Читать книгу Hände weg!? - Joachim Kügler - Страница 14
viele Textsorten
ОглавлениеSchließlich sei noch angefügt, dass wir es bei den Texten der Bibel auch noch mit ganz unterschiedlichen Gattungen zu tun haben. Da gibt es Erzählungen, Gesetzessammlungen, Mythen, Gebete, Lieder, Sprichwörter, Gottesdienstordnungen, (echte und falsche) Briefe, Gleichnisse, Visionen usw. Und selbstverständlich will jede Gattung so gelesen werden, wie es ihr angemessen ist. Bei profaner Literatur ist uns das selbstverständlich. Kaum jemand wird ein Theaterstück wie einen Gesetzestext lesen oder eine Gebrauchsanweisung wie ein Liebesgedicht. Wenn wir es trotzdem tun, dann kann kein Text uns daran hindern, aber wir sollten wenigstens wissen, was wir tun und warum unser Leseergebnis sich sehr unterscheidet von dem, was andere entdecken. Bei der Bibel dagegen ist vielen eine solche Sensibilität für die Gattung des Textes ziemlich fremd. Da ist es – um im Bild zu bleiben – durchaus üblich, das Liebesgedicht wie ein Kochrezept zu lesen und den Samstagskrimi wie die Tagesschau. Das muss schiefgehen!
Die Bibel ist also aufs Ganze gesehen ein hochkomplexes Gebilde, das eher einem Wurzelgeflecht gleicht. Die Bibel ist keine leichte Lektüre. Sie verlangt eine hohe Kompetenz der Lesenden. Enttäuschung garantiert sie allen, die erwarten, dass ein freundlicher Erzähler – allwissend und zuverlässig – sie am Anfang an die Hand nimmt, sie auf geradem Wege durch den Text begleitet und sie am Ende unbeschadet wieder entlässt.
Bei der Bibel darf man das Gehirn nie abschalten. Aufmerksames und wachsames Lesen ist gefordert – und Selbstständigkeit. Denen, die es gerne leicht haben beim Lesen, sei deshalb vom Bibellesen dringend abgeraten.