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c) Berücksichtigung von Literaturmeinungen durch M als Erkenntnisquelle aufgrund fehlender konkretisierender Rechtsprechung
ОглавлениеZu der in § 272 Abs. 5 HGB verankerten Ausschüttungssperre ist bislang noch keine konkretisierende Rechtsprechung ergangen. Deshalb ist es aus Sicht der M sinnvoll, bei der Interpretation des Gesetzeswortlauts i.S.d. GoB das Schrifttum als Auslegungshilfe zu konsultieren. Folgt M der hier vertretenen Position, so hat sie die vereinnahmten Dividendenerträge aufgrund des fehlenden Rechtsanspruchs zum Bilanzstichtag in eine ausschüttungsgesperrte Rücklage einzustellen; die Ausschüttung der entsprechenden Gewinne an die Anteilseigner der M kann mithin erst im Folgejahr erfolgen.
In der deutschen Literatur werden die Anforderungen an den „Anspruch“ auf Zahlung der Dividende zur Bestimmung des Geltungsbereichs der Ausschüttungssperre in § 272 Abs. 5 HGB kontrovers diskutiert. In Einklang mit Kirsch, der in der fehlenden Spezifizierung des Anspruchs eine „Regelungslücke[.]“ sieht,100 propagiert Haaker eine Auslegung des behaupteten unbestimmten Rechtsbegriffs im Kontext des nationalen Bilanzrechts, in Deutschland innerhalb der handelsrechtlichen GoB, die aufgrund der zugrunde gelegten wirtschaftlichen Betrachtungsweise weder für den Ansatz von Vermögensgegenständen im Allgemeinen noch von Forderungen im Speziellen das Bestehen einer zivilrechtlichen Absicherung fordern.101 Haaker schließt hieraus, dass die Ausschüttungssperre innerhalb der handelsrechtlichen GoB „ins Leere laufe[.]“.102 Das IDW argumentierte im Rahmen seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf des BilRuG, für eine Ausschüttungssperre „bestehe […] kein Anlass“, weil der phasengleich vereinnahmte Dividendenertrag „bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise realisiert und damit als zum Vermögen des Gesellschafters gehörig anzusehen ist“.103 Es forderte deshalb eine Klarstellung in den Gesetzesmaterialien, dass an der bestehenden Praxis der phasengleichen Erfassung von Dividendenerträgen festgehalten werden kann.104
Der Arbeitskreis Bilanzrecht Hochschullehrer Rechtswissenschaft spricht sich hingegen für eine Auslegung als „zivilrechtlich begründete[r] Anspruch“ aus, weil es dem Regelungszweck der Richtlinienvorschrift entspreche, den phasengleich vereinnahmten Gewinnanteil, der auf eine bilanzrechtlich zulässig aktivierte künftige Dividendenforderung im Rechtssinne entfällt, zur Sicherung des Kapitalschutzes von der Ausschüttung an die Gesellschafter auszuschließen.105 Auch ein Abgleich mit den unterschiedlichen Sprachfassungen der Richtlinie spreche für eine Auslegung des Anspruchs als Rechtsanspruch.106 In diesem Sinne legt auch Hoffmann den Anspruch im Lichte der Richtlinienintention aus und hält dementsprechend nur das Verständnis des Anspruchs „im Rechtssinne“ für eine „geltungserhaltend[e]“ Interpretation der Regelung zur Ausschüttungssperre.107
Ähnlich wie das IDW in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf hielt auch der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags in seiner Beschlussempfehlung zum Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz „einige Erläuterung“ zur Ausschüttungssperre vor der Gesetzesverabschiedung für geboten.108 Konkret sollte in den Gesetzesmaterialien darauf hingewiesen werden, dass es für die Entstehung des Anspruchs i.S.v. § 272 Abs. 5 HGB ausreiche, dass die Dividende „so gut wie sicher vereinnahm[t] wird“, auch wenn der den Rechtsanspruch begründende Gewinnverteilungsbeschluss noch ausstünde.109 Hermesmeier/Heinz unterstellen der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses Richtlinienkonformität und werten diese als ausdrückliche Billigung der Ausschüttbarkeit phasengleich vereinnahmter Dividendenerträge durch den Gesetzgeber.110
Allerdings wurde das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz diesbezüglich unverändert, d.h. ohne die vom Rechtsausschuss geforderten Hinweise und zusätzlichen Erläuterungen zur Ausschüttungssperre, verabschiedet. Man wird der Meinung des Rechtsausschusses deshalb kein allzu großes Gewicht bei der Auslegung der Vorschrift zur Ausschüttungssperre einräumen können.111 Auch wird man angesichts der heterogenen Literaturmeinungen kaum der These von Zwirner zustimmen können, „nach h.M. [bestehe] kein Anwendungsbereich für die Ausschüttungssperre im HGB“.112
Bei der Problemlösung ist schließlich zu berücksichtigen, dass Literaturmeinungen unabhängig von der vertretenen Position – wie oben erläutert – lediglich Erkenntnisquellen darstellen, die bei der Konkretisierung (vermeintlicher) Regelungsunschärfen als Anhaltspunkte hinzugezogen werden können, jedoch wegen der fehlenden Rechtsnormqualität keine GoB bilden und bei Inkonsistenz mit dem GoB-System im Falle einer gerichtlichen Überprüfung als GoB-widrig verworfen werden können. Letztverbindliche Rechtsklarheit wird in diesem Fall nur der EuGH schaffen können.113