Читать книгу Der Gott des Zwielichts - Joachim Kurtz - Страница 10

Nicht weit von ihm, auf einer kleinen Anhöhe,

Оглавление

stand ein blühender Apfelbaum. Er war zweifellos sehr alt. Der Stamm mit der schorfigen Rinde wurde von einer weit ausgreifenden Krone überragt, die er trug wie eine Säule das Dach einer Halle. Die überbordende Blütenpracht stand in merkwürdigem Kontrast zu der kargen Ödnis ringsum.

Die Ebene lag unter einem grauen, zerrissenen Himmel vor ihn hingebreitet. Kalter Wind pflügte durch das Grasland und schüttelte einzelne Blüten von den Ästen, oder wirbelte sie vom Boden auf. Letzteres nahm er am rechten Rand seines Blickfeldes wahr, und er fragte sich, ob er den Baum dieses Jahr seine kleinen, übelschmeckenden Früchte tragen sehen würde. In einem von drei Jahren war dies bisher nicht der Fall gewesen. In den anderen beiden hatte es ihn fast gewundert, da Frost und Baumblüte hier stets nahe beisammen lagen.

Schweigsam saß er im Sattel und ließ den Blick über die Ebene schweifen, wobei er sich ungeduldig über den wallenden Bart strich. Seit Tagesanbruch brachten sie so schon zu. Er begann mürrisch zu werden. Hatten sich die Kundschafter etwa geirrt? Waren sie einer Finte aufgesessen? Es sah ganz nach einem Zermürbungsversuch aus. Wenn es das ist, dachte er grimmig, habt ihr euch in uns getäuscht.

Endlich, nach einer Ewigkeit, begann sein Hengst unruhig zu werden und mit den Hufen zu scharren: ein untrügliches Zeichen, eines, das er noch nie falsch gedeutet hatte. Befriedigt beugte er sich nach vorne und tätschelte dem Braunen den Hals.

Am Fuß der entferntesten Hügel war eine Bewegung auszumachen. Über dem wogenden Gras begannen sich die Umrisse zweier Reiter abzuzeichnen, die rasch näherkamen. Die Köpfe ihrer Pferde federten im Galopp. Auf halbem Weg hielten sie unvermittelt an und rammten, sobald sie abgesessen hatten, ihre Lanzen in die Erde. Die halbrunden Schilde streiften sie sich ebenfalls vom Arm, um sie mit den abwärts gebogenen Spitzen aufrecht im Gras stecken zu lassen. Dann legten sie sich flach auf den Bauch und lauschten den Boden ab.

Er empfand aufrichtige Bewunderung für die Burschen. Sie besaßen alle Eigenschaften, die man sich von einem Krieger nur wünschen konnte, waren zäh, tapfer, ausdauernd und von unerschütterlicher Loyalität. Ihre Genügsamkeit im Lagerleben war beispiellos. Er wußte, warum er sie angeworben hatte. Wer kannte den Feind am besten, wußte am genauesten über seine Gepflogenheiten Bescheid, wenn nicht der Feind selbst? Um den Argwohn Lyghdars und Aedhwyns scherte er sich nicht, und seinen eigenen Leuten hatte er ihn am raschesten ausgetrieben.

Neun Jahre würden es im kommenden Herbst werden, daß die Erstgeworbenen unter den Yildhrim – darunter die gerade von ihrer Erkundung zurückkehrenden Späher – ihm nun dienten. Schon längst hätte er seine Leibgarde unter ihnen ausgehoben, wäre er nicht sicher gewesen, damit böses Blut heraufzubeschwören. Mittlerweile hoch geachtet, waren sie doch weiterhin Fremde. Niemand wußte es besser als sie, die sie ihr freiwillig gewähltes Los wortkarg und mit in sich gekehrter Würde trugen. Zeigten sie sich ihrem König gegenüber auch von hündischer Unterwürfigkeit, bildeten sie dennoch eine eigene, geschlossene Gemeinschaft, bewahrten ihre Riten und Gepflogenheiten, verehrten weiter ihre eigenen Götter und grenzten sich schroff gegen die vandrischen Truppen ab.

Nur in der Schlacht nicht. Kam es zum Kampf, standen sie für das Heer ein wie die Bärin für ihre Jungen. Hätte er sich solche Krieger etwa nicht zu Verbündeten machen sollen? Die Klügeren unter seinen Herzögen hatten es längst begriffen, folgten seinem Beispiel und führten den tapferen Yildhrim ihre eigenen Frauen und Töchter zu, auf daß sie das Blut ihrer Nachkommenschaft anreicherten.

In der Ferne sah er die beiden sich besprechen. Einer von ihnen, selbst auf die Entfernung unterscheidbar am dunkleren und etwas längeren Bart, saß schon wieder zu Pferd und machte Anstalten weiterzureiten. Das Tier tänzelte unaufhörlich auf der Stelle und preschte blitzartig los, als der Reiter ihm mit dem Schaft seiner Lanze einen Hieb auf die rechte Flanke versetzte. Vor ihm angekommen, sprang der Yildhir vom Pferd, legte Schild und Lanze ab und kniete auf die Erde. Das zu langen, dünnen Zöpfen geflochtene dunkelbraune Haar floß dem Späher seitwärts über die nackten, tätowierten Schultern, als er vor ihm niederfiel. Erst als seine Stirn den Boden berührt hatte, richtete er den Oberkörper wieder auf und wartete bis ihm das Wort erteilt wurde.

„Sprich, Kalyomelas“, forderte Mraeghdar ihn auf. „Sind die Kydhrischen im Anmarsch? Oder haben sie beschlossen, sich wieder bei ihren Weibern und Müttern in den Zelten zu verkriechen?“

Nichts hätte den Stolz eines Kriegers besser verkörpert als die würdevolle Haltung des Yildhir, der seinen Bericht erstattete:

„Herr, wie es scheint, hält sich das Heer hinter den jenseitigen Hügeln verschanzt und wartet darauf, daß wir in die Ebene vorrücken. Kerothys will sich aus der Nähe vergewissern, um Euch zuverlässig Bericht erstatten zu können.“

Mraeghdar hatte beobachtet, daß der Genannte in südwestlicher Richtung geritten war, ins Hügelland hinein. Die Absicht der Kydhrimar war offensichtlich die, das vandrische Heer entweder an seiner rechten Flanke anzugreifen oder von beiden Seiten in die Zange zu nehmen. Er kannte das Gelände zur Genüge und wußte, daß der südliche Teil der Ebene wie eine Speerspitze in das sanft ansteigende Vorgebirge hineinragte.

„Was hat Kerothys bewogen, zuerst die Hügel an der Westseite zu erkunden?“ forschte er weiter.

„Er ist überzeugt, die Kydhrimar werden die gesamte Kraft ihres Angriffs auf unsere ungeschützte Seite richten.“

„Und du?“

„Ich fürchte die yildrischen Reiter, Herr.“

„Daran tust du gut. Du kennst die hinterhältigen Bastarde besser als ich: was glaubst du, werden sie tun?“

„Während die beodrischen Bogenschützen ihren Pfeilhagel auf uns niedersenden, werden sie uns von der Gegenseite her angreifen.“

Solches aus dem Mund eines Kydhmar zu vernehmen, eines Yildhir zumal, mutete nach wie vor seltsam an, wie viele Jahre seit seiner Aufnahme in die Reihen der Vandrimar nun auch schon vergangen sein mochten. Aber an seiner Aufrichtigkeit konnte kein Zweifel bestehen. Einmal zum Feind übergelaufen, war er seiner Gunst auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Seine eigenen Leute würden den Abtrünnigen zerstückeln und an die Hunde verfüttern, wenn sie ihn in die Hände bekämen. An Rückkehr war nicht zu denken.

„Spähe unverzüglich das Gelände aus, wo du die Yildhrim vermutest“, befahl Mraeghdar. „Sei auf der Hut. Ich werde das Heer derweil in die Ebene vorrücken lassen. Wenn wir gegen die Beodhrim Stellung bezogen haben und du bist nicht von deiner Erkundung zurück, gehe ich davon aus daß du tot bist oder gefangen.“

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, verneigte sich Kalyomelas ehrerbietig, stand vom Boden auf und trat drei Schritte rückwärts: die Geste, mit der er um Erlaubnis bat, sich entfernen zu dürfen. Augenblicke später hatte er den Schild angelegt und galoppierte, die rechte Faust um die Lanze geballt, in südöstlicher Richtung davon.

Mraeghdar wendete sein Roß linksum und ritt, dicht gefolgt von seiner aus zwei berittenen Schwertkämpfern bestehenden Leibgarde, auf König Lyghdar zu, der vom Streitwagen aus seine Truppen inspizierte. Er tat dies schon zum zweiten Mal an diesem Morgen, aus purer Verzweiflung, wie es schien. Von unruhigem Wesen, wurde er untätiger Warterei schnell überdrüssig. Seinen Unmut pflegte er dann an seinen Leuten auszulassen, wofür sich immer irgendein Anlaß fand. Für diese Eigenschaft war er sehr gefürchtet. Mit seiner unbändigen, blonden Mähne, die ihm in jugendlicher Fülle über den Rücken wallte, bot er einen ebenso stattlichen wie furchteinflößenden Anblick. Selbst Mraeghdar, der wahrlich nicht leicht zu beeindrucken war, hätte nicht mit dem Vasallen tauschen mögen, an dem er gerade etwas zu bemängeln fand. Als Lyghdar den Großkönig herannahen sah, wandte er ihm langsam den Kopf zu; seine braunen Augen funkelten hoffnungsvoll, und die Enden des weit überhängenden Schnurrbarts hoben sich langsam, als er kampfeslüstern lächelte.

„Du bringst gute Neuigkeiten, wenn ich deine Mine recht zu deuten weiß.“

„Es gibt endlich etwas zu tun“, entgegnete Mraeghdar unumwunden. „Scharen von Yildhrim sitzen hinter den Hügeln dort und warten darauf, daß du deine Axt in ihre Schädel gräbst.“

Lyghdar legte die Hand auf das breite, gerundete Metallblatt, dessen Schaft er an die rechte Hüfte gegürtet hielt, und befühlte mit dem Daumen den spitz aufragenden Rand der Schneide.

„Reiche Ernte ist uns ein willkommener Ansporn. Ich hoffe nur, deine yildrischen Laufburschen führen mich und meine Männer nicht in einen beodrischen Pfeilregen, wie vor zwei Jahren, als....“

„....sie eine Arglist nicht durchschaut haben. Was sie daraus gelernt haben, haben sie dir seitdem in mehr als einer Schlacht bewiesen. Wirst du einmal deinen Groll überwinden?“

„Wenn ich mit eigener Hand so viele Kydhrimar niedergemacht habe, gleich welchen Stammes, wie ich durch beodrische Pfeile damals Krieger verloren habe, ist meine Rechnung beglichen.“

Mraeghdar wies mit einer einladenden Armbewegung auf die Hügel im Südosten.

„Labe dich an yildrischem Blut, wenn dich nach Rache dürstet!“ Und während er schon sein Pferd wendete, fügte er an: „Warte, bis Aedhwyn sich mit den seinen in Bewegung gesetzt hat. Dann ziehst auch du mit deinen Truppen los, auf die östlich der Ebene liegenden Hügel zu. Aedhwyns Scharen werden dir den Rücken freihalten, während du die Yildhrim niedermähst.“

Mit diesen Worten preschte er davon. Im Rücken hörte er die sich entfernende Stimme Lyghdars, der die von ihm befehligten Truppen in Kampfbereitschaft rief. Kriegshörner erklangen, und die meisten der Krieger in Aedhwyns Reihen wandten, unruhig geworden, die Köpfe herum, während er an ihnen vorbeiritt. Der König war bereits vor sein Zelt getreten und ließ sich den ehernen Brustpanzer anlegen, als Mraeghdar und seine Garden ihre Pferde anhielten.

Aedhwyn war ein betagter Mann. Im Gegensatz zu Lyghdar ermüdeten ihn lange Wartezeiten. War jedoch der Augenblick gekommen in den Kampf zu ziehen, gab es kein Halten mehr. Das Schlachtfeld war sein Zuhause. Ein altgedienter Vasall von Aedhwyns Vaters hatte Mraeghdar vor vielen Jahren anvertraut, bei seiner Geburt zugegen gewesen zu sein, und daß die Niederkunft während eines gemeinsamen Überfalls durch yildrische und dyraktrische Verbände geschah. Todesschreie, Waffengeklirr und das Heulen geschändeter Weiber, versicherte der ehemalige Waffenmeister und Erzieher des bhyandrischen Königs, hätten das Weinen des Neugeborenen übertönt.

Mraeghdar verneigte sich vom Pferd herab vor dem greisen Herrscher, der ihm zugunsten einst die Großkönigswürde ausgeschlagen hatte. ‚Ich bin ein Krieger’, waren seine Worte gewesen, ‚aber mit dieser Bürde verschone mich. Mögen mich die Götter mit dem Schwert in der Hand zur Hölle fahren lassen, und nicht ohne ein paar Dutzend Feinde mit hinab zu reißen – dafür, und nur dafür, laß mir mein Reich an der Kydhrischen Mark! Den Zusammenhalt der Vandrimar lege ich in deine Hand. Dir werden sie folgen bis an den Rand der Welt. Und wenn es sein muß, noch weiter.’

„Ehrwürdiger König und Heerführer“, sprach Mraeghdar ihn an: „bist du bereit?“

„Mich brauchst du nicht zu fragen“, antwortete Aedhwyn gelassen und setzte sich den Helm auf. Dünnes, weißes Haar rahmte sein hageres Gesicht, in dem ein langes, fast ausschließlich dem Krieg gewidmetes Leben deutliche Spuren hinterlassen hatte. "Frag lieber den Feind.“

Mraeghdar saß vom Pferd ab und trat neben den greisen König. Mit ausgestrecktem Arm wies er über die Ebene hinweg.

„Den Worten meines Spähers nach zu urteilen, halten sich hinter den Hügeln dort die Beodhrim versteckt.“

“Sie hoffen wohl daß wir geschlossen in die Schlacht marschieren, um uns mit ihren Pfeilen an der offenen Flanke zu treffen?“

„Danach sieht es aus.“

„Gut, es von vorneherein zu wissen. Das Heer kann jederzeit stehenbleiben und sich rechts umwenden.“

„Was aber, wenn uns von der anderen Seite her die Yildhrim in den Rücken fallen?“

Aedhwyn überblickte prüfend den Ort der bevorstehenden Schlacht.

