Читать книгу Zeit ist nicht das Problem - Jens Wollmerath - Страница 8

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Karl rannte, so schnell er konnte, doch der Hund klebte an seinen Fersen und kläffte wie bei der Treibjagd. Der Gartenzaun rückte immer näher.

Soll ich durch die Tür und dabei wichtige Zeit verlieren, oder soll ich springen? Ausgeschlagene Zähne und Schürfwunden inklusive!

Die feuchte Nase an seiner Hosennaht machte die Entscheidung einfach. Karl drückte sich mit einem Fuß von den Steinplatten der Zuwegung ab, flog über das Eisengitter und kam zu seinem großen Erstaunen auf beiden Beinen wieder zum Stehen. Ohne sich umzudrehen lief er zu einem Lieferwagen und sprang hinter das Lenkrad.

„Prima Paketdienst“ stand in roter Schift auf der Seitenwand.

Karl versuchte, seinen Atem zu beruhigen.

Mann, der Tag hatte eigentlich gar nicht so schlecht angefangen. Pünktlich zum Vorstellungstermin erschienen. Kurzes Gespräch und dann gleich um halb acht die erste Schicht.

„Sie werden sehen, Herr Grün, nach den ersten drei bis vier Paketen geht es wie von alleine.“ Wenn ich an den Typen mit diesem Putzlappen von einem Anzug denke. Jetzt habe ich selbst die hässlichste Uniform der Welt an, einen Laster voll mit Paketen und erst drei abgeliefert. Und es ist halb zehn!

Der Hund sprang noch immer wie ein Derwisch am Gartenzaun entlang.

Und jetzt hier dieser schnauzbärtige Perverse im Leopardenmorgenmantel. Wahrscheinlich eine Kiste mit Pornos oder ein Lederkorsett für seine Frau.

Karl drehte den Zündschlüssel. Das Geräusch des Anlassers verhieß nichts Gutes. Nach dem fünften Versuch wurde Karl nervös und schwitzte noch mehr, als nach seiner kurzen sportlichen Einlage.

Lass mich jetzt nicht im Stich!

Karl pumpte auf dem Gaspedal herum.

„Jetzt spring endlich an, du Scheißkarre, sonst…“

Wumms, wumms! Karl wäre fast vom Sitz gefallen. Der Leopardenmann hämmerte mit der Faust gegen die Scheibe der Beifahrertür und grinste. Karl beugte sich über den Sitz und kurbelte das Fenster herunter.

„Sie müssen noch ein Paket für mich haben, da war nicht alles dabei!“

Der Schnauzbart tanzte in der Kälte auf und ab.

Ah, die Streckbank fehlt!

„Moment“, brummte Karl und sprang aus der Fahrertür.

Im selben Augenblick hatten die Zähne des kleinen Köters sein Schienbein in fester Umklammerung.

„Au, verflucht! Mann, Holen Sie Ihre Scheißtöle zurück!“

Karl schüttelte sein Bein, doch der Vorgartenwächter ließ nicht locker.

„Hermann, aus!“

Der Mann im Morgenrock sagte dies ohne besondere Überzeugung und Bestimmtheit.

Von einem Moment auf den anderen schien sich der Kläffer aber viel mehr für eine Katze zu interessieren, die auf dem Zaun des Nachbargartens erschienen war. Karl rieb sein Bein, während Hermann der Hund seinem Urinstinkt folgte.

„Ich könnte Sie anzeigen“, schimpfte Karl und öffnete die Klappe zum Laderaum.

Der Schnauzbart zitterte in der Kälte, umklammerte sein Bademäntelchen und erwiderte nichts. Im Halbdunkel des Lieferwagens wühlte Karl in den Paketen.

Tatsächlich, da ist es. Muss ich heute Morgen ins falsche Fach gelegt haben. Na, schauen wir mal auf den Absender. „Modelleisenbahn Schmidtke“?

Wortlos streckte Karl das Paket aus der Tür.

„Ah fein, die Lokomotiven!“

Der Mann mit den besonderen Vorlieben lächelte.

Donnerstag, 14. Februar

Das war der härteste Job meines Lebens. Habe bis um elf Uhr abends Pakete ausgefahren. Zwei Hundebisse, achtmal verfahren und mindestens dreimal beschimpft worden, weil ich zu spät war. Bin dann auch prompt wieder rausgeflogen. Wenigstens habe ich mein Geld direkt bar bekommen. 100 Euro, davon könnte ich bei Gert eine ganze Kiste Kostbarkeiten kaufen, [seltsame Alliteration], muss also morgen wieder los und mir einen neuen Job suchen. Super! Wollte eigentlich heute zu Mama und die Wäsche abholen. Vielleicht schaffe ich es morgen.

Zeit ist nicht das Problem

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