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lesen und springen

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Bei dieser ganz groben Steuerung der Leserichtung (vom Alten zum Neuen Testament) bleibt es freilich nicht. Es gibt in beiden Teilen der Bibel noch feinere Strukturen der Lesesteuerung, was hier allerdings nur ganz grob angedeutet werden kann.

Im Alten Testament bilden die fünf „Bücher Mose“ (auch „Pentateuch“ genannt) das Kopfstück, mit dem man beginnen soll. Diese fünf Bücher haben im Judentum (und auch in der Sicht der urchristlichen Gemeinden) einen besonderen Status. Sie bilden als „Tora“ (göttliche Weisung/Gesetz) das Herzstück der Bibel, von dem her alles andere zu verstehen ist. Und die Samaritaner – eine israelitische Sondergruppe, die sich vermutlich nach der Zerstörung des Nordreiches Israel (722 v. Chr.) aus den überlebenden Bevölkerungsgruppen bildete – erkennen bis heute sogar nur den Pentateuch als Heilige Schrift an, während ansonsten im Judentum „die Propheten“ (dazu gehören neben den Prophetenbüchern auch die Bücher Josua, Richter usw.) und „die Schriften“ (z.B. Psalmen, Rut und Chronikbücher) als Kommentare zur Tora anerkannt sind.

Im Neuen Testament empfehlen sich die einzelnen Evangelien als Leseeinheiten. Viele kennen die Evangelien ja nur als Häppchen (auch „Perikopen“ genannt), die man aus dem Religionsunterricht oder dem Sonntagsgottesdienst kennt: die Seligpreisungen, das Gleichnis vom verlorenen Sohn, den Schatz im Acker, die Heilung des Bartimäus, den kleinen Zachäus, den Einzug in Jerusalem usw. Aber von ihrer Struktur her sind Evangelien nicht einfach Anhäufungen von einzelnen Sprüchen und Jesus-Anekdoten, sondern durchgehende Erzählungen. So unerquicklich es sein mag, alle vier Evangelien am Stück zu lesen – jedes einzelne für sich ist einer fortlaufenden Lektüre durchaus zu empfehlen, weil nur so der individuelle Charakter des Blicks auf die Jesusgeschichte und der charakteristische Spannungsbogen, den jedes Evangelium hat, zu spüren sind. Dabei steht allerdings das Lukasevangelium auch noch mit der Apostelgeschichte in enger Beziehung, die vermutlich von demselben Autor stammt und mit ihrem Anfang an das Lukasevangelium anknüpft. Um aber dieses lukanische Doppelwerk einmal am Stück zu lesen, muss man das Johannesevangelium überspringen. Solches Springen in der Bibel ist auch notwendig, wenn man den Beziehungen folgt, die zwischen dem Johannesevangelium und den drei Johannesbriefen bestehen. Da macht es keinen Sinn, brav all das zu lesen, was nach dem Johannesevangelium kommt, bevor ich dann endlich zu den Johannesbriefen komme.

Die Bibel ist von ihrer Struktur her also kein einheitlicher Text, der stur von vorne nach hinten gelesen werden soll, sondern eher etwas für Leute, die z.B. auch gerne im Internet surfen. Dort gibt es nicht nur Texte, die ich fortlaufend lesen soll, so wie sie nacheinander kommen, sondern auch Links, die einen temporär wegführen vom gerade gelesenen Text. Da öffnen sich Fenster, die Hintergrundinformationen geben oder neue Sinndimensionen eröffnen, da gibt es Links, die mich zum ursprünglichen Text zurückführen usw. Ähnlich ist es auch in der Bibel: Wenn wir aufmerksam lesen, begegnen wir einer Fülle von Vorverweisen, Rückbezügen und Querverweisen. Manches gehört eng zusammen, obwohl es weit auseinandersteht, bestimmte Teile laden zum kontinuierlichen Lesen ein, andere haben eine eher lockere Struktur. Wer so etwas als Mangel empfindet, sollte sich nicht an die Bibel wagen.

Hände weg!?

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