchte. Er hatte sich genau in die Mitte gelegt, so dass kein Platz für mich blieb. Deshalb ging ich zu Robin und bat ihn um eine Decke, damit ich mich auf die Couch legen könnte.

„Das ist doch total unbequem, Liebes! Leg’ dich zu mir!“

Ich nahm sein Angebot an und schlüpfte in sein Bett.

„Was versuchst du zu verbergen, Julia?“

„Ich? - Du bist unglücklich!“

„Woher willst du das wissen?“

„Ich beobachte dich und mach’ mir Sorgen!“

„Es ist nicht leicht in dieser Welt, wenn man so anders ist.“

„Wirst du deswegen oft unfreundlich angemacht?“

„Ja, Liebes!“

„Aber das beschäftigt dich gar nicht so sehr?“

Mir war bewusst, dass Robin ein anderes Problem haben musste, ich kannte ihn mittlerweile gut genug, um es zu merken.

„Meine Eltern kommen nächsten Sonntag her.“

„Und? Freust du dich nicht?“

„Sie wollen mit mir essen gehen.“

„Das hört sich doch ganz nett an, Robin.“

„Ich hab’ ihnen nicht gesagt, dass…“

„Sie wissen nicht, dass du homosexuell bist?“

„Nein.“

„Und du willst es ihnen auch nicht sagen?“

„Nein.“

„Dann geht doch in ein Restaurant, wo dich keiner kennt. Ich helf’ dir bei den Klamotten und dann wird das schon keiner merken“, schlug ich vor.

„Das ist nicht so einfach… Ich hab’ ihnen erzählt, dass ich eine Freundin hab’!“

„Warum denn das?“

„Mein Vater hat eine ziemlich negative Einstellung gegenüber Exoten und als er letztens wieder einen Verdacht äußerte…“

„Da hast du dir einfach diese Ausrede einfallen lassen?“

Robin nickte. Das war wirklich eine schwierige Lage. Robin war sich sicher, seinen Eltern nicht die Wahrheit sagen zu können.

„Und wenn ich dich einfach begleite?“

Robin setzte sich auf und sah mich erstaunt an. Dann zog ein Lächeln über sein Gesicht.

„Dass ich darauf nicht selbst gekommen bin! - Aber musst du nicht arbeiten, Liebes?“

„Dann muss ich mir wohl einen Tag frei nehmen!“

Als ich morgens die Küche betrat, saßen Matthew, David und Frank schon dort.

„Morgen!“ grüßte ich kurz und nahm mir einen Kaffee.

Direkt hinter mir kamen Philipp und Toni rein. Als wir saßen, forschte Philipp nach:

„Wo warst du letzte Nacht?“

Alle Blicke auf mich gerichtet.

„Du hast dich in meinem Bett breit gemacht, da musste ich ausweichen!“

„Auf der Couch lagst du aber auch nicht!“

„War sie bei dir, Matthew?“ vermutete Philipp nun.

„Ein Gentleman genießt und schweigt!“

„Frank?“

Frank sah mich an und meinte:

„Auch ich bin Gentleman.“

„David? War sie etwa bei dir?“

„Philipp, stell dir mal vor, Julia wäre bei mir gewesen und ich würde das verraten. Glaubst du, sie würde jemals wieder in mein Bett kommen?“

„Wahrscheinlich hat Julia bei Antonia geschlafen!“ stellte Philipp schließlich fest.

„Hat sie nicht!“ erwiderte Toni und sah mich dabei eigenartig an.

Am Mittwochabend verließ ich um kurz vor Mitternacht Davids Zimmer, weil er mal wieder Hilfe bei einer Übersetzung gebraucht hatte. Toni sah mich aus dem Zimmer kommen und funkelte mich böse an.

„Was ist los, Toni?“

„Darüber sprechen wir noch!“

Bereits am Donnerstag klopfte ich an ihre Zimmertür, denn ich wollte das klären. Ich hatte keine Ahnung, was Antonia für ein Problem mit mir hatte, aber es lange vor sich her zu schieben würde es nicht besser machen.

„Was willst du?“ empfing sie mich unfreundlich.

Ich setzte mich auf ihr Bett und fragte:

„Was hab’ ich falsch gemacht?“

„Du benimmst dich einfach unmöglich…“, begann sie wieder.

Ich hörte mir das eine ganze Weile an, dann unterbrach ich sie:

„Dass du mein Benehmen unanständig findest, hab’ ich begriffen. Aber warum bist du so böse auf mich?“

„Du kannst doch jeden Kerl haben, warum musst du dich gerade an Dav…“, mitten im Wort stockte sie.

Endlich begriff ich.

„Du magst David?“

„Das hab’ ich nicht gesagt!“

Doch ihr Gesichtsausdruck war Antwort genug.

„Toni, ich war gestern in Davids Zimmer, weil ich ihm bei seinen Hausaufgaben geholfen habe.“

„Du ihm?“ fragte sie ungläubig.

Ich erklärte es ihr.