„Was gedenkt Lyghdar zu tun?“

„Ich habe ihm Anweisung gegeben, sich ihnen am östlichen Rand der Ebene entgegenzustellen.“

Nach einem weiteren Augenblick des Überlegens entgegnete Aedhwyn:

„Bist du sicher, daß das kydhrische Heer sich geteilt hat?“

„Kalyomelas habe ich erneut ausgesandt, um die Stellungen der Yildhrim zu erkunden. Wenn du deine Reiterei in das diesseitige Hügelland führst, wird dir wahrscheinlich auf halbem Weg Kerothys entgegenkommen und die Stellungen der Beodhrim bezeichnen. Ich werde mit meinen eigenen Leuten einen Bogen um sie schlagen und sie nach Möglichkeit von Süden her angreifen. Dein Fußvolk wird sich derweil in der Ebene ausbreiten, um....“

„Sie sollen die beodrischen Pfeile abfangen, damit Lyghdars Leute im Kampf gegen die Yildhrim unbehelligt bleiben. Ich verstehe. Was wird dein eigenes Fußvolk unternehmen?“

„Es wird sich teilen. Der rechte Flügel wird deine Reiterei unterstützen, der linke wird Lyghdar zu Hilfe eilen.“

Aedhwyn strich seinen kurzen Bart glatt, während sein Blick den Horizont absuchte. Mraeghdar bestieg wieder sein Pferd.

„Vertrau mir!“ rief er dem erfahrenen Heerführer zu. „Die Kydhrimar werden die Gelegenheit nicht ungenutzt lassen und uns einkesseln wollen. Erteilen wir ihnen eine Lehre und nehmen sie selbst in die Zange!“

Weiterer Worte bedurfte es nicht. Aedhwyn nickte und befahl, seinen Streitwagen zu bringen.

Der Großkönig spornte sein Pferd an, um sich an die Spitze seiner Reiterschar zu begeben. Noch ehe er all seine Herzöge um sich versammelt hatte, sah er Aedhwyns Heerschar in die Ebene ausrücken.

Als er einige Zeit später, gefolgt von seinen berittenen Kriegern, tief in das immer weiter ansteigende, karg von Heidekraut und niedrigen Sträuchern bewachsene Hügelland vordrang, setzte ein feiner Nieselregen ein.

Und immer noch keine Spur von Kerothys. Geschweige denn von Kalyomelas; aber das war nicht verwunderlich, denn letzterer mußte, um zu ihm zu gelangen, nicht nur den mutmaßlichen beodrischen Stellungen ausweichen, sondern zudem die gesamte Ebene hinter sich bringen, wo zweifellos schon die Schlacht tobte. Kerothys dagegen hätte längst mit Aedhwyn aufschließen müssen, und der würde ihn nach erfolgter Berichterstattung unverzüglich ihm, Mraeghdar, hinterherschicken.

Aufgebrochen waren sie in leichtem Galopp, den sie so lange beibehielten, bis Mraeghdar die Beodhrim in der Nähe wähnte und einen dreiköpfigen Spähtrupp vorausschickte. Wie lange trotteten sie unter dessen Führung nun schon dahin? Seine Ungeduld wuchs.

Bis der einzige, stets in Sichtweite bleibende Reiter der Vorhut abrupt sein Pferd zum Stehen brachte und sich mit erhobener Hand umwandte. Hraedlin, eine der beiden Leibgarden, gab das Zeichen zum Anhalten nach hinten weiter; daraufhin galoppierte die andere Garde rechts an Mraeghdar vorbei und näherte sich dem berittenen Späher, der den Abschluß der sich untereinander mittels Zeichensprache verständigenden Dreierreihe bildete. Alle drei waren sie Yildhrim, jedoch niedrigeren Ranges als Kalyomelas oder Kerothys.

Nach kurzer Unterredung ritt die Garde wieder zurück.

„Was gibt es zu berichten, Hwyrdun?“

„Die Kundschafter meinen, einen berittenen Bogenschützen auf der Flucht gesehen zu haben.“

„Wie weit entfernt?“

„Von der Spitze des Trupps aus gesehen, links, hinter den nächstgelegenen Hügeln. Der vorderste der Männer erblickte den Reiter durch einen Taleinschnitt.“

Das war genau die Nachricht, auf die er gewartet hatte.

„Richte den Spähern aus, sie sollen uns im gestreckten Galopp die Richtung vorgeben.“

Hwyrdun machte kehrt und holte erneut mit der Vorhut auf. Mraeghdar wendete sein Streitroß in die andere Richtung, und während er es vor der wartenden Reiterschar hin und her tänzeln ließ, rief er ihnen zu:

„Khyltrische Krieger! Aedhwyn und die Seinen schlagen die Beodhrim in die Flucht.“

Ratloses Schweigen schlug ihm entgegen. Mraeghdar wartete ein wenig, um die ernüchternde Nachricht ihre volle Wirkung entfalten zu lassen.

„Und wir?!“ brüllte er dann. „Lassen wir die Bastarde so einfach davonkommen?“

Jetzt ertönte als Antwort ein ohrenbetäubendes Gejohle. Lanzen wurden mit ausgestreckten Armen in die Höhe gereckt, Schwerter und Äxte streitlustig über Köpfen geschwungen. Vom plötzlichen Lärm aufgeschreckt, bäumten sich hie und da Reitpferde auf, andere schüttelten ihre Mähnen oder brachen zur Seite hin aus dem Verband hervor. Der Tumult war großartig, und Mraeghdar liebte den Anblick.

„Dhwyrd will es!“ stimmte er schließlich den Kampfschrei an.

„Ehre dem Kriegsgott!“ donnerte es wie aus einer Kehle zurück.

Der Großkönig hatte Mühe sein Roß zu bändigen, bis die beiden vorderen Späher ihre Abteilung und somit ihre eigenen, den yildrischen Kameraden in Obhut gegebenen Pferde erreicht und aufgesessen hatten. Dann wiederholte er mit erhobenem Schwert den Kriegsschrei, drückte seinem Hengst die Fersen in die Flanken und preschte im gestreckten Galopp bergan, den vorausreitenden Yildhrim hinterher. Im Rücken hörte er das erneut anschwellende Johlen und hundertfach dröhnenden Hufschlag. Im Sturm fegten sie über die erste Anhöhe hinweg, in die dahinterliegende Talsenke hinunter und wieder eine Anhöhe hinauf. Mraeghdar spürte, wie der feine Regen seine von Kriegslüsternheit erhitzten Wangen streifte.

Und dann sah er sie: wild auseinanderstiebende Scharen von Beodhrim, viele von ihnen beritten, in der Mehrheit aber Fußvolk. Wie es schien, hatte keiner der Bhyandrim die Verfolgung aufgenommen; dies war zweifellos der Umsicht Aedhwyns zu verdanken, der unfreiwillige Zusammenstöße mit Mraeghdars Leuten zu vermeiden suchte.

Auf dem höchsten Punkt der weitläufigen Kuppe angekommen, hielt der Großkönig an, band sich straff die Zügel um die Taille und griff überkreuz nach seinen beiden links und rechts gegürteten Schwertern. Dann drückte er seinem Hengst mit aller Macht erneut die Fersen in die Seiten, und nachdem sich das Tier wiehernd aufgebäumt hatte, galoppierte es voran, mitten in die beodrischen Horden hinein. Ringsum ergoß sich Mraeghdars Gefolge in das sanft auslaufende Tal und begann sein blutiges Werk zu verrichten. Während er auf einen berittenen Bogenschützen zuhielt, drangen bereits das Klirren aufeinanderprallender Waffen und erste Todesschreie an sein Ohr. Der Beodhir versuchte ihm noch auszuweichen und griff verzweifelt nach seinem Kurzschwert, mit dem er für den Fall eines Scharmützels ebenfalls bewaffnet war, aber es war zu spät. Zu überraschend kam Mraeghdars frontaler Angriff, und nach einem weitausholenden, mit dem rechten Arm ausgeführten Schwertstreich fiel er mit einer klaffenden Seitenwunde vom Pferd.

Unverzüglich sprang Hwyrdun aus dem Sattel. Er wollte dem Gefallenen den Todesstreich versetzen und ihm den Kopf vom Rumpf trennen, um ihn für seinen Herrn als Kriegstrophäe mitzuführen; dazu kam es jedoch nicht, da er zwei weitere Beodhrim abzuwehren hatte, die ihrem verletzten Stammesbruder zu Hilfe eilten. Tatsächlich war er den Bogenschützen im Nahkampf überlegen genug, um es mit beiden aufnehmen zu können. Dem von links auf ihn einstürmenden schlug er krachend den Schild ins Gesicht, während er den anderen in sein blitzschnell gezogenes Schwert rennen ließ. Die meisten der Beodhrim trugen weder Helm noch Rüstung, und Hwyrdun traf ihn in der Herzgegend, womit er ihn auf der Stelle tötete. Jetzt brauchte er nur noch dem anderen, vom Schildstreich benommenen von hinten am Schopf zu packen, ihm den Kopf in den Nacken zu reißen und ihm die Kehle zu durchtrennen.

Den nächsten Beodhir köpfte der Großkönig von eigener Hand. Der Mann war unberitten, weswegen es für Mraeghdar vom Pferd herab ein leichtes war, ihm die linkshändig geführte Klinge durch den Hals gleiten zu lassen. Es war grotesk anzusehen, wie der enthauptete, Blutfontänen aus dem Hals stoßende Rumpf noch einige Schritte weiterrannte, ehe er leblos in sich zusammensackte. Hraedlin laß den Kopf vom Boden auf und befestigte ihn am Zaumzeug seines Pferdes. Hwyrdun gab ihm derweil Rückendeckung. Es war ein in zahlreichen Kämpfen eingeübtes Zusammenspiel, und während des weiteren Schlachtverlaufs würden sie darin mehrmals die Rollen tauschen, je nachdem wie es die Lage gerade erforderte.

Unerbittlich hieb der Großkönig derweil die Feinde nieder.

Seine Schwertstreiche trafen ungeplant, aber nicht planlos. Kämpfen und Denken waren eins, der Verstand wohnte jedem einzelnen Glied des Leibes inne. Mraeghdar verzog keine Miene. Sein Atem ging heftig, aber gleichmäßig. Der Puls wurde von der körperlichen Anstrengung beschleunigt, während jede innerliche Regung einem kalten, leidenschaftslosen Kampfgeist gewichen war. Auf welches Ziel sich der Blick auch heftete, folgte ihm unweigerlich die Klinge. Als führte das Schwert den Arm, und nicht umgekehrt. Um Mraeghdar herum versank alles in einen purpurnen, dumpf lärmenden Nebel, und nur die von ihm zur Höllenfahrt ausersehenen hoben sich klar und deutlich daraus hervor.

Bis er sich irgendwann wie verwirrt umsah. Sein Reittier, mit dem er vorübergehend fast zu einem Wesen verschmolzen war, tänzelte führungslos auf der Stelle. Links und rechts ragten die abwärtsgeneigten Schwerter aus seinen Fäusten. Blut rann an den Klingen entlang und tröpfelte auf die Erde. Kein kampftüchtiger Feind war mehr in Sicht, und die Besiegten lagen am Boden, ihr Ende erwartend. Manche röchelten in ihren letzten Zügen. Die wenigsten baten um Gnade. Dann sah Mraeghdar seine eigenen Leute, wie sie Todesstöße versetzten, dabei ihre Trophäen einsammelten und sich vereinzelt darum stritten. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, wenn einige sich deswegen gegenseitig erschlügen. Und genau das brachte ihn jetzt endgültig zur Besinnung.

„Her zu mir, ihr Hunde!“

Augenblicklich wandten sich ihm aller Köpfe zu, zumindest in einem gewissen Umkreis, als er so unerwartet über das Schlachtfeld brüllte. Er ließ eines der Schwerter in die Scheide gleiten und lenkte sein Pferd zu zwei Kriegern hin, die bis vor wenigen Augenblicken lautstark und mit erhobenen Waffen das Recht beansprucht hatten, einen zu Boden gestreckten Beodhir zu enthaupten. Einem versetzte er aus dem Sattel heraus einen Tritt vor die Brust, dem anderen schlug er mit seiner linkshändig geführten Klinge klirrend das Schwert aus der Hand.

Der Beodhir beobachtete alles stumm und regungslos in einer Blutlache liegend, die sich mählich vergrößerte. Er atmete schwer und hielt, so gut er es vermochte, mit beiden Händen eine Wunde bedeckt, die sich vom Bauch bis zur rechten Hüfte zog. Neben ihm lag ein Rundschild, der einem der beiden im Streit um die Kopftrophäe aneinandergeratenen Krieger gehörte. Mraeghdar steckte auch das andere Schwert in die Scheide, löste die Zügel, stieg vom Pferd und bückte sich nach dem Schild. Er war aus Lindenholz, und seine Beschläge zogen sich über den gesamten Rand, von wo aus sie kreuzförmig zum Schildbuckel in der Mitte zusammenliefen. Den Schild an den Lederriemen an der Innenseite packend, die als Halterung für Unterarm und Griffhand dienten, stellte sich Mraeghdar mit gespreizten Beinen über den Beodhir. Jetzt hörte er ihn einen leisen, mühsam angestimmten Singsang vor sich hin murmeln und vermied es, ihm in die Augen zu sehen. Er verstand einige Wörter der kydhrischen Sprache und wußte, daß es sich um ein Sterbelied handelte.

Dann hob er den Schild hoch in die Luft, um ihn mit aller Kraft wieder abwärts zu reißen, genau auf die Kehle des Todgeweihten. Der eisenbeschlagene Rand fuhr mit solcher Wucht durch den Hals, daß er im Boden stecken blieb. Mraeghdar trat einen Schritt zur Seite, packte den lose daliegenden Kopf am zusammengebundenen Schopf und schleuderte ihn im hohen Bogen Hwyrdun zu, der bereits fünf Häupter an einem eigens dafür vorgesehenen Geschirr aufgebunden mit sich führte. Hraedlin trug weitere sieben, also waren es insgesamt dreizehn.

