Читать книгу 15000 Jahre Mord und Totschlag - Joachim Wahl - Страница 21
Abfälle der Trinkschalen-Herstellung?
ОглавлениеMenschliche Schädeldächer, die zu Trinkschalen umgearbeitet wurden, kennt man aus Tibet und anderen Teilen der Welt oder aus historischen Überlieferungen. Es handelt sich dabei um Zeremonialgefäße. Inwieweit man das auf vorgeschichtliche Funde übertragen kann, muss in jedem einzelnen Fall diskutiert werden, zumal dann, wenn nur ältere Beschreibungen vorliegen. Allein das Fehlen bestimmter Teile der Schädelbasis oder die – möglicherweise unter natürlichen Bedingungen zufällig entstandene – gefäßähnliche Form einer Schädelkalotte genügt noch nicht, um dahinter eine Absicht zu sehen. Es müssen eindeutige Zurichtungsspuren erkennbar sein. Ein interessantes Beispiel dafür ist die als etwa gleichaltrig mit den Dietfurter Schädelteilen eingestufte Kalotte eines älteren Mannes vom Röthekopf bei Bad Säckingen, die 1920 ausgegraben wurde. Sie vermittelt den Eindruck eines Gefäßes. In einer sehr detaillierten Beschreibung von Kurt Gerhardt wurde sie 1977 als „Opfer- oder Spendenschale“ bezeichnet, während bei einer später durchgeführten Nachuntersuchung keine eindeutigen Manipulations- oder Abnutzungsspuren festgestellt werden konnten. Lediglich ein größerer Defekt in der Stirnmitte lässt sich wohl auf Gewalteinwirkung am frischen Knochen zurückführen, eventuell einen Schlag, der den Tod des Mannes zur Folge hatte. Neuere 14C-Daten lassen inzwischen auch Zweifel ob des jungpaläolithischen Alters dieses Fundes aufkommen.
Ein bis ins Detail nahezu identisches Stück ist in einem römischen Brunnen in Pforzheim gefunden worden. Deutlich älter – ca. 20.000 Jahre – sind wiederum zwei „Schädelbecher“ aus der Höhle Le Placard bei Vilhonneur (Frankreich), von denen leider nur Zeichnungen existieren. Ebenfalls als magdalénienzeitlich gelten 38 kleinteilige, über und über mit Kratz- und/oder Schnittspuren versehene Knochenfragmente aus der Brillenhöhle bei Blaubeuren, wobei der vorhandene Kalottenrest im Rahmen einer Sekundärbestattung als Behälter für die übrigen Stücke gedient haben könnte.