Читать книгу Die unglaubliche Wunderreise des Freddie Yates - Jenny Pearson - Страница 12

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In dem Ben, Charlie und ich einen Plan

schmieden, der rückblickend betrachtet vielleicht

doch nicht ganz so gut durchdacht war


Ich erwachte zu den Klängen von »We Wish You A Merry Christmas«. Dad hatte eine von diesen Türklingeln gekauft, die eine Melodie spielen, wenn man draufdrückt, und die war irgendwie auf diesem Lied hängen geblieben. Er hat sie bis heute nicht repariert, weil er meint, Weihnachten kommt sowieso früher, als wir denken. Ich glaube, für Erwachsene muss die Zeit deutlich schneller vergehen.

Dad brüllte zu mir hoch: »Kannst du mal aufmachen, Fred?«

Ich schlüpfte schnell in meine Pantoffeln und lief nach unten. Dad verrenkte sich fast den Hals, um durch die Wohnzimmertür nach mir zu schauen. »Hey, Schlafmütze, ich dachte, ich lass dich mal ein bisschen ausschlafen. Sahst aus, als könntest du es gebrauchen.« Er streckte mir eine Packung Schokoplätzchen entgegen. Ich schüttelte den Kopf – was würde Grams sagen, wenn ich meinen Tag mit einem Keks als Frühstück begann?

»Hast du das mitbekommen?« Mit einem Kopfnicken deutete Dad auf den Fernseher. »So ein Spinner hat da gerade diese unbezahlbaren Ringe geklaut. Direkt vor der Nase von Fiona Bruce.«

»Fiona wer?« Vom Bildschirm blickte mir eine Frau mit strahlend weißen Zähnen voller Bestürzung entgegen.

»Die von der Antiquitätensendung – Fiona Bruce. Der Kerl hat sich die Ringe dieser armen alten Dame mit dem Bommelhut gekrallt und ist einfach damit abgehauen. Live im Fernsehen. Und jetzt ist er spurlos verschwunden.«

Um ehrlich zu sein, hörte ich Dad nicht richtig zu. Antiquitäten waren nicht so mein Ding. »Ich mach dann mal auf.«

Vor der Tür standen Ben und Charlie, hatten einander die Arme um die Schultern gelegt und schunkelten hin und her.

»And a happy New Year!«, sangen sie und verbeugten sich. Ben nahm seine Baseballmütze ab und hielt sie vor sich, als wolle er damit Spenden einsammeln.

Ihr Anblick machte mich ein wenig gefühlsduselig. Um nicht vor ihnen loszuheulen, sagte ich schnell: »Wusstet ihr, dass die Türklingel 1831 von einem gewissen Joseph Henry erfunden wurde?«, und das Brennen in meinen Augen ließ gleich wieder nach.

Charlie sah zumindest ansatzweise beeindruckt aus.

»Nee, das wusste ich nicht.«

Ben dagegen fiel nicht auf mein Ablenkungsmanöver rein. Er runzelte besorgt die Stirn und fragte: »Alles okay, Fred?«

»Natürlich nicht, schließlich macht er gerade eine Krise durch.« Charlie drängte sich an mir vorbei und marschierte schnurstracks ins Wohnzimmer.

Dad war immer noch in die Nachrichten vertieft. Auf dem Bildschirm waren zwei goldene Ringe zu sehen, die wie Schwäne geformt waren, und darunter stand groß BELOHNUNG. Dad schaltete den Ton aus. »Morgen, Jungs.«

Charlie räusperte sich feierlich. »Mum meint, ich soll Ihnen unser Beileid ausrichten, Mr Yates. Wegen Ihrer…« Er stockte. »Was war Freddies Grams eigentlich für Sie? Sie war die Mum von Freddies Mum, oder? Das heißt, sie war die Mum Ihrer toten Freundin?«

Dad blinzelte zweimal und sah mich dann fragend an. Ich zuckte mit den Schultern – was sollte ich dazu sagen?