Aus der Seitenwunde des Enthaupteten quollen nun, da die Hände schlaff und leblos dalagen, die Eingeweide. Mraeghdar versetzte dem Körper einen achtlosen Tritt und wandte sich an die zuvor von ihm getrennten Streitenden.

„Dieser Kydhmar war heute der erste, der mit meiner Klinge Bekanntschaft machen durfte“, fuhr er die beiden an. „Was macht euch glauben, einem von euch stünde es zu, seinen Schädel ins Lager zu tragen?“

Die so geschmähten senkten den Blick. Mraeghdar starrte wütend vom einen zum anderen, ehe er sich verächtlich umdrehte und wieder in den Sattel sprang.

„Teilt euch auf“, rief er den um ihn her versammelten zu. „Jeder fünfte bleibt hier. Tötet alle noch lebenden Beodhrim, aber ohne sie zu köpfen. Macht keine Gefangenen. Unsere eigenen Verwundeten bringt ins Lager, die Toten ebenso. Der Rest folgt mir in die Ebene. – Hraedlin, sondere die Leute aus! Du bleibst mit ihnen zurück und sorgst dafür, daß sie meine Befehle ausführen.“

Die Aufteilung geschah zügig. Während der Großkönig auf seinem Hengst voraustrabte und die Männer ihm folgten, zählte Hraedlin die zur Rückkehr ins Lager Bestimmten heraus, immer jeweils einen von fünf, ohne jede Willkür oder Bevorzugung. Niemand wagte sich zu widersetzen, und doch stand jedem einzelnen, dem die Möglichkeit eines weiteren Kampfes versagt blieb, der Unwille ins Gesicht geschrieben. Mraeghdar wußte wie enttäuscht sie waren und schlug die Richtung ein, aus der zuvor die fliehenden Beodhrim gekommen waren.

Die nicht von der Auszählung betroffenen holten nach und nach mit ihm auf, und schließlich gingen sie alle wie auf Absprache aus dem Trab in den Galopp über.

Aedhwyn erwartete ihn, wo die Hügel sanft in die Ebene auszulaufen begannen. Das sich hier bietende Bild war das gleiche wie dort, wo sie gerade herkamen: ein Durcheinander von Leichen und Verwundeten, die meisten von ihnen Beodhrim. Die Sieger stapften durch Blutlachen. Einige lasen ihre eigenen Leute vom Boden auf, andere töteten die überlebenden Feinde oder, falls nötig, einen todwunden Kameraden, der mit dem Schwert in der Hand die letzte Ehre einforderte.

Alles in allem kam der Anblick eher dem von Fleischhauern bei der Arbeit gleich, als von Kriegern bei der Ausübung ihrer Pflicht. Der König selbst wandte dem mit Siegesglück schwer zu vereinbarenden Ausklang der Schlacht den Rücken zu und überblickte von einem der äußeren Hügel, wo der Lenker seinen Streitwagen zum Stehen gebracht hatte, die Ebene. Mraeghdar hielt sein tänzelndes Roß zu Aedhwyns Linken an.

„Dhwyrd segne dich und dein Haus, König Aedhwyn“, huldigte er dem gemeinsam errungenen Sieg.

„Bhyrdun schütze dich, Mraeghdar“, lautete die standesgemäße Antwort. „Das Jahr beginnt gut für uns beide. Ich frage mich, wie es Lyghdar ergehen mag....“

Sein Blick folgte Aedhwyns ausgestrecktem Finger. Das Geschehen am jenseitigen Rand der Ebene konnte er nur mit Mühe ausmachen. Zwar hatte der feine Sprühregen mittlerweile aufgehört, der Tag blieb aber weiterhin diesig und grau, mit tief herabhängenden Wolken. Deutlich war Schlachtenlärm zu vernehmen, während die ineinander verkeilten Heere eine unübersichtliche, vor- und zurückwogende Masse bildeten. Lyghdars Scharen, unterstützt von Mraeghdars Fußvolk, waren auf die Entfernung kaum von den yildrischen Verbänden zu unterscheiden, die sie bekämpften.

Am Fuß der diesseitigen Hügelkette war Aedhwyns unberittenes Heer versammelt. Die übrigen von Mraeghdars Leuten, sofern sie nicht an dem mörderischen Handwerk zur Vollendung der beodrischen Niederlage beteiligt waren, hatten sich ihnen angeschlossen. Links sah Mraeghdar die Standarte von Herzog Dwaerdun aus der Menge ragen, und etwas weiter entfernt, die von Hwyldrim.

„Die Bogenschützen konnten nicht allzuviel Schaden anrichten, wie es scheint?“

„Zwei Salven hatten sie auf das Heer abgeschossen, als ich sie mit meiner Reiterei angriff. Die dritte war auf uns gerichtet, jedoch kam unser Überfall so überraschend, daß nur die Hälfte aller Schützen noch von ihrem Bogen Gebrauch machen konnte, wenn überhaupt.“

Mraeghdar nickte, und Aedhwyn fuhr fort:

„Dein Fußvolk schloß rasch mit uns auf. Wir taten unser möglichstes, die Beodhrim in die Ebene zu treiben, um sie mit Hilfe meiner eigenen Fußsoldaten einzukesseln. Aber sie wichen nach Süden aus, weiter ins Hügelland hinein. Sie ahnten offenbar nicht, daß sie euch in die Arme laufen würden. Deine Rechnung ging auf.“

Mraeghdar strich befriedigt über seinen langen Bart und beobachtete aufmerksam die unentschiedene Schlacht auf der gegenüberliegenden Seite.

„Kannst du in dem Gewirr etwas erkennen?“ fragte Aedhwyn.

„Nicht das Geringste. Aber wir sollten trotzdem nicht untätig zusehen. – Hwyrdun! Befiehl den Reitern zum Aufbruch.“ Wieder an Aedhwyn gewandt, erklärte der Großkönig: „Wir werden um die yildrischen Verbände herum reiten und sie von der anderen Seite her angreifen. Du folgst uns mit deinen Scharen, aber nur bis in die Ebene, um den Yildhrim den Rückzug zu verwehren. Noch etwas, König Aedhwyn: ist dir Kerothys begegnet? Weißt du etwas über seinen Verbleib?“

„Nein. Die Beodhrim waren allerdings nicht zu verfehlen, wir fanden sie sehr gut ohne seine Hilfe.“

„Von Kerothys also keine Spur?“

„Ich kann meine Männer befragen lassen, wenn du willst, aber....“

„Später“, unterbrach Mraeghdar, indem er mit ausgestrecktem Arm auf das Schlachtfeld vor ihnen wies. „Sieh, die Kydhrischen fliehen bereits. Ich will wenigstens noch einige von ihnen vor Khwéals Thron schicken, und dafür muß ich Lyghdars Reitern zuvorkommen.“

„Ich komme mit dir“, stimmte Aedhwyn zu. „Aber meine Männer mögen hierbleiben; es ist zu spät, sie zusammenzuscharen.“

„Auch gut. Wir werden ohnehin aufpassen müssen, nicht auch noch mit Lyghdars Kriegern aneinanderzugeraten. Das Bilsenkraut, mit dem die Lugdhrim ihr Bier versetzen, macht sie zuweilen unberechenbar. – Hüa!“

Mraeghdar ließ die Zügel schnellen und preschte seitwärts den Hügel hinab, dicht gefolgt von Hwyrdun, der mit gezogenem Schwert die Reiterschar anführte.

Für einen Streitwagen war der Hang zu steil, weswegen Aedhwyns Wagenlenker die sanfter auslaufende Südflanke wählte. Oben, zu seiner Rechten, sah Mraeghdar das zweispännige Gefährt über die Kuppe jagen, um es gleich darauf aus den Augen zu verlieren. Aber hinter sich hörte er das anschwellende Johlen der Reiter, die donnernden Hufschlags über den Hügel geschwärmt kamen. Erneut fühlte er, wie seine Kampfeslust überbordete und sein ganzes Wesen erfüllte. Während er auf die Menge fliehender Yildhrim zugaloppierte, band er sich die Zügel um und griff beidhändig nach seinen Schwertern.

Diesmal würde er keine Trophäen erwerben, da nur Hwyrdun ihn begleitete. Die Garde führte immer noch die sechs Köpfe vom vorherigen Kampf mit sich. Mraeghdars Kriegerwut flammte dennoch umso mehr auf, je näher er dem Feind kam. Während er einen kehligen Schrei ausstieß, schwang er das Schwert in seiner Linken, und im Vorbeireiten hieb er es dem erstbesten Yildhir in die ledergepanzerte Brust, ehe dieser auch nur versuchen konnte, den tödlichen Streich abzuwehren.

Aber mit einem Mal war es der Großkönig müde, Fußvolk niederzumähen, so wie ein übermütiger Junge Brennesseln köpfte. Während sein berittenes Gefolge unter Waffengeklirr und Kriegsgebrüll die Horden fliehender Yildhrim zersprengte, suchte er einen würdigeren Gegner, einen, mit dem er auf Augenhöhe kämpfen konnte. So hielt er nach kydhrischen Reitern Ausschau, als ein Stück von ihm entfernt Aedhwyn auf seinem Streitwagen eintraf. Kaum war das Gefährt zum Stehen gekommen, sprang der greise König herunter, um mit Rundschild und Langschwert bewaffnet gegen die Kydhrischen anzurennen. Der zu seiner eigenen Verteidigung mit mehreren Wurfspießen und einer doppelt so langen Lanze gerüstete Lenker wendete indessen, um sich in geringer Entfernung für seinen Herrn bereitzuhalten.

Mraeghdar beschloß, es dem Alten gleichzutun. Er löste die Zügel um seine Hüfte und sprang vom Pferd.

Aedhwyns Gewandtheit war nicht weniger bewundernswert als sein Mut. Wer ihn über das Schlachtfeld stürmen und den Feind bedrängen sah, hätte trotz des schlohweißen Haars kaum sein wirkliches Alter erraten. Mraeghdar wußte: nicht in diesem, aber im nächsten Frühling würde er sechs mal zwölf Winter hinter sich gebracht haben. Nie, in all den Jahren, sah er ihn zu Pferd kämpfen. Um das Schwert zu führen, mußte er die Erde unter seinen Füßen haben, oder so schien es zumindest. Mraeghdar hatte ihn nie nach dem Grund seiner Abneigung gefragt.

Dann sah er ihn mit einem Yildhir zusammenstoßen. Der König focht präzise, ohne Finten, und alle Hiebe des Gegners prallten wenn nicht an seiner stählernen Klinge, dann am Schildbuckel ab. Flüchtig hatte Mraeghdar den Eindruck, als wäre der Yildhir mit seinem Kurzschwert, das mehr als alles andere eine Stichwaffe war, gefährlich nahe an Aedhwyn herangekommen; der jedoch tat unerwartet einen gewaltigen Schritt rückwärts, holte zugleich mit dem Schwertarm aus und öffnete mit einem glatten Streich dem Kydhmar die Kehle.

Mraeghdar seinerseits mußte seine Gegner suchen. Auf dem Schlachtfeld war er weithin zu erkennen, da er als einziger beidhändig focht und weder Schild noch Helm trug, und auch jetzt, nachdem er vom Pferd gestiegen war, mieden ihn die meisten der yildrischen Krieger als wäre er der leibhaftige Kriegsgott. Zudem waren sie auf dem Rückzug, also wenig an Kampfhandlungen interessiert. Aber die vandrischen Reiter bedrängten sie hart, einer würde sich ihm früher oder später stellen müssen.

Und so geschah es.

Ihre Blicke begegneten sich nur kurz. Mraeghdar war sich sofort sicher, daß der Yildhir wußte wen er vor sich hatte, und allein damit war ihm der Sieg gewiß. Sein Neid auf Aedhwyn, der sich bereits mit dem dritten Feind schlug, gab ihm zusätzlich einen Stich. Blindwütig stürzte er sich auf den nicht sehr groß gewachsenen, aber wendigen Krieger, dessen Schultern nach kydhrischer Sitte nackt aus dem Brustpanzer ragten. Sein erster, linkshändiger Streich riß ihm den Helm vom Kopf, und den darauffolgenden Hieb wehrte der Unglückliche noch mit dem Schild ab. Er brachte sogar einen Gegenangriff zustande, den Mraeghdar an einem ebenfalls linkshändig und nach außen geführten Hieb abgleiten ließ; zwei weiteren Schlägen konnte der Kydhmar noch ausweichen, der letzte aber traf ihn mit voller Wucht in den entblößten Schädel.

Dann sah Mraeghdar, über die Leiche des niedergestreckten Feindes hinweg, die unruhig stampfenden Hufe eines Pferdes. Alarmiert blickte er an der rötlichbraunen Flanke hinauf.

„Bhyrduns Segen, Großkönig! Ich hoffe, die Götter haben dir einen ebenso siegreichen Tag beschert wie mir.“

Der Reiter war König Lyghdar.

Mraeghdar säuberte verdrießlich die mit Blut, Haaren und Hirnmasse verklebte Klinge an den wollenen Beinkleidern des niedergestreckten Kydhmar und ließ beide Schwerter in die Scheide gleiten.

„Dhwyrd sei mit dir“, erwiderte er Lyghdars Kriegsgruß; nichts hätte ihm ferner gelegen, als den Himmlischen zu mißfallen und so das Schlachtglück abzuwenden. „Ich habe gerade erst begonnen, mich aufzuwärmen, da haben die Hurensöhne schon wieder genug.“ Mraeghdar spuckte verächtlich auf den gefallenen Kydhmar. „Und du, wo hast du deinen Wagen gelassen?“

„Vom Pferd aus köpft es sich bequemer“, lautete die lakonische Antwort. „Außerdem ist es ratsam, den yildrischen Reitern nicht zu Fuß zu begegnen.“

Mraeghdars Stimmung verdüsterte sich auf diese Worte hin noch mehr. Er wandte Lyghdar den Rücken zu und hielt nach Aedhwyn Ausschau, aber der Lugdhir schien zu erraten, daß er mehr als alles andere seinen Mißmut über die verpaßte Gelegenheit zu verbergen suchte.

