Читать книгу Die unglaubliche Wunderreise des Freddie Yates - Jenny Pearson - Страница 11

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In dem ich wohl erklären sollte, was meine Geburtsurkunde

damit zu tun hat, dass Charlie, Ben und ich

unsere unternommen haben


Grams und Dad haben nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass Dad nicht mein leiblicher Vater ist. Mein leiblicher Vater hat meine Mumverlassen, als sie mit mir schwanger war, und wenig später hat sie meinen Dad kennengelernt. Als sie dann kurz nach meiner Geburt gestorben ist, ist Dad geblieben, weil erwusste, dass er und Grams alleswaren, was ich noch hatte. Ich habe mal mitbekommen, wie einer der anderen Väter am Schultor meinte, es wäre ein Wunder, dass er nicht gleich wieder verschwunden ist. Ich weiß nicht, ob das wirklich ein Wunder ist. Wenn ihr mich fragt, macht es ihn einfach zu einem echt netten Kerl.

Ich habe nur ein paar Mal nach meinem leiblichen Vater gefragt, aber Grams hat immer behauptet, nichts über ihn zu wissen, nicht mal seinen Namen. Wenn ich geahnt hätte, dass sie so eine begnadete Lügnerin war, hätte ich viel hartnäckiger nachgebohrt. Aber Dad sah immer so gekränkt aus, wenn ich das Thema ansprach, dass ich irgendwann ganz damit aufgehört habe. So wichtig war es mir nun auch wieder nicht. Um ehrlich zu sein, kam mir mein leiblicher Vater immer nur dann in den Sinn, wenn Dad und ich mal Streit hatten oder wir uns irgendetwas nicht leisten konnten. In solchen Situationen fragte ich mich manchmal, ob mein anderer Dadvielleicht reich war.

Und dann hielt ich eines Tages aus heiterem Himmel meine Geburtsurkunde in den Händen. Und darauf stand ein Name.

Alan Froggley.

Ja, ich weiß – nicht gerade der coolste Name.

Aber ich beschloss, mit weiteren Urteilen über Alan zu warten, bis ich Grams’ Brief gelesen hatte.

Lieber Fred,

mein tapferer kleiner Soldat. Wenn du das hier liest, bedeutet das vermutlich, dass ich tot bin.

Ich habe etwas Geld für dich auf einem Konto hinterlegt.

Das bekommst du, wenn du achtzehn bist. Wahrscheinlich sollte ich dir raten, es für die Uni zurückzulegen, aber stattdessen sage ich lieber: Verwende es für etwas, das dich glücklich macht. Wobei das, was dich mit Abstand am glücklichsten machen wird, eine ordentliche Ausbildung ist, die dir ein gutes Leben ermöglicht. Zum Beispiel an der Uni. Versuch gar nicht erst, mir zu widersprechen.

Inzwischen hast du sicherlich einen Blick auf deine Geburtsurkunde geworfen. Vielleicht hätte ich sie dir schon früher geben sollen. Um ehrlich zu sein, habe ich mit dem Gedanken gespielt, sie dir gar nicht zu geben. Aber du hast nun mal ein Recht darauf zu erfahren, wer dein leiblicher Vater ist, und dir ein eigenes Bild von ihm zu machen, wenn du das unbedingt möchtest. Ich werde dir nicht vorschreiben, was du von diesem nutzlosen Taugenichts zu halten hast. Dein echter Dad, Joe, ist ein guter Mensch. Er ist wie ein Sohn für mich. Er war für meine Molly da, als Alan, dieses Aas, sie sitzen gelassen hat. Joe hat dich lieb, Freddie – mit jeder Faser seines Körpers. Denk immer dran, ein Unterhemd anzuziehen, wenn es draußen kalt ist. Nutellabrötchen sind kein nahrhaftes Frühstück. Erinnere deinen Dad daran, mittwochs den Müll rauszustellen.

Ich hab dich lieb, Freddie. Für immer und ewig.

Sei nicht zu traurig.

Viele Küsse,

Grams

Natürlich war ich traurig.

Aber während ich so auf meinem Bett lag, ging mir ein Name nicht mehr aus dem Kopf.

Alan Froggley.

Alan.

Froggley.

Al.

Froschei.

