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2Aufbau und Funktion der Wirbelsäule

Als Erstes muss man verstehen, dass die Wirbelsäule keine Säule im eigentlichen, statischen Sinne ist. Die Wirbelkörper sind keineswegs wie Bauklötze stabil aufeinander gestapelt, woraus eine starre, gewichtsbelastete Säule resultieren würde. Im Gegenteil, die Stabilität der knöchernen Elemente fehlt.

Erst durch das Zusammenwirken von Knochen, Bandscheiben, Bändern und Muskeln kann diese instabile Säule in Balance gehalten werden.

Um Beweglichkeit, Belastbarkeit und Erkrankungen zu verstehen, zunächst die Grundzüge der Anatomie:

Die Wirbelsäule besteht aus 33 Wirbelkörpern (Abbildung 3):

7 Hals(Zervikal)wirbeln,

12 Brust(Thorakal)wirbeln,

5 Lenden(Lumbal)wirbeln und

9 Kreuzbein(Sakral)wirbeln sowie

dem Steißbein (Os coccygis).

Die Wirbelkörper sind miteinander beweglich verbunden.

Kreuz- und Steißbein sind zusammengewachsen. Zwischen den übrigen Wirbeln befindet sich im vorderen Bereich, bei den Wirbelkörpern jeweils eine Bandscheibe (Zwischenwirbelscheibe, Discus intervertebralis). Im hinteren Anteil sind die Wirbelkörper jeweils durch 2 Wirbelbogengelenke (rechts und links) nach oben und unten verbunden.

Abbildung 3: Seitliche Ansicht der Wirbelsäule. Gliederung in Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäulenbereich sowie Kreuz- und Steißbein.

2.1Das Bewegungssegment – Element der Beweglichkeit

Die Bandscheibe wird durch Flüssigkeitsein- und -abstrom bei Be- und Entlastung ernährt.

Zwischen den Wirbeln findet die Bewegung statt. Medizinisch spricht man von dem Bewegungssegment (Abbildung 4). Damit ist jeweils der Übergangsbereich von einem Wirbelkörper zum anderen gemeint: Im vorderen Anteil der Wirbelkörper ist das jeweils der untere Bereich des oberen Wirbelkörpers (Grundplatte), die zwischengelagerte Bandscheibe und der angrenzende obere Anteil des unten liegenden Wirbelkörpers (Deckplatte). Ebenso gehören die rechts und links nach hinten gelegenen Zwischenwirbellöcher und die jeweils zwei weiter nach hinten angrenzenden kleinen Wirbelgelenke (Facetten) dazu. Sie haben die Verbindung nach oben und unten. Durch jedes Zwischenwirbelloch (rechts und links) tritt eine Nervenwurzel mit begleitenden Blutgefäßen aus. Die Nervenwurzel liegt typischerweise im oberen Anteil des ohrförmigen Zwischenwirbellochs, geringfügig über der Höhe der Bandscheibe.

Im Zusammenspiel dieser verschiedenen Elemente des Bewegungssegments ist die Bandscheibe die anfälligste Struktur. Diese hat zwei zentrale Aufgaben:

Abbildung 4: Bewegungssegment mit seinen Anteilen

1 Grundplatte

2 Bandscheibe

3 Deckplatte

4 Zwischenwirbelloch

5 Kleine Wirbelgelenke


Abbildung 5: Bandscheibe mit Be- und Entlastung. Bei Entlastung saugt sich die Bandscheibe mit Nährstoffen voll. Bei Belastung gibt sie Flüssigkeit und Stoffwechselprodukte ab.

Zum einen muss sie die Beweglichkeit zwischen den Wirbelkörpern maßgeblich zulassen und mitmachen,

zum anderen muss sie als Belastungsdämpfer (Puffer) zwischen den Wirbelkörpern wirken.

Im Laufe des Lebens verfestigt sich die Bandscheibe durch Faserbildung.

Trotz dieser elementaren Aufgaben ist die Ernährungssituation der Bandscheibe höchst ungünstig. Nur in den ersten Lebensjahren (bis etwa zum 4. Lebensjahr) wird sie durch Blutgefäße versorgt. Danach bilden sich die Blutgefäße zurück und die Bandscheibe kann dann nur noch durch einen Einstrom von Flüssigkeit aus der Umgebung Nährstoffe aufnehmen bzw. durch ein Abpressen von Flüssigkeit Stoffwechselschlacken abgeben. Diesen Vorgang nennt man Diffusion. Er wird durch den äußeren Druck auf die Bandscheibe gesteuert, also die Druckbelastung auf den Wirbelkörpern, sowie die Fähigkeit des Bandscheibengewebes, Flüssigkeit anzusaugen (osmotischer Druck). Das Ansaugen von Flüssigkeit ist somit erst möglich, wenn die axiale Druckbelastung auf die Bandscheibe maßgeblich reduziert ist. Die Bandscheibe kann sich dann vollsaugen und muss dabei alle Substanzen aufnehmen, die sie für die Ernährung und als Baustoffe benötigt. Die Ernährung gelingt natürlich umso besser, je regelmäßiger der Wechsel zwischen Belastung und Entlastung erfolgt, umso mehr also die Diffusion, d. h. die Durchsaftung, mit ihrem Wechsel von Flüssigkeitsaufnahme und -abgabe gefördert wird.