„Die Reiter schlugen wir zuerst in die Flucht“ Es klang wie eine Entschuldigung. „Sie merkten, daß sie den unseren unterlegen waren und zogen sich ins Hügelland zurück. Wenn....“

Mraeghdar unterbrach ihn mit einem schrillen Pfiff. Hwyrdun, der sich in Sicht- und Hörweite seines Herrn aufhielt, trieb ihm sein Streitroß zu, indem er den Zügel von seinem eigenen Sattelknauf losband und dem gut abgerichteten Tier einen flachen Schlag auf die linke Flanke versetzte. Mraeghdar nahm es in Empfang und schwang sich auf seinen Rücken.

„Meinen Glückwunsch, Lyghdar“, rief er versöhnlich. „Ruf deine Männer zusammen, wir wollen alle ins Lager zurückkehren und unseren ersten Sieg des neuen Jahres feiern!“

Das war eine Ankündigung ganz nach Lyghdars Geschmack. Seine Augen verengten sich zu zwei blitzenden Dolchen, als die unter dem Schnurrbart verborgenen Mundwinkel die Backen in die Höhe stemmten. Indem er sein Pferd links herum wendete, wurde seine gegürtete Streitaxt sichtbar. Sie triefte vor Blut.

„Wie viele kydhrische Köpfe hast du heute in deinen Besitz gebracht?“

„Dreizehn. Aber wenn ich wollte, hier läge der fünfzehnte.“ Mraeghdar deutete auf den toten Yildhir.

„Dann bist du mein Gast. Dreizehn, genau so viele Krieger habe ich niedergemacht. Du bist mir um zwei voraus.“

Lyghdars Stimme verriet keinen Neid. Er schien im Gegenteil froh, seinen König bewirten zu dürfen.

„Wir sehen uns in meinem Zelt, Mraeghdar. Vergiß nicht, Aedhwyn mitzubringen!“

Mit diesen Worten galoppierte er davon, flankiert von seiner Leibgarde, die sich in einiger Entfernung bereit gehalten hatte. Je weiter er sich entfernte, desto mehr glich sein um die Schultern flatternder Umhang den Flügeln eines blutroten, todbringenden Schmetterlings. Fast widerwillig riß Mraeghdar sich von dem Anblick los.

Um ihn her sah es aus wie nach jeder Schlacht. Zerbrochene Lanzen und Schilde lagen überall verstreut, dazu Helme und sonstige Waffen. Vereinzelt ragten die Schäfte von Wurfspießen aus dem blutgetränkten Boden. Die Luft war erfüllt vom Schreien und Klagen der Verwundeten, der Todwunden zumal, die in Khwéals offene Pforte blickten. Handelte es sich um einen besiegten Kydhmar, war ihm der Tod ohnehin sicher; aber etliche blutüberströmte Vandrimar forderten ihn als ein Recht – das ihnen nicht verweigert werden durfte! – und klammerten sich verzweifelt an ihre Waffe, ohne die sie die letzte Schwelle nicht überschreiten mochten. Gleichmütig, von aller Wirrsal unberührt, lenkte Mraeghdar sein Pferd zwischen Toten, Sterbenden und Verstümmelten hindurch und auf Aedhwyns Streitwagen zu. Über die Schulter erteilte er Hwyrdun Anweisungen für den Rückzug ins Lager.

Der Zweispänner hatte sich gerade holpernd in Bewegung gesetzt, als Mraeghdar mit ihm aufschloß. Aedhwyn stand links neben dem Lenker, die Hände um den bronzebeschlagenen Aufbau gekrallt, und blickte starr geradeaus. Den Großkönig schien er gar nicht zu bemerken. Seine Haltung war ungewöhnlich, steifer noch als sonst, und etwas gefiel Mraeghdar nicht daran.

„Aedhwyn?“

Der Angesprochene wandte ihm sein wachsbleiches Gesicht zu. In den grauen, angestrengt aufgerissenen Augen schwammen zwei winzige Pupillen, so verloren wie ein Paar schnarrender Krähen vor einem trüben Winterhimmel. Zitternd öffneten sich die dünnen Lippen unter dem Bartgestrüpp und dehnten sich, um Worte zu formen. Aber gerade in diesem Augenblick hoben sich die Räder über eine Unebenheit am Boden hinweg, so daß der Wagen unsanft niederschlug.

Aedhwyn kippte bewußtlos nach hinten um.

* * *

Wie es sich herausstellte, war der König durch einen Pfeilschuß verletzt worden. Er war aus geringer Entfernung erfolgt, beim Zusammenstoß mit den Beodhrim, die auf den äußersten Hügeln Stellung bezogen hatten. Die Spitze drang ihm fast ungehindert in die linke Seite, indem sie ihn knapp unterhalb des Brustpanzers traf und sich über den Hüftknochen schob.

Aedhwyn hatte bis dahin schon Verletzungen aller Art erlitten, wovon sein narbenübersäter Körper eindrucksvoll Zeugnis ablegte. Daß ihn ein Pfeil traf, war allerdings das erste Mal. Daran gewohnt, sich den Schmerz zu verbeißen und Verletzungen keine Beachtung zu schenken, wenn sie nicht gerade lebensgefährlich waren oder sonst irgendwie das Weiterkämpfen unmöglich machten, war sein erster Impuls der, das Geschoß mit einem Ruck wieder herauszuziehen. Dabei durchfuhr ihn jedoch ein derartiger Schmerz, daß sogar er sich augenblicklich eines besseren besann. Er beschloß, die Spitze vorerst stecken zu lassen und knickte den Schaft ab.

Der Schmerz in seiner Hüfte tobte heftig, aber er wäre nicht Aedhwyn, König der Bhyandrim gewesen, wenn er sich deswegen eine Schlacht hätte entgehen lassen. Stattdessen stürzte er sich umso wilder in den Kampf. Er zählte die gefällten Gegner nicht, und sammelte schon gar nicht ihre Köpfe ein, oder ließ sie einsammeln, so wie Mraeghdar und Lyghdar: das mochten Krieger niedrigeren Ranges tun, eines Königs fand er diese Sitte nicht würdig. Nun hatte er von Lyghdar ohnehin keine besonders hohe Meinung, weswegen er ihm derart kindische Angewohnheiten auch leichter verzeihen konnte. Anders verhielt es sich hingegen mit Mraeghdar, der die Großkönigswürde keinem anderen als ihm, Aedhwyn, zu verdanken hatte. Dem Khyldir die Kopfjägerei ausreden zu wollen wäre freilich sinnlos gewesen, und letztendlich blieb ihm auch hier nichts anderes, als stirnrunzelnd darüber hinwegzusehen. Wenn er also gar nicht erst an Mraeghdars Seite kämpfen mußte, dann umso besser. Er schrie vor Schmerz und Wut gleichermaßen, als er gegen die Beodhrim anrannte um sie mit großzügig ausgeteilten Schwerthieben niederzustrecken oder vor sich herzutreiben, inmitten seiner Reiterei, deren Hufschläge den gesamten Hügel erbeben ließen.

Wenn er und Mraeghdar sich in etwas glichen, dann in der Fähigkeit kriegerischer Selbstentäußerung. Er focht und stach und hieb, bis er den Schmerz an den äußersten Rand seines Bewußtseins gedrängt hatte, in einen Bereich wo er zwar vorhanden blieb, ihn aber nichts mehr anzugehen schien. Und dorthin hielt er ihn zunächst auch verbannt, nachdem die Beodhrim geschlagen und vertrieben waren. Das konnte natürlich nicht von Dauer sein. Die Scheinbetäubung blieb wirksam während seiner Unterredung mit Mraeghdar, ließ ihn auch noch die holprige, ungestüme Fahrt hangabwärts ertragen; spätestens aber als er zum zweiten Mal an diesem Tag vom Wagen sprang, wurde ihm das in seinem Fleisch steckengebliebene Metallblatt schmerzlicher bewußt als zuvor der Pfeilschuß selbst.

Niemand war so hart im Nehmen wie Aedhwyn. Sein Wille zum Kampf war stärker als er selbst, war eine treibende Kraft abseits aller Vernunft. Rasend vor Pein erschlug er den ersten Yildhir. Gegen den zweiten focht er mit der gleichen, fiebrigen Konzentriertheit, die nur von äußerster Anstrengung hervorgebracht werden kann. Seine Wunde brannte wie Feuer, als er sich irgendwann ausgestreckt auf dem Rücken liegend wiederfand, niedergehalten von seinem Leibsklaven und Mraeghdar, während Dhréadyn ihm die Pfeilspitze aus der Hüfte schnitt. Dann wurde ihm klar, daß er wohl vorübergehend die Besinnung verloren haben mußte, und daß es seine eigenen Schreie waren, die ihn wieder aus der Bewußtlosigkeit geholt hatten.

So jedenfalls lautete seine eigene Schilderung, wie Mraeghdar sie später von ihm hörte.

Als Dhréadyn ihm die Spitze zeigte verstand er, warum Aedhwyns Leibarzt so lange für den Eingriff gebraucht hatte, und vor allem, warum der König nicht selbst vermocht hatte sie zu entfernen. Es handelte sich, fand er, mehr um einen Vierspitz als um eine Spitze im herkömmlichen Sinn; dabei waren drei der Spitzen nach hinten gerichtet, und sie waren es natürlich, die das Herausziehen unmöglich machten. Der Großkönig hielt das blutige Metallteilchen auf der flachen Hand, stumm vor Verblüffung, da ihm Widerhaken bisher allenfalls in zweifacher Form bekannt waren.

Augenblicke später bat eine Schildwache um Erlaubnis, ihn ansprechen zu dürfen. Sein yildrischer Diener habe ihm dringend etwas mitzuteilen. Es handelte sich um Kalyomelas; als Kydhmar blieb ihm der Zutritt zu Aedhwyns Lager verwehrt, weswegen er vor dem Tor warten mußte. Mraeghdar ließ achtlos die Pfeilspitze fallen und schwang sich auf sein Pferd.

Die Nachricht selbst betraf Kerothys. Er läge schwer verwundet in seinem Zelt, und dem hastig dahergestammeltem Bericht nach zu urteilen, schien es schlimm um ihn zu stehen. Hraedlin und die unter seiner Führung abbeorderten Männer hatten ihn aus der Gewalt zweier versprengter Beodhrim befreit, so Kalyomelas während des kurzen Ritts hinüber ins khyltrische Lager. Die Kydhrimar hatten den Abtrünnigen an ihre Pferde gebunden und im wilden Galopp durch das steinige Heideland hinter sich hergeschleift.

Als Mraeghdar ihn fragte ob sein Bruder wohl überleben würde, preßte der Yildhir die Lippen zusammen und trieb mit zwei Schlägen auf die Flanke sein Pferd an.

Mit diesem Racheakt war im Grunde nur eingetreten, womit er ohnehin seit langem schon gerechnet hatte. Als er aber die lederne Plane zurückschlug, die den Eingang verhängte, und an Kerothys’ Lager trat, geschah etwas seltsames: er, der Schlächter und gestandene Heerführer, fand keine Worte mehr. Mraeghdar, der es gewohnt war zu verstümmeln und zu köpfen, dem weder das Lärmen der Schlacht noch der Anblick abgetrennter Gliedmaßen etwas anhaben konnte und der beim Festmahl sitzend Hinrichtung und Folterung zu verhängen pflegte, er, der glorreiche, der König unter Königen und Schrecken seiner Feinde, verstummte vor dem Antlitz des Todes, das die entstellten Züge eines verbündeten yildrischen Kriegers angenommen hatte.

Er stand nur und schwieg.

Kerothys lag zugedeckt bis zum Hals. Mit dem Rücken zur Zeltwand kniete ein junger Sklave an seinem Lager und tupfte ihm behutsam mit einem Tuch den Schweiß aus dem zerschundenen Gesicht. Sein Atem ging röchelnd, und um die Stirn trug er einen durchgebluteten Verband. Beleuchtet vom schwummrigen Schein des Kohlebeckens, das am Fußende des Lagers aufgestellt war, schienen die Wangenknochen durch die Haut stechen zu wollen: mehr als ein lebendiges Gesicht, sah man den darunterliegenden Schädel. Der Blick des Todwunden flackerte wie ein Öllicht kurz vor dem Verlöschen, und verriet dennoch etwas von der Klarsicht des Fiebernden, jener schon als unwirklich empfundenen Schärfung der Sinne, die den Trugbildern oft unmittelbar vorausgeht. Aus seinen Zügen las Mraeghdar eine Botschaft, deren Unwiderruflichkeit er sich bis auf weiteres nicht eingestehen mochte: nämlich daß sein langgedienter yildrischer Späher vielleicht noch den nächsten, kaum aber mehr den Anbruch des darauf folgenden Tages erleben würde.

„Wo ist Yldrun?“

„Sie tut ihre Pflicht, Herr.“

An Arbeit wird es der alten Hexe nicht fehlen, dachte Mraeghdar, ihr und ihren Gehilfen. Wie nach jeder Schlacht. Ohne sich Kalyomelas zuzuwenden, der angespannt hinter seinem Rücken verharrte, fragte er weiter:

„Und die Beodhrim?“

„In Hraedlins Gewahrsam.“

Der Großkönig wollte noch etwas zu dem Sterbenden sagen und brachte es nicht über sich. Aber der Sinn ihres Schweigens war einvernehmlich: über das Unvermeidliche gab es keine Worte zu verlieren, so lasen sie einander aus den Augen. Was die Verletzungen anging, hegte Mraeghdar keine Zweifel darüber daß Yldrun bereits alles getan hatte, was in ihrer Macht stand. Augenblicke später drehte er sich um, schob Kalyomelas beiseite und verließ das Zelt.

Kalyomelas seinerseits holte sich aus dem Zeltinneren eine von Kerothys’ Lanzen, zusätzlich zu seiner eigenen. Er kniete noch kurz am Lager seines Bruders nieder, murmelte ihm einige Worte ins Ohr und folgte dann mit entschlossener Miene dem Großkönig.