„Hast du bei David geschlafen, als dein Bruder hier war?“

„Nein. Ich war in Robins Zimmer.“

„Und du willst wirklich nichts von David?“

Ich schüttelte den Kopf.

„Stehst du auf Frank oder Matthew?“

„Ich hab’ im Moment überhaupt kein Interesse…“

Sie unterbrach mich:

„Ist ja auch egal, Hauptsache du willst David nicht!“

„Wirst du es ihm sagen?“

„Was?“

„Dass du ihn magst, Toni!“

„Bist du verrückt?“

Ich lächelte Toni an. Keine leichte Sache, in der sie da steckte.

„Verrat mich bloß nicht!“

„Toni, ich werd’ dir jetzt mal was erzählen: Weißt du noch, wie ich an dem Abend als wir Wahrheit oder Pflicht gespielt haben, von dem Streich meiner Mitbewohner erzählt hatte?“

„Du meinst, als du im verkehrten Bett aufgewacht bist?“

Ich nickte.

„Theo war nicht irgendein Mitbewohner, ich war in ihn verliebt.“

„Hast du es ihm gesagt?“

„Nein, das hätte ich mich nie getraut!“

„Warum denn das nicht?“

„Ich war erst neunzehn, als ich ihn kennen lernte und er war siebenundzwanzig.“

„Also richtig erwachsen!“ stellte sie fest.

Traurig nickte ich wieder.

„Kein Wunder, dass dich keine anderen Männer interessieren! Du liebst ihn immer noch!“

„Ich kann ihn nicht vergessen.“

„Und wegen ihm hast du deine Uni verlassen?“ fragte sie mitfühlend.

„Auch, ja…“

Spontan nahm Toni mich in ihre Arme und drückte mich. Sie war wirklich süß!

„Lass uns gemeinsam was machen!“ schlug sie auf einmal vor.

„Willst du mal miterleben, wie Matthew ins Schwitzen kommt?“

Natürlich wollte sie und so fuhren wir mit dem Bus ins Fitness Studio, um an seinem Kurs teilzunehmen.

„Hier kommen eher wir ins Schwitzen als Matthew!“ beschwerte Toni sich schon nach kurzer Zeit.

„Wart’s nur ab!“

Es dauerte nicht lange und Matthew fing mit seinem Bauch, Beine und Po Programm an.

„Pobacken anspannen, halten und wieder locker lassen!“ erklärte Matthew.

„Mach mal vor!“ forderte ich.

Also drehte er sich um und alle anwesenden Damen starrten auf seinen Hintern. Er erntete sogar einige Pfiffe.

„Daran seht ihr, dass meine Übungen auch wirklich funktionieren!“

Matthew liebte es, bewundert zu werden.

„Mach ich das so richtig?“ rief ich.

Daraufhin ging Matthew durch die Reihen und durfte sich bei jeder einzelnen Teilnehmerin den Hintern ansehen. Als er zum Schluss bei mir angelangte, saß ich auf dem Boden und sah ihn an.

„Ich hab’ schon nen knackigen Hintern!“

Die Frauen fingen an zu lachen, auch Matthew grinste mich an.

„Wo liegt denn deine Problemzone?“

„Was denkst du?“

Auffordernd sah ich Matthew an. Leider ließ er sich so einfach nicht aus der Ruhe bringen.

„Leg’ dich mal auf den Rücken!“ forderte er und legte dann seine Hand auf meinen Bauch.

„Und jetzt anspannen!“

Ich zog meinen Bauch ein. Matthew sah mich kopfschüttelnd an.

„Aha! Keine Bauchmuskeln!“ stellte er fest.

„Zieh deine Knie an die Brust und spann dabei den Bauch an! Das machst du fünfmal hintereinander, dann eine kurze Pause und wiederholen!“

Während Matthew unter meine Knie fasste und die Bewegung an mir vorführte, erklärte er allen die Übung.

Bevor Matthew wieder aufstand, um durch die Reihen zu gehen und den Anderen zu helfen, wuselte er mir durch die Haare.

„Warum hat er bei mir nicht geguckt?“ fragte Toni überrascht, als Matthew außer Hörweite war.

„Weil er Rücksicht nimmt.“

„Worauf?“

„Na auf dich! Du zeigst doch immer, dass du Abstand willst!“

„Aber doch nur, wenn David in der Nähe ist!“

„Du findest mein Verhalten also nur unanständig, wenn David in der Nähe ist?“

Als Toni nickte, fing ich an zu lachen. Sie war einfach süß und mir war, als wäre eine schwere Last von meinen Schultern genommen. Ich hatte mir wirklich Gedanken gemacht, ob ich mich wirklich so unanständig verhielt… Außerdem hatte das immer schlechter werdende Verhältnis zu Antonia mich traurig gestimmt. Mein Lachen war befreiend.

„Du bist peinlich!“ warf Toni mir vor.

Ich registrierte, dass alle zu mir sahen. Insbesondere Matthews fragender Blick sorgte dafür, dass ich nicht mehr aufhören konnte. Also stand ich auf und lief lachend aus dem Raum.

Julias Geheimnis

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