Charlie unternahm einen neuen Anlauf. »Mr Yates, es tut mir sehr leid, dass die Mum Ihrer toten Freundin jetzt auch tot ist.« Sein Blick fiel auf das Schokoplätzchen, das nun schon eine ganze Weile vor Dads offenem Mund schwebte. »Essen Sie das noch?«

Dad reichte ihm das Plätzchen und antwortete langsam und gedehnt: »Vielen Dank für die aufrichtigen Beileidsbekundungen, Charlie.«

»Nichts zu danken, Mr Yates.«

»Wie geht es Ihrem Bein, Mr Yates?«, erkundigte sich Ben.

»Schon besser, danke. Aber ein paar Wochen muss der Gips noch dranbleiben.«

»Mum meint, man braucht schon ein ganz besonderes Talent, um sich selbst mit seinem eigenen Auto zu überfahren.« Charlie grinste breit, bis Ben ihm den Ellbogen in die Rippen stieß.

»Was denn?« Charlie funkelte ihn böse an. »Ich hab ihm doch bloß ein Kompliment gemacht.«

Dad seufzte. »Wie geht es deiner Mum, Ben? Hat sie das alles einigermaßen überstanden?«

»Sie wohnt jetzt in Spanien. So weit weg von Dad und Becky wie möglich. Sie versteht nicht, warum Dad erst reich geworden ist, nachdem sie ihn verlassen hat. Ihrer Meinung nach hat er das nur gemacht, um ihr eins auszuwischen.«

»Aha.« Dad fuhr sich mit den Fingern durch die Haare, sodass sie in alle Richtungen abstanden. Er sah aus wie ein verrückter Professor. »Kann man denn einfach so 500.000 Pfund mit einem Rubbellos gewinnen, nur um sich zu rächen?«

»Mum scheint das zu glauben.«

»Sollen wir dann mal in mein Zimmer gehen?« Ich wollte endlich an unserem Plan feilen – nicht den ganzen Tag rumstehen und mit Dad reden.

Charlie setzte sich auf meinen Drehstuhl und legte seine riesigen Füße auf mein Bett. »Du hast also zwei Dads?«

»Jepp. Meinen Dad und einen leiblichen Vater, der in Wales lebt. Alan Froggley heißt er.«

»In Wales? Wo ist das überhaupt? Ist das eine von diesen Inseln zwischen England und Frankreich?«

Mrs Walker hatte recht. Charlie musste im Unterricht dringend besser aufpassen.

Ben korrigierte ihn. »Nein, du Dumpfbacke. Das ist der Teil neben England, der aussieht wie ein Schweinekopf.«

»Da ist das? Und wie sollen wir da hinkommen?«

»Mit dem Zug.« Ich rief die Homepage der britischen Eisenbahn auf. »Ist aber nicht ganz billig. Wie viel Geld habt ihr?«

Charlie stülpte die Taschen seiner Cargohose aus. »Ich hab vier Pfund und sechzehn Pence.«

»Das reicht nicht.«

Ich griff nach meiner Kermit-Spardose, in der ich all mein Erspartes aufbewahrte. Als ich den Stöpsel rauszog, kullerten jede Menge silberne und braune Münzen auf den Teppich. Es sah buchstäblich nach einem Haufen Geld aus.

Ich bemerkte Bens Grinsen. »Was ist?«, grummelte ich.

»Alter, dein Geld steckt in einer Kermit-Spardose.«

»Ja, und?«

»Kermit der Frosch? Und jetzt stellt sich raus, dass dein leiblicher Vater Froggley mit Nachnamen heißt. Frog wie Frosch? Das ist doch irgendwie lustig, finde ich.«

Ich fand es nicht besonders lustig – im Gegenteil. Obwohl ich damals noch nicht an so was glaubte, kam es mir wie ein Zeichen vor. Ein Zeichen, wohlgemerkt, kein Wunder.

Das Gefühl verschwand jedoch ziemlich schnell wieder, als ich die Münzen zählte und auf einen Gesamtbetrag von acht Pfund und dreiundfünfzig Pence kam. »Das macht zwölf Pfund irgendwas. Damit kommen wir nie im Leben nach Wales.«

Ich schaute stumm zu Ben. Auch wenn ich in Wahrheit natürlich schon die ganze Zeit darauf spekuliert hatte, dass Ben unsere Finanzen aufstocken würde, versuchte ich trotzdem, es mit Fingerspitzengefühl anzugehen. Ich wollte ja nicht allzu dreist erscheinen. Insgeheim hoffte ich, dass er es von selbst vorschlagen würde.