Hraedlins als auch Hwyrduns Zelt waren vor dem Zelt ihres Herrn aufgeschlagen, welches die Lagermitte einnahm. Wenn man darauf zuschritt, befand sich das von Hraedlin zur Linken. Was nun als erstes den Blick auf sich zog, waren die beodrischen Gefangenen: Hraedlin hatte sie bis auf weiteres an zwei senkrecht in die Erde gerammte Pfähle anbinden lassen. Von der Taille an aufwärts waren beide Männer unbekleidet, und die seitlich abgewinkelten Arme waren um hierfür vorgesehene Querbalken geflochten. Jedem von ihnen war eine khyltrische Garde zur Seite gestellt.

Ihre nackten Füße hingen etwa in Höhe seiner Brust herab, als Mraeghdar vor die Gefangenen trat. Eine Zeitlang musterte er sie aufmerksam mit in den Nacken gebeugtem Kopf. Dann höhnte er:

„Ist euch auch nicht zu kalt da oben?! Sonst machen wir euch ein Feuerchen zum Aufwärmen. – Kalyomelas, auf Kydhrisch!“

Die Beodhrim nahmen schweigend und mit regungsloser Miene die Drohung zur Kenntnis, die Kalyomelas in der gemeinsamen Sprache an sie weiterleitete. Der am linken Pfahl knurrte daraufhin etwas für Mraeghdar unverständliches, spuckte verächtlich auf Kalyomelas herab und verfehlte ihn nur knapp. Die Spitze einer der Lanzen auf die Brust des Gefangenen gerichtet, holte der wutentbrannte Yildhir zum Wurf aus, aber Mraeghdar gebot ihm mit einer raschen Armbewegung Einhalt.

„Nicht so hastig, mein Freund! So schnell wollen wir unsere Gäste nicht nach Ardwihal befördern, das wäre unhöflich. Sollen deine Landsleute etwa glauben, du hättest bei den Vandrimar verl....“

„Landsleute!?“ Kalyomelas fluchte auf Kydhrisch und holte erneut zum Wurf aus, aber da stand Mraeghdar auch schon vor ihm und setzte ihm die blitzschnell gezückte Klinge an die Kehle, während er ihm mit der Rechten über die Schulter griff und am gezopften Haar den Kopf nach hinten riß. Er schrie nicht. Er flüsterte, den Mund nahe an Kalyomelas’ Ohr, so daß nur er es hören konnte:

„Unterbrich mich nie wieder, wenn ich spreche. Hörst du? Nie wieder! Der Gram um Kerothys macht dich rasend. Ich weiß es, und das ist dein Glück: andernfalls würdest du jetzt in der Hölle auf ihn warten.“ Und nach einer Pause fügte er für alle vernehmlich hinzu: „Der Beodhir krepiert, wann und wie ich es befehle. Und sein Gefährte ebenso. Hast du verstanden?“

Kalyomelas starrte aus seinen regungslos auf ihn gerichteten Bronzeaugen zurück. Die vernarbten, einst vom gleichen Schwerthieb gespaltenen Lippen zuckten, aber die Widerrede blieb aus. Stattdessen deutete er ein Nicken an. Mraeghdar ließ von dem Späher ab und steckte sein Schwert zurück in die Scheide.

Hraedlin, der Mraeghdars Stimme gehört hatte, war derweil aus seinem Zelt getreten. In voller Montur stand er vor ihm und wartete auf Anweisung, was zu tun sei.

„Du kannst ablegen, Hraedlin.“

Dies bedeutete, daß er für den Rest des Tages nicht mehr gebraucht würde. Die Leibgarde grüßte und wollte abtreten, wurde aber noch einmal zurückgerufen:

„Hraedlin!“

„Herr?“

Der Großkönig musterte ihn wohlwollend von Kopf bis Fuß, und mit einer Geste zu den Gefangenen hin lobte er:

„Gute Arbeit, Hraedlin.“

Mit einer ehrerbietigen Verbeugung, und sichtlich von der Anerkennung berührt, zog sich die Garde schließlich zurück.

Mraeghdar begann, zunächst ohne allzugroßes Interesse, die erbeuteten Waffen in Augenschein zu nehmen, die zwischen den Gefangenen ausgebreitet waren. Zwei Kurzschwerter lagen mitsamt Scheide und Gurt vor den nach kydhrischer Art unten spitz zulaufenden Schilden; diese steckten hochkant im Boden, was ebenso aufgrund ihrer Form möglich war wie auch des mit Bronze beschlagenen Randes. Die Schwerter waren aus dem gleichen Metall, das unter den Kydhrimar, und zumal unter den Beodhrim, verbreiteter war als Eisen oder Stahl. Kydhrische Bronze war jedoch von außerordentlicher Güte, und Mraeghdar selbst war mehr als einmal Zeuge geworden, wie eine vandrische Klinge aus Eisen an einem kydhrischen Schwert oder Schildrand zerbarst, oder wie eine kydhrische Bronzeklinge einen vandrischen Helm durchdrang. Vorhanden waren auch – für beodrische Ausrüstungen ungewöhnlich – ein lederner Brustpanzer und ein Helm. Letzterer war aus Eisen und zweifellos ein vandrisches Beutestück: ungefärbtes Roßhaar quoll lose aus einer Spitze in der Mitte, was auf einen nicht sehr hohen Rang des Vorbesitzers hindeutete. Ein kydhrischer Helm wäre entweder schmucklos gewesen, oder aber das rot eingefärbte und gesteifte Roßhaar hätte einen emporragenden, von Stirn bis Nacken reichenden Streifen gebildet.

Und dann natürlich die Bögen. Zum ersten Mal schenkte Mraeghdar den Schußwaffen Aufmerksamkeit, ohne zunächst recht zu wissen warum. Dann nahm er einen Pfeil aus einem der beiden Köcher und sah die dreiflügelige Spitze mit ihren Gegenspitzen. Er leerte die restlichen Pfeile aus dem Köcher und stellte fest daß alle Spitzen, ob nun aus Bronze oder Eisen, mit den gleichen Widerhaken versehen waren.

Schließlich nahm Mraeghdar, zum allerersten Mal in seinem Leben, einen beodrischen Kriegsbogen zur Hand. Und staunte. Hochgewachsen wie er war, reichte ihm der Bogen fast bis ans Kinn. Er versuchte sich im Spannen der Sehne, und die beiden Enden des Schafts dehnten sich knarrend. Es fiel ihm keineswegs leicht, und er stellte sich vor wie die aufgewandte Armeskraft in den von der Sehne gesandten Pfeil überging.

Dann bemerkte er die Garde, die ihn ungläubig anstarrte, und erwachte aus dem Zustand der Betörung wie ein beim Tagträumen ertapptes Kind. Eine Welle von Zorn spülte in ihm hoch.

„Was gibt es da so dumm zu glotzen?!“ stauchte er die Wache zusammen. Der Mann wurde kreidebleich und stammelte unterwürfig eine Entschuldigung, was den Großkönig erst recht in Rage brachte.

„Du stiefelleckender, aasfressender Hund“, donnerte er, „mach dein stinkendes Maul zu und verteidige dich!“ Und als der andere nicht zu verstehen schien: „Deinen Schild, du Schwachkopf!! Begib dich in Abwehrstellung! – So. Und wenn du dich auch nur einen Fußbreit bewegst, wirst du mir heute Nacht beim Trinkgelage etwas vortanzen, und zwar barfuß auf glühenden Kohlen. – Du da, behalte ihn im Auge!“

Mraeghdar nahm einen Pfeil und entfernte sich genau achtzehn Schritte von den beiden Wachhabenden; dann drehte er sich um, legte an, fixierte sein Ziel, spannte bis zum äußersten – – und schoß.

Krachend durchschlug der Pfeil den Schildrand und verschwand fast völlig dahinter. Damit war er um einiges von seiner vorgesehenen Bahn abgekommen, denn Mraeghdar hatte auf die Mitte gezielt, wo sich der massive eiserne Buckel befand; dennoch war das durchdrungene Hindernis ein metallenes, nämlich eine der vier Streben, die den beschlagenen Rand mit dem Schildbuckel verbanden.

„Ist er von der Stelle gewichen?“ fragte er im Herannahen den zuvor zur Aufsicht Bestimmten. „Nein? – Dein Glück, Bursche!“

Mraeghdar trat um den Schildrand herum und inspizierte den Durchschuß. Der Pfeilschaft ragte bis an das federbesetzte Ende aus dem zersplitterten Lindenholz und über die Schulter des Schildträgers hinweg, der unversehrt geblieben war, aber zweifellos weiche Knie bekommen hatte. Mraeghdar bemerkte es mit einem abschätzigen Blick. Er zog den Pfeil mit der zerbeulten und somit unbrauchbar gewordenen Bronzespitze aus dem Durchschußloch und knurrte:

„Das wird dich lehren, deinem König gegenüber nächstens Haltung zu bewahren. – Geh, bevor du umkippst, und laß dir von meinem Mundschenk im Zelt einen Trunk Met reichen!“

Ohne die eifrig hervorgesprudelte Bedankung abzuwarten, verließ der Großkönig den Ort des Geschehens. Wenig später ritt er in Begleitung Hwyrduns ins lugdrische Lager, um Lyghdar abzuholen. Die Könige würden ihren Sieg letztendlich bei Aedhwyn feiern, der aufgrund seiner Verletzung an sein Lager gebunden war.

* * *

Das auffallendste an dem Bogen war noch nicht einmal seine Länge. Am deutlichsten unterschied er sich von den vandrischen Jagdbögen dadurch, daß der Schaft ganz offensichtlich aus zwei verschiedenen Materialien bestand. Aus einem dunklen Griff ragte das zu beiden Seite hin grazil geschwungene weiße Holz, mit flachem Rücken und gewölbter Innenseite; der Griff dagegen war im Ganzen gerundet, in der Mitte etwas dicker als an den wulstigen Rändern, und lag perfekt in der Hand. Mraeghdar betastete seine rauhe Oberfläche, die den Fingern besseren Halt bot als das nackte oder nach vandrischer Sitte mit Leder bezogene Holz es getan hätte, und betrachtete versonnen die vom Feind erbeutete Waffe. Der flackernde Schein des Kohlebeckens verlieh ihr ein noch fremdartigeres Aussehen, und hätte sie in seinen Augen noch begehrenswerter gemacht, wäre sie nicht ohnehin schon in seinen Besitz gefallen.

„Ein hübsches Spielzeug hast du da gefunden“ ächzte Aedhwyn, indem er sich unruhig auf seinem Lager herumwälzte und von seinem Leibsklaven den Kopf mit Kissen hochstützen ließ. „Bring es deinem Jüngsten mit, wenn du nach Kadhlynaegh kommst, er soll damit....“

„Ruh dich aus, Aedhwyn.“ Mraeghdar legte den Bogen beiseite, setzte das vergoldete Trinkhorn an die Lippen und nahm einen tiefen Zug Met. „Du hast deinem Wundarzt nicht zum ersten Mal dein Leben zu verdanken und solltest auf seinen Rat hören. Du verfluchter Sturkopf.“

„Aedhwyn hat recht“, protestierte Lyghdar mit schwerer Zunge von der angrenzenden Tischseite her. „Dich haben deine kydhrischen Sklavinnen behext, mit denen du herumhurst. Du bist Großkönig der Vandrimar, bei Dhwyrd! Der beste Schwertkämpfer seit Baldyr Heradwyn! Dein Name allein macht deine Feinde zittern. Seit wann mußt du sie dir mit Pfeilen vom Leib halten?“

„Ich nicht“, entgegnete Mraeghdar ruhig und nahm einen weiteren Zug aus dem Trinkhorn. „Aber das Fußvolk. Die Halbsklaven. Die ungelenken Bauern und Hirten, die Heidebewohner.“ Lyghdar glotzte verständnislos zurück. Er war ein herausragender Krieger, gewandt wie sonst keiner im Umgang mit der Streitaxt, weswegen er ja auch König der Lugdhrim war. Jedoch schien er im Gegensatz zu Mraeghdar weder willens noch fähig, sich um eine verbesserte Schlagfähigkeit seiner Truppen Gedanken zu machen.

Mraeghdar sah ihm die Sorglosigkeit nach. Lyghdar herrschte über das südliche der drei Reiche, vom westlichen Lauf des Dwaownyr an; geschützt von einem gewaltigen Gebirge im Osten wie auch durch die beiden Reiche im Norden, stellten die beständigen Angriffe der Kydhrimar keine unmittelbare Bedrohung für ihn dar. Andererseits, was war ein Vandmar ohne Krieg? Das Regieren überließ er nach Möglichkeit Bhrinnya, seiner Königin, um so, zusammen mit Mraeghdar und Aedhwyn, die meiste Zeit des Jahres an der Kydhrischen Mark verbringen zu können. Der Waffengang war für ihn das, was Spiel und Vergnügen einem kleinen Jungen bedeuteten.

Aedhwyns Verhalten war dagegen von Starrsinn geprägt: eine Eigenschaft, die durch das Alter nicht eben gemildert wurde. Nicht im Falle des bhyandrischen Königs. Dennoch respektierte ihn Mraeghdar als klugen Heerführer und fähigen Herrscher seines Stammes.

„Ich verstehe eurer beider Einwände sehr gut“, sprach er schließlich in die Stille hinein und erhob sich langsam. Er trat an das Ruhelager des Gastgebers heran, wo er mit verschränkten Armen stehenblieb. „Aber du. Solltest du es nicht besser wissen, König Aedhwyn? Wenigstens du?“

Und da er statt eine Antwort zu erhalten nur mit einem stummen Blick belegt wurde, fuhr er fort:

„Heute hast du am eigenen Leib erfahren, was ein Pfeilschuß anrichten kann. Ich war dabei, als Dhréadyn dir die Spitze aus der Hüfte schnitt. Ich bereue, sie nicht aufbewahrt zu haben, um sie dir zu zeigen. Aber morgen bringe ich dir die von meinen Männern erbeuteten Pfeile, dann sollst du sehen, was....“

„Spar dir deine Belehrungen, Mraeghdar! Ein Vandmar kämpft mit Schwert, Lanze oder Streitaxt, wer wüßte das besser als du! Mit Pfeil und Bogen jagt er allenfalls Karnickel.“

„Genau das tut er“, bestätigte der Großkönig. „Warum also nicht auch zweibeinige?“

Die Frage war kaum ausgesprochen als Lyghdar, der gerade zum Trinken angesetzt hatte, einen Mundvoll Met über den Tisch prustete. Er setzte das Trinkhorn so heftig ab daß es überschwappte, zeigte mit ausgestrecktem Finger auf Mraeghdar, als dieser sich umdrehte, und hielt sich mit der anderen Hand den vor Lachen bebenden Bauch. Dabei brachte er zunächst keinen Laut hervor, wurde aber zusehends roter im Gesicht. Er schien dem Erstickungstod nahe, als es ihm endlich gelang tief Luft zu holen. Lyghdar brüllte wie von Sinnen, fiel rückwärts vom Schemel und stieß dabei mit den Füßen den Tisch um.

