Читать книгу Die Sagen von Berandan - Jo W. Gärtner - Страница 8
Kapitel 3
ОглавлениеDie Sonne war hinter dem Horizont verschwunden. Hell blinkten die Sterne am dunklen, weiten Nachthimmel. Unten im Tal leuchteten viele Fackel und Laternen, wo sich die Dörfer und die Lager befanden.
Weiter oben am felsigen Hang hinauf zu den Grauen Bergen konnten genaue Beobachter zwei schwarze Silhouetten auf einem Felsen sitzen sehen, die die Beine hinunterbaumeln ließen und den tiefen Frieden dieser klaren Nacht genossen.
Andres sog leise die kühle Nachtluft ein, sein Blick war weit in der Ferne im Nirgendwo verhaftet, eine leichte Brise strich durch sein dickes Haar. Yolanda saß – die Hände unter ihre Oberschenkel geschoben und in Gedanken verloren – neben ihm.
„Sieh, da!“, wisperte Andres und zeigte in das Meer von Sternen. „Eine Sternschnuppe. Hast du sie gesehen?“
Yolanda nickte und lächelte sanft.
„Wir dürfen uns was wünschen. Aber nicht sagen, was du dir wünschst, denn dann geht es nicht in Erfüllung.“
Beide schlossen die Augen, verharrten für einen Augenblick und hingen ihren Wünschen nach.
Andres blickte zu Yolanda, die – noch immer ihre Augen geschlossen – genoss, wie der Wind über ihre Wangen wehte, wie kein Laut die feierliche Stille der Nacht durchbrach, wie ihre Hände die kühle, aber feste Sicherheit des Felsens unter ihr spürten. Das lange rote Haar bewegte sich leicht im Wind und floss über die Schultern den Rücken der jungen Frau hinunter. Andres beobachtete ihre sanften und ebenen Gesichtszüge, vom hellen Schein des Mondes in fahles Licht getaucht.
Seine Hand suchte die ihre, doch diese war warm unter Yolandas Bein verborgen. Er legte seinen starken Arm um ihre Schulter und zog sie langsam zu sich her. Sie hob die Lider und blickte zu ihm, schaute ihm in die Augen. Ihre großen dunklen Augen ergriffen Besitz von ihm, zogen ihn an. Er wollte in ihnen ertrinken, sich in sie stürzen und nie mehr von ihnen loskommen. Er wollte...
Seine Lippen berührten die ihre. Ganz sanft, ganz zaghaft. Ein wohliges Vibrieren floss von seinen Lippen durch seinen Körper. Er ertrank. Sein Herz schlug schneller, die Lippen ruhten auf den ihren, sie berührten sich nur knapp.
„Nein, bitte nicht!“ Yolanda setzte sich aufrecht und rückte ein wenig von Andres weg, der überrumpelt und verdutzt dasaß und sie irritiert anschaute. Dann ging ein Ruck durch seinen kräftigen Körper, er drehte sich leicht weg, ein Schatten legte sich auf sein Gesicht und sein Blick verschloss sich ihr.
„Entschuldigung“, flüsterte er leise.
Keiner der beiden sprach ein Wort, und so saßen sie auf dem Felsen in der lauen Mainacht, schauten die Sterne über sich an und hingen ihren Gedanken und Wünschen nach.
„Es tut mir leid“, durchbrach Yolanda das Schweigen. „Es ist... Ich habe dich furchtbar gern, aber ich kann nicht.“
Sie griff nach seiner Schulter und wollte ihn zu sich drehen, doch Andres blieb wie versteinert sitzen.
„Es ist wegen dieses Rimon, nicht wahr?“, brummelte er nach einer Weile. „Wegen ihm kannst du nicht.“
„Nein, es ist ... nein, nicht wegen ihm ... ich weiß nicht.“
„Was findest du an ihm? Er hat dich einfach im Stich gelassen, als du ihn gebraucht hast. Er denkt nur an sich und würde dich immer wieder im Stich lassen, wenn es nur ihm selbst nützen würde.“ Andres brummelte nicht länger, er wurde wütend und seine Stimme aggressiver.
„Es ist doch gar nicht wegen ihm!“, versuchte Yolanda sich zu entschuldigen, aber sie wusste genau, dass Andres Recht hatte.
„Wegen was ist es dann? Sag mir dann, woran es liegt?!“
„Ich weiß doch auch nicht. Es fühlt sich einfach nicht richtig an. Ich ...“ Yolanda seufzte tief. „Vielleicht hast du Recht. Vielleicht stimmt es. Ja, vielleicht ist es wegen Rimon. Ach, ich weiß doch auch nicht. Ich ... Es tut mir leid, Andres.“
„Ich versteh dich nicht“, brummte Andres, und Yolanda konnte von hinten die dichte Mähne hin- und herwippen sehen, als Andres heftig den Kopf schüttelte.
Yolanda wollte antworten, irgendetwas sagen, ihm zeigen, wie wichtig er ihr war, doch ihr fehlten die Worte und nichts weiter als ein müdes „tja“ kam über ihre Lippen.
Nachdem sie eine Weile so dagesessen waren, stand Andres plötzlich auf, sagte „Gute Nacht“ und legte sich weit von ihr entfernt schlafen.
Yolanda blieb auf dem kühlen Fels sitzen, schaute dem Mann im Monde zu, wie er langsam über den schwarzen Himmel wanderte, und wurde vom Miglin Maltor im Morgengrauen geweckt, als er sie sitzend schlummernd vorfand und ihr eine warme Decke über die Schultern legte.