Читать книгу Vergessene Pfade Königssee und Berchtesgadener Land - Joachim Burghardt - Страница 16
WEGE UND ANDERE MENSCHLICHE SPUREN
ОглавлениеWer sich im Königsseegebiet ein wenig auskennt, sollte einmal einen Blick in die »Karte der Berchtesgadener Alpen« werfen, die der Deutsche Alpenverein im Jahr 1887 herausgegeben hat. Es ist kaum zu glauben, wie viele Wege und Pfade dort verzeichnet sind, die heute niemand mehr kennt. Tatsächlich existierten damals noch unzählige Alm-, Forst- und Jagdsteige, die sich auf kühnste Weise selbst durch abweisende Steilhänge schlängelten und die Landschaft wie ein enges Netz überzogen. Einige davon sind mittlerweile von der Landkarte verschwunden und auch vor Ort nicht mehr auffindbar, andere wiederum wachsen allmählich zu, werden aber hin und wieder noch begangen und tauchen auch in guten neueren Karten auf. Wer glaubt, dass im Zuge der fortschreitenden Erschließung des Gebirges auch die Weganlagen immer zahlreicher werden, irrt. Im Gegenteil: Im Laufe der vergangen 130 Jahre ist die Zahl der Wege rund um den Königssee deutlich zurückgegangen.
Die Gründe dafür sind vielfältig und im Wechselspiel von Almwirtschaft, Jagd, Forstwirtschaft, Tourismus und Naturschutz zu suchen. Die Almwirtschaft etwa wird nur noch zu einem Bruchteil früherer Ausmaße betrieben, was zur Folge hat, dass alte Hütten sowie Viehtriebsteige verfallen und freies Wiesengelände vom Dickicht zurückerobert wird. Verantwortlich für den Rückgang der Almwirtschaft bis in die 1970er-Jahre waren diverse Faktoren, wie z. B. Jagdinteressen, steigende Personalkosten oder eine fortschreitende Verkarstung des Bodens, in früheren Jahrhunderten auch eine langfristige Abkühlung des Klimas. Für den Tourismus wurden einige Wege neu angelegt, meist baute man jedoch bereits bestehende Pfade aus und markierte sie. Der Naturschutz wiederum, vor allem die Errichtung des Nationalparks Berchtesgaden 1978, legte verschiedenen Nutzungsformen des Gebirges Beschränkungen auf, was sich auf den Bestand der Jagd- oder Forstinfrastruktur negativ auswirkte. Viele alte Steige, z. T. sogar markierte Wanderrouten werden nicht mehr erhalten, verfallen mit der Zeit oder werden sogar bewusst unkenntlich gemacht. Die Gratwanderung zwischen Natur- und Kulturschutz ist nicht einfach, Interessenskonflikte sind vorprogrammiert.