Im Nu kamen aus dem Halbdunkel im hinteren Teil des Zelts zwei Sklaven herbeigeeilt. Unterstützt von der Leibgarde, half einer von ihnen dem sichtlich angetrunkenen und weiterhin von Lachkrämpfen geschüttelten König in die Sitzhaltung zurück, während der andere den Tisch wieder aufstellte und zwei neue, frisch gefüllte Trinkhörner brachte.

Mraeghdar beobachtete die Szene schweigend, mit regungsloser Miene und leicht verengten Augen. Dann legte er die Arme auf den Rücken, packte das rechte Handgelenk mit der Linken und begann unruhig wie eine Raubkatze zwischen Tisch und Ruhestätte auf und ab zu schreiten. Lyghdar gluckste weiter in sich hinein und wischte sich die Tränen von den Wangen.

„Zweibeinige Hasen“, hörte der Großkönig ihn flöten. „Bei Bhrygias ranziger Möse! Und wenn wir sie gefangen haben, ziehen wir ihnen die Ohren gebührlich lang....?“

Endlich konnte Mraeghdar sich nicht mehr beherrschen. Den halbwüchsigen Sklaven, der noch immer damit beschäftigt war den verschütteten Met vom Zeltboden aufzuwischen und Speisereste zusammenzulesen, beförderte er mit einem heftigen Stiefeltritt aus dem Weg und warf ihm beide Trinkhörner hinterher. Lyghdar wußte nicht wie ihm geschah, als er am Wamskragen gepackt wurde. Widerstandslos ließ er sich von seinem Sitzplatz hoch und über den Tisch ziehen. Augenblicklich hatte Bhyldur, seine Leibgarde, das Schwert gezückt und stand ihm zur Seite, wenn auch ratlosen, von einem zum anderen hetzenden Blickes. Hwyrdun war ebenfalls von dem kleineren Tisch aufgesprungen, den man für die Garden der Könige beigestellt hatte, und stand jetzt mit erhobenen Armen und bestürzter Miene neben seinem Herrn, so als lautete die Wahl, ihn gegen einen Angriff zu verteidigen oder an der Ausübung eines Mordes zu hindern.

„So. Dir ist also nach Späßen zumute, mein Freund? Dann laß dir etwas gesagt sein: wenn du deine Augen ein klein wenig offener halten und die Nase nicht so oft in den Bierkrug stecken würdest, dann wäre dir vielleicht von selbst aufgefallen daß die Lage von Jahr zu Jahr ernster wird. Was glaubst du eigentlich, wozu wir hier sind? Damit uns die Knochen nicht morsch werden? Um unsere Feinde bei Laune zu halten? Hast du Angst, sie laufen uns davon, wenn wir uns nicht genug um sie kümmern?“ Mraeghdar schüttelte den Gefragten durch, als müßte er ihn aus den Fängen eines Traums befreien. „Falls du es noch nicht bemerkt haben solltest, Lyghdar: der Krieg ist längst nicht mehr das, was er war.“

Mit diesen Worten stieß er sein verblüfftes Gegenüber auf den gepolsterten Schemel zurück und fügte an:

„Ganz recht, König Lyghdar: noch nicht einmal der Krieg.“

Stille umfing die Männer, hart und berührbar wie eine Wand, nur durchbrochen vom unvermittelt aufwallenden Grölen und Lachen der Feiernden in einem der umliegenden Zelte. Dann war ein gequältes Stöhnen vernehmbar. Aedhwyn hatte sich, alarmiert von Mraeghdars Wutausbruch, von der Taille an aufgerichtet. Sich wieder niederzulegen bereitete ihm offensichtlich weitaus größere Schmerzen, aber sein Leibsklave war ihm dabei behilflich, indem er ihn stützte und beruhigend auf ihn einsprach.

Mraeghdar seufzte tief. Schließlich stützte er sich mit geballten Fäusten auf der eichenen Tischplatte ab, blickte Lyghdar aus nächster Nähe in die immer noch ungläubig aufgerissenen Augen und sprach:

„Komm morgen früh vor mein Lager, bald nach Tagesanbruch. Komm, sieh und lerne etwas dabei. Aedhwyn ist ebenfalls eingeladen, aber ich fürchte er ist zu stolz sich mit seiner Verwundung hinübertragen zu lassen, niedergestreckt von einem beodrischen Pfeil, und so seinen Feinden zu begegnen. Außerdem hat er strengste Ruhe nötig. Aber du wirst für ihn zur Stelle sein und ihm danach berichten, was du gesehen hast. Es geht uns nämlich alle an. – Hwyrdun, zu Pferd!“

Gefolgt von seiner Leibgarde, die im Hinausgehen eine der bereitstehenden Fackeln im Kohlebecken entzündete, verließ der Großkönig das Zelt, und gleich darauf hörte man die beiden Reiter davongaloppieren. Lyghdar und Aedhwyn blickten einander ratlos an.

„Was in Khwéals Namen....“

„Nimm es ihm nicht übel, Lyghdar. Es scheint wohl zu stimmen, daß Kerothys im Sterben liegt.“

„Der Kydhmar??“ Lyghdar wandte den Kopf zur Seite und spuckte auf den Boden. „Mich wegen eines räudigen Steppenhundes so anzufassen. Und uns die Siegesfeier zu verderben.“

„Vergiß nicht die Dienste, die seine yildrischen Späher ihm schon geleistet haben. Wir mögen von ihnen halten was wir wollen, aber wir haben ihnen die gleichen Siege mitzuverdanken wie der Großkönig – auch den, welchen du heute zu feiern gekommen bist.“

Lyghdar grummelte unter seinem überhängenden Schnurrbart etwas unverständliches in sich hinein.

„Was es dagegen mit der Bogenschießerei auf sich haben soll“, fuhr Aedhwyn fort, „das wissen die Götter. Womöglich hast du recht, und seine kydhrischen Gespielinnen haben ihm den Verstand vernebelt. Andererseits....“

„Andererseits?! Fängst du jetzt auch schon an? – Sklave, leg ihm die Hand auf die Stirn. Hat er Fieber?“

„Red keinen Unsinn, Lyghdar. Und vergiß deinen Eid nicht. Wir haben Mraeghdar Treue und Gefolgschaft geschworen, weil wir ihm vertrauen, ihm und seinen Fähigkeiten. Bisher hat er uns keine Gründe bereitet, die Entscheidung zu bereuen. Wir schulden ihm Gehorsam. Begib dich morgen früh zu ihm, und so Dhwyrd will, sind wir danach etwas klüger als jetzt....“

* * *

Die beiden Gefangenen boten einen erbärmlichen Anblick.

Der Nieselregen hatte in der Nacht wieder eingesetzt und nicht mehr nachgelassen, seit Mraeghdar mit seiner Leibgarde Aedhwyns Lager verlassen hatte. Bewacht von Hwyrdun und Hraedlin, saß er unter dem Dach eines rechteckigen, an der Vorderseite gänzlich offenen Zelts, das er in dem von einem weiteren Palisadenwall umschlossenen äußeren Lagerbereich hatte aufschlagen lassen; während er ein üppiges Morgenmahl richten ließ, trank er eine Schale Buttermilch und schaute zu, wie im nassen Grasboden zwei Kuhlen ausgehoben wurden, um die herbeigeschleppten Pfähle mit den immer noch daran festgebundenen Gefangenen erneut aufzurichten. Mehrere Männer waren damit beschäftigt, Bündel von Holz und Reisig zu bringen. Die Gefangenen schlotterten, und ihre Lippen waren blau vor Kälte. Zweifellos wußten sie, was ihnen blühte.

Gerade wurde der erste von ihnen aufgerichtet, indem man das angespitzte untere Ende des Pfahls in die frisch ausgehobene Kuhle gleiten ließ, als Mraeghdar Hufschlag herannahen hörte. Und dort kam er geritten, Lyghdar, in Begleitung Gwynnars, seiner zweiten Leibgarde. Lyghdars roter Umhang wallte um den vergoldeten Brustpanzer, der selbst bei trübem Himmel weithin leuchtete, und seine Augen stieben Funken wie der Stahl unter Gnidhrs Hammer. Um diese Zeit des Tages war der Herrscher der Lugdhrim wundervoll.

„Sei gegrüßt, Mraeghdar!“ Der Lugdhir schwang sein linkes Bein über den Rücken des Pferdes und ließ sich mit einer geschmeidigen Bewegung seitwärts zu Boden gleiten. Gwynnar saß ebenfalls ab; Hrudyn, Marschall im Dienste des Großkönigs, nahm sich der beiden Reittiere an, und Lyghdar bemerkte mit einem angewiderten Blick zu dem am Pfahl festgezurrten Gefangenen hinauf: „Rösten willst du die Burschen? Als würden sie nicht so schon genug stinken.“

„Was du nicht sagst“, stichelte Mraeghdar bestens gelaunt. „Seit wann hast du so einen empfindlichen Riecher? Ich habe gehört, deine Alte zuhause in Biannum reibt sich mit Stutenpisse ein, um dir zu gefallen, wenn du sie besteigst....“

Lyghdar lachte sein räudigstes Lachen.

„Dann weißt du ja auch endlich, warum ich bisher nur Sklavinnen geschwängert habe“, entgegnete er nicht minder vergnügt. „Bah, Weiber!“ Er trat unter das Zelt und setzte sich unzeremoniös zur Linken Mraeghdars an den langen Tisch, wo ein Polsterschemel gerichtet war. Gwynnar bezog links hinter ihm Stellung. Ohne die Bedienung durch einen herbeieilenden Sklaven abzuwarten, griff Lyghdar selbst nach dem Henkelkrug und schenkte sich Buttermilch in eine ebenfalls für ihn bereitstehende Schale.

„Weiber, sage ich dir....“ Er nahm einen tiefen Zug und wischte sich mit dem Handrücken den Schnurrbart ab. „Bhrinnya und ihre Schrullen. Von wem, wenn nicht von ihr, hätte ich mich jemals breitschlagen lassen, diesen verfluchten Fremden Aufenthalt in Biannum zu gewähren!“

„Fremde?“ Mraeghdar blickte ihn argwöhnisch von der Seite an.

„Fremde“, bestätigte Lyghdar. „Von jenseits des Meeres. Schon zu Zeiten meines Vorgängers und davor landeten sie im Mündungsgebiet des Bréadynn....“

„Der alte Wrydunn pflegte sie Dhwyrd als Blutopfer darzubringen“, erinnerte sich Mraeghdar. „Du hättest es ihm gleichtun sollen.“

„Das tat ich auch, jedenfalls zu Beginn. Ich war kaum ein Jahr König, als sie frech mit ihren Schiffen den Bréadynn heraufgerudert kamen, bis nach Biannum. Ich traute meinen Ohren nicht, als ich einen von ihnen unsere Sprache sprechen hörte. Unter Wrydunns Augen hatten sie sich jahrelang an der Küste niedergelassen, um mit unseren Vasallen Handel zu treiben, wie ich aus dem Bürschlein herauspreßte. Ich mußte ihn nicht einmal foltern, die Drohung allein genügte. Und um nach Biannum zu gelangen, bestachen sie die Fürsten und Befehlshaber der Burgen entlang des Flußlaufs, die sie ungehindert passieren ließen.“

„Bestechung, sagst du?“ Mraeghdar spuckte verächtlich unter den Tisch. „Womit ließ das verfluchte Pack sich kaufen?“

„Mit Gold und Silber vor allem. Mit Geschmeide, mit wohlriechenden Ölen und feinem Tuch für ihre Weiber. Und noch etwas weiterem, worauf ich gleich zu sprechen kommen werde. Du wirst wissen wollen, wie ich mit den Fremdlingen verfuhr. Zwei ihrer Schiffe ließ ich mitten auf dem Fluß in Brand setzen, mitsamt der Besatzung. Die zwölf von Bord gesprungenen, die es schafften sich bis ans Ufer zu retten, ließ ich enthaupten, ebenso den Sprachkundigen; zuvor vergewisserte ich mich jedoch, daß er den Leuten des einzig übriggebliebenen dritten Schiffes unmißverständlich klarmachte, es nie wieder zu wagen, auch nur einen Fuß auf unsere Gestade zu setzen. Als Zeichen an den Herrscher ihres Landes, wie willkommen seine Abgesandten uns waren, bekamen sie dreizehn Säcke Salz mit auf den Weg.“

Mraeghdar, der Lyghdars Worte sehr wohl zu deuten wußte, strich sich über den langen Bart und lächelte verschmitzt.

„Dreizehn Säcke Salz. Du weißt, wie man Könige beschenkt, mein Freund!“

Wieder lachte der lugdrische Herrscher so räudig, wie nur er es konnte:

„Bei Gnidhrs Amboß! Was hätte ich nicht darum gegeben, das Gesicht des Bastards zu sehen, als der erste eingepökelte Kopf aus dem Sack rollte...!“

Wenn er auch nicht in Lyghdars Gebrüll mit einstimmte, war dem Großkönig die Belustigung an den geglätteten Wangen und den auf- und abhüpfenden Schultern anzusehen. Mittlerweile wurden die ersten Speisen aufgetragen. Ohne weitere Aufforderung brach sich Lyghdar einen Brocken Brot aus dem großen, frischgebackenen, noch warmen Laib vor ihm und schenkte sich Buttermilch nach, um darin zu tunken. Auch an den gekochten Wachteleiern, die gepellt in einer flachen Schüssel lagen, tat er sich gütlich. Mraeghdar nippte an der Buttermilch und langte seinerseits nach einem Brot.

„Wie bestraftest du die Verräter?“

Lyghdar, der sich gerade ein weiteres Ei in den Mund gestopft hatte, reckte das Kinn aufwärts und strich sich mit ausgestrecktem Zeige- und Mittelfinger in einer schnellen Bewegung über den Kehlkopf.