Charlie hingegen hatte es nicht so mit Fingerspitzengefühl. Er stupste Ben mit dem Fuß an und drängte: »Komm schon, alter Geldsack, lass mal was rüberwachsen.«

Ben wirkte alles andere als glücklich darüber. Seit sein Dad reich ist, fürchtet er immer, dass er wegen seines Geldes ausgenutzt wird. Andererseits kriegt er aber auch mehr Taschengeld als Charlie und ich zusammen.

»Er muss nicht, wenn er nicht will«, beteuerte ich, obwohl ich es nicht so meinte. Ich wandte nämlich einen sogenannten doppelten Bluff an. Odervielleichtwar es auch nur ein einfacher Bluff. So genau kenne ich mich da nicht aus.

»Na los, Ben, rück endlich die Kohle raus. Freds Grams ist gestorben und ich wollte schon immer mal nach Wales.«

»Bis gerade wusstest du doch nicht mal, wo Wales liegt.«

Eine unbehagliche Stille kehrte ein. Eine Weile sagte keiner von uns ein Wort, bis ich schon dachte, Ben würde sich weigern, etwas beizusteuern. Doch schließlich seufzte er und sagte: »Na schön. Tut mir leid – natürlich beteilige ich mich.«

»Ich zahl es dir zurück, versprochen.« Allerdings legte ich mich, genau genommen, nicht darauf fest, wann.

Nachdem das mit dem Geld geklärt war, überlegten wir, was wir unseren Eltern erzählen sollten. Mein Vorschlag war zu behaupten, wir hätten die Reise bei einem Preisausschreiben gewonnen, was sich jedoch schnell als zu kompliziert erwies. Charlie fand, wir sollten eine Lösegeldforderung hinterlassen und so tun, als wären wir entführt worden, aber damit würden wir unsere Eltern nur unnötig in Aufregung versetzen. Und wer wusste schon, was sie dann machen würden? Letzten Endes entschieden wir uns für Bens Idee: Ich würde behaupten, dass ich ein paar Tage bei Ben übernachtete. Ben sollte vorgeben, dass er bei Charlie übernachtete, und Charlie wiederum sollte so tun, als würde er bei mir schlafen. Ben zufolge war dieser Plan so einfach wie genial.

Wie sich rausstellte, hatten unsere Eltern überhaupt kein Problem damit. Ich hatte befürchtet, dass Dad mich sofort durchschauen würde, weil man es mir immer gleich ansieht, wenn ich lüge. Doch als ich sagte: »Dad, ich bleibe ein paar Tage bei Ben. Bin Sonntag zurück«, erwiderte er bloß: »Wo ist die Fernbedienung?«

Nach allem, was danach passiert ist, muss ich ihm jetzt immer, wenn ich das Haus verlasse, genau angeben, wo ich wann und mit wem hingehe. Er hat sogar mit dem Gedanken gespielt, mir einen elektronischen Chip einpflanzen zu lassen, so wie bei Lady Gaga. Also, dem Hund, nicht der Sängerin. (Ob die gechippt ist, weiß ich nicht.)

Ben, Charlie und ich vereinbarten, uns am nächsten Morgen um acht Uhr an der Bushaltestelle zu treffen. Wir beschlossen, mit leichtem Gepäck zu reisen – eine Ersatzunterhose und ein paar Snacks mussten reichen. Ich glaube, ich ging davon aus, dass mein neuer Dad, Alan, uns mit allem Nötigen versorgen würde, und außerdem wollten wir ja eh nur eine Nacht wegbleiben. Wenn mich jemand fragt, ob ich aus heutiger Sicht bei meiner Reise etwas anders gemacht hätte, lautet meine Antwort: mehr Unterhosen einpacken. Generell mehr Klamotten, eigentlich.

Die unglaubliche Wunderreise des Freddie Yates

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