Читать книгу Vergessene Pfade Königssee und Berchtesgadener Land - Joachim Burghardt - Страница 8

Vorwort

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Dieses Buch zu schreiben war ein Abenteuer im Kleinen. Es stellte sich als eine große und schöne Aufgabe heraus, Bergerlebnisse zu Hause am Arbeitstisch noch einmal nachzuvollziehen, Erinnerungen und Geschichten wachzurufen, in Büchern zu forschen und mir im Lauf von Monaten allmählich die Worte und Bilder zurechtzulegen, die zuletzt als Ganzes dastehen sollten. Ein Abenteuer war die Arbeit aber auch deshalb, weil sie mich in die Geschichte meines eigenen Bergerlebens zurückführte. Denn die Berge rund um den Königssee waren das erste Gebirge, das ich für mich liebgewann.

Als Kind unternahm ich mit meinem Vater erste Hüttenwanderungen, als Jugendlicher ließ ich mich von den Bildern und Texten in Horst Höflers Buch »Berchtesgadener Alpen« zum Träumen anregen. Die »beständige Sehnsucht, die nie enttäuscht wird«, packte auch mich. Es lag auf der Hand: Diese Berge übten einen ganz besonderen Reiz aus, der die Anziehungskraft anderer Landschaften überstieg. Als ich dann mit sechzehn Jahren zum ersten Mal auf der Watzmann-Mittelspitze stand, glaubte ich einen Endpunkt erreicht, das Allerwichtigste geschafft zu haben. Ich kannte nun ja alles vermeintlich Bedeutsame: St. Bartholomä mit seinem Souvenirtrubel, das Trompetenecho und die Sage vom schrecklichen König; ich hatte ein paar Normalwege in meinem Tourenbuch verzeichnet und war bei jeder Fahrt über den Königssee aufs Neue gespannt, ob die Zahl der Toten in der Watzmann-Ostwand schon wieder gestiegen war. Der größere und stillere Teil der Wirklichkeit blieb mir hingegen noch verborgen.

Doch die Watzmann-Besteigung war ja erst der Anfang. Jahr für Jahr kehrte ich öfter zurück, entdeckte Schritt für Schritt Neues und Verborgenes. Die wichtigste Erkenntnis dabei war: Neben den touristischen Brennpunkten existiert auch noch eine tiefere Dimension, die nur bei genauem Hinsehen hervortritt – alte Viehtriebsteige, unbekannte Pfade, verfallene Hütten, abgelegene Hochflächen, selten betretene und sogar namenlose Gipfel, vor allem aber auch eine Menge Hintergrundwissen, das im Laufe der Zeit verschüttgegangen ist oder einem breiteren Publikum nie zugänglich war. Mit Feuereifer besorgte ich mir antiquarisches Bücher- und Kartenmaterial, suchte und fand wenig bekannte Routen, an denen die Erschließungs- und Werbemaschinerie gänzlich vorübergegangen ist – großartige Orte der Stille, manchmal beinahe eine vergessene Welt. Aus dieser aufregenden Recherche ging schließlich selbst wieder ein Buch hervor, das Sie nun in den Händen halten. Es präsentiert eine Auswahl von 35 Touren, die teils in die Einsamkeit führen, teils aber auch Bekanntes neu betrachten, eine neue Annäherung an ein literarisch fast schon zerschriebenes und bergtouristisch stark kanalisiertes Gebirge wagen wollen. Keine »35 schönsten zum zigsten Mal« also, sondern 35 schöne ohne Superlativ, oft unkonventionelle Touren. Und mit Sicherheit 35-mal ein besonderes Naturerlebnis für den Liebhaber, der sich nicht nur für die bekanntesten Touristenziele interessiert.

Die Gefahr, den einen oder anderen »Geheimtipp« durch die Veröffentlichung kaputtzureden, ist dabei nur gering. Denn solange die einsamen Pfade nicht im großen Stil beworben, vor Ort markiert und ausgebaut werden, wird eine einzelne Publikation nicht viel an ihrem Dornröschenschlaf ändern. Ein nettes Detail aus der alten Literatur wieder hervorzuholen, kann ohnehin nicht schaden – im Gegenteil: Es hilft, Wissen zu bewahren. Und man muss es wirklich einmal sagen: Ein mit viel Mühe, vielleicht auch mit Liebe angelegter Pfad im Gebirge stellt einen kulturellen und historischen Wert dar, er ist Ausdruck des menschlichen Ringens und Unterwegsseins in einer wilden Natur – und als ein solcher verdient er es, in Erinnerung zu bleiben. Darum dieser Tourenführer.

Die Erfahrung zeigt doch: Wenn eine Gefahr für die Intaktheit der Natur besteht, dann nicht durch ein Buch, das spezielle Touren für Kenner und Liebhaber beschreibt, sondern vielmehr durch die aus dem Ruder laufenden Entwicklungen im Internet, speziell im Bereich der sozialen Medien – und natürlich durch physische Ausbau- und Erschließungsmaßnahmen im Gebirge. Denn während dieser gedruckte Tourenführer bewirkt, dass einzelne Touren höchstens ein paar Dutzend zusätzliche Begehungen pro Jahr bekommen, droht durch im Internet veröffentlichte Tipps manchmal die zerstörerische Heimsuchung durch Tausende Bergunkundige – man denke an die sogenannten »Instagram-Hotspots«. Für die Touren dieses Buchs hingegen werden auch ganz bewusst keine GPS-Tracks zur Verfügung gestellt, um das »blinde« und unreflektierte Nachwandern nicht zu fördern. Stattdessen sind gezielt diejenigen Bergsteiger angesprochen, die in der Lage sind, sich selbstständig und verantwortungsvoll im alpinen Gelände zu bewegen.

Mögen alle Interessierten die in diesem Buch beschriebenen Wanderungen und Bergtouren mit Vorsicht, Umsicht und Rücksicht begehen – und sich an der einzigartig schönen Landschaft der Berchtesgadener Alpen erfreuen. Allen Leserinnen und Lesern wünsche ich leuchtende Erlebnisse am Berg und tiefgründige Freude bei der Lektüre dieses Buchs!



Vergessene Pfade Königssee und Berchtesgadener Land

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