Ich versuchte, ihn ein paar Mal laut auszusprechen, in der Hoffnung, dass ich mich ihm dadurch irgendwie verbundener fühlen würde.

Alan Froggley. Alan Froggley. Alan Froggley.

Nichts.

Der Klang löste rein gar nichts in mir aus. Ich hielt mir die Geburtsurkunde vor die Augen und dachte: Wer bist du, Alan?

Da fiel mir ein Vermerk hinter seinem Namen auf. Als Geburtsort war dort »St. David’s, Wales« angegeben.

Wales? Hieß das, ich war halb Waliser? Schwer zu glauben: Ich kann null singen und im Rugby bin ich eine Niete.

Ich kann mich nicht erinnern, dass ich bewusst beschloss, ihn zu googeln, aber irgendwann ertappte ich mich dabei, wie ich genau das tat. Wenig überraschend gab es zu Alan Froggley nicht sonderlich viele Treffer. Ich entdeckte einen Bericht über einen Alan Froggley, dem im Zweiten Weltkrieg ein Ohr weggesprengt worden war. Der war es schon mal nicht. In den USA gab es einen Alan Froggley, der die größten großen Zehen in ganz Texas hatte. Nur zur Sicherheit schlüpfte ich aus meinen Hulk-Pantoffeln und sah nach, aber wenn überhaupt, waren meine großen Zehen eher kleiner als der Durchschnitt. Damit kam er also auch nicht infrage. Blieb nur noch ein Alan Froggley, der zumindest schon mal das passende Alter hatte. Ich fand ein körniges Schwarz-Weiß-Foto auf der Homepage seines Arbeitgebers, einer Firma namens Cardiff Analytics, bei der er als »Research Analyst« aufgeführt war. Damals hatte ich nicht die geringste Ahnung, was das bedeutete, also googelte ich auch das.

Ein Research Analyst ist dafür zuständig, eine Vielzahl von Datensätzen und Informationen zu sichten, auszuwerten und zusammenzufassen, um beispielsweise Unternehmensberichte zu erstellen.

Im Grunde arbeitete er also mit Fakten! Plötzlich hatte ich das gleiche kribbelige Gefühl im Bauch wie sonst nur, wenn Grams zu schnell über die Hügelkuppe am Ende der Straße fuhr.

Ich versuchte herauszufinden, ob ich ihm ähnlich sah, aber er war auf dem winzigen Foto kaum zu erkennen. Unter seinem Namen fand sich ein kurzer Steckbrief, in dem es hieß, dass er seit sieben Jahren für die Firma arbeitete und ein Team aus zwölf Analysten leitete. Außerdem stand da, dass er gerne laufen ging. Meine Aufregung wurde noch ein bisschen größer, denn laufen kann ich auch! Schwimmen mochte er ebenfalls – und ich habe das Bronze-Abzeichen und kann sogar eine Dreiviertelbahn unter Wasser schwimmen (aber nur mit Taucherbrille). An dem Punkt war ich überzeugt. Fakten, Laufen und Schwimmen: Das konnte kein Zufall sein. Ich hatte ihn gefunden. Also, zumindest online.

Ich weiß bis heute nicht, wie ich auf die Idee kam, ihm im wahren Leben einen Besuch abzustatten. Vielleicht war es die Aussicht auf den langweiligen Sommer, der vor mir lag, oder dass ich einfach irgendetwas tun wollte, statt zu Hause zu hocken, mich um Dad zu kümmern und Grams zu vermissen. Vielleicht machte es mir aber auch insgeheim Sorgen, dass meine Familie nur noch aus zwei Leuten bestand. Immerhin hatte Dad es schon mal geschafft, sich selbst zu überfahren. Was, wenn so was wieder passierte und ich auf einmal ganz allein dastand? Kein schöner Gedanke. Aber was es am Ende auch war: Sobald mir der Einfall einmal gekommen war, saß er bombenfest in meinem Kopf und ich wusste, dass ich ihn um nichts auf der Welt da rauskriegen würde. Ich würde meinen leiblichen Vater besuchen.

Ich schrieb Ben und Charlie eine Nachricht. Ohne eine gut durchdachte Tarnung würde ich nicht weit kommen. Und dafür brauchte ich ihre Hilfe.

