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Götz - Modernes Trauerspiel aus dem evangelischen Kindergarten von Berlichingen -
ОглавлениеPersonen:
Kindergartenkinder:
Götz
Maik Weislingen
Philipp
Florian
Adelheid
Erzieherinnen:
Frau Liebetraut
Frl. Maria
Götz' Vater
FLORIAN. | Frau Liebetraut, mei Gummibärle sind weg! | |
LIEBETRAUT. | Da muscht halt genou in dei Fächle nachluege. | |
FLORIAN. | Aber do sind sie nedde! | |
PHILIPP. | Maria, wo isch mei Tischört? I werd gleich abg'holt, und i brauch ... | |
MARIA. | Was hasch für e Tischörtle, Philipp? | |
PHILIPP. | A rodes von Lakoscht. Hier, an däm Hake wars. I war nur Pipi mache. | |
LIEBETRAUT. | (zu Maria) Wenn d'Kerle so ordentlich wäret wie däne Mädle, hättet m'r koi Probläme. | |
MARIA. | Ha noi, aber jetzetle isch des ebbes andres. I han ou g'säh, wie d'r Florian ebe noch sei Tütle mit dene Gummibärle in sei Fächle g'tan hat. | |
LIEBETRAUT. | Moisch, m'r hent a Dieb onder däne Büble? | |
MARIA. | Schoo möglich. Viele Eldern sind Geschäftsleit oder Lährer, woisch? | |
LIEBETRAUT. | Hasch recht. Und Jurischte. S'kann ooaagnähm werde, wenn m'r oin erwischet. | |
MAIK WEISLINGEN. | Frau Liebetrout, i muss dir ebbes sage. | |
LIEBETRAUT. | Was isch, Maik? | |
MAIK WEISLINGEN. | D'r Götz hat onder sei Pullover das Tischörtle vom Philipp. I habs genou gsäh! Aber verrat mi nedde! | |
LIEBETRAUT. | Isch wahr? Götzle, kommsch emol her? | |
GÖTZ. (Gummibärchen mampfend) | Warum? | |
MARIA. | Götzle, was kausch da? | |
GÖTZ. | Gummibärle vom Florian. | |
MARIA. | Götz, schäm dich! Die darfsch ihm doch net wegnähme! | |
GÖTZ. (mampfend) | Warum net? | |
LIEBETRAUT. | Götz, jetz isch genug. Komm här, gibsch Tütele und zieh's Tioschörtle vom Philipp aus. | |
GÖTZ. | I will erscht wisse, wär mich verpetscht hat. | |
ADELHEID. | Der Maik wars! | |
MAIK WEISLINGEN. | Du bisch gemein! I denk, du bisch mei Freundin!" | |
ADELHEID. | Noi, bin i net mähr! Du hasch Götz verrrade! I go jetz mit em andern, ätsch! | |
LIEBETRAUT. | Adelheid, bisch ruhig! | |
GÖTZ. | Verräter! | |
LIEBETRAUT. | Götzle, koi Wort meähr. Här mit dem Kruscht! | |
GÖTZ. (Springt auf einen Stuhl und klettert auf den Großen Kleiderschrank. Von oben:) | I gebs net her. Alles mois. | |
MARIA. (zunehmend verstört) | Götz, warum hasch gestohle? | |
GÖTZ. | Weil freiwillig hättet sie's mir net gäbe! | |
LIEBETRAUT. | Götz, du bisch a Dieb, auf frischer Tat, äh, wie soll i sage, also mir rufet jetzetle d'r Kirchevorstand aa und dei Eldern. Solle die entscheide. I gloub, du bisch untragbar. (Ab zum Telefon) | |
GÖTZ. (plötzlich hochdeutsch deklamierend) | Ich bin ein freier Mann und nehme mir, was ich will. Wenn ihr mich kriegen wollt, holt mich. Dann stürz ich mich kopfüber hinunter! | |
MARIA. | Götz, sei vernünftig! | |
(Frau Liebetraut kehrt zurück.) | ||
GÖTZ. | Ich gehorche nur dem Bundespräsidenten. Und ihr blöden Kindergartentanten könnt mich im Arsch lecken. | |
(Entsetztes Tuscheln unter den Kindern) | ||
MARIA.(zu Liebetraut) | Moisch, er isch zu früh entwöhnt? | |
LIEBETRAUT. | Ha noi, der isch frühreif. | |
MARIA. | Schwätze kann er jedefalls. | |
(Götz' Vater erscheint, grüsst die Damen flüchtig, greift seinen brüllenden Sohn wortlos vom Schrank und schleppt ihn hinaus.) | ||
LIEBETRAUT. | Nur Charakter hat er koin. | |
GÖTZ. (aus dem Hintergrund) | FREIHEIT! | |
MARIA. | Früher wär so oiner Raubritter g'worde. | |
LIEBETRAUT. | Merk dirs Gesichtle. Den sähet m'r oines Tages im Fernsähn wieder. Als Ondernähmer oder Poliddiger. |
(Vorhang)