„Mitsamt der Sippe und allem Gesinde“, fügte er kauend an. „Ein einziger war mir treu gewesen und hatte mich warnen wollen. Aber die Boten, die er aussandte, wurden abgefangen, und er selbst entging nur knapp einem Mordanschlag. Du weißt, von wem ich spreche. Heute befiehlt er die zweitgrößte meiner Reiterscharen.“ Lyghdar spülte mit einem Schluck Buttermilch nach und fügte an: „Im Nachhinein muß ich sagen, daß mir die ganze Verschwörung doch sehr gelegen kam, meinen damals noch etwas wackligen Thron zu festigen.“

Mraeghdar nickte anerkennend.

„Umso verwunderlicher, daß die Fremden schließlich doch bei dir Fuß faßten....“

„Was glaubst du: wie lange dauerte es, bis sie wiederkamen?“ Lyghdar hielt einen Augenblick inne. „Noch nicht einmal ein Jahr. Zwei Dinge, über die wir reichlich verfügen, lockten sie besonders. Wenn ich dir sage, daß das eine der Bernstein ist, errätst du das andere sicher leicht.“

Über dem dichten, strohblonden Schnurrbart traten die Wangen jetzt etwas deutlicher hervor und ließen ein eisiges Grinsen erahnen.

„Salz natürlich, was sonst.“

Mraeghdars trocken vorgebrachte Antwort hatte einen weiteren Heiterkeitsausbruch des lugdrischen Königs zur Folge. Er schrie wie ein Besessener, hielt sich die Seiten und beugte sich lachend vornüber, bis sein Brustpanzer die Tischkante berührte und sein Schnurrbart fast in die Buttermilch hing.

„Salz! Du sagst es, Mraeghdar. Sollte man es für möglich halten? Salz!!“

Glucksend wischte er sich die Tränen aus den Augenwinkeln, ehe er fortfuhr: „Dieses Mal waren sie jedenfalls schlauer. Den Bréadynn heraufzuschiffen wagten sie nicht ein weiteres Mal. Stattdessen gingen sie weit östlich der Mündung vor Anker und entsandten Geschenke an die Fürsten der Südmark, und über diese wiederum an mich.“

„Was für Geschenke, Lyghdar? Etwa die gleichen, mit denen sie ein Jahr zuvor deine Herzöge bestochen hatten?“

„Mit ein paar Pfund Gold und Silber hätten sie mich schwerlich beeindruckt; aber die Sklavinnen, Mraeghdar, wenn du sie gesehen hättest!“ Lyghdar verdrehte entzückt die Augen. „Fünfzehn makellose Jungfrauen, feingliedrig, dunkelhaarig, mit vollen Lippen und ebenmäßigen Zähnen, gekleidet in weißes, durchscheinendes Tuch. Die älteste war noch keine sechzehn Jahre alt. Ihre Zöpfe waren dünner als Weizenhalme und mit goldenen und silbernen Fäden durchflochten, ihre Haut zärter als Apfelblüten. Sie sangen, spielten auf süß klingenden Flöten. Und obendrein rochen sie gut!“ Nach einem träumerisch hervorgebrummten Seufzer fuhr er fort: „Und dann kamen die Sklaven. Oder besser das, was sie in prallen Schläuchen geschultert trugen....“

Mraeghdar blickte ihn mit unveränderter Aufmerksamkeit an.

„Nun?“

„In ihrer Sprache nennen sie es Yahim oder so ähnlich. Sie pflegen es mit Wasser vermischt zu trinken. Dummköpfe! Der Yahim ist berauschender als Bier oder Met. Ich trinke ihn nur unvermischt. Hoffentlich werde ich bald einmal Gelegenheit haben, dich damit zu bewirten, dann kannst du....“

Mraeghdar unterbrach ihn, indem er ihn überraschend fest am Oberarm packte und ihm mit einer Kopfbewegung bedeutete, seinem Blick zu folgen.

„Nun sieh dir den starrsinnigen alten Esel an“, brummte er. „Aber ich dachte es mir schon. Meinetwegen, möge er dem Lehrstück selbst beiwohnen. Ich hoffe, es wird euch beide zum Umdenken bewegen.“

Zur Rechten des Großkönigs wurde eine weitere Sitzgelegenheit beigestellt, während Aedhwyn auf seinem Streitwagen langsam näher kam. Hwyldur, sein Wagenlenker, hielt die Pferde straff gezügelt und steuerte das Gefährt so behutsam er es vermochte über das unebene, leicht abschüssige Gelände. Der König schien sich nur mit Mühe aufrecht zu halten, indem er mit beiden Händen den geschwungenen, bronzenen Griff umklammerte, der den halbrunden Aufbau überragte. Mraeghdar als auch sein Gast erhoben sich und traten vor das Zelt, wo Hwyldur den Wagen anhielt.

Aedhwyn wollte ihn verärgert abwehren, aber Mraeghdar ließ es sich nicht nehmen ihn zu stützen, als er sein steif gespanntes linkes Bein auf den Boden setzte. Lyghdar packte derweil seinen rechten Arm und warf ihn sich um den Nacken, und in stillem Einvernehmen brachten sie es fertig den bhyandrischen König so vom Wagen zu heben, daß dieser sich immer noch den Anschein geben konnte, selbst herabzusteigen. Als sein Fuß den Boden berührte, zuckte er merklich zusammen, und Mraeghdar wußte augenblicklich, daß er ohne Hilfe mit aller Wahrscheinlichkeit gestürzt wäre.

„Willkommen, König Dickschädel“, raunte er ihm wohlmeinend zu. „Du kommst genau zur rechten Zeit, die Vorstellung kann gleich beginnen.“

„Ich hoffe nur, der Weg hat sich gelohnt“, knurrte Aedhwyn, dessen Stirn jetzt von dicken Schweißperlen bedeckt war. Mraeghdar hieß ihn unbesorgt sein, und gemeinsam mit Lyghdar führte er ihn an seinen Platz, mit kleinen Schritten und stets auf der Hut, ihn nicht stolpern zu lassen.

Als er endlich saß, keuchend und sichtlich erschöpft, stand ihm plötzlich Khadmyr zur Seite, sein Leibsklave. Er mußte ihm heimlich zu Fuß gefolgt sein. Lyghdar und Mraeghdar waren über sein unerwartetes Auftauchen nicht weniger überrascht als Aedhwyn selbst.

„Was zum.... Wer hat dich hierherbefohlen?“ raunzte er den Diener übellaunig an. Khadmyr beugte sich vor und flüsterte ihm etwas ins Ohr, was ihn milder zu stimmen schien, und nachdem er ihm mit einem mitgebrachten Schweißtuch sorgsam das Gesicht abgetupft hatte, trat er zurück, um sich im hinteren Teil des Zelts für seinen Herrn in Bereitschaft zu halten. Als der erste Ärger verflogen war, standen Aedhwyn Stolz und Befriedigung geradezu ins Gesicht geschrieben. Hätte ein Diener seine Treue besser unter Beweis stellen können als durch eine derartige Zuwiderhandlung?

Nun wurde das Fleisch eines gerösteten Hammels aufgetragen, und jeder der drei Könige bekam ein vergoldetes Trinkhorn hingestellt. Ein Sklave schenkte Met aus einem Ziegenbalg aus. Während Mraeghdars und Lyghdars Unterredung, ehe Aedhwyn zu ihnen gestoßen war, waren auch die Vorbereitungen zur Hinrichtung der kydhrischen Gefangenen vorangeschritten. Beide Pfähle ragten jetzt aus dem Boden, und die an ihrer Basis gleichmäßig aufgeschichteten Scheiterhäufen ragten etwa bis in Brusthöhe der zur Seite stehenden Fackelträger.

Lyghdar stürzte ein halbes Horn voll Met hinunter und hieb mit unvermindertem Appetit in das Hammelfleisch ein. Aedhwyn, der keineswegs zu einem Festmahl aufgelegt schien, begann wie aus Höflichkeit an einem Rippenstück zu nagen und führte zerstreut einen Bissen Brot zum Mund.

„Lyghdar“, wandte sich der Großkönig an seinen zur Linken sitzenden Gast und stieß ihm verschwörerisch mit dem Ellbogen in die Rippen, „ich mache mir Sorgen um Aedhwyn. Er war noch nie einer der ausgelassensten Gäste; aber so betrübt habe ich ihn noch selten gesehen.“

„Vielleicht sollten wir ihn ein wenig aufheitern?“

„Hast du auch eine Ahnung, womit?“

Der Lugdhir leckte sich das Fett von den Fingern und nahm einen weiteren Zug aus dem Trinkhorn. Schließlich wies er mit ausgestrecktem Arm auf die Gefangenen und verkündete:

„Deine Besucher sollen ihm etwas vorsingen.“

„Ausgezeichnet!“

Mraeghdar gab den Fackelträgern ein Zeichen. Diese senkten ohne zu zögern die mit Pech getränkten, brennenden Kienhölzer, schoben sie unter die Scheiterhäufen und entfernten sich. Das Reisig, mit dem die massigen, obenaufliegenden Kiefernscheite unterlegt waren, fing im Nu Feuer; als die Flammen knisternd auf das dünne Gezweig übergriffen, hob der am rechten Pfahl hängende verschreckt den Kopf, so als wäre er aus einer vorübergehenden Bewußtlosigkeit erwacht.

Mraeghdar winkte Hraedlin heran und erteilte ihm über die Schulter hinweg einen knappen Befehl. Während sich der Angesprochene eilends davonmachte, schien auch der Gefangene am linken Pfahl zu sich zu kommen und starrte mit geweiteten Augen auf die Scheite unter seinen Füßen. Schweiß trat auf seine Stirn und floß in Bächen an seinem nackten Oberkörper herab. Seinem Mitgefangenen ging es nicht anders. Das Holz war gut abgelagert und allenfalls an der Oberfläche vom Sprühregen etwas feucht geworden; mit vernehmlichem Knacken, und unter geringer Rauchentwicklung, fraßen sich von der Unterseite her rötlich-gelbe Flammen hinein. Als sie über die am weitesten oben liegenden Scheite leckten, begann die Luft darüber zu flimmern.

Mraeghdar biß herzhaft in eine Hammelkeule und ließ aufmerksam den Blick von einem zum anderen wandern. Der linke starrte regungslos und mit leicht geöffnetem Mund über das Zeltdach hinweg und stimmte sein Sterbelied an. Der rechte dagegen begann sich zu winden, wobei er keine Sekunde lang den Blick von den zwischen den Scheiten hindurchzüngelnden Flammen unter sich abwandte.

Und da traf er ein, Kalyomelas, in Begleitung der Leibgarde, die er nach ihm ausgesandt hatte. Der Großkönig gebot ihm mit einer abrupten Armbewegung Einhalt, als er sein umständliches Begrüßungsritual einleiten wollte; im Aufstehen wischte er sich mit einem Tuch das Fett von den Händen und trat vor das Zelt.

„Frag ihn, ob er leben will!“

Mit diesen Worten deutete Mraeghdar auf den Beodhir zur Rechten.

In Kalyomelas’ breitwangiger Miene spiegelte sich augenblicklich Unwillen. Jedoch schien ihm noch das Erlebnis vom Vortag in den Knochen zu stecken, als er unbedachterweise den Zorn seines Gebieters erregt hatte und nur um Haaresbreite dem sicheren Tod entronnen war. Mraeghdar beobachtete genau das gleiche Zucken um den vernarbten Mund; aber der Yildhir beeilte sich, seinem Befehl Folge zu leisten, und schrie mit rissiger Stimme etwas zu dem zusehends von den Flammen bedrängten Gefangenen hinauf.

Die Antwort ließ nicht auf sich warten.

Unverzüglich befahl Mraeghdar, das Feuer zu löschen und den Beodhir loszubinden. Mit donnernder Stimme trieb er die Männer zur Eile an. Rasch wurden die noch glimmenden Scheite zerstreut und mit hastigen Spatenstichen das Erdreich an der Basis wieder ausgehoben, so daß der Pfahl nach hinten umgelegt und der Gefangene von seinen Fesseln befreit werden konnte.

„Auf die Füße mit dir, du Hund!“ brüllte Mraeghdar.

Zwei Soldaten zerrten den immer noch vor Angst schlotternden Beodhir hoch und hielten ihn an den Schultern gepackt. Auf Mraeghdars Zeichen hin verließ Hwyrdun seinen Posten an der Rückwand des Zelts und brachte dem Großkönig, was dieser ihm am Abend zuvor in einstweilige Verwahrung gegeben hatte.

Es war der erbeutete Kriegsbogen, an dem er sich gestern selbst erprobt hatte. Und dazu ein einziger Pfeil.

Von jetzt an mußte Mraeghdar den anderen Gefangenen übertönen, dessen einförmiger Gesang in ein durchdringendes Heulen übergegangen war. Er hielt dem ungläubig die Augen weitenden Beodhir die Schußwaffen vors Gesicht, schrie Kalyomelas die Bedingungen der unerwarteten Begnadigung ins Ohr, die er in kydhrischer Sprache wiederzugeben hatte, und deutete dabei mit dem freien Arm auf einen bestimmten Punkt hügelabwärts, wo ein großer, flacher Stein lag.

Dem Kydhmar wich auch der letzte Rest von Farbe aus dem Gesicht, als er verstand.

Während er mit Pfeil und Bogen in der Hand und gefolgt von zwei Soldaten auf die angewiesene Stelle zutaumelte, wurden auf Mraeghdars Befehl hin einige Holzscheite aus dem jetzt lichterloh brennenden Haufen zur Linken gerissen. Die Füße des darüber Festgebundenen waren mittlerweile schwarz verkohlt. Das Feuer kroch an seinen Beinkleidern hinauf. Die Höhlen vermochten kaum mehr das Weiß seiner Augen zu halten, das die Pupillen von allen Seiten umschloß, und sein Mund überdehnte die Gesichtszüge zum dämonenhaften Spottbild eines Lachenden. Dabei weinte er wie ein Kind. Ein entsetzlicher Geruch erfüllte die Luft; Lyghdar hielt sich mit gespielter Empörung die Nase zu, und Khadmyr kniete kreidebleich vor dem Zelt auf dem Boden und übergab sich. Mraeghdar kehrte dem jungen Sklaven den Rücken zu und wartete mit vor der Brust verschränkten Armen.