Ich: Wie geht’s?

Charlie: Ätzend: Mum hat meinen Geheimvorrat gefunden, den ich mit ins Hungercamp schmuggeln wollte.

Ben: Noch ätzender: Disney-World = meine ganz persönliche Hölle.

Ben hängte ein Foto aus den Osterferien an, auf dem seine Familie mit den Schauspielern aus Die Schöne und das Biest posierte. Becky stand im Mittelpunkt des Bildes und hatte die Arme um Lumière geschlungen. Ich glaube, ich habe noch nie einen glücklicheren Kerzenständer gesehen. Ben hielt sich im Hintergrund und schmollte.

Um ehrlich zu sein, ging mir ihr Selbstmitleid ziemlich auf die Nerven. Wenn jemand einen Grund dazu hatte, dann ja wohl ich. Weil ich irgendwie wollte, dass sie ein schlechtes Gewissen bekamen, schrieb ich:

Ich: Bei mir ist es am ätzendsten: Meine Grams ist gestorben.

Ich starrte auf mein Handy und fragte mich, wie sie wohl darauf reagieren würden. Eine Weile tat sich gar nichts. Dann kam:

Charlie: Fred hat gewonnen.

Ben: Jepp. Das ist mit Abstand am ätzendsten. Tut mir leid, Alter.

Charlie: Jetzt fühl ich mich mies. Alles okay, Mann?

Komischerweise hatte ich plötzlich ein schlechtes Gewissen, weil ich es ihnen auf diese Weise gesagt hatte.

Ich: Ja, alles gut.

Wieder entstand eine Pause.

Ben: Aber… hab ich euch schon erzählt, dass Becky uns allen T-Shirts im Partnerlook gekauft hat? Mit I ♥ Mickey vorne drauf? Das ist auch ziemlich übel.

Charlie: Und hab ich schon erwähnt, dass es im Veganercamp jeden Morgen Avocado-Weizengras-Smoothies zum Frühstück gibt?

Ben: Gras? Aaaaaalter – das ist mal echt ätzend. Ich glaub, da kriegt Fred fast noch mal Konkurrenz.

Das war der Moment, in dem ich mit meinen Neuigkeiten herausplatzte.

Ich: Leute – ich fahr nach Wales, um meinen leiblichen Dad zu finden.

Ich hatte ihnen nie erzählt, dass Dad nicht mein leiblicher Vater war. Nicht, weil ich es vor ihnen geheim halten wollte, es war nur einfach nie zur Sprache gekommen.

Charlie: Dein leiblicher Dad ist Waliser?

Jepp, das war das Erste, was Charlie dazu einfiel.

Charlie: Warte mal! Dein leiblicher Dad?

Na also.

Ich: Er ist abgehauen, bevor ich geboren wurde. Aber jetzt hab ich ihn gefunden.

Ben: Bist du sicher? Was sagt dein richtiger Dad dazu? Und wie wollt ihr da hinkommen? Ich dachte, er kann nicht fahren.

Ich: Dad weiß nichts davon. Ich fahr allein. Dieses Wochenende. Ihr müsst mich decken.

Mein Handy verkündete: Charlie schreibt… Ben schreibt…

Ich hielt den Atem an und wartete.

Dann fing ich wieder an zu atmen, weil sie ewig brauchten, um zu antworten.

Ich: Hallo? Jemand zu Hause?

Sie schrieben wahrscheinlich direkt miteinander, um sich abzustimmen, was sie mir sagen sollten. Ich wünschte, sie würden sich beeilen.

Charlie: Ich komm mit. Bisschen Spaß haben, bevor in 2 Wochen die Veganerhölle losgeht.

Ben: Ich auch. Becky treibt mich noch in den Wahnsinn. Ich brauch ’ne Pause vor dem Urlaub.

Ich: Seid ihr sicher?

Insgeheim hatte ich genau darauf gehofft.

Ben: Wir fliegen ja eh erst in 6 Tagen.

Charlie: Jepp.

Ich: Morgen bei mir? Wir brauchen einen Plan.

Charlie: Klar. 10 Uhr?

Ich: Jepp.

Ben: Bis morgen.

Die unglaubliche Wunderreise des Freddie Yates

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