Abbildung 6: Faserringbildung der Bandscheibe. Die äußeren Anteile zeigen die Faserstruktur, im Inneren finden sich flüssigkeitshaltige gallertige Anteile.

Im Laufe des Lebens ändert sich die Struktur der Bandscheibe. Bei einem Kleinkind und im Vorschulalter ist die Bandscheibe durch und durch gallertig, also eine strukturlose Masse, die sich bei Bewegung beliebig hin und her verschiebt. Im Schulalter, spätestens im Alter der Pubertät, weist die Bandscheibe als äußere Begrenzung eine ringartige Faserstruktur auf, wobei der größere innere Bandscheibenanteil immer noch gallertig ist.

Die Faserringbildung (Anulus fibrosus) nimmt im Laufe des Lebens stetig zu, sodass der weichere, mobile, gallertige innere Bandscheibenanteil kleiner und kleiner wird. Im Alter von 50–65 Jahren ist schließlich die gesamte Bandscheibe faserig strukturiert. Sie hat dann keine stoffwechselaktiven und flüssigkeitshaltigen inneren gallertigen Anteile mehr.

Diese Entwicklung der faserigen Strukturierung der Bandscheibe schreitet individuell unterschiedlich schnell fort. Grundsätzlich läuft dieser Prozess am schnellsten an denjenigen Bandscheiben ab, die im Übergangsbereich von beweglicheren zu starreren Anteilen der Wirbelsäule liegen. Dies ist im Bereich der unteren Halswirbelsäule und der unteren Lendenwirbelsäule der Fall. Diese Bereiche haben auch eine besondere Bedeutung für Bandscheibenerkrankungen, wie später noch erläutert wird.


Abbildung 7: a) Übliche Wölbungen der Wirbelsäulenabschnitte. b) Hohlrücken: Übermäßige Beckenvorneigung mit vermehrter Hohlwölbung der Lenden- und der Halswirbelsäule sowie Vorwölbung der Brustwirbelsäule. Ein seitlich gefälltes Lot vom Kopf fällt in den Deckplattenbereich des Kreuzbeins. c) Flachrücken. Die Wölbungen von Lenden- und Brustwirbelsäule sind vermindert. d) Rundrücken. Großbogig vermehrte Brust- und Lendenwirbelsäulenkyphose.

2.2Gewölbt statt kerzengerade

Die leichten Wölbungen der Wirbelsäule sind für die Balance des Rumpfes wichtig.

Die Form des Rückens und insgesamt unsere Haltung werden maßgeblich durch die bogige, gewölbte Anordnung der Wirbelkörper bestimmt. Im Bereich der Lendenwirbelsäule und der Halswirbelsäule macht schon die Rückenkontur die Höhlung (Lordose) deutlich. Im Bereich der Brustwirbelsäule findet sich eine Wölbung nach außen (Kyphose). Diese Wölbungen werden maßgeblich durch die Position des Beckens und des Kreuzbeins bestimmt. Je mehr das Becken nach vorne geneigt bzw. das Kreuzbein in die Horizontale verkippt ist, desto größer ist die Höhlung der Lendenwirbelsäule. Damit der gesamte Körper noch in der Balance bleibt, ist eine umso größere Gegenschwingung der Brustwirbelsäule nach hinten erforderlich (übermäßige Kyphose). Ebenso muss dann auch die Halswirbelsäule eine übermäßige Höhlung ausbilden. Die übermäßigen Wölbungen sind nötig, damit der Körper insgesamt noch in der Balance ist. Ein vom Kopf gefälltes Lot muss durch den Deckplattenbereich des Kreuzbeins fallen. Deswegen provoziert jede vermehrte Schwingung eines Abschnitts eine wiederum vermehrte Gegenschwingung des darüberliegenden Wirbelsäulenabschnitts.

2.3Bänder und Muskeln zur Stabilisierung


Abbildung 8: Verspannungen der Wirbelsäule an den Wirbelkörpern durch vorderes (1) und hinteres (2) Längsband, über die kleinen Wirbelgelenke (3), zwischen den Dornfortsätzen (4) und als Verbindung zwischen den Dornfortsatzspitzen (5).

Bänder geben passiven Halt, Muskulatur sorgt für aktive Stabilisierung.

Die einzelnen Wirbelkörper werden durch ein vorderes und hinteres Längsband miteinander verbunden (Abbildung 8). Dieses breite Band zieht über das Bewegungssegment hinweg und sichert den Bandscheibenraum bei Bewegung.

Die kleinen Wirbelgelenke werden durch Kapsel-Band-Strukturen überzogen und so in ihrer Position gesichert. Bänder vermitteln zwar passiv Halt, fangen also die statische Belastung ab, geben aber bei Dauerbelastung nach. Sie dehnen sich und passen sich so allmählich zunehmender Belastung an.