Und dann geschah es. Genau wie er erwartet hatte.

Die schrille Stimme des dem Feuertod nahen Beodhir gab einem Röcheln statt, als der Pfeil sein Herz durchbohrte und seitlich wieder aus dem Brustkorb trat. Sein Blick aus weit aufgerissenen Augen drückte so etwas wie Überraschung aus, ungläubig starrte er auf den schräg aus seiner Brust ragenden, gefiederten Schaft; dann bäumte sich der mit angewinkelten Armen am Querbalken hängende Körper noch ein letztes Mal auf und sackte leblos und mit auf die Brust gesunkenem Kinn in sich zusammen.

Mraeghdar befahl das Feuer endgültig zu löschen und sandte einen Soldaten nach Yldrun aus. Lyghdar hatte sich derweil von seinem Sitz erhoben und war zu ihm getreten. Stutzig geworden, prüfte er mit zusammengekniffenen Augen die mutmaßliche Flugbahn des Pfeils, die knapp am vorderen Zeltpfosten vorbei gegangen sein mußte. Dann blickte er den beiden Soldaten entgegen, die den gänzlich erschöpften, erneut bewußtlos gewordenen Schützen an den Füßen hinter sich her schleifend den Hügel heraufkamen.

„Wie weit....“

„Dreihundert Schritte. Abgemessen von mir selbst. Du wirst bemerkt haben daß der Schuß....“

Ein überraschter Ausruf Khadmyrs ließ die beiden Könige alarmiert herumfahren.

Aedhwyns Oberkörper hing über den Tisch gebeugt und sein Gesicht lag seitlich im Teller. Der Leibsklave hatte ihn bereits in die Sitzhaltung zurückgeholt, als sie hinzugeeilt waren. Mraeghdar schob polternd Speisen und Geschirr beiseite. Dann nahm er Aedhwyn bei den Schultern; Lyghdar packte ihn an den Füßen, und gemeinsam wuchteten sie den bhyandrischen Herrscher auf die Tischplatte, wo er rücklings zu liegen kam. Aus seiner Ohnmacht schien er vorerst nicht zu erwachen, auch nicht als Khadmyr seinen Überwurf abnahm, ihn in mehrere Schichten zusammenlegte und seinem Herrn als Kissen unter den Nacken schob.

„Wo bleibt Yldrun?“ donnerte der Großkönig in Richtung einiger tatenlos herumstehender Soldaten. „Die Heilerin! In Khwéals neunmal verfluchtem Namen, muß ich euch Beine machen?! Schafft mir Yldrun herbei, aber schnell!“

Die Soldaten machten sich davon, als wäre der Totengott selbst hinter ihnen her. Mraeghdar riß einem in der Nähe verbliebenen Krieger höheren Ranges den wollenen Umhang von den Schultern und warf ihn dem immer noch besinnungslos im nassen Gras liegenden beodrischen Schützen über.

„Was hast du vor mit ihm?“ fragte Lyghdar, nicht ohne einen abfälligen Seitenblick.

„Was würdest du tun, nach allem was du gesehen hast?“

Lyghdars Gesichtsausdruck war zu entnehmen, daß kein Vorschlag von ihm zu erwarten war. Mraeghdars graue Augen verengten sich leicht.

„Gestern morgen“, sinnierte er, „gestern vor der Schlacht machtest du mir zum ich weiß nicht wievielten Mal zum Vorwurf, wie deine Männer damals in einen beodrischen Hinterhalt gerieten....“

„Vergiß nicht, unter wessen Führung.“

„....und welchen Schaden sie dabei erlitten. Schön. Hier hast du einen weiteren Beweis für die Schlagkraft der Bogenschützen. Laß einen von ihnen die ganze Nacht bei Kälte, Wind und Regen halbnackt am Schandpfahl hängen; dann gib ihm die Möglichkeit, durch einen einzigen Schuß selbst dem Feuertod zu entrinnen und zugleich seinen Stammesbruder von der Marter zu erlösen, und entkräftet wie er ist, verfehlt er sein Ziel auf dreihundert Schritte Entfernung nicht.“ Mraeghdar schwieg einen Augenblick, ehe er fortfuhr: „Mit solchen Feinden haben wir es bei den Beodhrim zu tun. Ihre Scharen werden immer zahlreicher, ihre Pfeilspitzen immer tödlicher. Sag mir, Lyghdar, König der Lugdhrim: was haben wir ihnen auf lange Sicht entgegenzusetzen?“

Und da die Antwort ausblieb, ganz gemäß seiner Erwartung, erteilte der Großkönig sie selbst:

„Ihre eigenen Waffen.“

Lyghdar brummte etwas unverständliches, während er sich abwandte und zurück unter das Zeltdach begab.

Da endlich hörte Mraeghdar hinter sich die vertraute Stimme:

„Du hast mich rufen lassen, Großkönig?“

Gemessenen Schrittes kam sie den Hang herab, Yldrun, in Begleitung zweier junger Schülerinnen, von denen jede ein mit Utensilien und Arzneimitteln gefülltes Tuch zum Umhängen an der Hüfte trug. Die korpulente Frau mit dem graumelierten Haar und den wasserfarbenen Augen wogte ohne Umschweife dem Tisch zu, auf dem Aedhwyn ausgestreckt lag. Mraeghdar schnitt ihr überraschend den Weg ab.

„Ehe du dich des Königs annimmst: siehst du den Kydhmar da am Boden liegen? Ich brauche ihn, und ohne deinen Beistand krepiert er womöglich. Du bürgst mir mit deinem Leben für ihn, hörst du?!“

„Ich werde tun was ich kann“, erwiderte Yldrun unbeeindruckt. „Laß ihn in mein Zelt bringen und beordere zwei Wachen ab. Und einen kydhrischen Dolmetscher. Und.... ah, Kalyomelas, dich suchte ich. Dein Bruder ist tot. Mögen die Geister seiner Ahnen ihn sicher hinabgeleiten. Seine letzten Atemzüge tat er unter meiner Obhut, ich komme geradewegs aus seinem Zelt. – So, und jetzt zu Aedhwyn. Seine Gesichtsfarbe verrät mir nichts Gutes....“

Sie beugte sich über den König und versuchte, ihn mit mehreren leichten Wangenschlägen zu sich zu bringen. Als dies nicht gelang, zog sie mit Daumen und Zeigefinger nacheinander die Lider beider Augen auseinander und blickte prüfend darunter. Dann begann sie, vom Bauch an aufwärts, das lederne Wams zu öffnen.

„Helft mir mit dem Verband“, befahl sie ihren beiden Begleiterinnen. Diese entledigten sich augenblicklich ihrer Traglast und gingen ihrer Lehrmeisterin zur Hand, indem sie den regungslos daliegenden Körper sachte anhoben oder zur Seite drehten. Mehrmals blinzelte Aedhwyn und ließ ein mühsam hervorgebrachtes Stammeln vernehmen, kam jedoch nicht ganz zu Bewußtsein.

Mit wenigen, geschickten Handgriffen waren die Bandagen schließlich gelöst; als Yldrun das Pflaster entfernte und die darunterliegende Wunde sah, sog sie mit einem zischenden Geräusch Luft durch die Zähne ein.

„Kundra, rasch: zwei Sklaven mit einer Tragbahre! Brygida, bring dieses Messer zu Vaelundar, er weiß, was er zu tun hat....“ Die Heilerin klatschte energisch in die Hände. „Beeilt euch!“

„Vaelundar?“ Lyghdar schien ehrlich verblüfft. „Der Feldschmied?“

„Der beste von allen“, ließ Yldrun verlauten. „Bei ihm lernte Irmwyn das Handwerk. Sein Geschick würde selbst Gnidhr neidisch machen. Frag Mraeghdar.“

„Irmwyn ist unübertrefflich“, bestätigte der Großkönig, „aber nur weil sein alter Meister darauf beharrt, sein Leben mit den Kriegern zu teilen. Unterhielte Vaelundar eine Werkstatt in Kadhlynaegh, stünde Irmwyn noch immer in seinem Schatten.“

„Und wie kann ein Schmied....“

„....einer Heilerin nützlich sein?“ Furchtlos hielt Yldrun Lyghdars funkelndem Blick stand. Sie genoß es, ihre auf Ansehen beruhende Macht vor den Königen auszuspielen. Keiner von ihnen, noch nicht einmal Mraeghdar, würde es wagen, Hand an sie zu legen, wie oft sie ihnen auch ins Wort fiel oder sie gar zurechtwies. „Komm mit vor Vaelundars Esse, und sieh selbst. Deine starken Arme und zupackenden Hände sind ebenfalls willkommen.“

Selbst das schluckte Lyghdar. Schweigsam folgte er, mit düsterer Miene und angespannten Kiefermuskeln; aber er folgte.

So standen sie kurz darauf in Vaelundars Feldwerkstatt um Aedhwyn herum, der auf einem niedrigen, robusten Holztisch aufgebahrt lag: der Großkönig an der rechten, Lyghdar an der linken Schulter, Hraedlin und Hwyrdun in Kniehöhe; Gwynnar und Khadmyr hielten sich am Fußende bereit. Aedhwyn war mittlerweile wieder halbwegs zur Besinnung gekommen, wie sehr man während des Transports auch versucht hatte, genau dies zu vermeiden.

„Bastarde“, brachte er mühsam hervor, „was habt ihr mit mir im Sinn?“

Argwöhnisch, mit Fieberglanz auf den Augen, blickte er um sich. Im Hintergrund werkelte Vaelundars hinkende Gestalt an der Esse. Als er einen flüchtigen Blick über die Schulter warf, wurde eine über die rechte Gesichtsseite gespannte Augenklappe aus schwarzem Leder sichtbar.

Schließlich trat eine große, behäbige Frauengestalt links neben ihn und verschränkte die Arme vor der ausladenden Brust. In ihrem Blick spiegelte sich milde Teilnahmslosigkeit.

„Aedhwyn.“

Und da eine Antwort ausblieb, fügte sie an:

„Wißt Ihr, wer ich bin, König Aedhwyn?“

Immer noch zögerlich, entgegnete der Angesprochene:

„Yldrun. Was beim....“

„Sein Verstand ist klarer als mir lieb ist“, seufzte die Heilerin, indem sie ihm den Rücken zuwandte. „So sei es denn. – Vaelundar?“

Der Schmied nahm einen Gegenstand aus dem Feuer der Esse. Prüfend musterte er die nach Art eines Dolchs geformte, jetzt dunkelrot glühende Klinge, die Brygida ihm auf Yldruns Geheiß kurz zuvor überbracht hatte.

„Noch nicht ganz, Yldrun.“

„Will mir jemand erklären, was hier gespielt wird?“ knurrte Lyghdar ungehalten, als Vaelundar die Klinge wieder in die Esse legte und sich anschickte, das Feuer aufzufachen.

„Vor vielen Jahren“, ließ Yldrun nach kurzem Schweigen verlauten, „als ich noch eine Gehilfin Yghias war, unternahm Bryannar jenen Feldzug gegen die Masgadhrim, von dem er selbst nicht mehr lebend zurückkam. Aber außer Bryannars Leichnam führte das vandrische Heer auch eine ansehnliche Schar Gefangener mit ins Winterquartier. Einer von ihnen war der alte Xailyppo. Als Yghia von seinen Heilkenntnissen erfuhr, für die er unter den Masgadhrim berühmt war, kaufte sie ihn in ihren Dienst. Nun befand sich unter den wenigen Dingen, die er mit sich führte, ein Werkzeug, das er – und nur er! – zum Stillen des Blutes zu verwenden wußte; in dieser Kunst unterwies er Yghia, und von ihr habe ich selbst sie gelernt. Jenes....“

„Yldrun!“

Die Angesprochene drehte sich um. Zwischen Vaelundars Gesicht und dem ihren ragte das Messer auf, dessen Griff der Schmied mit der rechten Faust umklammert hielt. Er hatte den ledernen Schutz jetzt aufgeklappt, und in beiden Augen spiegelte sich metallene Glut, rot wie die eisige Sonne an einem klaren Morgen im Mittwinter.

„Warte noch ein klein wenig....“

Vorsichtig nahm die Heilerin das Messer aus Vaelundars Hand. Bei näherem Hinsehen wäre erkennbar gewesen, daß sich eine eingravierte Schlange um den beinernen Griff wand.

„Diese Klinge, Lyghdar: weißt du, wie viele deiner Krieger sie schon von Khwéals Schwelle zurückgeholt hat?“

Mit steifer Miene bestaunte der Lugdhir das glühende Eisen.

„Vor Urzeiten“, fuhr Yldrun fort, „wurde sie von Aegnis gefertigt, den die Masgadhrim als Gott der Schmiedekunst verehren. Als sein Geschenk kam sie herab auf die ersten Heilkundigen unter den Menschen; Xailyppo hatte sie einst aus der Hand seines Meisters empfangen, und der wiederum von dem seinen, und der von seinem eigenen.... bis zurück in die Zeit, als ein großer Zwist die Götter gegeneinander aufbrachte. – So versicherte es uns Xailyppo auf dem Sterbelager.“

„Jetzt“, raunte Vaelundar, der keine Sekunde den Blick von der mählich ausglühenden Klinge abgewandt hatte. „Yldrun, rasch!“

„Aber nicht nur zum Stillen des Blutes ist sie geeignet.“

Blankes Entsetzen malte sich in Aedhwyns Gesicht, als die Heilerin das immer noch glühende Eisen unmittelbar über seine Hüftwunde hielt.

„Seid Ihr bereit, Aedhwyn, König der Bhyandrim?“

Statt einer Antwort weitete der so Gewarnte noch mehr die Augen, die jetzt starr auf das Messer gerichtet waren, und spannte sämtliche Glieder an. Als wäre er bereits genesen, schien auf einmal alle Schwäche dahin.

„Ich werde bis fünf zählen.“ Und den Blick fest auf Mraeghdar gerichtet, fügte die Heilerin an: „Ihr haltet ihn nieder. Gemeinsam. Und mit aller Kraft!“

Der Gott des Zwielichts

Подняться наверх