Somit ist die Muskulatur das wichtigste Element, um eine gute Einstellung der Wirbelsäule zu sichern und den aktiven Halt und damit die Grundlage für die eigentliche Balance der Wirbelsäule zu gewährleisten.

Vereinfacht dargestellt wird der Kopf maßgeblich von der Nackenmuskulatur gehalten (Abbildung 9). Die Rumpfstrecker ziehen die gesamte Wirbelsäule entlang bis zum Becken. Ihr wichtiger Gegenspieler sind die Bauchmuskeln, die ebenfalls am Becken ansetzen und gegen eine vermehrte Beckenvorneigung arbeiten. Außerdem sind sie wichtig, um durch ihren Zug der Vorwölbung des Bauches entgegenzuwirken. Der große Gesäßmuskel stabilisiert das Becken mit den Oberschenkelknochen der Hüfte. Zu den Beinen schließen sich die hinteren und vorderen Oberschenkelmuskeln sowie die Wadenmuskeln an.

Abbildung 9: Verspannungen der Rückenmuskulatur sowie der Bauch- und Gesäßmuskulatur.

Bei noch genauerer Betrachtung müssen die über den gesamten Rumpf quer verlaufenden Muskeln ebenso berücksichtigt werden (Abbildung 10). Auch sie verzurren den Rumpf und geben dadurch zusätzliche Stabilität. Dazu gehören z. B. der Kapuzenmuskel, der mit dem Brustmuskel eine obere Schlinge bildet, die Muskulatur, die am Schulterblatt ansetzt, und die inneren und äußeren schrägen Bauchmuskeln.

Diese Muskelzüge umschließen den Rumpf wie ein Korsett und sorgen für eine günstige Einstellung der Wirbelsäule und damit für eine günstige Voraussetzung der statischen Bandscheibenbelastung.

Abbildung 10: Quere Muskelzüge zur Stabilisierung.

2.4Nerven sorgen für Gefühl und Kraft

Bei Bandscheibenerkrankungen können vor allem die Nerven betroffen sein, die die Arme und Beine versorgen. Bei der Beschreibung des Bewegungssegments wurde schon gezeigt, dass die Nerven den Wirbelkanal durch das Zwischenwirbelloch nach außen verlassen (Abbildung 11). Der Wirbelkanal wird vom hinteren Anteil des Wirbelkörpers mit der angrenzenden Bandscheibe und von den Wirbelbögen gebildet.

Die Nervenversorgung ermöglicht die Kraftentfaltung der Muskeln und ermöglicht uns das Gefühl.

Das Rückenmark läuft von den Hirnbereichen des Kopfes in den Wirbelkanal und reicht bis zum 1. Lendenwirbelkörper (L1) nach unten. In Höhe jedes Bewegungssegments werden jeweils nach rechts und links Nervenwurzeln abgegeben. An der Halswirbelsäule sind das bei den 7 Wirbelkörpern 8 Halsnerven. Der 8. Halsnerv verläuft unterhalb des 7. Wirbelkörpers, also in dem Zwischenwirbelloch, das vom 7. Halswirbelkörper und ersten Brustwirbelkörper gebildet wird. Sodann folgen zu beiden Seiten 12 Brustnerven und sodann 5 Lendennerven. Die Kreuzbeinnerven treten nach hinten durch das Kreuzbein durch Wirbellöcher hindurch.

Abbildung 11: Wirbelkanal mit Rückenmark sowie den Nervenabgängen seitlich bei den Wurzellöchern.

Aufgrund ihres Verlaufs und aufgrund der Muskel- und Hautversorgung in ihrem Ausstrahlungsgebiet können die einzelnen Nerven an Arm und Bein unterschieden werden. So ist es möglich, aufgrund der Bereiche, an denen Gefühlsstörungen an Armen, Beinen oder auch Fingern und Zehen auftreten, zu ermitteln, welcher Nerv betroffen ist.

Ebenso verhält es sich mit den Muskeln. Die betreffenden Muskeln werden als typische „Kennmuskeln“ für einzelne Nervenwurzeln bezeichnet. Sie werden durch entsprechende Anspannung gegen einen Widerstand geprüft, also z. B. indem der Arm im Ellbogen gebeugt oder gestreckt wird oder das Kniegelenk, die Hand oder der Fuß gebeugt oder gestreckt werden.

Außerdem können verschiedene Nerven auch über die Prüfung von Reflexen untersucht werden. Ein Reflex wird ausgelöst, wenn die Sehne, über die ein Muskel am Knochen ansetzt, mit einem plötzlichen Dehnungsreiz überrascht wird. Als Reaktion zieht sich der Muskel zusammen, er kontrahiert. Dieses Ziehen des Muskels in einer unkontrollierten, reflexhaften Bewegung ist zu sehen. D. h. wenn dieser Reflex funktioniert, dann arbeitet auch der betreffende Nerv normal.

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